Optik-Lernen mit Osterei, Angelschnur. Wassertrop

  • Optik-Lernen am 4-Zoll Refraktor: Schokoladenpapier, Angelschnur, Wassertropfen in der Sonne und der Nebelmond-Test


    Nachdem ich sie schon mal kurz getestet hatte, und am Wochenende 100 Stunden Astronomie vorgesehen waren, konnte ich natürlich nicht das ganze Wochenende vor dem Computer sitzen: also ran an der Speck und raus auf die Terasse mit meiner neu-alten 4-Zoll Refraktor-Lern-Optik.


    Einer der "Alten" im Forum (der aber nicht ganz alt ist wie ich, denke ich) hat mir sehr billig einen 102 / 920 mm "Selbst-(Um)bau-Refraktor" überlassen. Nachdem ich seit 35 Jahren nur mit Spiegelteleskopen zu tun hatte, wollte ich nun endlich mal sehen was an der so gerühmten Qualität der Abbildung eines solchen „strange Animals“ dran ist.


    Da der Refraktor aber sehr „klapprig“ daherkam und man die Qualität des (mittelangbrennweitigen) Fraunhofers so direkt keinesfalls testen konnte. war erstmal "Internet-Learning" angesagt.


    Mein neu-alter "Umbau"-Refraktor besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:
    (1) Einem Meade 102/920er achromatischen Fraunhofer Objektiv (Luftspalt mit Aluminiumfolie-Abstandsplättchen), welches nicht gerade zur Extraklasse zu gehören schien (Strehl 90), siehe hier (runtersrollen bis nach dem DURST-Testlinien-Schema): http://astro.uni-tuebingen.de/~grzy/refraktor.html
    (2) einem Plastik Abwasserohr orange aus dem Baumarkt von 12 cm Durchmesser und ca 60 cm Länge,
    (3) einem sehr langen (und schweren) Okularauszug Marke Bresser von vor ca. 20 Jahren; ich schätze mal aus Russland. Bild hier: http://www.svenwienstein.de/HTML/explorer_395.html


    Rohrschellen und ein 6x30 Sucher, sowie eine tonnenschwere Taukappe aus russischem Panzerstahl waren auch dabei. (Ich habe die Taukappe von innen etwas abgeschliffen, da sie zu eng auf der Objektivfassung sass, was zu Astigmatismus führen kann: siehe z.B. hier (runterscrollen zu (6) 1. Verspannungen): http://www.astrowiki.de/index.…L-Teleskop#Test_der_Optik
    Der Abrieb (mit der Scheibe auf der Bohrmaschine !) war ungefähr 0,00000001 mm pro Stunde; ich verstehe jetzt wieso ein Vorgänger wohl den Tubus durch ein Baumarkt-Rohr ersetzt hat.


    Das Objektiv sitzt in einer Metallfassung, die ihrerseits auf ein schweres Gussteil geschraubt, welches die Verbindung zum Tubus herstellt. Das Objektiv besteht aus zwei Linsen mit 100 mm Durchmesser, die Frontlinse doppelkonvex, die hintere Linse ist konkavkonvex, mit der „kaven“ Seite („flache Schüssel in die man den Kaffee reinschütten kann“) nach vorne. Mein Vorgänger hatte zum Glück schon die „Drecksarbeit des Linsen-Drehens“ gemacht und liebenswerterweise die besten Stellen markiert, siehe hier: http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=71872


    Aber die Verbindung vom Objektiv zum Tubus war keineswegs optimal. Das Abwasserrohr ist vorne abgerundet und im Durchmesser etwas zu klein, um genau in das mit der Objektivfassung verschraubte Gussteil zu passen, in das der Tubus eigentlich reingeschoben gehört. Wegen der Abrundung des Abwasserrohrers sass das Gussteil auf dem Rohr wie auf einer Kugel, ein bisschen nach links, ein bisschen nach rechts und man konnte mit dem ganzen Justieren wieder von vorne anfangen. Also hab ich erstmal mit Superkleber 3 kleine „Plastiknasen“ hinten nach innen (entlang der Linie der Verschraubung von Fassung und Gussteil) eingeklebt, sodass das Objektiv jetzt mit Sicherheit senkrecht zum Tubus sitzt.


    Dann hab ich mi die andere Seite des Tubus vorgenommen. Die Länge des schweren „Panzerstahl“-Okularauszuges (da der Tubus ca. 60 cm hat ist der OAZ folglich (Brennweite) ca. 30 cm lang) und zu grosse Fertigungstolereanzen führten dazu, dass der OAZ, je weiter er ausgezogen war, nach unten kippte (vorallem mit schweren langbrennweitigen Okularen). Also hab ich dem erstmal abgeholfen so gut es ging: ich habe verschiedene Lagen Verloursfolie von innen an drei Stellen in die Röhre des OAZ geklebt, bis er sich nur noch „saugend“ darin bewegen und beim rein- und rausdrehen nicht mehr verkippen kann). Dazu mussten die Dreknöpfe samt der Verbindungsstange mit dem Zahnrad abgenomen werden (Abschrauben der 4 kleine Schräubchen auf dem Bild von Sven weiter oben).


