wie stark biegt sich ein Alurohr?

  • Ja, da bin ich wieder mal am Rätseln. Und ohne fundierte Formelsammlung komme ich hier wohl nicht weiter. Also, was die Biegesteifigkeit eines Rohres angeht, ist ja soweit alles klar. I=Pi(D^4 - d^4) / 64. Wobei "D" der Außendurchmesser und "d" der Innendurchmesser ist. Da käme bei einem 50mm mit 1,5mm Wandstärke 81000 raus und bei 60mm mit gleicher Wandstärke 12960000. Mit der nackten Zahl kann ich aber nix anfangen.


    Was ich jetzt wissen will ist: Angenommen ich kann ein Alurohr fest auf einen Tisch montieren. Das Rohr steht jetzt noch 110cm über den Tisch hinaus und am Ende des Rohres hänge ich ein Gewicht von 2kg dran. Wie stark biegt sich das Rohr denn nun? Und wenn ich dergleichen 3 Rohre habe, liege ich dann richtig, wenn die Kraft auf alle 3 gleichmäßig verteilt wird, also die Biegung nur noch ein drittel dessen ist?


    Na denn, danke schon mal.


    Harry

  • Hallo Harry,
    aus dem Stehgreif kann ich das jetzt leider (noch) nicht ausrechnen, aber vielleicht kann ich das ja morgen mit Hilfe meiner FoSa mal berechnen. Versprechen kann ichs Dir allerdings nicht...


    CS, Sven.

  • Hi Harry,


    also was Du da berechnet hast, ist das axiale Flächenmoment 2ten Grades für Berechnungen zur Biegung.
    Deine Formel ist richtig, der von dir errechnete Wert nicht[:(]


    Die in deinem Bsp. gesuchte Durchbiegung am Ende des Stabes durch Belastung mit einer Einzellast errechnest Du:


    f= (F x l³) / (3 x E x I)


    f= Durchbiegung in mm
    F= Kraft in Newton (1kg = 9,81N)
    l= Biegelänge des Stabes in mm
    E= E-Modul (Stahl= 210.000N/mm², Alu= 70.000N/mm²)
    I= Axiales Flächenmoment in mm^4


    Bei deinem Beispiel also:


    Beim 50er Rohr ist I= 67.265 mm^4 (NICHT 81000!!)
    F= 19,62N
    l=1.100mm


    Somit ist die Durchbiegung (Eigengewicht des Rohres mal weggelassen):


    f= (19,62N x 1.100³mm) / (3 x 70.000mm³ x 67.265mm^4) = <font size="4">1,85mm</font id="size4">


    [^]



    P.S. Jo...Du liegst richtig, daß bei verdreifachung des axialen Flächenmoments - steht ja unter dem Bruch - auch die Durchbiegung 1/3 ist[:)]

  • Hallo Harry,


    mit I hast du nun schon mal das Flächenmoment eines Rohres bestimmt. Die Durchbiegung hängt jetzt natürlich von der Einspannung ab. In deinem angenommenen Fall (einseitige Einspannung, Gewicht am Ende) beträgt die Duchbiegung f am Ende
    f=F*L^3/(3*E*I)
    mit
    F=Kraft in N (bei 2kg sind das 2kg*9.81m/s^2 = 19.6N)
    L=Länge des Stabes (1.1m)
    E=E-Modul von Alu (7.1E10 N/m^2)
    I=das bereits genannte Flächenmoment (D,d in Meter einsetzen!)
    Ich komme auf I=pi*(0.05^4-0.047^4)/64=6.73E-8 m^4


    Damit die Durchbiegung bei 1 Rohr (falls ich mich nicht verrechnet habe)
    f=0.00182m =1.82mm [:D]
    Da die Kraft F linear in der Formel auftaucht, ist die Durchbiegung bei 3 Rohren nur 1/3, also hier 0.6mm.


    Der Vollständigkeit halber:
    I=pi*(D^4-d^4)/64 für ein Rundrohr,
    I=(B*H^3-b*h^3)/12 für ein Rechteckrohr (Breite/Höhe; B,H=außen; b,h=innen)


    f=F*L^3/(48*E*I) bei beidseitiger loser Auflage, Gewicht und Durchbiegung in der Mitte.
    f=F*L^3/(192*E*I) wenn beidseitig fest eingespannt, Gewicht und Durchbiegung in der Mitte.


    Durchgebogene Grüße
    Karl-Heinz

  • Hallo Harry,


    Ekkehard hat Deine Frage schon bestens beantwortet.


