Bericht vom 10. HTT

  • Im „Teleskoppark Jeßnigk“


    Auch wenn es etwas spät kommt, das HTT hat sich einen weiteren ausführlichen Bericht wahrlich verdient! Und das kann ich nur aus meiner Perpektive...


    Aber was war das für eine „Ochsentour“! Schon Monate vorher wurde mit meinem Vater abgesprochen, wann er Urlaub nehmen könnte, um mit meiner Mutter Micha (6 Jahre) und Svenja (2) ein paar Tage oder eine Woche im Spreewald betreuen zu können. Doch mein Chef halste mir ausgerechnet freitags eine Arbeitszeit bis 15 Uhr auf. Und meine Frau durfte ausgerechnet am HTT-Samstag ihr ehrenamtliches Umweltschutzprojekt vorstellen. Trotzdem!!


    Das hieß: Die ganze Woche über Taschen packen, trotzdem möglichst viel schlafen, am Donnerstag das Auto vollstopfen, so weit es ging. Übrigens: In Tharandt, südwestlich von Dresden, war am Donnerstagabend der Himmel bedeckt. Am Freitagmorgen zerrte ich meine Frau ans Fenster: „Guck dir mal den Himmel an, fällt dir was auf?“ – „Na, is‘ doch HTT.“


    So, dann in Dresden arbeiten bis „Anschlag“, schnell nach Tharandt, das restliche Gepäck (Babyfon, Reiseproviant, Kuscheltiere usw. und ja NIX VERGESSEN!) verstauen, die Kinder ins Auto und ab auf die Autobahn. Und... Stau nach 15 km, noch auf der A4. Der löste sich aber bald auf. Aber, mit Kindern rasen, das geht nicht; es gibt noch wichtigere Dinge als „Astromanie“. So tuckerte ich gegen sechs durch Lübben: Stadtfest, Schritttempo. Kurz vor sieben war ich bei meinen Eltern, etwas Abendbrot essen, Babybett aufbauen, einnorden (ach nee, das war was anderes...), dann rein ins Auto und die B 87 zurück...
    Im Dunkeln kam ich an, sah einfach nur viele Zelte und Teleskope und suchte Autos mit den Kennzeichen DW („Doofe Waldbewohner“, sagte mir mal ein Dresdner, egal, dafür haben wir bei Dippoldiswalde durchschnittlich 6,5 mag Grenzgröße), PIR – unser neuer Landkreis, DD – und erwischte zum Glück meine Leute. Sebastian wies mich mit Rotlicht ein, leider trat ich einmal auf die Bremse... Zum Zeltaufbau zu entnervt, beschloss ich, im Auto zu schlafen. Vorher natürlich noch eine ausführliche Pirsch über das Gelände. „Radeberger“ Volker Neubert lotste mich zu Daniel Restemeier, der mir von Marco Kraußes Krankenhausaufenthalt während des HTT berichtete – was machen wir Sternfreunde bloß so alles mit! Schließlich war ich nicht mehr in der Lage, den Blick durchs Okular genießen zu können, so dass ich nach ein, zwei, drei Himmelsobjekten und Bier ins Auto kroch. Fragt lieber nicht...


    Nachdem der wunderbar klare Himmel der Freitagnacht von mir kaum genutzt werden konnte, weil die zum Gucken erforderlichen Augen immer wieder zufielen, sollte der Samstagabend endlich den erhofften astronomischen Hochgenuss bringen.


    Nun ist das HTT ja ein TELESKOPtreffen, was heißt, dass es in erster Linie um die verschiedenen Optiken geht. Ich bin dann auch über das Gelände gestromert und hier und da „hängengeblieben“.
    So zunächst am Sonnnenteleskop... ja, der 1,07m-Dobson kann auch mit Solarfolie bespannt werden! Obwohl wirklich nichts los war, was Fackeln oder gar Flecken angeht, so beeindruckte mich doch die Granulation unseres Zentralgestirns gewaltig. Newtons sagt man immer nach, dass sie besonders seeinganfällig und etwas kontrastarm seien. Nun, das Bild stand wie eine Eins, da waberte nichts. Des Nachts war mir die Schlange vor dem Gerät meist zu lang, aber ich durfte auf vergangenen Treffen ja schon öfter durchgucken. Lediglich den Omeganebel sah ich mir doch an: der Schwan zeichnete sich deutlich ab, umgeben von einer strukturierten Nebellandschaft. (Ein wenig bereue ich es bis heute, dass ich auf einem WC-Gang kurz vor dem Morgengrauen nicht doch noch auf dem Riesendobson zum Pferdekopfnebel „geflogen“ bin, aber der warme Schlafsack lockte einfach zu sehr – und das Verantwortungsgefühl, am nächsten Tag auch meine Tochter sicher nach Hause bringen zu können.)


    Das nächste Highlight war der ISS-Überflug. Den verfolgte ich in Daniel Restemeiers 16-Zoll-Selbstbau-Dobson, der kurz vorher den 1. Preis beim Selbstbauwettbewerb gewonnen hatte. Klingt toll, nicht wahr? Na ja, bei etwa 100-facher Vergrößerung zuerst in der Hocke, dann langsam aufstehen, in zwei Achsen nachführen... das war hart. Zuletzt hatte ich den Bogen aber raus und konnte die charakteristische Form mit den großen Sonnensegeln deutlich erkennen. Indirekt meine ich auch ein Bullauge und dahinter einen winkenden Astronauten gesehen zu haben...


