Sogar 10x22 können begeistern

  • Klarer-Himmel-Alarm für den Abend bei der Tagesrecherche.


    Holger hat´s vorgemacht - nun wollte auch ich mal mein neues Spielzeug unter dem Himmel ausprobieren. Zufälligerweise haben wir offenbar gleichzeitig nen Neuerwerb getätigt und ich springe mal auf das Pferd auf, da unsere Begeisterung sehr ähnlich zu sein scheint :-))


    Ich schnalle meinen Rucksack mit dem 72er Refraktor, das Stativ in der Hand, das neue 10x22 Fernglas (Kowa Genesis) um den Hals baumeln, unter der Jacke versteckt, dass es mir nicht hin und herpendelt.
    Mein Spaziergang führt mich eine kleine Anhöhe hoch, die ich auf anderer Seite wieder hinunterstapfe - schwupps, ist das direkte Licht der Ortschaft verschwunden.
    Die Messung zeigt was um die 8 Grad, 50 Prozent Feuchte. Wider der Prognose gab es Zirren, lediglich bzw. ausgerechnet der helle Orion ist wieder einmal frei. Da freuen sich die Linsen im Gepäck, so ginge immerhin etwas, wenn schon nicht das anvisierte Ziel Komet beim Doppelhaufen im Perseus.


    Auch das Fernglas freute sich auf den spätabendlichen Ausflug, bisher durfte es den Sternenhimmel nur aus Ortschaften heraus bewundern.
    Nach 15 Minütchen zu Fuß war ich dann gegen halb 9 abends an Ort und Stelle. Der 72er war in 5 Minuten aufgebaut.
    Zuerst aber mal mit Fernglas rumschwenken, der Himmel ist in zirrenfreien Ecken wirklich guter Landhimmel, wennauch hier und da etwas von München aufgehellt.
    Schon vom Balkon sah der Himmel im 10x22 manierlich aus, jetzt aufm Feld nahm das nochmal andere Gestalt an. Als erstes hab ich wohl auf M 41 gehalten. Passt noch sehr gut mit Sirius in ein Sehfeld, die im Vergleich zur kleinen Objektivöffnung hohe Vergrößerung sorgt für einen super Kontrast - M 41 zeigt sich als helles granuliertes Wölkchen, wenn ich nicht ganz so wackle auch mit ein paar Sternchen. Zwei Zirren schweben durchs Sehfeld, eine hängt noch knapp über dem Haufen, und gibt das brillante Wölkchen zunehmend frei, bis M 41 genau zwischen den beiden Zirren schwebt. Wie ein kleiner Vorhang, der verschwindet, zeigt sich das kleine Schmuckstück nun auf klarem, schwarzem Untergrund.
    M 31 - auch nicht vorm 10x22 Fernglas sicher - eine große helle Spindel schwebt hübsch vor dunklem Himmelshintergrund von 6 Grad Größe, die Ausdehnung der Galaxie ist nicht wie im 10x50 in den Alpen um die 3 Grad groß aber dennoch deutlich ausgedehnt und hübsch.
    Schon auf dem Heimweg habe ich die Plejaden angepeilt mit dem kleinen Fernglas, auch hier auf dem Feld einfach ein wundervoller Anblick. Selbiges gilt für den Doppelhaufen h und chi, zwar nicht so überwältigend aber dennoch sehr ansehnlich. Vom 9mag-Kometen C/2017 T2 (PANSTARRS) unweit vom Doppelhaufen hab ich nichts im 10x22 gesehen, was nicht weiter verwundern dürfte ;)


