Troisdorf: "Wunderwelt Wissen" macht auf Karneval

  • Ahoi aus Mannem - für die Redaktion "Wunderwelt Wissen" auf Pro7
    Faschings-Scherz um "Feuer aus dem All" in Troisdorf bei Scienceinfotainment-TV-Magazin!


    Am Sonntagabend des 18.Februar 2007, also inmitten Karnevals-Kampagne 2007, gab es in der Scienceinfotainment-Sendung "Wunderwelt Wissen" (Moderation: Robert Biegert, aber vielleicht war es dieses Mal auch nur der perfekt verkleidete Roberto Blanko, der einst ja schon frohgemutet "Ein bisschen Spass muss sein..." sang) den Hauptbeitrag "Feuer aus dem All". Nach dem PR-Verständnis vom 'Star Force'-Sender Pro7 ("Unser Auftrag lautet Unterhaltung!") "präsentiert das Format seriös recherchierte, verständlich erklärte Beiträge in einer ausdrucksstarken Bildersprache" in der Produktion der Firma 'Storyhouse', "einer der weltweit führenden Macher hochwertiger Wissenschafts- und History-Dokumentationen". Aha. In dem hier reklamierten "Komos-Narren-Beitrag" (den lt. GfK 1,86 Millionen Zuschauer {6,4 Prozent Marktanteil} sahen) war von wissenschaftlicher Berichterstattung kaum was zu sehen, viel eher kam hier die Beflügelung der Fantasie der eigenen Redaktion zum Ausdruck. Statt "seriöse Recherche" und einer "ausdrucksstarken Bildersprache" gab es hier nur eigenbeflügelte Fantasie um einen Medien-Mythos weiter zu festigen und die 'Bildersprache' war nahe dem bäuerlichen Klischee-Bild vom Dorf-Kriminaler. Insgesamt war hier mal wieder "Akte X" als Freiflug für bald 2 Millionen Zuschauer gestaltet und gespielt worden. Ahoi!


    Aber ernsthaft: Ausgangspunkt des gescheiderten und total daneben gegangenen "Feuer aus dem All"-Beitrag von 12 Minuten Dauer war der angebliche Meteoritencrash von Troisdorf nahe Bonn, wonach dort eine Holzbude eines älteren Herrn durch den galaktischen Besucher in Brand geriet. 'Wunderwelt Wissen' versprach, man werde "diesem mysteriösen Brandfall nachgehen" und sei dabei "auf eine außerirdische Erklärung gestoßen", wie man es auf der Pro7-VT-Seite 413 als Ankündigung nachlesen konnte. Da ich seit Beginn an diese Geschichte zum komischen Feuerball in Troisdorf begleitete und auch alles dazu berichtete (und zwar genau das was hier grundlegend von Anfang an falsch lief und damit ein weiterer Medien-Mythos zur Welt kam), nahm ich den VT-Textbeitrag mit einem Grummeln im Bauch entgegen und verfolgte die Sendung dann mit Argusaugen. Und es kam genauso (bzw eigentlich noch schlimmer!) wie ich es befürchtet hatte, es lief hier genauso wie bei UFOtainment-Beiträgen - frei nach dem Motto: "Wir brechen mal aus unseren Zwängen aus und machen mal wieder heimlich auf 'Akte X'!" Mit himmlischen Phänomenen jedweder Art scheint der richtige Umgang nach wie vor ein Problem für Journalisten zu sein - gleichzeitig aber offenkundig auch eine Verlockung hier mal die berühmte 'Sau rauszulassen'.