    Da sich natürlich noch etliche Schaulustige bei Daniel einfanden und den Dobson „blockierten“, probierte ich als „Astrominimalist“ seine Nebelfilter am Nordamerikanebel aus – mit dem bloßen Auge! Schon ohne zeichnete sich östlich von Deneb diese charakteristische Milchstraßenwolke ab, doch im OIII-Filter konnte auch der Nebel selbst gesehen werden.


    Mit der Zeit zog es mich weiter, denn Daniel hatte mir den Tipp gegeben, dass sich sein Sternfreund „Mikrolinux“ immer mehr auf Ferngläser spezialisiert hat und mich aus den Astroforen kennt. Na, das passt doch! Gleichgesinnte zu finden, besonders wenn man nicht dem Öffnungswahn erlegen ist, macht immer wieder besondere Freude. Und die Optik auch: auf einer Giro mit Doppelarm klemmten ein Fujinon 16x70 und ein C6-Katadiopter. Ein ideales Paar! Was sahen wir alles: M71 und Harvard 20, M38 und NGC 1907, M 76 im 10x50 usw.


    Leider verfehlten wir uns am Bierstand, nachdem wir in trauter Einigkeit feststellten, dass wir, was die Bundestagswahl anging, nur wussten, wen wir alles NICHT wählen würden. So packte ich endlich meinen brandneu gebraucht gekauften Newton 114/450 aus, dazu noch während des Justageworkshops frisch justiert durch Uwe Pilz, und guckte mit dem 22er LVW und 3 Grad Sehfeld den leider nicht mehr so ganz klaren Nachthimmel an – lacht nicht, aber ich empfand das ganz deutlich so, um die Grenzgröße trotzdem mit 6,3 mag zu bestimmen.

    Da ich noch nie zum Beobachten in den Alpen, aber immer mal wieder in der Slowakei (weil ich dort 3 Jahre gearbeitet habe) war, steige ich jetzt nicht in die leidige Diskussion um den besten Himmel Mitteleuropas ein, aber am Freitagabend war er schon ganz ordentlich. Wenn ich dann noch das recht trockene deutlich kontinental beeinflusste Klima mit vielen sternklaren Nächten, die in der Umgebung fehlenden Großstädte (am Samstag war Herzberg ganz schön nervig, aber dort feierten sie ihr Stadtfest – wahrscheinlich wegen des 10. HTT...) und die trotzdem gute mobile Erreichbarkeit über die A 13/14 und B 87, die ordentliche Infrastruktur im Dorf und drumherum usw. nehme, dann muss ich aber deutlich sagen, dass ich hier auch „meine“ Sternwarte aufstellen würde, wenn ich denn so was vorhätte.


    Sicher gäbe es noch viel zu schreiben: vom SQM(L)-Vergleich (jedes Gerät zeigte deutlich andere Werte), den tollen Gespräch mit vielen Sternfreunden, dem Blasorchester, den so vielen Blicken auf und durch so tolle Teleskope, den tollen Selbstbauideen (Pipemount!!).
    Ganz kurz: Für mich persönlich ist das HTT Kult!

  • Toller Erfahrungsbericht. Meiner wird aber erst am 1.10. auf meiner Homepage veröffentlicht. Für das Forum sind 4 A-4 Seiten doch etwas lang. Oder ? [;)]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Und... Stau nach 15 km, noch auf der A4. Der löste sich aber bald auf. Aber, mit Kindern rasen, das geht nicht; es gibt noch wichtigere Dinge als „Astromanie“. So tuckerte ich gegen sechs durch Lübben: Stadtfest, Schritttempo.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Was? Dir hat das Stadtfest in Lübben nicht gefallen? [;)] Mach Dir nichts drauß, dieses Jahr war es um so schlimmer, ganz zu schweigen vom obligatorischen Verkehrschaos in meiner Heimatstadt. Da war ich froh, das ganze Wochenende nicht daheim geweses zu sein, sondern meine Zeit unter dem Sternenzelt von Jeßnigk verbracht zu haben. [:D]

    Gruß & cs

    Andreas


    Meade LXD55 10" f/4 | GSO Dobson 8" f/6 | TS PHOTOLINE 3" f/7 Apo | Fujinon 10x70 FMT-SX2 | Fujinon 16x70 FMT-SX | AstroTrac TT320X-AG | Canon EOS 1000Da / 600Dfs / 6D

  • Hallo Kay,


    ein netter, kurzweilig geschriebener Bericht, vielen Dank.
    Wusste gar nicht, dass für Dich das Vorfeld des HTT so stressig war, das nächste Mal kannst Du es hoffentlich wieder etwas ruhiger angehen lassen.

  • Andreas,


    Du hast mir unendlich Arbeit abgenommen, einen 2ten Teil HTT-Bericht ,wird es von mir nicht geben, sondern nur kurz kommentierte Stimmungsfotos, denn Dein Bericht ist nicht zu toppen! Danke im Namen des gesamten AstroTeam EE für Dein Bericht!


    Gruß und CS!


    Volker

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