    Fuhrmann ist in Genickstarrennähe - auf zu den drei Häufchen. Nun mag man die Haufen als Klassiker langweilig finden, aber mit neuem Gerät, noch dazu so klein, ist das einfach interessant zu gucken, was da so geht. Und auch wenn nicht recht aufgelöst, sind die sich präsentierenden großen Schmadderchen in ihrem Kontrast zum dunklen Himmelshintergrund einfach eine Augenweide, passen sie alle drei auch fast gleichzeitig ins Sehfeld, ich musste nur minimal schwenken.
    M 35 - im 10x22 passt der offene Haufen super mit der zu ihm führenden Deichsel der Zwillinge ins Sehfeld - ein nettes Arrangement. Mir fällt ein kleines Nebelwölkchen unweit davon auf. Der Blick durch den 72er ED bestätigt die ermutung: NGC… In dem kleinen Gerät!
    Der große Wagen steigt bereits recht hoch. Holger hats vorgemacht und das berühmte Galaxienduo im neuen Fernglas anvisiert. Auch im 10x22 zeigen sich M 81 und 82, wovon M 81 sehr einfach und hell ist, M 82 muss man etwas mehr gucken aber sie war sogar auch noch gut in ihrer Ausrichtung zu erkennen.
    Ich werde nicht erwähnen müssen, dass ich nochmal auf den Orionnebel mit dem Fernglas gehalten habe - samt Gürtelsternen. Wenn man DAS in dem kleinen Fernglas sieht, wird einem schlagartig wieder klar, dass jede Öfnung, jedes Gerät seinen Himmel hat und begeistern kann - guten Himmel vorausgesetzt.
    M 41 z. B. ist für mich kein Teleskop-Objekt, da kommt der Haufen für mich immer langweilig daher. Aber mit Fernglas, speziell mit dem kleinen, wo der Haufen noch neblig bleibt und partiell Sternchen brillant herausfunkeln, in Kombination mit Sirius im Sehfeld, ist das ein Anblick der einfach wunderschön ist - sogar oder gerade mit nur 22 mm Öffnung.


    Die Puppis-Haufen haben mich auch sehr interessiert - völlig problemlos erkennbar, der reiche dichte Haufen als deutliches großes Nebelwölkchen, auch der rechtwinklig zu den beiden stehende andere NGC-Haufen war auffällig. Auch ein schöner Anblick!
    Vergleichsweise fassungslos, wie schön M 41 in dem kleinen Fernglas kommt, greife ich immer wieder unter die leicht geöffnete Jacke, um den 10x22-Baumelanten herauszufummeln und draufzuhalten.
    Ich mache es mir zum Sport, bei helleren Flugzeugen schnell das FG zu greifen und zu gucken, wie es an den brillanten Sternen vorbeifliegt und seine Spur zieht…


    Der ED darf auch irgendwann ernsthafter zum Einsatz kommen, der Komet nähert sich ja h und chi … mit 26mm-Nagler war gerade so in ca. 4 Grad Entfernung zum Doppelhaufen etwas kleines Nebliges zu erhaschen. 13 mm zeigen: okay, hier bin ich richtig, das wird wohl der Komet sein. Absicherung mit 8 mm Okular und 50fach: auch keine Sternchen im Nebel. Ich checke Skysafari… die Abweichung zur Position im Okular ist nur minimal - das macht Spaß! Der eingezeichnete Schweif ist aber natürlich nicht sichtbar, es bleibt bei einem kleinen kondensierten Fleckchen mit einem Hauch eines Schweifansatzes im 72 mm- Röhrchen - bei allen Vergrößerungen.
    Für diese Öffnung ist der Komet derzeit nichts aufregendes, aber mit 12“ gegen Ende Januar, wenn dieser in ca. 1 Grad Abstand zum Doppelhaufen im Perseus stehen wird, schaut das sicher anders aus…
    M 81 und 82 werden natürlich auch noch im 72er angeschaut - schon besser gesehen in dem Gerät, aber dennoch eindrucksvoll und schön anzuschaun das Duo.


    Wagemutig halte ich noch das 10x22 in Richtung aufgehendem Löwe, aber am Triplett scheiterte ich zu so früher Stunde und niedrigem Stand natürlich.
    Ich packe zusammen, alles ist nach 5 min wieder aufbruchbereit verstaut.
    Zwei Flugzeuge fliegen quer aufeinander zu, schnell wird das Fernglas unter der Jacke vorgezottelt und ich sehe noch beide gleichzeitig in einem Sehfeld, wie sich die Bahnen und Spuren kreuzen.
    Netter Schlussanblick.
    Begeistert von dem kurzweiligen Spätabend stapfe ich gegen halb 12 wieder nach Hause. Auch wenn 10x22 klein sein mag, es ist noch schneller griffbereit als größere Ferngläser, da es ohne zu stören immer am Körper ist.
    Auch wenn die Objektreichweite begrenzt ist, ist dafür der Aufwand der Beobachtung mit derlei Gerät super gering - praktisch kann man jederzeit überall damit beobachten, wenn es eine Wolkenlücke und Sternenhimmel gibt… Randscharfer Abbildung und gutem Kontrast sei Dank macht das Ding einfach Spaß, trotz geringer Öffnung. Tipp: das 10x22 ist deutlich randschärfer als das 8x22. Die kleine Austrittspupille ist für mich wegen meinem Asti günstig - dass ich in Ferngläsern ohne Brille was scharf erkennen könnte, hab ich offenbar zu unrecht bisher aufgegeben...


