Erdrotation nicht schon vor Foucault bewiesen?

  • Warum war das Foucaultsche Pendel im 19.JH (Fehler korrigiert, nicth 18.) eigentlich so beeindruckend als Beweis für die Drehung der Erde? War es nicht mit den Gravitationsgesetzen Mitte des 17. Jahrhunderts klar, dass sich nicht die Sonne um die Erde drehen kann?
    Denn wenn sich die Sonne an einem Tag einmal um die Erde dreht, der Mond aber dafür 30 Tage braucht, dann müsste der Mond weiter entfernt sein von der Erde als die Sonne. Eine Sonnenfinsternis wäre unmöglich. Also kann die Erde nicht im Mittelpunkt stehen.


    Somit wäre heliozentrisches oder geozentrisches Weltbild keine Definitionssache mehr, sondern das eine wäre objektiv falsch und das andere objektiv richtig.
    Aussagen wie diese wären demnach falsch:
    <font size="1"> „Mathematisch gesehen, war der Wechsel vom Geozentrismus zum Heliozentrismus eine bloße Umwandlung der Koordinaten, und alle Möglichkeiten, die Welt zu betrachten, werden vom physikalischen Gesichtspunkt aus als völlig äquivalent aufgefasst“ https://physik.cosmos-indirekt…ltbild#cite_note-Hoyle-22 </font id="size1">


    Eine zweites Argument wäre, dass wenn im Rotationssystem Sonne-Erde der Drehmittelpunkt nahe am Erdmittelpunkt läge, die Sonne dann extrem viel leichter sein müsste als die Erde. (Gut, wäre theoretisch möglich wenn die Sonne ein fast masseloses Gebilde wäre)


    Oder mache ich da einen Denkfehler?

  • Moin Stefan!


    &gt; Denn wenn sich die Sonne an einem Tag einmal um die Erde dreht, der Mond aber dafür 30 Tage braucht


    Wieso das denn? Der Mond steht, wenn er denn zu sehen ist, am nächsten Abend auch wieder am Himmel, wenn auch nicht an derselben Stelle in Bezug zu den Sternen.
    Genauso braucht die Sonne ein Jahr einmal um die Erde, bevor sie wieder an der selben Stelle gegenüber den Sternen steht.


    Lies mal nach: siderischer und synodischer Umlauf bei Wikipedia.


    &gt; Warum war das Foucaultsche Pendel im 18.JH


    Der berühmte Pendelversuch fand 1851 statt, also im 19. Jhdt.


    Zitat:"Ein Foucaultsches Pendel ist ein langes, sphärisches Pendel mit einer großen Pendelmasse, <b>mit dessen Hilfe ohne Bezug auf Beobachtungen am Himmel</b> die Erdrotation nachgewiesen werden kann." Wikipedia


    Auf die fett markierte Stelle kommt es an.


    &gt; Somit wäre heliozentrisches oder geozentrisches Weltbild keine Definitionssache mehr


    Natürlich ist das Definitionssache, nämlich von welchem Standpunkt aus man die Geschichte betrachtet. Es gab früher mal ein kleines Progrämmschen, das die Bahnen der Planeten um die Sonne wahlweise helio- als auch geozentrisch anzeigen konnte. Beide Systeme sind an sich richtig - vom jeweiligen Standpunkt aus gesehen. Die heliozentrische Lösung ist hierbei sicher die einfachere. <i>"Von mehreren hinreichenden möglichen Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen."</i> (Ockhams Rasiermesser)


    ...und vor sichtig mit den Begriffen: die Erde dreht sich einmal am Tag um ihre eigene Achse (Sterntag) und sie läuft einmal im Jahr um die Sonne. Das sind zwei verschiedene Bewegungen (und auch noch in zwei Ebenen).
    .

