Azimutale Gabel und Bildfeldderotator

  • Hallo, ich möchte eine Gabelmonierung für einen 600mm Newton bauen. Eigentlich bin ich von Anfang an davon ausgegangen, dass es eine parallaktische Montierung werden muss, da ich auch gern mal eine Kamera ans Teleskop hänge. Allerdings sind diese ja dann doch recht unhandlich, gerade wenn man mal einen reinen Beobachtungsabend mit Freunden machen möchte.
    Nun bin ich am grübeln, ob es nicht mehr Sinn macht eine Azimutale Monti zu bauen. In Sachen Stabilität und Platzbedarf unter der Kuppel bringt diese ja nur Vorteile - besonders visuell.


    Ich habe bisher nur einen einzigen Nachteil gefunden: Um einigermaßen gute Aufnahmen machen zu können benötigt man einen Bildfeldrotator. Rein mechanisch würde ich das sicher ganz gut hinbekommen. So ein OAZ mit integriertem Rotator ist bei der fotografischen Objektauswahl ja auch sehr praktisch. Nur die Ansteuerung bereitet mir noch etwas Kopfzerbrechen. Deshalb würde ich hier nun gern mal eine Frage fragen.


    Dreht sich so ein Bildfeldrotator(oder besser Bildfeldderotator) für eine Azimutale Montierung in ca. 24h gleichmäßig um die eigene Achse, oder spielen hier noch weitere Faktoren(z.B. Dec) bei der Drehgeschwindigkeit eine Rolle? Das würde dann nämlich vermutlich meine Programmierkenntnisse überschreiten.


    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Henri


    nur mal ein gedanken, wenn ich mit dem Fernrohr nach norden zB. 70° einen Stern verfolge azimutal verfolge ist vom Himmelspol der Drehwinkel immer gleich (1U/Sterntag).
    Das gleiche gilt auch am Himmelsäquator. Im Zenit sollte man durchfahren können und nicht drehen müßen (Hauptspiegelzelle bei Dobson hlten den Spiegel manchmal nur auf eine Seite).
    Der Hauptspiegel wird aber irgendwann mal einen ruck machen, da er ja nach luft haben muß.
    Also drehwinkel sollte immer gleich schnell laufen. Beim Autoguiding muß man entweder off axis guiden müßen oder das Leitrohr (Sucher) muß genau justiert sein und auch über eine Bildfeldrotator
    verfügen. Ich bin bei einem gleichen Newton 60cm Lomospiegel in der Planungsphase da für öffentliche Führungen oder auch visuell das Fernrohr zugänglicher ist und in der zweiten Stufe soll der Strahlengang durch die Höhenachse erfolgen, natürlich mit Brennweitenverlängerung.


    Gruß Rolf

  • Die Drehgeschwindigkeit des Bildfeldes ist NICHT konstant.
    Nur am Himmelspol ist sie konstant 360°/Sterntag.
    Genau im Osten und Westen ist sie Null, im Meridian wird sie maximal.
    Beim genauen Zenitdurchgang geht die Drehgeschwindigkeit sogar gegen unendlich. Das Teleskop muss sich ja in kurzer Zeit um 180° drehen, um einen Stern von Osten in den Zenit steigend im Westen weiter verfolgen zu können. Durch diese Singularität haben ALT/AZ Teleskope im Zenit einen "Blinden Fleck". Je schneller sich das Teleskop in Azimut bewegen kann, um so kleiner ist dieser Bereich.


    Wer sein Teleskop genau auf dem geografischen Nordpol oder Südpol aufstellt, kann auf einen Derotator verzichten[:o)].


    Alle Formeln Graphen, Animationen hier:
    http://calgary.rasc.ca/field_rotation.htm

  • Hallo Henri,


    der Derotator dreht ja die Kamera, daraus ergeben sich aus meiner Sicht 2 Probleme:
    - Beim Guiding mit Leitrohr muss der Leitstern beim Teleskop und Nachführrohr genau in der Mitte sein. Daher dürfte ein Offaxisguider wesentlich besser sein.
    - Das größte Problem dürften aber die Haltestreben des Fangspiegels sein. Die werden, dadurch das sie sich nicht drehen, wohl anfangen einen Kreis auf dem Foto zu machen, der aber immer auch nur zum Teil entsteht, da du keine 24 Stunden durchbelichtest.


    Schöne Grüße
    Dirk

  • Hallo und vielen Dank für Eure Antworten! :)
    Ich habe es irgendwie geahnt, der Teufel steckt immer im Deteil.


    Rolf, wäre zu schön um war zu sein - siehe den Link von Stathis. Viel Erfolg mit Deinem Gerät, ich muss meinen Hauptspiegel noch polieren, aber der Fangspiegel ist schon fertig.
    Die lateralen Lager meiner Spiegelzelle erlauben freies Drehen ohne Ruck, diese Hürde ist also genommen.


