kleine Rohlinge selbst aus Platten trennen

  • Hallo Glaswürmer,
    weil Stathis so begeistert ist, hier als extra Thema ein paar Details zu meinen Glasbearbeitungs-Versuchen.


    Aufgabe: kleine Spiegel- und Schleifschalenrohlinge selbst aus Plattenglas herstellen.


    Im "Amateur Telescope Making" von A. Ingalls, Band 1, S.417, ist eine Methode mit aufgeschnittener Konservendose als Tool beschrieben.
    Heutige Konservendosen sind nicht mehr das, was sie damals mal waren[V], deshalb habe ich mir ein Tool selbst gebaut.
    Die folgende Beschreibung ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluß, aber brauchbar.


    <b>Werkzeuge:</b>


    Standbohrmaschine, diverse Holz- und Metallbohrer, Schleifpapier und -klotz, Blechschere, Hammer und Richtplatte, Schraubendreher.




    <b>Material:</b>


    <b>Ein Spanndorn</b>, z.B. abgesägte M10 Schloßschraube, 2 Muttern, 2 große U-Scheiben


    <b>Eine Scheibe 9mm Birke Multiplex</b>, Durchmesser wie gewünschter
    Rohling. Herstellung: anzeichnen mit Zirkel, aussägen mit etwas Übermaß, mittig bohren und auf Spanndorn spannen. In Standbohrmaschine einspannen. Bei hoher Drehzahl rund und auf Maß schleifen. Mit Schnellschleifgrund o.ä. gegen Feuchtigkeit imprägnieren.


    <b>Ein Blechstreifen </b>z.B. ca. 0,5-1 mm dicker rostfreier Stahl, Breite mind. 2 cm mehr als Glasdicke, Länge = Umfang der Holzscheibe + etwas Übermaß. Am oberen Rand alle 2-3 cm Bohrungen zum Festschrauben anbrignen, am unteren Rand entspr. Aussparungen ca. 5 mm tief. Den Blechstreifen auf der Richtplatte wieder flach dengeln.


    <b>Einige kurze Blechschrauben, etwas Bindedraht.</b>




    <b>Herstellung:</b>


    Der Blechstreifen wird auf den passenden Radius gebogen, die Länge genau angepaßt und mit kleinen Blechschrauben (z.B. 9x2,5 mm) am Rand der Holzscheibe angeschraubt. An der Stoßstelle unten schräg anschneiden (0,5 bis 1 cm weit), evtl. 1-2 kleine Lochpaare oberhalb der Glasstärke an den Stoßseiten, und mit kleinen angeschraubten Blechstreifen oder Bindedraht zusammenhalten (bei dickerem Blech evtl. nicht nötig).


    Nun bei niedriger Drehzahl in er Standbohrmaschine auf Rundlauf prüfen und evtl. noch etwas nachbiegen.


    Zum Trennen die Glasplatte auf einer passenden Unterlage befestigen. Pech ist bestimmt am besten, Doppelklebeband geht zur Not auch.
    Ich bohre nicht ganz bis zum Glasrand, damit das Carbo/Wasser Gemisch nicht ausfließt.
    Drumherum eien Spritz/Tropfschutz aufbauen.


    Und so sieht's dann etwa aus:


    Nun auf dem Glas under dem Toolrand 80er bis 180er Carbo+<i>etwas</i> Wasser zugeben, Maschinen- Drehzahl zuerst besser so langsam wie möglich, bis eine Rille drin ist. Danach kann man auf ca. 1-3 m/s Arbeitsgeschwindigkeit gehen. Beispiel: 10 cm Durchmesser, max. 600 U/min.

    Hier ist schon eine Rille drin:


    Immer schön frisches Carbo zugeben, wenn das Geräusch nachläßt, und etwas Wasser. Wenns zu matschig wird, Reste wegwischen, und weiter gehts.


    Wenn man es zu eilig hat, und als Unterlage nur ein Brett mit Teppichklebeband nimmt, kann zum Schluß auch was brechen, wie man hier sieht:


    Immerhin ist die Scheibe heil geblieben.
    Das Tool wurde bei 10 mm Glasdicke nur ca. 0,5 mm abgenutzt.
    Die Bearbeitung dauerte ca. 20 Minuten.


    So sah es nach dem Trennen aus:

    Damit kann man bestimmt noch 5-10 Scheiben herstellen[:)]


    Und hier ist das erfreuliche Ergebnis der Aktion:


    Das soll mal ein schnuckliger Finder-Spiegel werden[:p], siehe <font color="red">Finder-Spiegel aus Floatglas, ein Versuch</font id="red"> in diesem Forum.


