Hallo zusammen,
ein guter Freund von mir pflegt das Credo <b>"Das Feld ist das Objekt"</b>.
Das soll heißen, zusätzlich interessant werden Einzelobjekte im Zusammenhang mit ihrer Umgebung.
Und irgendwie hat das inzwischen stark auf mich abgefärbt .
Das soll heißen, mir machen Beobachtungen mit kleinen Optiken und großen Gesichtsfeldern eine Riesen-Freude.
Vor zwei Wochen habe ich mir bei A.de verwundert die Augen gerieben.
Hat doch einer sein schickes <font color="yellow">Nikon 8x30 WF</font id="yellow"> im Forum relativ preiswert für unter 60% des Neupreises angeboten.
Halb zog es mich, halb sank ich hin ... ich konnte nicht anders, ich musste das Fernglas kaufen.
Zieht euch mal die Eckdaten rein - ein Porro - 8,8° Gesichtsfeld - 8-fache Vergrößerung - 3,75 mm AP - genau mein Ding.
Letztens habe ich schon über Murphy gelästert, der Vogel lässt sich (Gott sei dank) trotzdem nicht provozieren.
Mittwoch gab es das erste Zeitfenster zum Beobachten in der kommenden Neumondphase ... und es war klar, richtig klar. Extrem transparenter Himmel.
Also stand dem First Light mit dem neuen Fernglas nichts im Wege.
Ein kleiner Exkurs vorab. Die beliebtesten Objekte unter den inzwischen über 16.000 beobachteten Objekten bei <font color="orange"> <u>DeppskyLog.org</u></font id="orange"> sind - wie soll es anders sein - vielfach Objekte des Messierkataloges.
Unter die Top 40 haben es neben 38 Messiers gerade einmal zwei NGC´s geschafft (h & chi).
Also nicht verwunderlich, dass ich meine Beobachtungen mit M 41, M 42, M 46, M 47, M 50 begann ... dann kurz ein paar Exoten h3945, Al 21, NGC 2353, Pakans 3, Harrington 5.
Dann fiel mir ein, Mensch M 97 und M 108 im großen Wagen stehen ziemlich günstig, die hast Du mit dem 8x20 FG seinerzeit nicht geschafft.
Wie sieht es jetzt mit 8x30 aus? Der erste Härtetest!
<font color="orange">M 97</font id="orange"> <font color="beige">der PN wurde indirekt als kleiner, runder, matter Fleck sichtbar, er war homogen hell. Ich würde die Beobachtung als mittelschwer bezeichnen.</font id="beige">
<font color="orange">M 108</font id="orange"> <font color="beige">eine deutlich härtere Nuss, indirekt war ganz schwach ein leicht länglicher, kompakter Nebelhauch erkennbar.
Die Elongation zeigte leicht unterhalb der Sterne entlang, die westlich von M 108 stehen.</font id="beige">
Schwer, fast eine Grenzbeobachtung, aber hey, gesehen. Da hatte ich mein zweite Hochgefühl in dieser Nacht.
Das erste habe ich verschwiegen, schiebe ich jetzt nach:
<font color="orange">Pakans 3</font id="orange"> im Einhorn, auch bekannt als Lorenzin 15 oder Harrington 18, aber Pakans 3 beschreibt es wohl am besten, was man zu sehen bekommt.
<font color="beige">Im 8x30 FG wunderschön, eine ganz feine Perlenschnur aus schwachen Sternen, die eine 3 bilden.
Der südliche Bogen ist etwas unauffälliger. Es gibt keine Sterne im unmittelbaren Umfeld, die das Bild stören.
Östlich des Musters bilden leicht hellere 3 Sterne einen Zeiger, der zu sagen scheint: Achtung, aufpassen, nicht dieses schöne Muster übersehen!</font id="beige">
Jetzt denkt Ihr sicher, der Kerl ködert uns mit der Überschrift "kleines Glas mit großer Wirkung", bislang doch nur alles leichtes Geplätscher.
Aber haltet Euch fest, jetzt kommt es. Nach M 101 und STF 1744 (das kleine Reiterlein) habe ich auf NGC 869 und 884 geschwenkt.