    Konrad, Hufeisenmontierung muss ich mir noch mal durchdenken. Aber vermutlich wird die ähnlich viel Platz wie eine parallaktisch gelagerte Gabel benötigen.


    Stathis, vielen Dank für die Ausführungen und den Link, das war sehr erhellend für mich und reizt mein Hirnschmalz im Moment noch maximal aus.


    Dirk, ich nutze eine OAG. Aber das Problem der Haltestangen des Fangspiegels ist da. Besonders wenn ich mal auf RGB Fotografie umschwenken möchte. Sollte das sehr störend sein, müsste man wohl auf runde Haltestreben umbauen.


    Beste Grüße, Henri

  • ---


    Hallo Leute, nun sind wir alle schon wieder 1 1/2 Jahre älter!

    Da erinnerte ich mich, da war doch mal ein Thread über den Bildfeldrotator, an dem ich inzwischen seit einem Jahr herumtüftele!
    Ich hatte mir so einige Gedanken über Montierungen gemacht und möchte die Vorteile der Alt/Az Monierung gerne nutzen. Ich vertraue einfach mal darauf, dass sich für alle Probleme auch Lösungen finden werden. Die Herausforderung Bildfeldrotator bin ich einfach mal angegangen und dabei kam hardwaremäßig das hier heraus:



    So einige Monate gingen dabei ins Land, aber im Dez.21 hatte ich alles so wie ich es gerne hätte. Der BFR unten dreht einen 3" Crayford OAZ. Oben rechts kann man eine guiding cam reinstecken. Den OAZ hatte ich schon mal vor 10 Jahren für mein 16" gebastelt und für gut befunden, daher wir das natürlich so übernommen.


    So, der zweite Teil kommt gleich, wenn das mit den Bildern funzt.


    Bis gleich...

  • ...und weiter.

    Kurz vor Weihnachten hatte ich mir dann richtig spießig zwei Mappen mit Technischen Zeichnungen gemacht: eine für den Bildfeldrotator und eine für den Okularauszug - mit Deckblatt und Materialliste. 8)

    Jetzt kommen viele Bilder:


    Und Start mit Materialökonomie: das Innere und das Äußere Teil wird benötigt.


    27.02.2022 Nun sind schon so einige Teile fertig, da möchte man doch mal zusammenbauen und gucken ob alles auch gut passt. Als 3" Komakorrektor musste ich ein Bier missbrauchen - passt super!


    08.03.2022 jetzt wird es friemlig, das Schneckengetriebe Gehäuse wirdauf meiner "Enterprise" gefräst


    Über die Herstellung eines Schneckenrades hatte ich mir noch nie den Kopf zerbrochen, aber auch hier finden sich viele Quellen im Internet. Da ich seit vielen Jahren stolzer Besitzer eines Rundtisches bin, lag es nahe es einfach mal zu versuchen.
    Es soll ein Schneckenrad Modul 1 mit 150 Zähnen werden:


    21.03.2022 Den "Rohling" hatte ich schon fertig, aber nun sollte das Teil die 150 Zähne bekommen. Und da war Konzentration angesagt. Zuerst habe ich ein paar Stunden mit dem planen, justieren und einmessen verbracht. Alles muß genau stimmen.


    Nun wird eine Hohlkehle gefräst.


    Das hier ist ein M1 Modulfräser für Durchmesser 150mm. Den habe ich runderneuert in der Bucht bekommen. Die Fräse habe ich um 4° gekippt, so dass der Modulfräser die Zahnlücken schräg in das Schneckenrad fräst. Die 4° hatte ich von der vorhandenen Schnecke gemessen.


    Nun muß der Modulfräser sorgfältigst am Schneckenrad sowohl horizontal als auch vertikal justiert werden. Die Tests sieht man an den Anfräsungen in der blauen Farbe.


    Das sieht doch schon mal gut aus, nun braucht es Geduld und bitte keinen Fehler machen - ist fast wie beim Spiegel schleifen.


    24.03.2022 Sieht erst mal ganz gut aus! Und die Schnecke im Hintergrund dreht sich auch schon schön.


    26.03.2022 Und alles: Probelauf. Als Steuerung für den Schrittmotor habe ich zum Test erst mal den Focuser Ausgang der Teenastro benutzt. Diese habe ich schon für das neue Teleskop gebaut.
    Kurz gesagt: Da gibt es noch optimierungsbedarf...


    Maximale Bildanzahl erreicht: Fortsetzung folgt. :)

  • ...und weiter:


    Sieht brauchbar aus. Ein paar Runden mit der Schnecke und man sieht den Abrieb an den Zähnen genau in der Mitte(die dunklen Flecken an den Zahnflanken).


