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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
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71 Beiträge |
Erstellt am: 09.01.2021 : 18:30:53 Uhr
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Vor etwa 40 Jahren bin ich durch Zufall an zwei Oberflächen-Planspiegel (216 x 130 x 5 mm) von Carl Zeiss JENA gekommen. Ich war damals ASMW-Gutachter für Ferngläser und wollte sie als Vorsatz-Zenitspiegel nutzen, um die Abbildungsleistung der Gläser am Himmel entspannter als bei der Freihandbeobachtung beurteilen zu können.

Zeitmangel führte allerdings dazu, dass die beiden Spiegel für Jahrzehnte im Schrank verschwanden. Nur aller paar Jahre erinnerte ich mich daran, dass da noch ein unerledigtes Projekt auf seine Umsetzung wartete. Dafür mussten aber erst meine Kinder erwachsen, mein Erwerbsleben beendet und meine theoretischen wie praktischen Gerätebaufähigkeiten erweitert werden.
Im Sommer 2020 hab ich mich endlich nach gründlicher Internet-Recherche an die konkrete Planung gemacht. Mein Ziel war es, einen wirklich komfortablen und universell nutzbaren Zenitspiegel zu konstruieren und dabei die Schwächen der im Netz gezeigten Lösungen zu vermeiden. Er sollte sich für alle Ferngläser meiner Sammlung eignen, eine Heizung gegen Taubeschlag sowie eine Sucherhalterung haben und auf Zweiwegeköpfen bzw. azimutalen Montierungen mit horizontaler Vixenklemme montierbar sein.
Da ich bei meinen Eigenbaugeräten großen Wert auf professionelles Finish lege, sollten Spiegelgehäuse und Halterung komplett aus schwarz eloxiertem Aluminium mit Edelstahl-Verbindungselementen bestehen. Bei der Konstruktion ging es mir vor allem um Stabilität und den Schutz des wertvollen Spiegels, weniger um ein möglichst geringes Gewicht.
 Um das Beschlagen der Spiegelfläche bei hoher Luftfeuchtigkeit zu vermeiden, wurde ein Flächenheizelement aus dem Kfz.-Bereich integriert. Dieses klebte ich allerdings nicht auf die Spiegelrückseite, sondern auf die Innenseite des Gehäuses. Angeschlossen wird es über eine an der Unterseite des Rahmens eingebaute Cinchbuchse. Dadurch kann problemlos eine Kontrollbox für Taukappenheizungen zwischengeschaltet werden.


Die größte konstruktive Herausforderung bestand darin, die Montageschiene so zu bemessen, dass jedes Fernglas vom Spiegel vollständig ausgeleuchtet wird. Dabei musste die Höhe der verschiedenen Fernglashalter berücksichtigt werden. Für die Montage einiger Halter sind eine längere 3/4“-Schraube und ein stabiles Zwischenstück erforderlich. Die Abmessungen der Spiegel gestatten den vignettierungsfreien Einsatz von maximal 70mm-Gläsern.

Obwohl man beim geradsichtigen Benutzen eines Fernglases keinen Sucher braucht, ist dieser beim abgewinkelten Betrieb sehr hilfreich. Als Optimallösung erwies sich ein Grünlaser. Das Ausrichten des Glases funktioniert damit schnell, bequem und sehr intuitiv.

Um die empfindliche Spiegelfläche während des Aufbaus vor unbeabsichtigter Berührung zu schützen, wurde ein Abdeckung aus CFK konstruiert. Diese lässt sich wie der äußere Teil einer Streichholzschachtel über das Spiegelgehäuse schieben. Es ist zwar keine kostengünstige, aber eine sehr sichere, funktionale und stabile Lösung.

Die Fernglasbeobachtung mit den Vorsatz-Zenitspiegeln macht einfach nur Spaß. Dank der hochwertigen Zeiss-Oberflächenspiegel kommt es zu keinerlei Einbuße bei der Bildqualität. Der Wahrnehmungsgewinn im Vergleich zur freihändigen Beobachtung ist vor allem bei zenitnahen Objekten enorm. Die Bildorientierung ist SV (Süden oben, Bild seitenverkehrt), was bei DSO und Sternfeldern kaum stört. Am Teleskop verursacht ein Zenitspiegel bzw. Zenitprisma schließlich auch eine Bilddrehung mit Seitenumkehr, was die wenigsten Sternfreunde als erheblichen Nachteil empfinden.

