Auf La Palma im Winter

  • Hallo zusammen,


    die Ankunft auf La Palma begann so wie es sich die meisten Urlauber wünschen, Sonnenschein und sommerlich warmes Wetter, so dass meine Frau und ich später, abends im T-Shirt in Santa Cruz nahe am Meer bei Salat und Tapas spanischem Rotwein genießen durften.


    Hinter uns lagen einige Überraschungen, nach der Pleite von Germania mussten wir bei Easy-Jet neue Tickets kaufen und zu allem Überfluss litt das Taxi, das uns von einem Ende in Berlin zum Flughafen Schönefeld am anderen Ende bringen sollte an Ölmangel und wir mussten mit Koffern und Taschen in Übergröße auf ein anderes Taxi umsatteln. Dann nach einigen Stunden, beim Anflug auf La Palma zeigte sich östlich Teneriffa mit dem hohen Vulkankegel des Tides, doch während die Maschine sich dem Boden zur Landung näherte versank auch der Tide im Dunst. Mal wieder Calima, eigentlich ein seltenes Wetterphänomen mit heißem Wind und häufig auch Sand aus der Sahara, der uns den warmen Abend bescherte, doch für die Astrogemeinde eher ein Schreckgespenst ist. Nun, wegen der Germania-Insolvenz 'mussten' wir den Urlaub auf zweieinhalb Wochen ausdehnen - es gab keine anderen passenden Flüge - da sollen ein paar Tage dunstiger Himmel doch nicht stören.





    Santa Cruz de La Palma am Morgen nach der Ankunft, Blick Richtung Hafen


    Auf der Beobachtungsliste ganz oben standen Galaxien, der Frühlingshimmel, doch passte April und Mai bei mir zeitlich nicht, so dass wir zur nach kanarischen Maßstäben kältesten Zeit, im Februar in den Norden der Insel fuhren. In Llano Negro nahe Punta Gorda hat sich die Casa Colmenero auf 1030 m Höhe zu einem beliebten Quartier für die Freunde klarer, dunkler Nächte entwickelt, der Bücherschrank quillt mit Astroliteratur auf Polnisch, Deutsch, Spanisch und Englisch über. Vor vier Jahren waren wir schon einmal dort, Norman (NormanG) hatte einen seiner tollen, sehr inspirierenden Beobachtungsbericht von dem Aufenthalt in dieser netten Finca verfasst.


    Von 17 Tagen auf der Insel habe ich 12 beobachtet, meist 2-4 Stunden. Als ich die Reise im Herbst plante, hatte ich die in erster Linie die galaxienreiche Leo- und Virgo-Region im Visier, die zwischen 2 und 4 Uhr morgens im Süden stand, aus praktischer Sicht nicht gerade die beste Zeit. Stehen Stativ und Montierung jedoch direkt hinter dem Haus aufgebaut sodass nur doch noch das Teleskop in die Gabel gehoben werden muss, ist dies verglichen mit dem Aufwand den man sonst treiben muss echter Luxus. Die Ausrüstung bestand aus einem 160 mm Doppelrefraktor mit 85 bzw. 100 Grad Okularen für 32, 65, 100 und 175x Vergrößerung, OIII; UHC und H-beta Filtern, dem Interstellerum Deep-Sky Atlas und Guide, dem Beobachtungssatlas für Kurzentschlossene, BfK, sowie einem 8x25 und 10x42 Fernglas. Das Teleskop, Stativ, und die Montierung waren mit anderen Dingen auf einen Koffer und eine Tasche als Sperrgepäck verteilt, die beiden ölgefügten Triplett-Linsen und EMS Spiegelsysteme im Handgepäck.





