Corona mal anders: Der Feuerring der Venus

  • <b>ETH-Forschende klassifizierten mithilfe von Computersimulationen die heutigen Aktivitäten von Coronae-Strukturen auf der Oberfläche der Venus – und finden zu ihrer Überraschung einen bis dato unentdeckten Feuergürtel auf unserem Nachbarplaneten</b>


    Auf der Oberfläche der Venus entdeckten Planetenforscher schon vor Jahren auf hochauflösenden Bildern der Nasa-Mission «Magellan» eigenartige ringförmige Strukturen. Coronae (lat. Kronen; Einzahl: Corona) werden diese genannt, und ETH-Forschende um Taras Gerya, Professor für Geophysik am Departement Erdwissenschaften, erforschten vor einigen Jahren mithilfe von Computermodellen, wie diese Strukturen entstanden sein könnten.


    Bis heute gehen die meisten Forschenden davon aus, daß sogenannte Mantelplumes, die tief aus dem Inneren des Planeten aufsteigen, die kreisförmigen Strukturen an der Oberfläche hervorbringen.


    Mantelplumes sind Säulen aus heißem, geschmolzenen Gestein, das durch Konvektionsbewegungen im unteren Mantel bis zur Kruste gelangt. Dort breitet sich der oberste Teil der Säule pilzförmig aus. Die mitgeführte Hitze schmilzt die darüberliegende Kruste kreisförmig auf. Kontinuierlich aus der Tiefe emporsteigendes Material verbreitert den Kopf des Plume und weitet die Ringstruktur auf der Oberfläche aus – eine Corona entsteht. Die harte Kruste, welche den Mantelplume umgibt, zerbricht und taucht schließlich unter den Rand der Corona ab, was lokal tektonische Prozesse in Gang setzt.


    Doch die Topografie von Coronae sind mitnichten homogen oder einfach zu beschreiben. «Auf der Venus-Oberfläche kommen solche Strukturen in einer großen Vielzahl von Formen und Größen vor», sagt Anna Gülcher, Doktorandin in Geryas Forschungsgruppe.


    Mithilfe eines größeren Satzes von verbesserten 3D-Simulationen hat Gülcher die Coronae deshalb erneut untersucht, um die Vielfalt der Oberflächentopografie mit darunter ablaufenden Prozessen zu verknüpfen. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» erschienen.


    Die neuen Simulationen zeigen, daß die Topografie einer Corona davon abhängt, wie dick und stark die Kruste an der Stelle ist, an welcher ein Mantelplume auftrifft. Dabei ging klar hervor, daß die Coronae-Topografien davon abhängen, wie aktiv die darunterliegende Magmasäule ist.



    Der kreisrunde Berg im Vordergrund ist eine 500 Kilometer grosse Corona in der Galindo-Region der Venus. Die dunklen Rechtecke sind ein Artefakt. Bild: NASA/JPL/USGS


    Diese Unterscheidung erlaubte es der Forscherin und ihren Kollegen, über hundert große Coronae der Venus in zwei wesentliche Gruppen einzuteilen, nämlich solche, unter denen derzeit ein aktiver Plume aufsteigt und geschmolzenes Material mitführt, und jene, unter denen der Plume erkaltet und inaktiv geworden ist. «Jede Corona-Struktur hat eine spezifische Signatur, die anzeigt, was darunter vor sich geht», sagt Gülcher.


    Alle aufgrund ihrer Aktivität eingeteilten Coronae trug die Forscherin auf einer Venus-Karte ein. Zu ihrer Überraschung konnte sie die meisten der Strukturen, die über aktiven Mantelplumes liegen, auf einem Gürtel in der unteren Hemisphäre der Venus verorten. Nur wenige aktive liegen außerhalb dieses Bandes. Gülcher: «Wir nannten es deshalb in Anlehnung an den ‘Pazifischen Feuerring der Erde’ den ‘Feuerring der Venus’.» Sie geht davon aus, daß der Feuerring der Venus mit einer Zone zusammenfällt, in der besonders viel Plume-Material aufstößt.


    Es sei jedoch wichtig zu beachten, daß auf der Erde die Plattentektonik für die Lage und Dynamik des Feuerrings verantwortlich sei. Auf der Venus sei es vertikaler Hotspot-Vulkanismus, der auf der Erde nur an wenigen Orten vorkomme.


    Weshalb sich die Mantelplumes auf der Venus genau in solch einem Gürtel anordnen und was dies heißt in Bezug auf Prozesse, die sich tief im Inneren dieses Planeten abspielen, ist eine wichtige Frage. Diese könnte in künftigen Studien mit Computersimulationen im großen Maßstab angegangen werden, erklärt Gülcher.


    In ihren Modellen simulieren die Forschenden nur wenige hundert Kilometer des obersten Teils eines Mantelplumes. In Realität aber könnten solche Magmasäulen über 1000 Kilometer lang sein. «Die gesamte Länge zu simulieren, kommt aufgrund der erforderlichen Rechenkapazität nicht in Frage», sagt Gülcher. Nur schon die aktuellen Simulationen sind achtmal größer als bisherige. Gerechnet wurden sie auf dem Euler-Cluster der ETH.


    Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Planetenforschenden auch neue Einsichten darüber, wie Mantelplumes im Inneren der Erde funktionieren. Sie dürften verantwortlich sein für die Entstehung von Hotspot-Vulkanismus wie er sich beim Hawaiianischen Inselarchipel äußert. Mantelplumes könnten zudem ein Auslöser für die auf der Erde beobachtete Plattentektonik gewesen sein, wie die Forschungsgruppe von Taras Gerya ebenfalls mit Hilfe von Simulationen aufzeigte. Wie damals erwähnt, könnte die Venus als Modell für die Prozesse dienen, die sich auf der frühen Erde abgespielt haben könnten.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ETH unter https://ethz.ch/de/news-und-ve…-feuerring-der-venus.html

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