    Die Basisgeschichte zum Ereignis findet man z.B. hier: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,3990408,00.html nach einer dpa-Meldung vom 20.Oktober 2006. >Abgebrannte Schrebergarten-Hütte in Troisdorf bei Bonn/Meteorit in Hütte eingeschlagen? Schrebergarten bei Bonn ausgebrannt - Rentner verletzt: Der Einschlag eines kleinen Meteoriten aus dem Weltall hat nach Überzeugung der Ermittler einen ungewöhnlichen Brand in einer Schrebergarten-Hütte in Troisdorf bei Bonn verursacht. Nach Beratungen mit Experten sei ein Hitze-Partikel aus dem All "die wahrscheinlichste Brandursache", bestätigte die Polizei Siegburg am Freitag. Alle anderen Ursachen könnten nach umfassenden und mehrtägigen Ermittlungen ausgeschlossen werden. Glaubwürdige Zeugen hätten auch "eine ungewöhnliche Leuchterscheinung am Himmel unmittelbar vor der Brandentstehung beobachtet, die sich als kleiner glühender Körper Richtung Boden bewegt hatte". Der Partikel sei aber nicht gefunden worden. 77-Jähriger erlitt Brandverletzungen: Durch das Feuer, das sich bereits am 8. Oktober ereignete, erlitt ein 77-jähriger Mann, der sich in der Hütte aufhielt, Brandverletzungen an Gesicht und Händen. Eine vorsätzliche Brandlegung habe ausgeschlossen werden können, teilte die Polizei mit. Auch technische Ursachen oder eine chemische Selbstentzündung kämen nicht in Frage. Die Zeugenangaben über die Lichterscheinung hätten die Ermittler veranlasst, mit der Sternwarte Bochum zu sprechen. Von dort sei mitgeteilt worden, "dass sich die Erde zur Ereigniszeit in der Nähe eines Meteoritensplitterfeldes befand und der Eintritt von Partikeln in die Erdatmosphäre zu erwarten war". Diese Partikel, die gewöhnlich den Erdboden nicht erreichen, sondern in der Atmosphäre verglühen, könnten vereinzelt doch bis zum Boden gelangt sein und durch ihre große Hitze auch einen Brand auslösen. Es sei verwunderlich, dass das Stück nicht gefunden worden sei, wenn es den Brand ausgelöst haben sollte, sagte Thilo Elsner von der Sternwarte Bochum. Daher könne er nur von Spekulationen ausgehen. Es sei aber möglich, dass ein solches kleines Teil auch glühend auf der Erde landen könnte.<


    Der ZDF-Heute-Beitrag von Oktober 06 dazu ist als Video ebenso über die genannte ZDF-Seite als Mediathek-Beitrag anzusehen. Und was machte "Wunderwelt Wissen" auf Pro7 daraus? Schnallen Sie sich an, bewahren die gequälten Nerven und verlieren Sie bitte nicht den vollen Glauben an TV-Scienceinfotainment-Sendungen. Um es gleich zu sagen: Pro7 bot keinerlei neuen Erkenntnisse zum Geschehen und griff voll in die Tasten für eine eigenwillige Inszenierung! Die dpa-Basisgeschichte wurde zu einem Drehbuch und nach den Vorstellungen dessen Autors umgesetzt, der offenkundig selbst den Ausgangsartikel noch nicht einmal richtig gelesen hatte und/oder viel lieber seiner eigenen beflügelten Fantasie freien Lauf ließ. So wurde der Fall 'dramatisch' in die Bildsprache umgesetzt, aber keineswegs als sorgsame Rekonstruktion, sondern als eigenwillige Dramatisierung - die ziemlich schlicht und billig daherkam und vielleicht während einer Feuerwehr-Übung nebenbei noch abfiel (irgendwo schnell und huschi-huschi gedreht, nur nicht an Ort). Durchaus auch möglich, dass der Beitrag ursprünglich eher eine Geschichte in Sachen Brandfall-Ermittlung von Feuerwehr/Polizei war und nur für die "Feuer aus dem All"-Story zurechtgestrickt wurde, um einen 'astronomischen' Karnevals-Aufreger abzuliefern. Der 'Stempel' Dramatisierung wird dem TV-Beitrag noch nicht einmal gerecht, weil ein Drama ja den Konsumenten mitgehen lassen will, während er hier eher einschlief. Selbst von der 'künstlerischen' Seite her war die Geschichte misslungen. Was hier zustande kam, war weder Fisch noch Fleisch - es war ein entartetes 'Akte X'-Monstrum, was auch mit einer 'nachgestellten Szene' nichts zu tun hatte. Mysteriös ist dabei nur, wie dies bei der verantwortlichen Pro7-Redaktion während der Beitragsabnahme so durchgewinkt wurde... - da muss schon Stimmung gewesen sein, naja ist halt eine närrische Zeit. Und der gute Witz ist ja immer jener, der ganz ernsthaft und unschuldig daherkommt.