    Und wenn´s einfach kurz spontan nach der Arbeit oder gar noch auf dem Heimweg ist… Kleine Himmelswunder und Deepsky... für immer dabei [:D]


    CS
    Norman


    Edit: M 81 und 82 in der Beschreibung durcheinandergehauen und korrigiert [:I]

  • Hallo Norman,


    haste scheeen gemacht. Wilkommen zurück bei den Fernglas-Fuzzis. Du scheinst öffnungsentwicklungstechnisch anscheinend auch in der entgegengesetzten Richtung unterwegs zu sein. Aber recht haste ... schön einfach, kurz und spontan ... geht immer.
    Ich habe mit meinem 8x20 auch schon einige kurzweilige Nächte durchlebt. Von der AP ist das FG auch unter 3 mm und ich teile Deine positive Erfahrung zum Kontrastverhalten. Selbst bei aufgehelltem Himmel wirkt der Hintergrund sehr ästhetisch und bei Vergleichbeobachtungen mit meinem 10x50 konnte ich mich ebenfalls überzeugen, dass der Kontrast besser ist (ich meine nicht die sichtbarkeit).
    Holger hat uns angefixt. Mein 10x50 Fujinon hatte gestern auch sein First Light. Neben den vielen üblichen Verdächtigen aus Deiner who is who-Liste (die Genickbrecher habe ich aber weg gelassen [;)]) habe ich mich an auch Kaliber wie M 74 und M 77 gewagt. Eine von den beiden Galaxien war eine unerwartet harte Nuss, ich weiß nicht mehr, welche das war.


    Viele Grüße


    Rene

  • Hallo Norman,
    Ein schöner Bericht von Dir. NGC 2158 neben M35 im 10x22? Tolle Sache! Und NGC 2423 nördlich von M47? Noch toller!
    Ich nutze auch gerne Winzlinge, die in der Jackentasche verschwinden. Das macht eine ganz eigene Freude. Ich wünsche Dir weiterhin solche Genüße!
    Christopher

  • Danke euch Jungs,


    ja genau Christopher, genau diese NGC waren das.
    Waren auf Anhieb zu sehen, hab ich gar nicht nach gesucht... echt überraschend.


    Interessant Rene, dass Du das so bestätigen kannst mit Deinen Ferngläsern, dem Kontrastgewinn.


    Übrigens, habs vergessen zu erwähnen: habe ne lustige Technik gefunden, wie man das freihändige Wackeln mit Kleingläsern deutlich vermindern kann. Wenn man das bei Tage macht, kommt man vermutlich in die Klapse, aber nachts siehts keiner: Das Fernglas bei ausgefahrenen Augenmuscheln auf Augenhöhle und den Daumen ruhen lassen und die übrigen Finger in die Stirn/ auf dem Kopf oben bestmöglich "einhaken", bissl wie Spiderman an der Wand. Ist ein wenig wie Zug-Druck-System [:D]


    Doof zu beschreiben, aber beim HTT üben wir das mal heimlich mit den Kleingläsern Rene [:D]
    Jedenfalls war das Bild viel ruhiger, fast still und die Arme entlastet.


    Achso, hab zu schnell gelesen, stimmt Rene, hast ja auch ein neues Glas... Lustig wie zum Jahreswechsel der Spielzeugfuhrpark Zuwachs bekommt :-)) Bin gespannt, was du damit so alles anpeilst/siehst.


    CS
    Norman

  • Moin Norman,
    mal wieder ein schöner und stimmungsvoller Bericht von dir! Und wie schön, dass ich es einmal bin, der euch anfixt und nicht umgekehrt. Ich war heute auch wieder draußen. Diesmal mit dem 12,5“ (ich wollte Panstarss dingfest machen) und natürlich dem neuen 10x50. Um ehrlich zu sein, hat mir heute das 10x50 sogar mehr Spaß bereitet als der Dobson. Diesmal alles schön aus dem Liegestuhl heraus und die, wie Rene sie nennt, Genickbrecher abgegrast... es war herrlich. Mal sehen, vielleicht ergänze ich gleich meinen Bericht.


    Dir weiterhin viel Spaß mit den neuen Linsen


    Gruß Holger

    12“ Spacewalk Infinity + Black Edition, Lzos APM 100f8, APM MS ED Bino 16x70 und 10x50

  • Moin Holger,


    danke Dir :)


    Jo - war letzte Nacht auch wieder draußen - das kleine Fernglas war nochmal nen Zacken heftiger in der Leistung als letztes mal, denn dieses mal war ich 300 m höher, ohne Zirren.