Spätestens ab hier stieg meine Faszination für das Glas deutlich an. Wow, was 8,8° Gesichtsfeld ausmachen können.
Jeder, der schon einmal einen Sternhaufen gezeichnet hat, weiß, dass man ihm auf dem Papier viel Platz bzw. Luft zum atmen lassen sollte, damit er richtig zur Wirkung kommt.
Und genau das ist mir beim Anblick von h & chi passiert. Mir blieb die Luft weg.
Ab jetzt hänge ich Euch zur grafischen Untermalung immer einen DSS-Ausschnitt mit gut 8-9°GF an, der aber nur halb so gut den Anblick im FG verdeutlichen kann.
<font color="orange">NGC 869 + NGC 884 (H & chi)</font id="orange">
Die beiden Sternhaufen sind sicherlich die gewaltigsten Diamanten des Herbsthimmels und wurden schon 130 v.u.Z. von Hipparch erwähnt.
Beide gehören zu den massereichsten und leuchtkräftigsten bekannten Sternhaufen. Viele Blaue und Rote Über-/Riesen leuchten bis zu 50.000-mal heller als unsere Sonne.
<font color="beige">Im Fernglas sehe ich eine wunderschöne doppelte Sternverdichtung in einem schönen sternreichen Umfeld.
Hier macht sich das große Gesichtsfeld des 8x30 Fernglases bezahlt, selbst Stock 2 (Muskelmännchen, ziemlich im Norden im Bild) passt so noch wunderbar mit in die Szenerie.</font id="beige">
Welche Objekte gibt es noch, die große Gesichtsfelder erfordern? Am Himmelspol gibt es ein Sternmuster, 7 Sisters of the Pole, riesig.
Mit dem Fernglas ein Schwenk dorthin. Passt wunderbar, das erste Mal, dass ich das vollständig sehe, ohne es abfahren zu müssen. Und selbst der Diamond Ring passt noch wunderbar mit aufs Bild.
DSS hätte ich hier nicht gelohnt. Weiter.
<font color="orange">Melotte 20</font id="orange">
Der Alpha-Persei-Bewegungshaufen. Er wird auch als Per-OB3-Assoziation geführt, der Haufen ist jedoch mit einem Alter von 50 Mio. Jahren keine aktive Assoziation,
sondern ein Rest der fossilen Cas-Tau-Assoziation, welche nun nur noch in Gestalt dieses Sternstroms in Erscheinung tritt.
<font color="beige">Der Anblick im Fernglas phantastisch! Melotte 20 passt endlich mal inclusive Umfeld in das Gesichtsfeld und wird dadurch wunderschön in Szene gesetzt.
Einige Sternketten winden und schlängeln sich durch den Haufen. Mitten im Zentrum wirkt der Haufen sternleer.
Die Musik spielt sich meistenteils südlich von dem hellen Stern Mirphak ab, der Haufen wirkt leicht länglich nach Südosten elongiert.
Weit im Süden vom Haufen strahlt ein Stern besonders hell und orange.</font id="beige">
Weiter ging es mit
<font color="orange">M 45</font id="orange"> <font color="beige">ebenfalls wunderschön im Sternumfeld platziert, Allys Zopf bildet eine schöne zarte Sternlinie im Südosten des Haufens. </font id="beige">
Dann mal ein Schwenk in den Löwen zu M 65 und M 66 - beide nicht ganz so leicht wie erwartet.
<font color="orange">M 44</font id="orange"> im Krebs, <font color="beige">ein Traum, die hellsten Sterne im Haufen bilden im Zentrum des Haufens ein Dreieck, dessen südlich Seite konkav nach außen gewölbt ist.
In der Periphere im das Zentrum sind gut drei Dutzend schwächere Mitglieder erkennbar.
Ein gigantischer Anblick im diesem großen Gesichtsfeld, der Haufen wird schön von vier helleren Sternen eingerahmt, die ein unregelmäßiges Viereck um M 44 bilden.</font id="beige">
Dann noch M 67, M 35, M 1, das Spermatozoon Lorenzin 1, Collinder 69. Wir nähern uns den beiden Höhepunkten der Nacht.