CS, Jörg
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Lupo914
Senior im Astrotreff
  
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129 Beiträge |
Erstellt am: 10.01.2021 : 12:18:58 Uhr
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Hallo Jörg,
sehr schöne und durchdachte Lösung! Im ersten Moment dachte ich, es sei die Vorstellung einer professionellen, käuflichen Version.
Die Idee mit einem Vorsatzspiegel geistert auch in meinem Kopf rum, seit ich mal Bilder davon im Netz gesehen habe. Auch die Sucherlösung mit dem Laser finde ich für dieses Vorhaben ideal. Ist ja eine Sucherart die in Frankreich z.B. recht verbreitet ist, ohne das Vögel und Flugzeuge vom Himmel fallen und alle Umstehenden erblinden :-)
Die Sitzheizung (ist doch eine?) als Tauschutz ist raffiniert. An diese Matten habe ich noch gar nicht gedacht.
Viel Spaß damit!
Wolf |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
71 Beiträge |
Erstellt am: 10.01.2021 : 14:14:23 Uhr
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Hallo Wolf,
danke für die freundlichen Worte. Die Heizung ist keine Sitz- sondern eine Rückspiegelheizung für kleinere Lkw bzw. Transporter. Sie wird normalerweise von hinten aufs Spiegelglas geklebt. Aber so direkt wollte ich das nicht machen, um eine Deformation des Planspiegels zu vermeiden. Deshalb heizt sie jetzt das Gehäuse auf. Ist völlig ausreichend. Beim Teleskop genügt es ja auch, wenn nur die Taukappe etwas erwärmt wird. Ein Test bei richtig starkem Taufall steht zwar noch aus, aber ich bin zuversichtlich, dass der Spiegel auch dann nicht beschlägt.
Zum Lasersucher: Ich würde den nicht benutzen, wenn Besucher, vor allem Kinder, drum herum stehen. Aber wenn man alleine beobachtet, ist die Erblindungsgefahr doch sehr gering. Andernfalls müsste man ja auch jede Art von Sonnenbeobachtung verbieten. ;)
CS, Jörg |
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Luzista
Altmeister im Astrotreff
    
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1107 Beiträge |
Erstellt am: 10.01.2021 : 16:03:30 Uhr
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Hallo Jörg, ich gratuliere zur komfortablen und präzisen Konstruktion! Könnte von Zeiß selbst sein. Weil Du offenbar ein paar Monate älter als 40 bist, ist diese Bastelei für den Hals besonders wertvoll.
Noch einige Jahre vor Dir konnte ich vom Zeiß-Kollegen Rudat einen Planspiegel für Diaskope im DIN-A4-Format erwerben. Mit dem -aber weniger Fleiß- habe das hier gebastelt:

So ein feiner Sucher fehlt allerdings; das Hebelchen in Verbindung mit der Übersetzung 1:2 zeigt die Blickrichtung nur grob. M31, M33 oder h und Chi zum Beispiel sind jedoch gut zu finden Und ein schmerzfreier Genuss.
gute Sicht wünschend grüßt Lutz
Nachtrag 11.Jan. Mein Beitrag passt eigenttlich nicht zum Thema. In dem gezeigt wird, welch' hohe Präzission "Profi-Amateure" erreichen. Meine vergleichsweise armselige Bastelei ist vorgestellt, weil sie zufällig auch einen Zeißspiegel enthält. Der zufällig groß genug ist, um ihn schwenken zu können. |
Bearbeitet von: Luzista am: 11.01.2021 10:18:42 Uhr |
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Kerste
Altmeister im Astrotreff
    
