Überraschung auf dem Mars

  • <b>Das Seismometer der Nasa-#8203;Mission Insight, dessen Elektronik an der ETH Zürich gebaut wurde, zeichnet nicht nur Marsbeben auf, sondern reagiert erstaunlicherweise auch auf Sonnenfinsternisse: Zieht der Marsmond Phobos direkt vor der Sonne vorbei, kippt das Instrument ein wenig zur Seite. Der winzige Effekt könnte bei der Erforschung des Inneren des Planeten helfen.</b>


    Steht man auf dem Mars, kann man den Mond Phobos beobachten, wie er alle fünf Stunden den Planeten von West nach Ost umkreist. Seine Bahn verläuft so, daß er an jedem Ort auf dem Mars etwa einmal pro Erdenjahr direkt vor der Sonne vorbeizieht. Es kommt jeweils innerhalb von drei Tagen zu einer bis sieben Sonnenfinsternissen, so auch am Landeplatz der NASA-Sonde InSight, die seit November 2018 in der Region «Elysium Planitia» steht. Das Phänomen ist also viel häufiger als auf der Erde, wenn unser Mond die Sonne verdunkelt. «Allerdings sind die Eklipsen auf dem Mars kürzer, sie dauern nur 30 Sekunden und die Bedeckung ist nie vollständig», erklärt Simon Stähler, Seismologe am Institut für Geophysik der ETH Zürich. Fotos der Nasa-Marsrover «Opportunity» und «Curiosity» zeigen denn auch einen kantigen Brocken, der vor der Sonne hängt.


    Doch diese sogenannten Transite lassen sich nicht nur auf Bildern beobachten. «Auf der Erde mißt man bei einer Sonnenfinsternis einen Temperaturabfall und rasche Windböen, weil die Atmosphäre jeweils an einer Stelle kälter wird und und sich die Luft von dort weg bewegt», erklärt Stähler. Eine Analyse der Daten von InSight sollte zeigen, ob ähnliche Effekte auch auf dem Mars nachweisbar sind.
    Warten auf den 24. April 2020


    Im April 2019 war vom Landeplatz der NASA-Sonde eine erste Serie von Sonnenfinsternissen zu sehen, doch nur ein Teil der damals gemessenen Daten wurde gespeichert. Sie lieferten erste Hinweise, so daß sich Stähler und eine internationale Gruppe von Forschenden gespannt auf die nächste Finsternis-Serie am 24. April 2020 vorbereiteten.


    Wie erwartet registrierten die Solarzellen von InSight die Transits. «Steht Phobos vor der Sonne, gelangt weniger Sonnenlicht auf die Solarzellen und diese produzieren dadurch weniger Strom», erklärt Stähler. «So läßt sich der Abfall bei der Lichteinstrahlung durch die Bedeckung messen.» Tatsächlich sank die Sonneneinstrahlung während einer Finsternis um 30 Prozent. Die Wetterstation von InSight jedoch zeigte keine atmosphärischen Veränderungen. Die Winde drehten nicht wie erwartet. Dafür sorgten andere Instrumente für eine Überraschung: Sowohl das Seismometer wie auch das Magnetometer maßen einen Effekt.


    Das Signal des Magnetometers läßt sich höchstwahrscheinlich auf den Stromabfall in den Solarzellen zurückführen, wie Anna Mittelholz zeigte, die kürzlich dem Mars-Team der ETH beigetreten ist. «Das Seismometer-Signal haben wir jedoch nicht erwartet, es ist eine Kuriosität», sagt Stähler. Normalerweise zeichnet das Instrument, dessen Elektronik an der ETH entwickelt wurde, Beben auf dem Planeten auf. Bisher hat der Marsbebendienst, der von John Clinton und Domenico Giardini an der ETH geleitet wird, rund 40 klassische Beben registriert, wobei die stärksten eine Magnitude von 3,8 aufwiesen, dazu mehrere Hundert regionale, flache Beben.