    Danach war die Justierung des Okularauszuges im Verhältnis zum Tubus an der Reihe. Hierzu gibt es ein trickreiche Methode, man benutzt ein Chesire Okular umgekehrt. Man bohrt ein ganz kleines Loch genau in die Mitte der Abdeckung der Frontlinse und schaut durch das Loch anderherum in ein Chesire im Okularauszug. Noch perfekter ist die Methode (Text unter Bild 3): http://www.stern-freund.de/index.php?id=67 Da ich sowieso für die (spätere) Justierung des Objektivs ein Chesire brauchte, hab ich mir erstmal ein gebrauchtes Chesire im Internet besorgt. Das Ding hatte zusätzlich vorne ein Fadenkreuz aus richtig dicken Metallstreben, die in kleinen Löchern befestigt waren. Dieses Fadenkreuz verhinderte, dass man beim Justieren der Linsen die „Donuts“ (siehe dazu weiter unten) überhaupt sah ! Also hab ich erstmal mit einem Schraubenzieher die Metallverstrebungen aus ihrem Sitz rausge“spickt“ und das ganze durch ein Angelschnur-Fadenkreuz ersetzt (Schnur durch die 4 vorhandenen Löcher gezogen).


    Der Okularauszug konnte glücklicherweise justiert werden. Die Halterung des OAZ ist mit 3 Schrauben auf einem Gussteil befestigt, welches den Tubus hinten abschliesst. Wie die Frontlinsenfassung muss natürlich auch dieses Guss-Abschlussteil zunächst richtig (rechtwinklig) auf dem Tubus sitzen. Ich kriegte dann aber den Okularauszug einfach nicht zentrisch, bis ich feststellte, dass der ganze Auszug um eine von den drei Schrauben (ein Drittel Drehung im Tubus) verdreht in dem Gussteil sass, welches den Tubus abschliesst. (Da man das Fernrohr ja in den Rohrschellen verdrehen kann, ist das egal). Als ich das korrigiert hatte, kam ich dem zentrischen Sitz schon sehr nahe. Ich musste nur noch mit dem Einlegen eines Stückes sehr dünnen Elektrokabels auf einer Seite (zwischen OAZ-Halterung und Tubusabschluss) etwas nachhelfen. Danach sass, von vorne durch das kleine Loch in der Objektivabdeckung gesehen, alles zentrisch. Helle und dunkle Ringe vom Chesire, Fadenkreuz und im Zentrum der Lichtpunkt vom „normalen“ Durchblick des Chesires.


    Schliesslich die Justierung der beiden Objektiv-Linsen gegeneinander. Der letzte (Sternfreund) Link oben erklärt die Vorgehensweisse sehr schön und Bild 3 zeigt die „Donuts“, die am Schluss übereinanderliegen müssen. Dabei werden Zug- und Druckschrauben (letztere sind die „heraussstehenden“) in der Objektivfassung zunächst mit 1/3 Drehungen der Schrauben, dann immer weniger, verstellt, wie beim Netwonspiegel. Ach so ja, und wenn man einen Zenitspiegel benutzt, mit Zenitspiegel justieren (der – oder sogar das einseitig geklemmte (Chesire-) Okular (!) kann auch wieder ein bisschen schief zum Okularauszug sitzen) !


    Dann der erste Test am Stern ! Provisorisch auf einem Fotostativ montiert. Intrafokal (vom Brennpunkt/Schärfepunkt aus den OAZ nach innnen gedreht) alles paletti, schön zentrisch und gleichmässige Helligkeitsverteilung, aber extrafokal: .... Chaos. Da stiess ich dann auf diesen Internetlink: http://www.astro-foren.de/showthread.php?t=9671 : das Ding ist unterkorrigiert. Genau die Symptome auf dem Bild. Intrafokal gut, aber blauer Rand, extrafokal nur Mist. Also was machen ? Die Abstandsplättchen zwischen den Linsen sind zu dick, daraus folgt die Unterorrektur! (Zum Glück war das Objektiv, trotz seiner 100 mm Durchmesser, nicht teuer. ... Ich hab nämlich „zwei linke Hände“ !). Also frische Gummihandschuhe angezogen, das Objektiv aufgeschraubt, den Sitz der Linsen im Verhältnis zur Fassung markiert (wichtig !), die Linsen eine nach der anderen aus der Fassung rausgeholt und auf ein sauberes Tuch gelegt. Dann die Markierungen (wichtig: siehe Linsendreh-Link oben) meines Vorgängers auf den Linsenkanten mit „Tipp ex“ nachgezogen. Dann mit dem Fingernagel (etwas besseres fiel mir nicht ein), ohne Schweiss von der Fingerkuppe auf das Objektiv zu bringen (!), die Abstandsplättchen aus Aluminiumfolie abgekratzt. Dann Linsen (in der richtigen Reihenfolge wieder rein, Achtung wichtig und gefährlich: ein hartes Stäubchen zwischen den Linsen (ohne Luftabstand (!)) kann beim Drehen der Linsen in die richtige Position zu kreisauschnitts-förmigen Kratzern führen !.