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1386 Beiträge |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
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71 Beiträge |
Erstellt am: 11.01.2021 : 10:45:03 Uhr
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Hallo Lutz,
warum so selbstkritisch? Dein Schwenkspiegel passt doch sehr gut zum Thema. Dass ich beim Thema Eigenbau ein heilloser Perfektionist bin, deklassiert doch nicht automatisch alle anderen Lösungen. Im Grunde geht es hier nur um das zeitlose Problem, das wir „Astros“ mit geradsichtigen Ferngläsern haben. Dem kann man sich mit irgend einem Spiegel, etwas Sperrholz und einigen gebrauchten Schrauben stellen. Oder man ärgert sich wie ich, dass es in all den Jahren noch kein Hersteller fertiggebracht hat, eine professionell gebaute Lösung anzubieten und macht es „einfach“ selber. Das ist dann quasi der Bau eines Prototypen. Im Vergleich zur Sperrholz-Variante fast unverantwortlich teuer aber auch seeehr befriedigend...
CS, Jörg |
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nobbybuddy
Mitglied im Astrotreff
 
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83 Beiträge |
Erstellt am: 11.01.2021 : 11:09:52 Uhr
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Hallo in die Runde, das ist ja eine tolle Sache. Danke fürs Zeigen. So etwas suche ich schon lange. Eine Frage an die mitlesenden "3D Drucker": Kann man eine solche Spiegelhalterung preisgünstig drucken? Ich bin gespannt wie es weitergeht. Gruß und CS Norbert |
Gartensternwarte Unglinghausen. Rollhütte mit MAK 5, EG6 mit Upgrade 3 von VTSB und Adapter von Astromechanik auf Betonsäule Parallelbefestigung TS 15x70 Canon EOS 760 (Kit Objektive) Baader Hyperion Zoom MK IV, 12 Zoll Dobson |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
71 Beiträge |
Erstellt am: 11.01.2021 : 11:28:40 Uhr
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Hallo Norbert,
an den 3D-Druck hatte ich anfangs auch gedacht, aber da die Teile doch recht groß sind, würde man einen sehr großen Drucker und viel Material brauchen. Außerdem haben mich die thermischen Einschränkungen abgeschreckt.
Das Preisintensivste an der ganzen Sache ist allerdings der Spiegel. Entweder man kommt durch glücklichen Zufall an einen geeigneten oder man legt richtig viel Geld. Im ersten Fall muss man die Abmessungen nehmen, die man bekommt und das Gehäuse drum herum konstruieren.
CS, Jörg |
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Luzista
Altmeister im Astrotreff
    
Deutschland
1107 Beiträge |
Erstellt am: 11.01.2021 : 11:58:06 Uhr
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Danke, Jörg,
für die Aufmunterung. Nein, peinlich ist mir mein Klappfix keineswegs. Im Spielfilm "Spukschloss im Spessart" gibt es den Song "Die Hauptsache ist der Effekt...". Und der ist gegeben.
es grüßt Lutz |
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Uwe65
Senior im Astrotreff
  
161 Beiträge |
Erstellt am: 11.01.2021 : 13:52:41 Uhr
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Hallo zusammen,
ein Sternfreund hat ein ähnliches Projekt umgesetzt. Hier findet ihr seine Bericht dazu.
http://www.sternfreunde-soest.de/himmelsspiegel.html |
Viele Grüße Uwe
10" Dobson f/5 m. ArgoNavis Teilkreisen Apo 90/600 |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
71 Beiträge |
Erstellt am: 12.01.2021 : 14:21:38 Uhr
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Danke, Uwe,
für den Link. Da sieht man, dass manche Ideen einfach „in der Luft liegen“ und dann unabhängig von einander ganz ähnlich umgesetzt werden. Auch ich habe den Fujinon 10x70 schon seit vielen Jahren. Zum freihändigen Benutzen war es mir zu schwer, für den geradsichtigen Stativeinsatz fehlte mir ein zusätzliches Gelenk im Nacken und zum Verkaufen war mir das Glas einfach optisch zu gut. Also fristete es ein Dasein im Schrank und wartete geduldig auf den Zenitspiegel.
Den hab ich jetzt bei -4 und 80% rLf testen können. Die Heizung war per Controlbox bei etwa 40% Leistung. Dadurch wurde ein Beschlagen des Spiegels zuverlässig verhindert, und Auswirkungen auf die Abbildungsleistung hatte die Heizung nicht. Schade war nur, dass ich wegen der Ausgangssperre nicht auf den Acker fahren konnte. Mit 7 mm Austrittspupille unter Stadtrandbedingungen zu beobachten, macht keinen Spaß.
CS, Jörg |
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Nachtschwalbe
Meister im Astrotreff
   