    Der Grund für den unruhigen Lauf des Schneckengetriebes war schnell gefunden, ich habe mal die Brille aufgesetzt und die Lupe dazugenommen:

    Da muß wohl noch etwas geschliffen oder poliert werden, mal sehen. Diese Schnecke gibt es fertig zu kaufen.


    Alle Einzelteile sind komplett! 8)

    Uff, das war schon etwas Arbeit und viel gelernt habe ich kostenlos dazu. Die nächste Herausforderung sieht man schon rechts im Bild. Mehr dazu unten.

    Aber nun kommt die noch etwas Arbeit: Alle Aluteile werden eloxiert, habe schon mal die Küche aufgereumt. ;)


    Drei Tage am Stück, und das hier ist das letzte. Problem war die Größe des BFR-Chassis. Das passte nicht in die normalen Behältnisse und so musste ich mit einem größeren Eimer improvisieren. Natürlich waren nun auch die Flüssigkeiten zu wenig, also wieder improvisieren (Heureka, Archimedes, Wasserverdrängung). Deswegen das Glaß im Eimer.


    02.04.2022 Die Teile sind fertig, was für ein Abenteuer! Nun lass ich mal alles etwas stehen, damit enentuelles Wasser noch aus den Gewindebohrungen wegverdunsten kann. Dann wird endlich zusammengebaut und das Gesamtkunstwerk ausgiebig beäugt.


    Nun noch ein paar Worte zur Steuerung. Auf Bild 13 Sieht man ja schon einen Testaufbau mit Arduino uno für den Schrittmotor. Eigentlich möchte ich aber einen Teensy4.0 mit SilentStepStick als Motordriver. Die Teenastro hat mich da einfach überzeugt. Das Ganze soll per ASCOM Treiber die ALT/AZ Daten saugen und dann im Teensy die Geschwindigkeit des Steppermotors berechnen. So der Plan.
    Leider habe ich aber nicht wirklich den Durchblick bei C++ oder Windows Programmierung. Ich habe mich mal kurz versucht und der Motor drehte sich schon schön, die Berechnungen der Geschwindigkeit sind dank der Links von Stathis auch klar. Aber ich vermute da stecken noch viele Tücken drin. Glücklicherweise kenne ich jemand der mir dabei helfen möchte. Das jedenfalls wird wohl das nächste Abenteuer und die kleinen Arduinos haben mich auch schon immer fasziniert.


    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Dirk, also auf das Gewicht habe ich nicht geachtet. Aber leicht isses nicht, da kommen ein paar kg zusammen.
    Das Teil soll stationär installiert werden, kein Problem. Allein der Spiegel wiegt 23kg.

    Wenn das Teil das nächste mal zusammengebaut ist tue ich es auf die Waage.


    Gruß, Henri

  • Hallo Henri,


    wow, was für ein Selbstbauprojekt. Ich bin begeistert. Ich bin als Dobsonaut ja ohnehin ein Freund von azimutalen Montierungen. Und ich denke auch fotografisch wird da in Zukunft einiges passieren. Aber was Du hier zeigst, fasziniert mich allein aufgrund der Planung und Ausführung unheimlich. Ganz großes Kino.


    Halte uns bitte auf dem Laufenden:

    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Henri ...

    ich bin eben erst zu diesem Beitrag " gestolpert " ;)

    Mehr als zu sagen " Klasse " ! ist da eigentlich nich notwendig.

    Ich bin immer wieder sehr fasziniert von solchen inhaltlich guten und in ihrer handwerklichen Ausführung wiklich ( nur wie ich es beurteilen kann ) Profiausführung.

    Toll !

    Gruss

    Marco

  • Hallo Henri,

    Da kann ich nur den Vorrednern beipflichten - ganz großes Kino!

    Hätte den das neue Teleskop auch parallaktisch in die Kuppel gepasst? Azimutal sparst Du natürlich viel Platz und auch die Zugänglichkeit ist einfacher.

    Viele Grüße und weiter gutes Gelingen,

    Bernd

  • Hallo Leute, vielen Dank für die Begeisterung. Da macht das Basteln gleich doppelt so viel Spaß! :)

    Bernd, eine equatoriale Gabel hätte da noch reingepasst. Aber da ich auch visuell alleine oder mit Freunden beobachten möchte ist die azimutale Gabel einfach die bessere Lösung. Geringerer Platzbedarf, höhere Stabilität, bequemerer Einblick. Und das Teleskop hängt immer schön im Gleichgewicht. Die fotografischen Probleme bekommt man schon gelöst...


    Habe geraade noch etwas weitergebaut:

    Das Schneckenrad wurde ordentlich spannungsfrei befestigt und die Kugellager eingepresst.


    Die Crayford Mechanik wurde eingebaut und justiert, ist saustabil und dreht sich butterweich!


    Und zum Abschluss noch die Motorsteuerung für den OAZ angebaut...


    Fortsetzung folgt...


    Beste Grüße, Henri

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