    Fazit: bis 100 oder 110 mm Durchmesser geht es mit meiner kleinen Bohrmaschine ganz gut. Mit mehr Aufwand geht bestimmt auch mehr ,aber das war nicht mein Ziel.
    Vielleicht regt dieser Bericht euch zum weiter Experimentieren an.


    Viel Spaß!
    Martin

  • Hallo Martin,


    danke für deinen aufschlussreichen, ausführlichen Bericht!


    Ich hatte es bei 165mm Durchmesser und 6mm Dicke ganz ähnlich gemacht:


    Wie bei dir hatte auch ich nur sehr geringen Abrieb am Bohrer.


    Inzwischen habe ich nach einer ähnlichen Methode auch einen elliptischen Fangspiegel ausgesägt, indem ich im 45° Winkel duch eine der polierten Scheiben gebohrt habe (leider nur Webcam Bilder):


    Ciao, Heiner

  • Ach ja, da fällt mir noch ein, dass ich auch eine andere Methode
    ausprobiert und dann aber verworfen habe - ausschneiden mit einem
    Glasschneider.


    Vermutlich lag es daran, dass ich wenig Erfahrung mit dem
    Glasschneider habe, jedenfalls wurde der Rand sehr unregelmäßig
    und hätte noch einiges an weiterer Schleifarbeit erfordert.


    Wieder nur ein Bild aus der Webcam beim Warmpressen einer Mini-Pechhaut :)


    Ciao, Heiner

  • Hallo, Martin


    Wirklich eine tolle Dokumentation mit der Bohr Methode, das muss ich unbedingt auch mal probieren.[;)]


    Bisher habe ich meine Rohlinge bi 16" ausschließlich mit rustikalen Methode dem Glasschneider angeritzt, grob gebrochen und dann Rundgeschliffen/geflext. Auch Planspiegel lassen sich somit gut Bearbeiten, in dem man die Scheibe durch beidseitiges Anritzten in 45° Winkel Bricht und den Rand anschließend Bearbeitet.


    Grüße,


    Y.Cetin
    http://www.ycetin.de

  • Hi Stathis,


    &gt; Warmpressen mit kaltem Bier, wie soll das den gehen?


    Die Pechhaut war anschliessend platt wie 'ne Flunder - die Kunst ist
    es aber den Inhalt der Flasche rechtzeitig in Sicherheit zu bringen,
    um innere Spannungen beim Spiegelschleifer zu vermeiden. :)


    Ciao, Heiner

  • Hallo Heiner,
    bei der Pechhaut bin ich zwar noch nicht angekommen, aber ich glaube, du machst da mit dem WARMPRESSEN irgendwas falsch.


    ENTWEDER ist das Bier zum Trinken zu warm ODER zum Pechhaut pressen zu kalt (10° Pech gibt es wohl nicht, oder???).
    Also, ich tät ja eher eine Tasse warme Milch oder heißen Tee draufstellen...


    Gruß,
    Martin

  • Hi Martin,


    sorry, "Warmpressen" war vermutlich nicht der richtige Begriff.
    Das war eine Pechhaut für die Retusche des Fangspiegels. Die kann man nicht
    so warmpressen wie die Pechhaut für eine Sphäre. Man will ja nicht irgend
    eine gemeinsame Oberfläche für Glas und Pechhaut erreichen, sondern man will
    exakt eine Planfläche. Es ging hier nur darum die Pechhaut gleich nach dem
    Gießen einigermassen plan zu bekommen.


    BTW: das Glas in der Mitte hat genug isoliert - das Bier war noch bestens für den Verzehr geeignet.


    Ciao, Heiner

  • Hallo Martin,
    find ich toll die Beschreibung mit dem ausbohren. Verliert man gleich die Angst dass man da 20h bohren muss.
    Ich selber warte auch gerade auf meinen ersten Rohling (von Stathis). Da macht es mich auch grad an schon mal mit 100mm aus Fensterglas zu probieren.


    Wenn ich es angehe stell ich es auch ins Forum!
    Gruss Ingo

  • Hi Martin,


    toll! Eine sowohl informative als auch unterhaltsame Doku!


    Stathis:Hmm, mein Nachbar hat auf der Terasse so einen Glastisch... der ist nachts völlig unbewacht


    Sag mal...... wie heisst denn der Nachbar? [:D]

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