    Neuer Sterntest, viel besser aber kein Kontrast, alles, besonders Gesichtsfeldrand, irgendwie nebelig. Beim Blick von vorne auf das Objektiv fallen mir dann so komische farbige Ringe auf, wie Ölflecken in einer Pfütze nach Regen. Was ist denn das nun wieder ? ... sogenannte Newtonringe; das Bild auf dem folgenden Link erklärt sich von selbst:
    http://leifi.physik.uni-muench…ewtonring/newtonring2.htm ; die vordere Linse sass auf der hinteren auf. Nach multiplen Versuchen mit (un)künstlichen Sternen am Taghimmel (Sonnenreflexe von Blechniete auf einem Dach, ja sogar Wassertropfen in der Sonne) und verschieden dicken Alufolien (hab meiner Frau am Sonntagmorgen beim Konditor extra Schokoladenostereier mit extra-dünnem Silberpapier gekauft, um ganz dünne Folie zu haben) blieb schliesslich noch EIN nicht wegzukriegender Netwonring übrig. Da haben die Linsenfabrikanten wohl einen „Berg“ in die Linse reingeschliffen. Intrafokal ist das Bild zwar immer noch nicht so schön wie extrafokal, aber anscheinend ist die leichte Unterkorrektur sowieso nicht so wichtig (finde den Link jetzt nicht wieder). Der Unterschied ist am fokussierten Stern absolut nicht zu sehen.


    Eines möchte ich jedoch noch sagen. So wie dort dargestellt (das letzte Bild unten und Beschreibung dazu): http://www.binoviewer.at/teleskoptuning/lidltuning2.htm , d.h. extra- und intrafokal immer gleich gut oder gleich schlecht (parallele Entwicklung) ist das Bild mit Sicherheit nicht. Es kann intrafokal (praktisch) perfekt sein und extrafokal deutlich schlechter, ohne dass die Qualität merklich leidet. Mir scheint die – globale - Helligkeitsverteilung innerhalb des perfekt zentrierten Sternscheibchens (dunkler in der Mitte, heller am Rand) ein wichtigerer Faktor (deutlich sichtbar OHNE Abstandsplättchen). Aber MIT - verschieden dicken - Abstandsplättchen entsprach die Helligkeitsverteilung im Sternscheibchen INTRAFOKAL eigentlich immer dem Bild oben links (im letzten Bild von Binoviewer). Die Diskussion um Über-/Unterkorrektur scheint mir somit übertrieben. Ich habe jetzt auch sogut wie keine Farbabweichung mehr, das Bild ist deutlich farbreiner als mein 16x70 Fujinon Fernglass.


    Gestern abend habe ich dann am Nebelmond-Terminator nochmals getestet. Hatte vorher schon mal 3 Saturnmonde gesehen - nicht schlecht für einen Vierzöller - aber keine Einzelheiten auf Saturn selbst, kann aber auch am Seeing gelegen haben. (Komisches Wetter gestern abend, ausser dem Mond, war noch ungefähr ein Stern zu sehen). Ich konnte die Vergrösserung vom 12 mm, über das 7er und zwei 5er Okulare (trotz Wackelmontierung – vorallem Schwierigkeiten mit der Höhenbewegung des doch relativ schweren Refraktors am Fotostativ -) bis zum 2.8 mm Tak hi-ortho (1 Zoll / 24,5 mm Durchmesser, nicht das hi-LE !) hochziehen, ohne dass das Bild flau wurde (920/2.8 = 328 fach è 102/328 = Austrittspupille von 0.3 !). Die Kraterrände und Licht-/Schattenübergänge waren noch völlig scharf. Also da kann mein 300 mm Dobson nicht mithalten; bei dem bringt das 2,8 mm Tak 0,5 mm Austrittspupille und das kann ich nur sehr selten nutzen.


    Jetzt brauch ich noch einen besseren Stativkopf (oder eine Azimutalmontierung mit Feineinstellung), um das ganze als Reiseteleskop zu nutzen. Aber bei über 5 kg Gewicht kostet sowas ein Heidengeld. Die Vixen Porta (II) kostet z.B. 6 mal soviel wie der ganze Vierzöller.


    Oder ich verkaufe das ganze Ding wieder, an einen anderen, der – wie ich - was über Refraktoroptik lernen will.


    Muss noch drüber nachdenken. Denn ich mag ihn, den Vierzöller Deiner Tochter, Hannes ! [:)]


    Gruss
    Rüdiger

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