4.5" Einstiegsprojekt - eine Dokumentation

  • Hallo Astrogemeinde,


    an dieser Stelle möchte ich meine Erfahrungen zum Einsteig in die Welt des Spiegelschleifens mit euch teilen. Der Beitrag soll als Dokumentation dienen, denn der Spiegel ist mittlerweile fertig. Vielleicht ist die eine oder andere Anregung für Neulinge dabei.


    Die Beschichtung hat dankenswerterweise Kai (fraxinus) übernommen. In diesem Beitrag werde ich dann von Zeit zu Zeit über den Zustand der Schicht berichten.


    Da ich kein Freund von langen Einzelbeiträgen bin, kommt die folgende Dokumentation Schritt für Schritt.


    Viele Grüße,
    Andreas

  • Die Idee hinter dem Einstiegsprojekt:


    Mein eigentliches Ziel ist der Selbstschliff eines 12" f/4.2, doch ohne Übung wollte ich nicht direkt an so ein Kaliber herangehen. Also musste etwas einfaches als Übungsprojekt her.


    Da war doch noch mein fast 30 Jahre alter und seit langem unbenutzter 114/900 Newton. Vor einiger Zeit ist der Fangspiegel abgefallen und natürlich auf den Hauptspiegel geknallt. Also was lag näher, als einen neuen Hauptspiegel zu schleifen. Zur Übung der Parabolisierung dann aber mit kürzerer Brennweite. Tubus kürzen ist ja kein Problem.


    Zusammen mit dem Rohling und Material für den 12-Zöller habe ich gleich einen 115mm Rohling bei Stathis mitbestellt. Somit war das Zeil definiert: Ein 115/600 Netwton soll es werden, mit f/5.2 auch nocht nicht zu anspruchsvoll.

  • Das Schleifen:


    Ein Schleiftool war schnell gefunden, der alte beschädigte 4.5" Spiegel. Die Schleifseite ist natürlich die plane Spiegelrückseite. Dass damit die andere Seite des Tools leicht konkav ist, sollte bei dem Dicken- zu Durchmesser-Verhältnis kein Problem darstellen.
    Zur Kontrolle der Pfeiltiefe standen mir ein Balken- und Ringsphärometer zur Verfügung (beide Selbstbau).


    Grobschliff:
    Karbo 80 -> 4 Std. (Pfeiltiefe erreicht)


    Feinschliff:
    Karbo 180 -> 3 Std.
    Karbo 320 -> 2 Std.


    Glätten:
    Microgrit 25µm -> 60 Min.
    Microgrit 15µm -> 45 Min.
    Microgrit 9µm -> 30 Min.
    Microgrit 5µm -> 30 Min.
    Microgrit 3µm -> 45 Min.


    Insgesamt also 12.5 Stunden Schleifzeit. Das Tool war aus weicherem Glas und deutlich mehr abgeschliffen als der Rohling.


    Zweimal hatte ich das Problem, dass Tool und Rohling festgebacken sind, und zwar bei der 25µm und 15µm Korngröße. Zum Glück konnte ich das mit Heiß- und Kaltwasserbäder wieder lösen. Bei den kleineren Korngrößen hatte ich dann schon soweit Erfahrung, dass mir das nie mehr passiert ist.

  • Das Polieren:


    Die Vorbereitung mit Gießen der Pechhaut, Kanäle einritzen und anpressen an den Spiegelrohling hat etwa 2 Stunden in Anspruch genommen.


    Dann ging es wieder zurück an meinen Arbeitsplatz zum Polieren. Die Unterlage ist aus einer alten Küchenplatte und liegt drehbar auf einem Barhocker (die gleiche Anordung habe ich übrigens auch zum Schleifen verwendet).
    Polierzeit bis zur auspolierten Sphäre waren 6 Stunden.



    Hier noch eine Nahaufnahme von Spiegelrohling und Tool


    Soweit für heute, morgen dann das Parabolisieren
    Viele Grüße,
    Andreas

  • Hallo Leute,


    weiter geht es mit dem Bericht, das Parabolisieren:


    Insgesamt habe ich 4.5 Stunden Polierzeit benötigt. Dazu kommen mindestens noch wietere 10 Stunden für das Messen und Auswerten (Foucaulttest).


    Das Vorgehen für das Parabolisieren habe ich hauptsächlich aus dem Buch "A Manual for Amateur Telescope Makers" von Karine & Jean-Marc Lecleire, zum Teil auch aus dem Texereau und aus dem Forum hier.


