<b>Einleitung</b>
Hochwertige Refraktoren werden häufig mit ihren sehr geringen Farblängsfehlern beworben. Es gibt mehrere messtechnische Möglichkeiten derartige Angaben zu überprüfen. Wenn man die Wirkung des Farblängsfehlers verschiedener Refraktoren zuverlässig differenzieren will ist es zwingend notwendig die Fehlergrenzen der Messverfahren abzuschätzen. Es kursieren im Net zahlreiche Prüfprotokolle in denen die Schnittweitendifferenzen (SWD) über die sog. Fokussierung von Interferogrammen gemessen worden sind, <b>Verfahren A. </b>Eine von mehreren Alternativen dazu ist die Berechnung der SWD über den Zernike- Parameter Z3 (Defokus) im Zuge der interferometrischen Vermessung eines Prüflings. Dieses <b>Verfahren B</b> hab ich bereits mit einigen Fallbeispielen vorgestellt, siehe:
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=84708
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=88264
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=88997
Im folgenden lautet die
<b>Aufgabenstellung </b>
Exemplarischer Vergleich der Reproduzierbarkeit der Verfahren A und B unter gleichen Versuchsbedingungen.
<b>Prüfobjekt</b>
ED Refraktor 127 mm f/9 (Zweilinser, der aus dem ersten Link )
<b>Interferometer</b>
nach Bath mit Weißlicht
Lichtquelle: Power- LED abgeblendet auf 1mm D.
Details siehe Bild 1 sowie Fortsetzung v. 28.04.2009, Kap. E in
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=84708
<b>Interferenzfilter</b>
546 nm HWB 7 nm
589 nm WWB 2 nm
486 nm WWB 2 nm
<b>Messuhr</b> (nur für Verfahren A erforderlich)
Skalenteilung 0,002
Hub 2 mm
<b>Auswertesoftware</b> (nur für Verfahren B erforderlich)
openFringe Version 8.10, 8.7
<b>Prüfaufbau</b>
Autokollimation gegen einen Planspiegel
<b>Prinzip Verfahren A</b>
Die SWD wird über die mechanische Fokussierung des Interferometers durch Messung der Wegdifferebz ermittelt. Dazu stellt man die Interferenzstreifen für die Bezugswellenlänge auf Defokussierung = 0. Im Idealfall sieht man dann schnurgerade Interferenzstreifen. Nach Wechsel auf eine andere Wellenlänge sieht man i. a. mehr oder weniger gekrümmte Interferenzstreifen, d. h. Die Streifen sind „defokussiert“, weil für diese Wellenlänge eine andere Schnittweite gilt als für die Bezugswellenlänge. Nun wird das Interferometer axial so weit verstellt bis die Streifen wieder möglichst gerade aussehen. Die per angekoppelter Messuhr gemessene Wegdifferenz ist dann die gesuchte Schnittweitendifferenz. Zum besseren Verständnis:
<b>Bild 1</b>
ds seien die Wegdifferenzen entsprechend den SWDs die zur Geradebiegung der Streifen im roten sowie blauen Interferogramm erforderlich sind. l. W. heißt lambda Wellenfrontdeformation. Das wären die strehlschädigenden, d.h. definitionsmindernden Wellenfrontfehler für blau und grün, wenn man wie in der Praxis üblich auf grün fokussieren würde.
<b>Praxis des Verfahrens A</b>
Wenn man eine Präzisionsmessuhr mit 1 my Skalenteilung benutzt könnte man in Versuchung geraten diese 1 my Schnittweitendifferenz als Nachweisgrenze des Verfahrens zu propagieren. Dabei wird allerdings unterschlagen dass die Erkennung der exakten „Geradizität“ der Streifen nicht beliebig genau möglich ist und dieser zusätzliche Fehler im Messverfahren mit der Präzision der Messuhr gar nichts zu tun hat. Bisher hab noch keine messtechnisch belastbaren Nachweise in Form von direkten Vergleichen mit anderen Verfahren, den dazugehörigen Messreihen Standardabweichungen. Es wird aber behauptet Verfahren A sei das genaueste[8)].
Echte Interferogramme sehen niemals so ideal aus wie im obigen Bild dargestellt. Sie haben immer mehr oder weniger Überkorrektur im blauen Bereich, Unterkorrektur im rote und dazu noch Restfehler z: B. in Form von Koma und Asti. Zonenfehler sind auch nicht immer vollständig vermieden. All diesen Fehlerlein führen zu eher krummen Interferenzstreifen, die man durch Fokussierung eben nicht exakt geradebiegen kann. Als typisches Beispiel hab ich aus echten Interferogrammen des Prüfobjektes (Strehlzahl = 0,93 bei 546 nm) ein synthetisches Interferogramm erstellt. Dabei werden schon mal die fast unverneidbarebn Artefeakte wg. Verschnmutzung der Messoptik unterdrückt. Diesen 3 Interferogrammen sind jeweils verschiedene Defokussierungen überlagert nämlich:
+0,05 l.W, -0,05 l.W. und 0,00 l.W.
