Entfernungsrekord mit 8": Quasar PG 1634+706, uvm.

  • Hallo Forum!


    Nach langer Zeit auch mal wieder ein Beobachtungsbericht von mir. Bitteschön:


    Datum, Uhrzeit: 09. März 2008, 23:00 – 02:00 Uhr
    Seeing: 4/5
    Transparenz: Ausgezeichnet
    fst: 7 mag
    Wetter: keine Wolken, Temp.: 0 °C
    Beobachtungsort: Wiese bei Gh. Postl auf der Hohen Wand, 920 m NN
    Equipment: Sky-Watcher 8“ f/6 Dobson, TS WA 30 mm, Sky-Watcher UWA 20, 15, 9 und 6 mm, Baader UHC-S
    Objekte:


    PN:
    PK 205+14.1 (Medusanebel)
    PK 164+31.1 (Jones-Emberson 1)


    GX:
    Hickson 44
    Abell 1656
    M51


    QSO:
    PG 1634+706


    Nach langer wetterbedingter Durststrecke musste ich gestern endlich wieder unter den Sternenhimmel, auch wenn gegen 22 Uhr noch nicht feststand, ob es denn tatsächlich klar werden würde. "Risikofreudig" fuhr ich dennoch die 2-3 Kilometer auf meinen voralpinen Beobachtungsort.


    Oben angekommen galt mein erster Blick M44, nachdem ich die Erfahrung gemacht habe, dass man an diesem Objekt (genauer gesagt an dessen Auflösung) gut die Himmelsqualität beurteilen kann. Autotür auf, M44 angesehen, und: Wahnsinn! Ohne Dunkeladaption mit bloßem Auge in unzählige Einzelsterne aufgelöst! Die Nacht versprach also einiges.


    Sodann wurde möglichst rasch aufgebaut, denn ich hatte mir heute einiges vorgenommen. Mein primäres Ziel war der Quasar PG 1634+706 im Drachen. Aber mehr dazu später.


    Zuerst kam der <b>Medusanebel PK 205+14.1</b> dran. Ausgangspunkt war Lambda Gemini. Von dort aus wanderte ich über eine markante Sternkette und ein paar 7mag-Doppelsterne zu zwei rund 1° entfernten 6 mag-Sternen. 0,5° nördlich war bereits im Übersichtsokular eine schwache unregelmäßige Aufhellung erkennbar. Mit UHC war dann das Sehen der Sichelform kein Problem mehr.


    Die meiste Beobachtungszeit verbrachte ich mit dem Versuch, <b>Jones-Emberson 1</b> aufzusuchen. Ich hatte die Stelle mehrmals neu lokalisiert, aber lediglich in extrem langen zeitlichen Abständen bildete ich mir ein, ein sehr blasses Scheibchen aus dem Himmelshintergrund hervortreten zu sehen. Dies reichte mir allerdings nicht für eine gesicherte Beobachtung. Beim nächsten Mal werde ich diesen PN mit OIII versuchen. 12,1 mag sind bei einer scheinbaren Ausdehnung von 6,3’ für den UHC wohl zu schwach.


    Doch dann kam ein – im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick. <b>Hickson 44</b> zwischen Aldhafara und Algieba im Leo. Die Stelle wurde angepeilt, und schon hatte ich diese Galaxiengruppe im Zentrum des Gesichtsfelds. Gleich beim ersten Blick konnte ich NGC 3193 und NGC 3189 erkennen. Letztere erschien eindeutig elongiert. Nach kurzer Zeit trat plötzlich auch NGC 3185 hervor, und kurz danach blitze auf zudem die 13,2 mag schwache NGC 3187 hervor. Nun war ich wieder glücklich.


    Das nächste Objekt sollte der <b>Coma-Haufen Abell 1656</b> werden. Von Beta Com aus wanderte ich rund 8° nach Osten und lokalisierte ein 7- und einen 8-mag-Stern-Duo. Wenige Bogensekunden südlich des 8ers war sodann NGC 4874 gefunden. Danach versuchte ich, die mit 12,2 mag nur wenig dunklere NGC 4921 zu knacken. Dies gelang mit überraschender Leichtigkeit. Kurz darauf bekam der Galaxienhaufen sprichwörtlich Leben eingehaucht. Plötzlich blitzen im gesamten Gesichtsfeld in unregelmäßigen Abständen unzählige kleine 13 mag-Galaxien hervor; ein beeindruckender Anblick. Ich machte mir allerdings nicht die Mühe, die alle auf meiner Karte zu finden. Das wäre zu mühevoll gewesen.