    Die Foucaultmessungen habe ich mit FigureXP ausgewertet.
    Für ein finales Interferogramm hatte ich Zugang zu einem Zygo-Interferometer. Die Auswertung erfolgte mit FringeXP.


    Die erste Sitzung, Parabolisieren über Mitte, 30 Minuten, 4/5-Strich, MOT.
    Das Ergebnis war dramatisch: Ein tiefes zentrales Loch und ein breiter Rand noch sphärisch.


    Erste Maßnahme, Parabolisieren über Rand, 15 Minuten, 1/2-Strich, TOT.
    Zweite Maßnahme, 60 Minuten, 1/3 W-Strich, abwechselnd MOT-TOT.
    Jetzt erst war es sinnvoll eine erste Foucaultmessung mit Coudermaske (4 Zonen) zu machen. Ergebnis war ein immer noch Faktor 2.5 überkorrigierter Spiegel.


    Die nächsten 2 Sitzungen, insgesamt 60 Minuten, kurze W-Striche, abwechselnd MOT-TOT.
    Ergebnis: Beide inneren Zonen noch zu tief, beide äußeren Zonen zu flach, aber Zone 1 zu Zone 4 passt recht gut.


    Die nächste Sitzung zum Retouchieren der 70% Zone, 45 Minuten, 1/4 W-Strich über 70% Zone, TOT.
    Ergebnis: Eine recht gute Ellipse mit conic -0.7


    Jetzt hatte ich also einen guten neuen Startpunkt für das weitere Parabolisieren. Im Prinzip habe ich wieder so verfahren wie zuerst, nur diesmal mit deutlich reduzierten Zeiten. Ich hatte hizugelernt, dass man beim Parabolisieren besser in 5 Minuten Intervallen denken sollte, als eine halbe Stunde ohne Prüfung zu polieren.


    Weitere 5 Sitzungen mit jeweiliger Prüfung des Fortschritts, insgesamt 60 Minuten
    Ergebnis siehe folgende Bilder:





    Nun war also der Spiegel fertig (dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt, dazu später mehr).


    Viele Grüße,
    Andreas

  • Hallo zusammen,


    hier ist der Abschluss des Berichts und warum der Spiegel doch noch nicht fertig war.


    Der noch unbeschichtete Spiegel lag ein Jahr im Schrank, eingebaut in der Spiegelzelle und gut verpackt im Karton. Mittlerweile habe ich den 12"-Spiegel fertiggestellt (http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=192642) und beide Spiegel waren bereit zum Beschichten.


    Als ich den 4.5" aus dem Karton holte, dummerweise auf der Trittleiter stehend ganz oben im Schrank ausgepackt, ist es passiert: Der Spiegel samt Spiegelzelle entgleitet mir und knallt aus 2 Meter Höhe über die Trittleiterstufe auf den Boden. Welch ein Schreck. Glücklicherweise war die Spiegeloberfläche unbeschädigt, die Spiegelzelle hat den Sturz aufgefangen. Nach dem Ausbau aus der Zelle war dann am Spiegelrand an der Rückseite doch zwei Beschädigungen vorhanden: Muschelbrüche an den Stellen, wo der Spiegel in der Zelle gehalten wird.



    Da ich mittlerweile ein PDI hatte, habe ich den Spiegel nachgemessen, ob die Beschädigung auf die Vorderseite durchschlägt. Man erkennt doch ganz deutlich die Verformung an der Stelle des großen Muschelbruchs:



    Immerhin hat der Spiegel noch 84% Strehl, wäre so also noch brauchbar. Trotzdem habe ich es mir nicht nehmen lassen, nochmals nachzupolieren. Mehrere Sizungen mit insgesamt 1 Stunde Polierzeit haben sich gelohnt:



    Es ist zwar noch ein Loch erkennbar und ich habe etwas Randabfall dazu bekommen. Insgesamt war ich mit diesen Werten aber zufrieden. Und weil das PDI (Plättchen von Michael Koch) gerade aufgebaut war, habe ich zum Abschluss einen Lyottest gemacht:



    Kurz darauf ging der Spiegel an Kai zum Beschichten. Jetzt über die Weihnachstzeit, Neumond und viele klare Nächte, konnte ich ausgiebig mit dem 4.5-Zöller beobachten. Vielleicht wird es dazu mal einen anderen Bericht geben.


    Viele Grüße
    Andreas

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