    Zu ergänzen ist noch, <u><b>wie</b></u> Du das Rohr in Deinem Beispiel einspannst: Wenn das Rohr auf dem Tisch nur an 2 Stellen mit ihm verbunden ist (das Ende und die Tischkante), kann es sich zwischen diesen Auflagern <b>nach oben biegen </b>, dadurch senkt sich das freie Ende zusätzlich!
    Dann gilt Formel für <b>Träger mit Kragarm</b> (aus l³ wird l² und alles ist noch mit Auflage- plus Kragarmlänge zu multiplizieren)


    es grüßt Lutz (Statiker)

  • Ich danke euch allen für die umfassende Aufklärung. Was denkt ihr: Angenommen ich nehme 60er Rohre, davon 3 Stück. Die Tragen einen leichten Hut. Sagen wir mal mit Fangspiegel, Spinne, OAZ und dem schwersten Okular max 2kg. Dann würde sich die ganze Sache um 0,79mm / 3 verformen. D.h. genau 0,26mm. Ich denke, das dürfte nicht allzuviel an Auswirkung auf die Abbildungsqualität haben, oder? Das ganze ist für 14" bei f5 gedacht. Soll natürlich ein Dob werden.


    Was meint ihr, tolerierbar oder eher nicht? Ich hab einfach was gegen den Stangen-Wirr-warr-Wald. Wer meinen 8er mit 3 Stangen schon gesehen hat, der weis was ich meine. Den werde ich morgen mal hier dokumentieren.


    Bis dann,


    Harry

  • Hallo Harry,
    mein Bauch sagt mir, nicht die Stangen sind dann das Problem, sondern der Spiegelkasten, denn der verbiegt sich auch. In der Praxis wirst Du schon froh sein, wenn Du beim Kollimieren nur annähernd diese Genauigkeit erreichst (Submillimeter). Also keine Sorge. So tief am Horizont schaust Du doch gar nicht, die Kräfte werden also noch viel kleiner sein.
    Gruß Kalle

  • Hallo Harry,
    ich hab auch mal gerechnet. (Sorry, hatte vorher keine Zeit)
    Also wenn Du längs gefasertes Hartholz (E=11000N/mm², Dichte 0,7g/cm³) verwenden würdest, könntest Du etwa 35% Gewicht gegenüber Alu einsparen. Das wäre immerhin 1,4 kg pro Stange! Bei einem quadratischen Querschnitt mit einer Kantenlänge von 56mm wäre die Durchbiegung an der Spitze auch nur 1mm bei Verwendung einer einzelnen Stange, entsprechender Bruchteil bei mehreren Stangen. Außerdem ist es ein nachwachsender Rohstoff und entsprechend umweltfreundlicher als Alu [:D]
    Wenn Du es noch lackierst, könnte sich die Flächenträgheit dadurch noch geringfügig erhöhen.


    CS, Sven.

  • Hi Sven,


    ist nicht dein Ernst, oder? Eine Stange mit 60mm Durchmesser soll 35% weniger wiegen als das gleich in Alu mit 1,5mm Wandstärke? Du meinst doch nicht Balsaholz, oder?[:D]


    Mal ehrlich, das kann ich nicht glauben bevor ich's nicht auf der Waage gesehen hab.


    Harry

  • Hallo Harry.
    Kein Witz, die Zahlen lügen nicht.
    Esche wäre optimal. Rohdichte 0,6-0,7g/cm³ und E=13000N/mm² (hab mit 11000 gerechnet, so ist noch ne Sicherheit drin). Gewicht=Volumen x Dichte, die ist 0,7g/cm³ (Alu: 2,7g/cm³). Es muß natürlich homogenes Holz sein, ohne Äste und so.


    PS: Mit einer 60er Rundstange würdest Du noch etwas mehr Gewicht sparen als mit dem quadratischen Querschnitt mit 56mm Kantenlänge, habe ich aber nicht auf Biegung durchgerechnet weil die Flächenträgheit bei dem Kreisquerschnitt kleiner wird und somit die Durchbiegung größer.


    CS, Sven.

  • Moin Sven,


    da hast Du was falsch gemacht:


    <b>GEWICHT:</b>
    Der Holzstab mit 60mm Durchmesser und einer Dichte D von 0,7g/cm³:


    A= d² x pi/4= 6²cm x 3,1446/4= 28,3cm²
    <b>G</b>= A x L x D= 28,3cm² x 100cm x 0,7g/cm³= <b>1.979g/m</b>


    Das Alurohr mit Aussendurchmesser von 50mm und Wandstärke von 1,5mm, sowie einer Dichte D von 2,7g/cm³:


    A= (d²-d²) x pi/4= (50²-47²) x 3,1446/4= 2,29cm²
    <b>G</b>= A x L x D= 2,29cm² x 100cm x 2,7g/cm³= <b>618g/m</b>


    <font color="red">Also beim Gewicht liegst Du mit deiner Rechnung um den Faktor 3 daneben.</font id="red">


    <b>DURCHBIEGUNG:</b>



    Das Alurohr biegt im vorher errechneten Beispiel um 1,85mm durch.