Die Überlagerung funktioniert unter openFringe ganz simpel, indem man die genannten Zahlenwerte dem Zernike- Term Z3 zuordnet.
<b>Bild 2</b>
Der Leser darf 3x raten zu welchem der drei Interferogramme der Wert 0,00 l.W. gehört (ich habs mittlerweile vergessen). Auch eine Expansion obiger Inteferogramme auf nur 1 bis 2 Streifen führt nicht wirklich weiter.
<b>Bild 3</b>
Man kann sich wohl vorstellen dass das Verfahren A in Gegenwart von opt. Fehlern nicht mehr so gut funktioniert wie man es sich wünscht. Das muss noch nicht heißen es sei völlig unbrauchbar.
Nun zur durchgeführten Messung nach Verfahren A:
<b>Bild 4</b>
Der Fühler der Messuhr drückt mit seiner Federkraft kraftschlüssig gegen die stahlharte Basis des Interferometers. Damit werden Wegänderungen ohne toten Gang auf das Messwerk übertragen. Skala hat 2 my Teilung. Bei 56 mm Skalendurchmesser kann man 1 my- Zwischenwerte gut abschätzen.
Zur Reduzierung des Umfangs dieses Vergleichs hab ich mich auf nur 3 Wellenlängen mit jeweils 7 Wiederholungen beschränkt. Hier ein Beispiel der echten Interferogramme:
<b>Bild 5 </b>
Damit man einen Anhalt für eine gerade Linie hat ist es sinnvoll vor die Objektivöffnung einen Faden zu spannen, wie im blauen Interferogramm gut zu erkennen ist. Selbstverständlich muss man das Interferometer so lange fein verstellen bis die Streifen annähernd parallel zum Faden verlaufen. Die bestmögliche Einstellung der „Geradizität“ ist hier ganz erheblich vom Augenmaß des Prüfers abhängig. Die Annäherung an eine ideale Gerade geht bei 589 nm noch ordentlich. Bei 546 nm und erst recht bei 486 nm wird es dagegen problematisch, wie bereits mit den Bildern .
<b>Interferogramme zur Vergleichsserie nach Verfahren B</b>
Hier kann man sich die horizontale Ausrichtung der Streifen sparen, da das für die programmtechnische Berechnung von Z3 völlig irrelevant ist. Es reicht, wenn man näherungsweise auf grün fokussiert, fotografiert und die Interferogramme wie üblich unter openFringe oder einem gleichwertigen Auswerteprogramm einliest. Beim Wechsel der Wellenlängen wird nichts anderes verändert als ausschließlich das Interferenzfilter ausgetauscht. Wenn die für das erste Interferogramm zufällig Ausrichtung der Interferenzstreifen für die nachfolgemden nicht merklich verändert und die Streifendichte näherungsweise umgekehrt proportional zur Wellenlänge bleibt dann kann man sicher sein, dass sich am Versuchsaufbau nichts geändert hat außer dem Filterwechsel. Weiterhin ist es Vorteilhaft dass man mit den Interferogrammen auch über eine prüftechnisch nachvollziehbare Datenbasis verfügt. Jeder, der z. B. mit openFringe umgehen kann ist auch in der Lage die Ergebnisse nachprüfen. Bei Verfahren A fehlt dazu die Dokumentation der gemessenen Schnittweite.
<b>Bild 6</b>
<b>Berechnung der SWD nach Verfahren B </b>
Da die Fokussierung für die Bezugswellenlänge nicht exakt = 0 ist wird sei dafür die Defokussierung df gesetzt, die sich aus der folgenden Formel berechnet:
df = -16 x (F/D)² x Z3 x lambda
F = Systembrennweite
D = Öffnungsdurchmesser
lambda = Messwellenlänge
Z3 = Zernike- Zahlenwert gemäß Auswertung mit „openFringe“
Die Schnittweitendifferenz für 486 nm (blau) zur Bezugswellenlänge 546 nm (grün) wird dann:
ds (blau) = df (blau) – df(grün)
hier gleichbedeutend mit
ds (486nm) = df (486 m) - df (546nm)
Entsprechend gilt für Orange
ds(589nm) = df(589nm) – df(546nm)
Falls es immer noch nicht überall angekommen sein sollte:
<i><b>Zur Ermittlung des Farblängsfehlers nach Verfahren B braucht man keine Messuhr.</b></i>
<b>Zusammenstellung der Messergebnisse aus beiden Verfahren</b>
<b>Bild 7</b>
„s“ ist die mittels Taschenrechner aus den jeweils 7 Einzelmessungen berechnete Näherung der Standardabweichung.“Range“ ist die Differenz größter- kleinster Messwert innerhalb einer Messreihe. 95% Vertrauensbereich des Mittelwertes bedeute, dass der wahre Mittelwert mit 95% innerhalb der angegebenen Toleranz liegt. Das gilt entsprechend für den Vertrauensbereich des Einzelmesswertes
<b>Fehlerdiskussion und Beurteilung</b>
Hier geht es primär darum zu beurteilen welches der Verfahren genauer ist oder besser gesagt die bessere Wiederholgenauigkeit liefert.