    Die Überraschung während der Sonnenfinsternis: Das Seismometer kippte ein wenig in eine bestimmte Richtung. «Die Neigung ist wirklich äußerst gering», erklärt Stähler: «Stellen Sie sich ein Fünffrankenstück vor und schieben Sie auf der einen Seite zwei Silberatome darunter. Das ergäbe diese Neigung von 10^-8.» So klein dieser Effekt war, so eindeutig meßbar zeigte er sich.«Die banalste Erklärung wäre, daß die Anziehungskraft von Phobos dafür verantwortlich ist, so wie der Erdmond die Gezeiten verursacht», sagt Stähler, «doch dies kann man schnell ausschließen.» Denn dann müßte das Seismometer-Signal alle fünf Stunden, wenn Phobos vorbeizieht, für eine längere Dauer meßbar sein. Die wahrscheinlichste Ursache für das Kippen: «Während der Finsternis kühlt sich der Boden ab. Er verformt sich ungleichmäßig und löst so die Neigung aus», so Martin van Driel von der Gruppe für Seismologie und Wellenphysik.



    Verdunkelt der Mond Phobos die Sonne, kippt das Seismometer kaum meßbar zur Seite und registriert so den Transit des Mondes vor der Sonne. Bild: Nasa/JPL


    Tatsächlich registrierte ein Infrarotsensor auf dem Mars eine Abkühlung des Bodens von zwei Grad. Berechnungen zeigten, daß die Kältewelle während 30 Sekunden zwar nur Mikro- bis Millimeter tief in den Boden eindringt, doch dieser Effekt hat die richtige Größenordnung, um das Kippen zu verursachen.


    Eine Beobachtung auf der Erde stützt Stählers Theorie. Am Black Forest Observatory in einer alten Silbermine im Schwarzwald entdeckte Rudolf Widmer-Schnidrig ein ähnliches Phänomen: Beim Test eines Seismometers wurde versehentlich das Licht nicht ausgeschaltet. Es zeigte sich, daß die Wärmestrahlung einer 60-Watt-Glühbirne ausreichte, um den Granit tief in der Erde an seiner obersten Schicht zu erwärmen, so daß sich dieser ein wenig ausdehnte und das Seismometer eine kleine Verschiebung zur Seite anzeigte.


    Das winzige Kipp-Signal vom Mars könnte dazu verwendet werden, die Bahn von Phobos genauer als bisher möglich zu bestimmen. Denn die Position von InSight ist der am präzisesten vermessene Ort auf dem Mars. Weiß man, wann hier ein Phobos-Transit genau beginnt und endet, läßt sich die Umlaufbahn des Mondes exakt berechnen. Dies ist für künftige Raumfahrtmissionen wichtig. So will die japanische Raumfahrtorganisation JAXA im Jahr 2024 eine Sonde zu den Marsmonden schicken und Proben von Phobos zur Erde zurückholen. «Dafür muß man wissen, wo man genau hinfliegen will», sagt Stähler.
    Was genaue Bahndaten verraten


    Präzise Bahndaten von Phobos könnten aber auch mehr Aufschluß über das Innere von Mars geben. Während unser Mond an Drehimpuls gewinnt und sich kontinuierlich von der Erde entfernt, wird Phobos langsamer und nähert sich dem Mars, bis er in 30 bis 50 Millionen Jahren auf den Planeten stürzen wird. «Diese leichte Verlangsamung können wir benutzen, um abzuschätzen, wie elastisch und damit wie heiß der Mars in seinem Innern ist, denn kaltes Material ist immer elastischer als heißes», erklärt Amir Khan, ebenfalls vom Institut für Geophysik der ETH. Letztlich möchten die Forschenden wissen, ob der Mars aus dem gleichen Material geformt wurde wie die Erde oder ob unterschiedliche Bausteine eine Erklärung dafür liefern können, daß es auf der Erde eine Plattentektonik, eine dichte Atmosphäre und lebensfreundliche Bedingungen gibt – Dinge, die auf dem Mars fehlen.


    Weitere Infos auf den Seiten der ETH Zürich unter https://ethz.ch/de/news-und-ve…ansite-der-marsmonde.html

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