    Die Pro7-Story (mit der die Produktion keineswegs protzen kann) vom 'Kappenabend' in München, wo die Fastnachts-Rakete 2007 gezündet wurde, um bald 2 Millionen interessierten Wissensgewinnungs-Zuschauern die rote Pappnase aufzusetzen: Biegert/Blanko eröffnet den Beitrag mit den Worten - "Den Film, den Sie jetzt sehen, beruht tatsächlich auf den Ereignissen aus der Nacht des 8.Oktober 2006...". Zwei Feuerwehrwagen rücken zum Löschen einer kleinen Ein-Mann-Zimmer-Holzhütte an und die Mannschaften halten ihre Rohre zum löschen hin. Am nächsten Morgen erscheint Landeskriminalamts-Kommissar Peter Müller an Ort, um den Vorfall zu untersuchen. Müller spricht so mit dem Mitvierziger Herr Klein und seine Freundin, dem Eigentümer und Laupenbesitzer, der auch herbeigekommen war. Vom 77-jährigen Renter ist dabei weit und breit nichts zu sehen - und er wird als Verletzungsopfer, der dort sich einen kleinen 'Hof' um ein Holzhaus zur Selbstversorgung anlegte, erst gar nicht erwähnt! Es kommt der streitsüchtige Nachbar Rubert ins Spiel und die beiden Nachbarsbengel Jens und Uwe, um der an den Haaren herbeigezogenen Story mehr 'Dampf' zu geben, im Hintergrund sind Feuerwehr und Polizei immer noch am herumwühlen in den Holzbarracken-Trümmern. Der Herr Kommissar ermittelt und Pro7 zeigt diverse Computeranimationen von Schadensentstehungs-Szenarien bis hin zum Blitzeinschlag nach sturmdurchtobter Gewitternacht (die es gar nicht gab) an Ort. War´s ein elektrischer Kurzschluß? Nein, da das Holzhaus erst vor einem Jahr gebaut worden war und die elektrischen Leitungen nagelneu von einem Elektrohandwerks-Meister gelegt wurden. Besitzer Klein kann sogar die Rechnung dazu vorlegen. Schließlich kommt man auf die Idee, mal bei der Sternwarte (Bochum) anzurufen, wo man mitgeteilt bekam, das es "bereits 80 {sic!} Sichtungsmeldungen" dort gegeben habe (die gab es in Wirklichkeit gar nicht), wonach "ungewöhnlich viele Sternschnuppen am Nachthimmel" gerade zum betreffenden Zeitpunkt des Unglücks zu sehen gewesen waren (waren sie aber auch nicht). Ja, "um 4:30 h ging ein Meteoritenschauer {sic!!!} über der Region nieder" erfindet das Drehbuch weiter, als wenn noch Bruce Willis in dem TV-Spiel auftauchen würde. Hierzu wird gezeigt, welchen Schaden es durch einen "Meteoriteneinschlag" 1908 in der Steinigen Tunguska gab, wo der Himmel wahrhaft einem auf den Kopf knalle - also obacht vor Meteoriten (auch wenn das Tunguska-Ereignis wirklich weit entfernt nur mini-minimal etwas mit Troisdorf zu tun hat, wo es gar keinen Einschlagskrater gab). Und natürlich der Videoclip des prächtig-mächtigen zerbrechenden grün-weißen Australien-Feuerballboliden vom Dezember 2005, um so richtig bildgewaltig daherzukommen - inzwischen macht dies im Rahmen dieser Sendung es auch nichts aus, wenn es zum aktuellen Ereigniszeitpunkt auch gar keinen Feuerball-Incident in Beobachtungsmeldungen oder gar einem Foto gab. Am folgenden Abend (Feuerwehr und Polizei wühlen immer noch die paar verkohlten Balken durch, Achtung: Logikfehler!) wird dann endlich auch von dem Polizisten Schneider der schwarz verkrustete handballengroße Meteorit gefunden! Tatata! Tatata!! Tatata!!! Und noch ein Tusch. Wolle mer se noch roilosse? Unglaublich dann noch der abschließende Kommentar: "Genauso hat es stattgefunden. Ein Meteorit zerstörte tatsächlich ein Gartenhaus..."


    Ich jedenfalls blieb atemlos und mit weit aufgerissenen Augen vor der Glotze dem dem Programm der 'Star Force' zurück und konnte der Kiste nur noch ein herzhaft donnerndes "Ahoi!" zurufen... Mir jedenfalls war auch klar: Die haben mich verarscht. Wenn wenigstens noch 'Horst Schlämmer' um die Ecke gekommen wäre, um dies als seinen Beitrag als "knallhart nachfragender" Journalist vorzustellen, wäre dies wirklich zum Lachen gewesen, so aber war es lachhaft...und der Medien-Mythos vom Troisdorfer Meteoritenschlag weiter verfestigt.


    Gruss


    WW [:o)]

  • Ich konnte es auch nicht fassen: Frei erfundene Story als Doku verkauft ... Aber das scheint leider bei Pro 7 zur Tradition zu werden, zumindest wenn es um Meteor(it)isches geht: Bereits am 10.12.2006 bestand eine sogar einstündige "Wissenschaftssendung" praktisch nur aus Unfug und gezielt verfälschten Abläufen, wie ich bei http://www.astro.uni-bonn.de/~dfischer/blog/4.html#pro7muell dokumentierte. Da war Pro 7 der erste Privatsender, der es mit unterhaltsamer Wissenschaft versuchte (und manchmal gar nicht schlecht) - und jetzt fahren die alles gegen die Wand. Vielleicht kein Wunder, daß "Welt der Wunder" zu RTL II umgezogen ist ...


    Daniel

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