    Der Holzstab mit 60mm Durchmesser und einem E-Modul von 13000N/mm²:


    f= (F x l³) / (3 x E x I)


    f= Durchbiegung in mm
    F= Kraft in Newton (1kg = 9,81N)
    l= Biegelänge des Stabes in mm
    E= E-Modul (Esche= 13000N/mm²)
    I= Axiales Flächenmoment in mm^4


    Bei deinem Beispiel also:


    Beim 60er Rundstab ist I= 636.173mm^4
    F= 19,62N
    l=1.100mm


    Somit ist die Durchbiegung (Eigengewicht des Rohres mal weggelassen):


    f= (19,62N x 1.100³mm) / (3 x 13.000N/mm² x 636.173mm^4) = 1,05mm


    Die Durchbiegung ist also geringer als beim Alurohr, bei dem 3fachen Gewicht der Holzstange aber auch keine Kunst[;)]

  • Hallo Pteng.


    Verdammte Axt, ich habe beim Rohr vergessen, Pi zu vierteln. Das ist mir jetzt fürchterlich peinlich, wie konnte mir so ein dummer Fehler passieren? Ich nehme alles zurück und entschuldige mich vielmals.
    Hoffentlich bekommt das nie mein Professor zu Gesicht, der ist imstande und stuft mich ins erste Semester zurück...
    Gut dass noch mal einer drüber geguckt hat, das wäre ja richtig in die Hose gegangen.
    Also Harry, ich hoffe Du verzeihst mir diesen Fehler...


    Ein sich furchtbar schämender
    Sven.

  • Hi Sven,


    gräm dich nicht, schäm dich nicht. Fehler dürfen gemacht werden. Das ist ja das tolle hier im Board. Wo sonst kriegt man so schnell und ausführlich die richtigen Antworten und wird auf seine Fehler hingewiesen.


    Was mich allerdings stutzig macht ist der Ekkehard. Der schläft doch mit der Formelsammlung unterm Kopfkissen. [;)]


    Harry

  • (==&gt;) Sven:
    Passiert ruckzuck sowas!
    Ich denke, da ließe selbst dein Prof Milde walten[;)]


    (==&gt;)Harry:
    Geht noch gerade so Harry[;)]
    Bin seit 20 Jahren Konstrukteur in der Mechanik...da bleibt sowas einfach hängen[:D]


    (==&gt;)Beide:
    Das größere Problem sehe ich bei Verwendung von Holz:
    - woher soooo gerade Stücke bekommen, die nach 1 Jahr auch immer noch gerade sind
    - Verzug bei Temperaturänderung
    - Verzug bei Feuchtigkeitsänderung

  • Hallo Harry,
    ich rate Dir eher von der 3-Rohr-Konstruktion ab.
    Grund:
    - Die Einspanndetails sind schwierig handwerklich gut zu lösen
    - Drei 50er-Rohre sind schwerer als 6 oder 8 15mm-Rohre und auch schwieriger zu bearbeiten
    - Die 0.25mm Verformung sind eher am oberen Limit. Beim Nachführen fühlt sich das dann "weich" an und ruckelig. Der "Enddrehwinkel" macht dann auch die Justage kaputt.
    - Wie machst Du die "Socke" (ich meine den Blendschutz!) um 3 Stangen? Die hängt in den Strahlengang rein.


    Selbst habe ich einen 6zoll Reisedobson mit einer einzelnen 50mm Stange gebaut, das Ding hat sich bewährt und ist mit einer Stangenlänge von nur 40cm auch noch schön steif. Sein grosser Bruder mit 12-Zoll und einer 100er-Rohr (l=1.40m) geht zwar ganz passabel, wenn ich's nochmal machen müsste kämen da aber garantiert ein 8 Stangen Truss zur Anwendung. Die Einspannstelle war schwierig steif auszubilden, die Nachführung ist zu elastisch, der Streulichtschutz erhöht die Abschattung, Socke ist nicht machbar etcetera etcetera. (Mars war letzten Freitag trotzdem die Wucht bei 250-fach!) Merke: bewährte Designs lassen sich nicht einfach auf grössere Scopes kopieren! Die Längen nehmen Linear zu, die Gewichte in dritter Potenz, die Durchbiegungen in dritter oder vierter Potenz!


    Tipp: mit einer zusätzlichen Einspannung am Hut (Stangen durch beide Ringe führen und auch klemmen) wird die Konstruktion um einiges steifer.


    Gruss Max

  • Hallo Max,


    so ganz kann ich das nicht stehen lassen. Schau mal hier: http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=28766


    Das ist meiner. Und das Teil funktioniert TOP. Eine Socke brauch ich nicht, da das Design eben so ausgelegt ist, daß die Spiegelbox hoch genug ist. Ansonsten hätte ich ganz klar ein Problem. Was die Umsetzung von gleichen Designs kleiner Scopes auf größere Scopes angeht, magst du nicht ganz unrecht haben. Nicht alles läßt sich einfach vergrößern.


    Jedoch, und das sieht man hier: http://pw2.netcom.com/~ahighe/astroequ.html geht das 3-Stangen Design selbst bei 17,5 Zoll noch gut.


    Grüße,


    Harry

  • Hallo Harry,
    Glückwunsch zum schönen Scope! Die handwerklichen Schwierigkeiten meisterst Du ja bravourös, dann steht dem Bau des grösseren Bruders ja nichts mehr im Wege.[:p]


    Grüsse Max[:D]

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