    Langsam wurde mir dann doch ziemlich kalt und ich musste die geplante Beobachtung von NGC 4038/39 im Corvus, der wohl berühmtesten Mergers, verschieben. Denn nun kam… täterätäää!! Mein persönlicher Entfernungsrekord mit 8" Öffnung:


    Der <b>Quasar PG 1634+706</b> mit einer Rotverschiebung von z = 1.1337, Entfernung 8,8 Milliarden Lichtjahre, Absolute Helligkeit -30,3 mag. Nachdem ich auf irgendeiner QSO-Homepage die scheinbare Helligkeit des Quasars mit 14,7 mag gelesen habe, war klar, dass ich um einen Versuch wohl nicht herumkommen würde.


    Mit dem Leuchtpunktsucher peilte ich das Sterndreieck (zweimal 5, einmal 6 mag) zwischen UMi und Draco an. Etwa 2° südlich davon traten zwei 8 mag-Sternduos ins Gesichtsfeld. Das westlichere der beiden war mein Ziel. Also ins Zentrum des GF damit und rauf mit der Vergrößerung! Bei 133x erblickte ich zwischen den beiden 8er Sternen, leicht westlich versetzt ein schwaches Sternduo und wenige Bogensekunden weiter westlich noch eines. Auf gleicher Höhe fand ich meinen Referenzstern. Ich schätzte ihn grob auf 14 mag. In unmittelbarem Abstand in Richtung Nordwesten sollte sich der Quasar befinden. Also bequem hingesetzt und entspannt... Tief durchatmen, konzentrieren… Da bildete ich mir ein, ein schwaches Fünkchen aufblitzen zu sehen. Ich war mir aber nicht sicher. Dann fiel mir ein alter Quasarbeobachter-Trick ein: Hyperventilieren, dadurch wird das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt, was eine höhere Konzentration zur Folge hat. Normalerweise mache ich das nur, wenn jemand in meiner Nähe ist, was heute allerdings nicht der Fall war. Aber dieser Quasar war mir das "Risiko" wert. Und es sollte sich lohnen: Denn plötzlich war er da! Ich konnte ihn nicht nur erahnen, sondern er war tatsächlich da! Da durchfuhr mich ein unbeschreibliches Gefühl. Es war einfach gigantisch… Licht aus 8,8 Milliarden Lichtjahren Entfernung trifft auf meine Netzhaut. Fünf Mrd. Jahre bevor unser Sonnensystem überhaupt entstand. Unser Universum war zu diesem Zeitpunkt etwa im Volksschulalter, und Hubble sieht auch nur ein Viertel weiter! [;)] Wenige Minuten später konnte ich ihn zeitweise sogar direkt gut halten.


    Nach ausgiebiger Beobachtung des Quasars und ein paar kalten Schauern später, sollte abschließend noch ein Highlight her. Wie könnte es anders sein, meine Wahl fiel auf die <b>Whirlpoolgalaxie M 51</b>. Es ist unglaublich welche Details unter ausgezeichnetem Himmel und mit trainiertem Auge erkennbar sind: Bei 133x sprudelte der "Whirlpool" förmlich über. Die Spiralarme waren unregelmäßig strukturiert, die Materiebrücke direkt sichtbar und selbst ein längerer Ausläufer eines Spiralarms war weit hinaus zu beobachten.


    Heute wurde mir wieder klar, welch ein erhebendes Hobby ich betreiben darf. Den neuen persönlichen Entfernungsrekord realisierte ich erst daheim im Bett so richtig. In meinem Kopf spielte ich mehrmals die gewaltige Entfernung durch. Diese unbeschreiblichen Gedanken wiegten mich sodann sanft in den Schlaf.


    Danke fürs Lesen,
    Christian

  • Hallo Christian,
    Deine "Risikofreudigkeit" wurde ja reichlich belohnt. Einen schönen Bericht hast Du da vorgelegt.