Der Begriff Genauigkeit im messtechnischen Sinne wird nicht überall gleich verstanden. Ich stütze mich dabei auf Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik,
Zitat:
<i>...3)Messtechnik: die G. wird bestimmt durch die Messunsicherheit und die Fehlergrenzen. Messunsicherheit lässt sich lässt sich durch den Vertrauensbereich eines Mittelwertes aus mehreren Einzelmessungen charakterisieren...“</i>(Zitat Ende)
Danach kann ich mir keine Genauigkeitsangabe ohne Zahlenwerte sowie ohne Bezug auf Wiederholmessungen vorstellen.
Die Genauigkeit der Messuhr selbst liegt bei +/-1 my. Sie kann damit keine gröberen Messfehler verursachen. Für beide Verfahren wurden dieselben Farbfilter und dasselbe Interferometer verwendet. Die eigentlichen Rechenfehler zur Berechnung der Zernikes kann man als vernachlässigbar gering ansehen. Es bleiben nur noch zufällige Fehler übrig, die zu einer Streuung der Einzelmesswerte sorgen. Das sind solche Fehler deren Ursache man nicht kennt, die aber jedem Messverfahren anhaften.
Den ersten Eindruck zur Genauigkeit liefert bereits der Range gemäß obiger Tabelle. Ganz offensichtlich liegen nach Methode B die Einzelmesswerte der SWD für beide Wellenlängen näher beieinander. Das wird durch Vergleich der Standardabweichungen voll bestätigt.
Die bessere Reproduzierbarkeit von Verfahren B konnte ich auch in einem anderen Versuch nachweisen.
Siehe dazu in
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=84708
Tabelle Bild 26,
Kap B.3 Vergleich zu genau berechenbaren Schnittweitendifferenz an einer Kronglaslinse
Als nächstes kann man abklären wie sich die Streuung der SWD auf die Streuung der opt. Qualität auswirken. Als Maßstab wurde dafür die Strehlzahl gewählt.
<b>Bild 8</b>
Nehmen wir als Beispiel den nach Methode B gemessenen Mittelwert (14,5 +/- 2,2) my der SWD bei 486 nm. Nach der für den Prüfling gültigen f/9- Kurve im Diagramm würde diese Defokussierung das zu einer praktisch nicht bemerkbaren Strehlzahlminderung im Bereich von S = 0,991 bis 0,006 führen, wenn die Optik sonst fehlerlos wäre. Der Fehler des optisch wirksamen Strehl- Fehlers wäre hier nur:
delta S = (0,996 – 0,991) = 0,005.
Würde man anstatt 7 nur 4 Messwerte mitteln, dann wäre die Fehlerspanne der Strehlzahl ca.:
delta S = 0,005 x (7/4 )^0,5 = 0,007.
Das wäre in dem Beispiel immer noch hinreichend genau. Bei geringeren Ansprüchen an die Genauigkeit könnte man sich mit Messverfahren B auch auf Einzelmessungen beschränken. Der 95% Vertrauenbereich läge dann allerdings bei +/- 4,4 my für 486 nm und +/- 7,6 my für 589 nm.
Dagegen würde Verfahren A eher unsichere Einzelmesswerte liefert mit +/- 22my bei 485 nm und +/-35,6 my bei 589 nm.
Wegen der Kurvenkrümmung werden bei höheren SWDs gleiche SWD Fehler zu etwa größeren deltaS führen. Aus den Kurven wird auch deutlich, dass die Wirkung gleicher SWDs auf die Strehlzahl mit dem Öffnungsverhältnis abnimmt. Man kann deshalb die in der Tabelle ermittelten Standarbabweichungen nicht vorbehaltlos auf andere Teleskope übertragen. Zur besseren Vergleichbarkeit der Wirkung des Farblängsfehlers kann man auf SWD Messung basierende Vergleichszahlen wie z. B. RC- Indizes angeben. Diese sind dann in gkleicher weise fehlerbehaftet wie die entsprechenden SWDs. Man findet aber öfters RC - Indizes mit z. T. 5 Dezimalen. Nach der obigen Fehlerdiskussion sind diese weniger vertrauenserweckend, da man mit Messfehlern der SWDs in der Größenenordnung von einigen 1% - bis mehr als 10% rechnen muss.
Gruß Kurt