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314 Beiträge |
Erstellt am: 12.01.2021 : 16:48:00 Uhr
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hi, feine Arbeit, wo bekommt man denn normalerweise solche Spiegel her, bzw, in welchen Gerätschaften wurde sowas denn verbaut ? CS Alex |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
71 Beiträge |
Erstellt am: 13.01.2021 : 17:51:56 Uhr
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Hallo Alex,
preiswert an einen guten und ausreichend großen Planspiegel zu kommen, ist sicher nicht einfach. Eine mögliche Quelle wäre https://firstsurfacemirror.com/glass-first-surface-mirror/
Ein Oberflächenspiegel mit den Abmessungen meiner Zeiss-Spiegel und einer vergleichbaren Oberflächengenauigkeit von Lambda/4 kostet dort rund 540 Dollar. Dazu kämen noch die Versandkosten von den USA nach Deutschland, der Zoll und die auf die Gesamtsumme erhobene Einfuhr-Umsatzsteuer. In Summe wohl etwa 700 €.
Natürlich könnte man sich auch mit einer geringeren Oberflächengenauigkeit begnügen. Der Vorteil wäre, dass man dann einen Spiegel für vielleicht 100 € bekommt und eventuell auch bei Ebay fündig wird. Wie sich das auf die Abbildungsqualität auswirkt, kann ich allerdings nicht sagen. Ein Bildversatz ist zwar nicht zu erwarten, eventuell aber eine eingeschränkte Bildschärfe.
CS, Jörg |
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eric2
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
30 Beiträge |
Erstellt am: 15.01.2021 : 01:46:52 Uhr
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Zitat: Wie sich das auf die Abbildungsqualität auswirkt, kann ich allerdings nicht sagen.
Ich glaube, bei den geringen Vergrößerungen der Ferngläser ist eine Bildverschlechterung bei Normalglas kaum zu erwarten. Müsste natürlich oberflächenverspiegelt sein.
Dass es solche FernglasSpiegel nicht schon längst zu kaufen gibt, wundert mich sehr. Der Markt ist bestimmt riesig. Es bestätigt nur meine anderenorts geäusserte Meinung, dass in den Konstruktionsbüros anscheinend einfallslose Schwachköpfe sitzen, die immer nur die seit Jahrhunderten bekannten Teleskoptypen reproduzieren. http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=251527 |
Bearbeitet von: eric2 am: 15.01.2021 02:16:34 Uhr |
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Luzista
Altmeister im Astrotreff
    
Deutschland
1107 Beiträge |
Erstellt am: 15.01.2021 : 11:14:45 Uhr
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Zwei 70mm-Fangspiegel für 200 € wären natürlich gut genug. Die Dinger aber stabil zu lagern (am Fernglas oder mittels besonderer Halterung) ist eine Herausforderung. Die jedoch zu bewältigen wäre?
Lutz |
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astrometer
Mitglied im Astrotreff
 
Deutschland
71 Beiträge |
Erstellt am: 15.01.2021 : 14:39:59 Uhr
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Hallo Lutz,
die Idee mit den Fangspiegeln ist erst mal gut, was die optische Genauigkeit betrifft. Allerdings gibt es zwei mechanische Probleme:
1. 70 mm kleine Achse eignen sich bestenfalls für ein 60-mm-Fernglas, denn zum einen haben die Gläser einen Öffnungswinkel von 4 bis 8 Grad und zum anderen müssten die Spiegel sehr genau vor denn Fernglasobjektiven sitzen, damit die Spiegelfläche ohne Vignettierung genutzt wird.
2. Zwei von einander unabhängige Spiegel verlangen zwingend eine Justiermöglichkeit, um eventuelle Doppelbilder zu Deckung bringen zu können. Wegen dieses Mehraufwands habe ich darauf verzichtet, aus meinen beiden Zeiss-Spiegeln einen großen Vorsatz-Zenitspiegel zu bauen, der sich dann problemlos für geradsichtige Ferngläser bis 110 mm Öffnung geeignet hätte.
CS, Jörg |
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