    Krass, was da geht, einfach krass.
    Ums mal vereinfacht an einem Beispiel zu formulieren, mit dem 10x22 hatte ich gestern den schönsten Anblick von M 41, den ich je hatte, egal in welchem Gerät zuvor.


    Ich habe wieder die Hälfte der Zeit statt mit Apo zu beobachten das kleine Fernglas geschwenkt.


    Messier 51 war noch gut sichtbar, M 1 auch etc. Und man muss nicht glauben, dass z. B. die Puppishaufen etwa einfach nur irgendwie sichtbar wären in dem Gerät, sondern die sind schön (!) in dem Glas.


    Auch v.a. die Fuhrmannhaufen wieder - habe dieses mal eine Isomatte dabei gehabt und mich auf den Rücken gelegt und einfach genossen mit dem 10x22. Schöner als im Dobson waren die Haufen. Kontrasttechnisch die ideale Vergrößerung, wie im normalen Teleskop auch - Hälfte der Öffnung ist einfach nicht umsonst Arbeitsvergrößerung...


    Genau, so ein Fernglas kann durchaus einen höheren Spaßfaktor haben. Man ist nur bei der Objektzahl limitiert, aber macht ja nix :)
    Das Fernglas ist für mich definitiv ein brauchbares Astrogerätchen, mit Zugewinn im Gerätepark, das "kleine Tüpfelchen auf dem i",hätte ich von 22 mm Öffnung nie geglaubt vorher.


    Hier, links am Rand das rote Lichtlein, das waren ein Kumpel von mir und ich...


    https://www.foto-webcam.eu/web…issenberg/2020/01/16/2200


    Schöne Grüße und CS
    Norman

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: NormanG</i>
    <br />Krass, was da geht, einfach krass.
    Ums mal vereinfacht an einem Beispiel zu formulieren, mit dem 10x22 hatte ich gestern den schönsten Anblick von M 41, den ich je hatte, egal in welchem Gerät zuvor.


    Ich habe wieder die Hälfte der Zeit statt mit Apo zu beobachten das kleine Fernglas geschwenkt.
    etc. Und man muss nicht glauben, dass z. B. die Puppishaufen etwa einfach nur irgendwie sichtbar wären in dem Gerät, sondern die sind schön (!) in dem Glas...
    ... Genau, so ein Fernglas kann durchaus einen höheren Spaßfaktor haben. Man ist nur bei der Objektzahl limitiert, aber macht ja nix :)
    Das Fernglas ist für mich definitiv ein brauchbares Astrogerätchen, mit Zugewinn im Gerätepark, das "kleine Tüpfelchen auf dem i",hätte ich von 22 mm Öffnung nie geglaubt vorher.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hey Norman,
    wenn ich das hier immer gebetsmühlenartig schreibe, glaubste mir das nicht. Nun endlich hat Dich ein schnödes 10x22 FG bekehrt [;)][:D].
    Aber was heißt schnöde. Das Kowa scheint nicht von schlechten Eltern zu sein und muss einen extrem gutmütigen Einblick haben. Denn ich habe Deine Daumen-drunter-Finger-an-Stirn-Technik auch mal mit meinem 8x20 FG probiert. Die Halt(er)ung funktioniert, allerdings ist der Einblick bei meinem 8x20 nicht ganz so entspannend und dadurch funktioniert es nicht. Na, wir können ja wirklich mal beim nächsten Mal vergleichen. Aber nur im Dunkeln, wenn uns keiner sieht [;)]


    Viele Grüße


    Rene


    PS: Ich war gestern mal nicht mit FG draußen, sondern mit 4". Habe mir nochmal M 77 rein gezogen, weil die Galaxie im FG so schwer war eine Nacht vorher. Es müssen echt nicht die besten Bedingungen gewesen sein in meiner FG-Nacht. Gestern war M 77 im 4"er ein Traum, ein heller gut begrenzter Kern und ein schwacher Halo, wie zwei Galaxien in einer. Aber ich will ja nicht von der FG-Beobachtung ablenken. Heute kam ein 18x70 FG bei mir an. Ich hoffe stark auf ein first light heute Nacht [:p]

  • Moing Rene,
    Ja nö nö,ich war schon immer der Meinung, dass Ferngläser für bestimmte Objekte besser als jedes Teleskop sind :) Aber dass vieles Sooo gut mit geht,mit dem derart kleinen FG und schön ist,hat mich dann doch überrascht.


    Tatsächlich hat mein Glas einen völlig problemlosen Einblick. Witzig, dass du die Haltetechnik auch gleich probiert hast :)


    Schöne Grüße und CS
    Norman

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