  • Hallo Stefan,
    ob helio, geo oder aero(Mars)zentrisches Weltbild, ist erstmal egal. Man kann eins in das andere umrechnen. Das Kriterium ist dabei nützlich oder unnütz. In einem nützlichen, einfachen System kann man schön rumrechnen und Voraussagen über die Örter der Planeten, Monde etc. treffen.
    Wie Winnie schon erwähnte...wichtig ist auch nicht die Eigendrehung (Rotation) der Erde mit der Umlaufbewegung um andere Himmelskörper zu verwechseln.
    Übrigens, drehte sich die Erde nicht um sich selbst, müßte eine hypothetische, leichte Sonne in etwa 36000 km Höhe die Erde umkreisen, um eine Tageslänge von 24 Stunden zu gewährleisten. Das ist die gleiche Höhe in der sich die geostationären Satelliten befinden.


    Gruß Armin

  • Klar kann man die Systeme ineinander unrechnen, aber nur geometrisch! Also für die Frage "Wann steht was wo" sind die Betrachtungsweisen alle äquivalent. Aber zieht man die Gravitatiosgesetze dazu, dann sind sie eben nicht mehr äquivaltent. Bzw. war das meine Frage, ob ich damit recht habe. Alle bisherigen Antworten hier arguemtieren rein geometrisch.


    (==&gt;)winnie: Ja so wird es sein "...rein von der Erde aus beobachtet ..."

  • Hallo delta9,


    Ich habe den Eindruck, daß Du in Deiner Frage vieles durcheinander wirfst. Wie auch die anderen schon geschrieben haben, mußt Du die Drehung der Erde um ihre eigene Achse unterscheiden von der Bewegung der Erde um die Sonne. Das Foucaultsche Pendel war der erste direkte Beweis für die Achsdrehung der Erde. Mit der Bewegung der Erde um die Sonne hat das nichts zu tun.


    Ob die Achsdrehung der Erde auch vor Foucault schon als bewiesen gelten konnte? Nun, es gab keine direkten Beweise, sondern nur indirekte Hinweise. Kopernikus war natürlich klar, daß er der Erde nur dann eine Bewegung um die Sonne zuschreiben konnte, wenn er sie auch um ihre eigene Achse drehen ließ. Sonst wäre ja ein Tag genau so lang wie ein Jahr. Der Geozentriker erklärt die Tageslänge einfach durch die Sonne, die sich wie alle Himmelskörper um die Erde bewegt. Der Heliozentriker muß dagegen zwei Bewegungen einführen, nämlich die Bahn der Erde um die Sonne und die Achsdrehung der Erde. Der Geozentriker liefert also die einfachere Erklärung, die in diesem Fall aber doch nicht die richtige ist. Die Heliozentriker konnten die zweite Bewegung der Erde, nämlich die Achsdrehung, aber nicht beweisen, sondern sie mußten sie auf der Basis der ersten Bewegung postulieren.


    Ändert sich daran etwas durch Newtons Gravitationstheorie? Ich denke nicht, denn in ihrer astronomischen Anwendung besagt sie über die Achsdrehung der Erde zunächst gar nichts. Sie betrifft nur die Bewegung der Himmelskörper auf ihren Bahnen.


    Man kann weiter fragen, ob die Gravitationstheorie überhaupt relevant ist für die Frage: Heliozentrismus oder Geozentrismus? Es könnte ja sein, daß die Erde der Zentralkörper des Sonnensystems ist. (Über die Massen der Himmelskörper wußte man damals praktisch nichts.) Wäre dann die Newtonsche Gravitationstheorie sogar mit dem geozentrischen Weltbild vereinbar? Nun, das wohl nicht. Denn nach Newton und Kepler bewegen sich die äußeren Planeten langsamer als die inneren (unter der Voraussetzung, daß ihre Massen gegenüber der Masse des Zentralkörpers klein sind). Sie brauchen also mehr Zeit für einen Umlauf. Doch dem geozentrischen System zufolge laufen die äußeren Planeten schneller als die inneren: Die Fixsternsphäre braucht demnach ca. 23,9 Stunden für einen Umlauf; Saturn ist ein kleines bisschen langsamer und wird deshalb alle 29,5 Jahre von den Sternen überrundet; Mars wird ca. alle 1,9 Jahre überrundet; die Sonne wird jedes Jahr einmal von den Sternen überrundet und der Mond alle 27,3 Tage. Der Mond als das nächstgelegene Objekt bewegt sich demnach am langsamsten, Saturn als das fernste Objekt am schnellsten. Das paßt aber nicht zum dritten Keplerschen Gesetz und zur Newtonschen Gravitationstheorie. Wenn diese richtig sind, muß das geozentrische System falsch sein.