<font color="orange">Melotte 25</font id="orange">
Die Hyaden sind der Kopf des Stiers, der uns am nächsten gelegene Sternhaufen.
Zusammen mit den Plejaden bildet er das Goldene Tor der Ekliptik, da diese genau zwischen diesen beiden Haufen verläuft.
Der rötliche Stern Aldebaran befindet sich nur scheinbar inmitten dieser Gruppe, er ist ein Vordergrundstern in 68 Lichtjahren Entfernung.
<font color="beige">Trotz der knapp 9° GF habe ich das Gefühl, dass die 6° große Sternansammlung gerade so ins Gesichtsfeld passt. Aldebaran knallt schön zitronengelb.
Im Norden ist eine hübsche Sternspur, gebildet von fünf Mitgliedern, erkennbar.
Im südlichen Bereich viele Sternpärchen, drei Pärchen stehen sich symmetrisch im Dreieck gegenüber, mit ein paar weiteren schwächeren Sternen bildet diese Gruppe ein fast perfektes Dreieck.</font id="beige">
<font color="orange">Die drei Musketiere</font id="orange">
Ähem, ich meine die drei Auriga-Messierhaufen M 36, 37 und 38. Eigentlich habe ich zum Abschluss nur dort hin geschwenkt, weil ich mir das Sterngewusel in diesem Sternbild Fuhrmann reinziehen wollte.
Erster Anlaufpunkt ist immer das fliegende Fischchen, von dort leicht nach Norden geschwenkt ... Moment mal ... ich brauchte gar nicht schwenken. Im Gesichtsfeld ploppten alle drei Auriga-Haufen auf.
Bei 8-fach richtig klar und deutlich.
So war ein direkter Vergleich aller drei Haufen möglich, den ich Euch hier erspare.
Was ich Euch aber nicht erspare, ist ein Vergleichsblick mit meinem 4x22 FG, den ich gestern an die gleiche Stelle gewagt habe.
Ganz ehrlich, trotz noch größerem Gesichtsfeld von (ich glaube 17°?) verliert das Sternfeld und die Sternhaufen merklich an Glanz. Die drei Auriga-Haufen waren nur schwer erkennbar.
Die 8-fache Vergrößerung und die bessere Qualität des Nikon 8x30 haben einfach mehr Zug zum Tor.
<u>Mein Fazit für diese Nacht</u>
<ul><li>wenn ich richtig gezählt habe, waren das 31 Objekte in gut eineinhalb Stunden Beobachtungszeit, einige Objekte mit richtigem Wow-Effekt </li><li>8-fache Vergrößerung und 8,8° = dreimal 8, eine Traumkombination </li><li>8x30 Porro schafft deutlich mehr als 8x20 Dachkant (das 8x20 Leica ist inzwischen verkauft) </li><li>Wenn es bei Ferngläsern um die Kompromissfindung zwischen Vergrößerung (bis 2-8-fach) und möglichst großen Gesichtsfeldern geht, dann würde ich die Priorität zuerst auf die Vergrößerung setzen, von mir aus auch zu Lasten der Öffnung</li></ul>
Klar, solch kurzweilige Nächte lassen sich nicht unendlich wiederholen, weil die Anzahl der Objekte für diese Fernglas-Klasse begrenzt sind.
Aber für schnell mal unvorbereitet raus zum Beobachten eignet sich diese Fernglas wunderbar.
Und ich kenne jemanden, der mit dieser Kombination 8x30 alle Messierobjekte erfolgreich unter Landhimmel-/Voralpen-Bedingungen beobachtet hat.
Wenn das kein Ansporn ist
Ach, und ich habe mal auf die Uhr geschaut. Für diesen Bericht hier habe ich jetzt knapp drei Stunden vor dem PC gesessen.
Eigentlich wäre ich jetzt auf meiner 7-stündigen Rückfahrt vom besten Deepsky-Freunde-Treffen Deutschlands, dem DSM in Hayingen.
Aber Covid-19 macht ja momentan einen Strich durch viele Rechnungen.
Für mich ist das nur gemilderter Frustabbau, aber es ist einer ...
Viele Grüße
Rene