    Der Teil über Hickson44 hat mich besonders interessiert, da ich mich letzten Sommer darüber hergemacht habe, allerdings bei "nur" m5.8 und mit 10". Ich konnte damals lt. meinen Aufzeichnungen zwei Galaxien sehen: NGC3193 und NGC3190. Und da fing bei mir die Verwirrung an, denn Du erwähnst die letztere nicht. Eine kurze Internet-Recherche brachte es aber zu Tage: NGC3190 und NGC3189 sind identisch. Das Grüppchen ist auch deswegen recht interessant, weil die Galaxien doch recht unterschiedlich sind und vergleichsweise leicht zu finden sind. Bei nächster Gelegenheit, wenn der Himmel wieder gut ist, muß ich mir mal die Gruppe nochmal ansehen. Vielleicht finde ich die anderen auch noch.


    Mit Quasaren habe ich mich bisher nicht eingelassen, die geben optisch ja noch weniger her als die Faint Fuzzies, auch wenn ich Deine Motivation verstehe.


    Die Belohnung in Form von M51 war aber recht großzügig [:)].


    Klare Sicht, Michael

  • Hallo Christian!


    Woow, das kann sich wirklich sehen lassen!


    Auch Dein Bericht war sehr spannend und interessant zu lesen!


    Wenn das Dein neuer Entfernungsrekord ist, dann hast Du ja wahrscheinlich den 3c273 auch schon gesehen?


    Somit hättest Du Dir dann auch diesen verdient:




    Weitere z.T. sehr coole Awards gibt es hier:
    http://home.pages.at/salast/_funstuff.html

  • Herzlichen Dank für eure Antworten!


    Silvio: Ich muss gestehen, dass PG 1634+706 mein allererster Quasar überhaupt war. [:I] 3C273 stand zwar auch auf meinem Beobachtungsplan, ich konnte ihn aber aufgrund der Kälte nicht mehr beobachten. Entfernung geht schließlich vor Einfachheit! [;)] Beim nächsten Mal ist er aber dran.


    Bei der Gelegenheit wollte ich noch fragen, ob jemand einen Vorschlag parat hat, wie ich meinen Rekord übertrumpfen kann. Ich habe zwar bereits etliche QSO-Listen durchgeackert, aber einen dermaßen hellen und gleichzeitig so rotverschobenen Quasar hab ich bis jetzt nirgends finden können. Vielleicht hat von euch doch noch jemand eine Idee. Oder hab ich mit PG 1634+706 meinen 8"er bereits ausgereizt?


    LG Christian

  • Hi Namensvetter [8D]


    schöner Bericht. PG 1634+706 hab ich auch schon mit 8 Zoll gesehen, allerding hab ich da in Schriesheim gewohnt, das liegt zwischen Heidelberg und Mannheim. Ist jetzt also nicht gerade für seinen dunklen Himmel bekannt. [;)] Ich denke, dass du das Limit ausgereizt hast, mir jedenfalls würd kein anderer Quasar einfallen.


    In Abell 1656 kannst du super gut Galaxien einsammeln. Hab mit 8" insgesamt 120 Galaxien geknackt, danach hab ich aufgehört, obwohl bestimmt noch ein paar gegangen wären. [:D]


    Christian

  • Moin Christian,


    kleine Anmerkung zu
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dann fiel mir ein alter Quasarbeobachter-Trick ein: Hyperventilieren, dadurch wird das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt, was eine höhere Konzentration zur Folge hat.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Durch Hyperventilation wird vermehrt CO2 abgeatmet, daduch sinkt der CO2-Partialdruck im Blut. Die Blutgefäße im Gehirn sind CO2-sensitiv und kontrahieren sich bei fallendem P(CO2), was eine sinkende intrazerebrale Durchblutung zur Folge hat. Also Hyperventilation = weniger Blut in der Rübe = weniger Sauerstoff in der Rübe = Sternchen sehen (auch bei bedecktem Himmel [:D]) = Bewußtlosigkeit.


    Immer schön die Luft anhalten! [;)]


    Gruß,


    Gerrit

  • Hallo Christian,
    Wow, 120 Galaxien in Abell 1656 sind gewaltig! Da die meisten davon zwischen 13 und 15 mag liegen, werd ich mir den Comahaufen als auch noch einmal genauer ansehen müssen. [;)]


    Hallo Gerrit,
    Ups, dann hab ich da was verwechselt. Danke für deinen Hinweis! Aber Hauptsache, die Beobachtung hat geklappt.


    Hallo Hannes,
    Dein Bericht ist sehr interessant und angenehm zu lesen. Jones 1 ist bei mir im Herbst (bzw. in der Früh im Sommer) dran. Der sollte bei meinen Bedingungen hier eigentlich machbar sein.


