Hallo allerseits,
Hier laufen ja aktuell drei Threads zum Thema Fernglas-Beobachtung - mit 10x22, 10x50 und 18x70. Alle drei fokussieren auf optimale Sternwahrnehmung. Da mag ein Bericht von Interesse sein, der eine ganz anderes Ziel verfolgt: die optimale Wahrnehmung von diffusen Emissions- und Reflexions-Nebeln.
Vor einigen Wochen beschrieb Jiri Gardavsky drüben auf Cloudy Nights die besonderen Eigenschaften des Docter 8x56B Porro. Er erwähnte, dass die Transmissionseigenschaften dieses Glases im für Schmalband wichtigen blauen Bereich ausserordentlich günstig seien. Siehe hier:
https://www.cloudynights.com/t…em-8x56-porro-binoculars/
Ich konnte nicht mehr widerstehen, wurde doch gleichzeitig in den Kleinanzeigen ein Exemplar dieses Glases erschwinglich angeboten.
Mittlerweile habe ich zwei wunderbare Nächte mit diesem Glas verbringen dürfen und kann dazu berichten. Zunächst aber ein Wort zur günstigen Anpassung von Filtern an dieses Glas, ein ganz entscheidender Aspekt für die Nebelbeobachtung: Die Augenmuschel sitzen in zwei breiten Nuten im Okularkörper und sind leicht (aber nicht zu leicht!) abzuziehen. Die Augenlinsen der Okulare sind plan. Also habe ich zwei Astronomik H-Beta 1,25-Filter von ihren Fassungen befreit und das Filterglas „nackt“ direkt auf die Augenlinse gelegt. Dann die Augenmuschel wieder eingeklickt – passt prima, volle Brillentauglichkeit ohne Verlust von Pupillenabstand.
Was ich dann sah, konnte ich zunächst nicht glauben. Der <font color="red"><b>Kaliforniennebel NGC 1499</b></font id="red"> war nicht nur, wie ich das vom 14x80 Fernglas mit H-Beta kenne, 1¾° lang und ½° breit, sondern nach Südosten hatte ich den Eindruck, als ob der Nebel sehr diffus über die 1¾° hinaus sich weitere volle 2° erstreckt – also ungefähr 4° lang!
Dieses Foto zeigt recht gut, wie groß ich den Nebel im Docter 8x56 mit H-Beta sah: https://www.astronomie.de/file…w-2020-01kw-klickbild.jpg
Der Nebel war in dieser Ausdehnung zu sehen! Natürlich nicht mit diesem Kontrast, aber in dieser Größe. Er wollte nach Südosten einfach nicht aufhören.
Eine ebenso große Überraschung jener ersten Nacht vom 29. auf 30. Dezember 2019 war <font color="red"><b>Sh 2-264, der Kopf des Orions, auch als Skalar oder Lambda-Orionis-Nebel bekannt</b></font id="red">.
Hier hatte ich den deutlichen Eindruck eines grob kreisförmigen, etwa auf Lambda Ori zentrierten Nebels – 6° Durchmesser – ich traute meinen Augen kaum, bei wiederkehrenden Besuchen über eine Stunde hinweg war der Eindruck jedoch stabil.
Ich kannte zwar schon Berichte von Sichtungen auf Cloudy Nights mit Handferngläsern, habe das aber an meinem Standort, mit einer freiäugigen Grenzgröße (fst) von 5m5, nicht für möglich gehalten.
Vorgestern fuhr ich mit dem 8x56 Porro ein klein wenig aus der Stadt heraus, wo der Südhimmel freier ist, und habe prompt den <font color="red"><b>Möwennebel IC 2177</b></font id="red"> geknackt, meine erste Sichtung jenes Nebels. (Und die 4° Ausdehnung des Kaliforniennebels wieder gesehen.)
Der Möwennebel stellte sich sehr amorph dar, ich konnte seine Grenzen kaum genau definieren. Keineswegs der Eindruck eines grossen Vogels mit ausgebreiteten Schwingen. Eher eine gefleckte Kartoffel von etwas über 2° Ausdehnung Nord-Süd und etwa 1.5° Ost-West. Innerhalb dieser nebligen Fläche sah ich zwei Kondensationen, jeweils von 1/4° Größe. Eine dieser Kondensationen stand 1/4° nord-westlich des hellsten Sterns im Feld, FN CMa (5m4). Die andere war etwa 1/2° nördlich jenes Sterns.
Zum Möwennebel habe ich vor lauter Begeisterung einen Thread auf Cloudy Nights gestartet:
https://www.cloudynights.com/t…la-in-binoculars-to-boot/
Nota Bene: Diese Sichtungen sind nicht etwa aus der Wüste oder dem Hochgebirge, sondern aus dem Rheintal mitten in Deutschland unter einem 5m5-Himmel! Ich denke, für solche Sichtungen von ausgedehnten Nebeln muss neben einer guten momentanen Beobachterverfassung und einer günstigen Objektposition beim Fernglas alles zusammenkommen:
Günstige Transmissionseigenschaften für Emissionsnebel, en gutes Zusammenspiel mit den Filtern, und ein ausreichend grosses Sehfeld mit angenehmem Einblickverhalten bis zum Feldrand. Das Docter 8x56 ist ein solches Glas, das ich mir lange gewünscht habe.
Dies soll aber kein Gesülze über ein bestimmtes Fernglas werden, wir sind ja nicht im FG-Board. Ich hoffe vielmehr, dass andere ihre Erfahrungen mit der Beobachtung von galaktischen Nebeln hier berichten, und bin sehr darauf gespannt!
CS, Christopher