    Die Newtonsche Gravitationstheorie liefert somit ein weiteres Argument für die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes. Die Achsdrehung der Erde wird davon aber nicht direkt berührt, sondern sie ergibt sich weiterhin nur als Zusatzannahme aus dem Heliozentrismus, weil man sonst die Tageslänge von 24 Stunden nicht erklären konnte.


    Foucault hat demgegenüber erstmals einen direkten Beweis für die Achsdrehung der Erde geliefert.


    Viele Grüße
    Johannes

  • Hey Stefan,
    das Foucaultsche Pendel demonstriert ganz einfach und schön in einer warmen Stube, dass die Erde sich in ca. 24 Stunden dreht. So eine schöne Demonstration hatte man vorher nicht.
    So einfach ist das.
    Clear Skies
    Dietrich

  • Hey Stefan/delta9,
    heliozentrisch oder geozentrisch?
    Was mathematisch austauschbar ist, ist die jährliche Bewegung Erde um die Sonne oder der Sonne um die Erde.
    Eine Unterscheidung kommt dabei durch die Bewegung der anderen Planeten ins Spiel (Kepler). Und die Keplerschen Gesetze werden dann ja durch die Newtonsche Gravitationsgetze erklärt.
    Die Erdrotation in 24 Stungen (ca.) ist ein ganz anderes Ding.
    Das ist durch nichts anderes "austauschbar".
    Und da ist Foucault auf jeden Fall ein sehr eindringlicher "Beweis".
    Coriolis-Kräfte zeigen das auch, was aber erst in größerem Maßstab erkennbar wird.
    Clear Skies
    Dietrich

  • Hi Delta,
    beschäftige dich erst mal mit Geschichtsdaten, wann was "entdeckt" wurde. Helio- und Geozentrische Weltbilder standen seit der Antike im Wettstreit. Bis Kopernikus im 16. Jh dem Heliozentrischen zum Durchbruch verhalf. Das Problem war, dass die Ephemeriden (Positionsangaben, wo welcher Wandelstern wann ist) deshalb nicht besser wurden. Das schaffte dann Anfang des 17. Jh. erst Keppler. Und Newton wiederum 1684, gut 50 Jahre später, lieferte das Gravitationsgesetz als Begründung.
    Mit Teleskop taugten die Ephemeriden der Jupitermonde aber immer noch nicht für eine Uhrzeitbestimmung, weil man die Lichtgeschwindigkeit noch nicht berücksichtigte. Das gelang dann erst Ole Romer 1676. Wobei dessen Messungen nicht genauer sein konnte, als die geschätzten Werte für den Abstand Sonne, Erde hergaben. Die genaue Entfernung zwischen Erde und Sonne ergab sich dann erst per Vermessung des Venustransits 1769, vorher war der Wert noch recht ungenau.


    Bei der Erdform als Kugel kann man genau auf den Ptolemäus zurückgreifen, der Jahrhunderte lang Maßstab für das geozentrische Weltbild war. Seine zu geringen Werte veranlassten Columbus nach Westen zu segeln. Von Ptolemäus stammt der Begriff des Breiten- und Längengrads. Ihm und Archimedes war bekannt, dass die Erde eine Kugel ist und dass es eine Achse (fürs geozentrische Weltbild) gibt. Ob sich dabei die Erde dreht oder die Himmelsspähre, ist mathematisch betrachtet egal.


    Es war in Europa wiederum Kopernikus um 1543, dessen heliozentrisches Weltbild auch die Erddrehung enthielt. Sein Hauptwerk heißt ja "De revolutionibus orbium coelestium" (lateinisch für "Über die Umschwünge der himmlischen Kreise").