    Als Fazit kann ich sagen, dass ich nun Blut geleckt habe. Die Faint Fuzzies reizen mich nun endgültig wesentlich mehr als M42, M81, etc. Nun beginnt bei mir die Jagd auf die schwächsten Vertreter am Nachthimmel! [:D]


    LG Christian

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Nun beginnt bei mir die Jagd auf die schwächsten Vertreter am Nachthimmel!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Na dann herzlich willkommen im Club. [:D]

  • Hallo Christian,


    willkommen im Club der Quasarbeobachter! Für diese Objektklasse gibt es nicht allzuviele Freunde, gibt es doch - vor allem bei den sehr entfernten - nicht viel zu sehen, auch keine pretty pictures. Wie Du so lebhaft geschildert hast faszinieren vor allem hier die unbegreiflichen Dimensionen.


    Absolute Helligkeit von 30M4 bedeutet, das dieses Objekt aus einer Entferung von 10 Parsec (32 LJ) eine Helligkeit von 30m4 aufweisen würde. Unsere Sonne hat 26m8 scheinbare Helligkeit, also wäre der Quasar aus 32Lichtjahren Distanz über 3mag heller, als unsere Sonne aus nur 8 Lichtminuten.


    Kann sich das jemand wirklich vorstellen? Ich nicht, nur staunen.


    Viele Grüße


    Achim
    p.s. aus 32LJ Distanz hat unsere Sonne eine Helligkeit von 4m84, bei gutem Vorstadthimmel gerade so erkennbar ...

  • Hallo Christian,
    wenn du den Quasar PG 1634+706 mit 8 Zoll packst, geht Jones 1 auch!
    Den habe ich schon mehrfach gesichtet... allerdings mit 16 oder 20 Zoll!
    Glückwunsch zu deinen guten Augen... hätt' ich auch gerne.
    CS
    Timm

  • Hallo Christian,


    schöner Bericht von dir, einen 7m Himmel hätte ich auch mal ganz gerne. [:)]
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Doch dann kam ein – im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick. Hickson 44 zwischen Aldhafara und Algieba im Leo. Die Stelle wurde angepeilt, und schon hatte ich diese Galaxiengruppe im Zentrum des Gesichtsfelds. Gleich beim ersten Blick konnte ich NGC 3193 und NGC 3189 erkennen. Letztere erschien eindeutig elongiert. Nach kurzer Zeit trat plötzlich auch NGC 3185 hervor, und kurz danach blitze auf zudem die 13,2 mag schwache NGC 3187 hervor. Nun war ich wieder glücklich.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ja, Hickson 44 hatte ich auch schon des öfteren im Vesier. Wie du richtig schreibst sind NGC3193 + 3189 recht einfach. NGC3185 braucht schon mindesten 5m7 bis 6m0 Himmel bei 8". Und an NGC3187 habe ich mir bis Heute die Zähne ausgebissen. Aber ich kann mir schon Vorstellen das bei 7m auch die Galaxie mit 8" zu knacken ist.


    Gruß


    Lots

  • Hallo Christian,


    schöner Bericht.
    Das du bei Jones Emberson 1 Schwierigkeiten hattest kann ich gut nachvollziehen, ist der PN doch um Welten schwerer als der oft verwechselte Jones 1. Selbst bei sehr guter Transparenz ist mit 16" nicht das allermeiste zu sehen, siehe PN - Visuell Homepage Neulich hatte Andreas Rörig mal das reine [OIII] Bild seiner fantastischen Linienaufnahme im Nachbarforum gepostet. War sehr gut zu sehen, dass der PN im reinen [OIII] relativ schwach leuchtet, auf dem Bild war deshalb nicht annähernd soviel drauf wie beim Ha Kanal.


    (==&gt;)Lots
    "Hickson C" alias NGC 3185 ist bei gutem Himmel um die 6m5 bereits im 4" zu sehen. Zwar schwer, aber indirekt zu halten, siehe mein Hickson-Beobachtungsprojekt. Eine Herausforderung für mittlere bis große Öffnungen ist die 16,1 bmag helle PGC 2806871 etwa 10' SO von HCG A bzw. die etwa 17 bmag helle PGC 86788 ca. 10' NNW.


    Viele Grüße, uwe

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