    Übrigens ein gutes Argument für das geozentrische Weltbild ist die Tatsache, dass alles auf der Erde Richtung Erdmittelpunkt fällt. Versucht mal gegen die Logik zu argumentieren, wenn man kein Teleskop kennt, wenn man Gravitation auf anderen Planeten oder gar der Sonne nicht messen/erfahren kann und das Gravitationsgesetz nicht kennt. Wenn ich in der Antike gelebt hätte und mir jemand erzählt hätte, dass die Sonne im Mittelpunkt steht, hätte ich einfach einen Stein fallen lassen und gefragt, warum er dann nicht zur Sonne fällt.


    PS: Was beweist eigentlich der Pendelversuch? Ohne Beweise für die Massenträgheit im Sinne der Newtonschen Mechanik kommt man da nicht weit. Und akzeptiert man die Newtonschen Mechanik, dann hat man durch obige Entwicklung bereits einen "Beweis" für die Erddrehung. Der Versuch ist mehr Volksbelustigung. Ein elegantes Experiment zum direkten Nachweis für Ahnungslose.

  • Wie man das auch sieht, "Volksbelustigung oder elegantes Experiment für Ahnungslose", so war Foucault´s Pendelexperiment der erste handfeste Nachweis der Erdrotation auf Grundlagen der newtonschen Mechanik.
    Experimentieren gehört nun mal zur Physik.

  • Schon vor dem Foucaultschen Pendelexperiment gab es einen anderen Weg, die Erdrotation ohne Himmelsbeobachtung nachzuweisen.


    Dazu wurden Fallexperimente angestellt, bei denen die Ostabweichung eines frei fallenden Körpers ermittelt wurde. In der Abwurfhöhe ist die Umfangsgeschwindigkeit der Erdrotation größer als in der Aufprallebene, wodurch der Körper nicht genau in die Richtung fällt, in welcher die Schwerkraft wirkt. Carl Friedrich Gauß hatte die zu erwartende Abweichung schon berechnet.
    Bei wikipedia gibt es dazu einen schönen Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/…_Nachweis_der_Erdrotation

  • Hallo Lars,


    danke für den Hinweis zu den Fallexperimenten, die kannte ich noch nicht. Auch sowas, wo man sich an die Stirn schlägt und "na klar!" ruft...


    Wir hatten in der Schule ein über 4 Stockwerke reichendes Treppenhaus, in dem einmal jährlich das Foucaultsche Pendel aufgehängt wurde.
    Fallexperimente mit &lt;2 mm Abweichung wären wohl grenzwertig und nicht so eindrucksvoll (und auch längst nicht so genau). Genau das ist auch der Punkt beim Foucaultschen Pendel.
    Ist bekannt, ob Foucault die Fallexperimente kannte (ich würde annehmen ja) bzw. sich dazu äußerte?


    Viele Grüße, Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Holger,
    gehe davon aus, dass Foucault auch Fallexperimente kannte. Der war seinerzeit auf der Höhe der Zeit und gut informiert ...


    Richtig eindeutig wirst du das erst dann beantworten können, wenn du seine Korrespondenz durchforstest, also Geschichtsforschung betreibst. Die ersten 30 Jahre seines Lebens waren recht friedlich in Europa (Nach Napoleon/Wiener Kongress bis ~1850), Vater war Verleger, Foucualt selbst beteiligte sich am wissenschaftlichen Diskurs, auf den Feldern, die ihn interessierten.
    Wer einen persönlichen freundschaftlichen Kontakt zu Leuten wie Fizeau (LG-Messung per Zahnradlücken) hat, dies dann per Drehspiegel verbessert, dem werden Fallexperimente zur Erddrehung sicher bekannt gewesen sein. Zumal das in eine Zeit fällt, wo Franzosen gerade zuvor die Erde vermessen haben und das Urmeter und Urkilo eingeführt haben.

  • Hallo Kalle,


    da hast Du natürlich recht. Das war damals auch alles etwas übersichtlicher als heutzutage.
    Vielleicht findet sich ja jemand, der das Durchforsten der Korrespondenz schon für mich erledigt hat :)


    Viele Grüße, Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

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