    Llano Negro auf 1030 m Höhe, Blick Südwesten Richtung Puntagorda


    Am ersten Abend im Norden bot sich dann ein überwältigender Anblick auf Orion und die Wintermilchstraße, trotz nicht perfekter Bedingungen wegen Rest-Staub vom Calima. Ich wunderte mich erst über Lichtverschmutzung im Westen, über dem Meer bis mir dämmerte dass, es sich um das Zodiaklicht handelte. Die ersten Nächte waren ganz dem Winterhimmel gewidmet, das passte perfekt, dann der Aufgang des abnehmenden Mondes verschob sich von Mitternacht bis in die Morgenstunden. Der Orionnebel ist immer ein Highlight, doch so schön habe ich die Region noch nie gesehen, an den ersten Abenden habe ich ihn jedes mal wieder angesteuert, alle Vergrößerung von 32 x bis 175x durchgespielt, Filter verwendet und wieder raus genommen. Bei jeder Vergrößerung extrem eindrucksvoll, natürlich bringen Filter mehr Details doch unter den tollen Bedingungen gefiel mir die Region ohne Filter deutlich besser. Besonders schön der Eindruck bei 65x, die Ränder leicht rötlich, der zentrale Teil mit einem grünlichen Schimmer, im Norden M43 und im Süden NGC 1980 mit vielen sehr hellen Stern, ein echtes Kleinod. M42 nimmt eine fast runde, ringförmige Form an mit einer großen Dunkelwolke im südlichen Teil. NGC 1980 verträgt auch sehr gut hohe Vergrößerung, bei 105x sind die vielen Mehrfachstern eindrucksvoll.





    Blick vom Roques de los Muchachos, Hintergrund Teneriffa mit dem Tide


    Kurz vor dem Urlaub erzählte mir ein ungarischer Kollege dem ich von der geplanten Reise erzählte, dass er begonnen habe den Himmel zu fotografieren, man sehe viel mehr, auch deutlich mehr als mit einem großen Teleskop, warum ich den nicht auch eine Astrokamera mitnähme. Beim Anblick von M42 und NGC 1980 ist mir klar geworden, wo ein besondere Reiz der visuellen Beobachtung liegt. Die überragende Dynamik, ein gedrucktes Foto hat bestenfalls eine Dynamik von 250. Am Okular, hier konkret bei 100x Vergrößerung liegt die Dynamik zwischen den dunkelsten Bereichen und den hellsten Sternen mit 3. bis 4. Größenklasse bei geschätzten 10^6. Das Auge kann das vermutlich auch nicht adäquat umsetzen, doch man spürt den extrem Helligkeitsunterschied, die hellsten Sterne leuchten grell, sind farbig, weil neben den Stäbchen auch die Zäpfchen angesprochen werden. Wikisky ist sicher ein tolles, fotobasiertes Tool, doch NGC 1980 erscheint dort völlig belanglos, im passenden Teleskop dagegen visuell wirklich eindrucksvoll.


    Natürlich habe ich auch viele andere Objekte am Winterhimmel angeschaut, die hellen Sternhaufen M46, M47, NGC 2423 in Auriga, M41 im Großen Hund, selbst im 8x25 Fernglas schön, Thor's Helmet (NGC 2359) mit O III Filtern und den Rosettennebel (NGC2244), viele weitere Haufen und Sterngruppen in Orion und dem Großen Hund. Der Rosettennebel als Nebel war für mich eine Premiere, den Sternhaufen hatte ich in der Brandenburger Region schon mehrfach gesehen. Unter den guten Bedingungen war der Nebel bei 32x bereits ohne Filter sehr auffällig wie ein Schleier, vor allem im Nordwesten. Bei 65x, besonders mit OIII Filtern zeigte sich dann die ganze Pracht, der Sternhaufen wie in einem Rauchkringel eingebettet, der eine Menge Struktur aufweist. Mit Filtern schien mir die Helligkeitsverteilung des Nebels deutlich symmetrischer als ohne. Bei 105x waren die dunklen Schläuche angedeutet, doch insgesamt gefiel mir 65x besser.


    Auch schwierige Objekte haben ihren Reiz und ich hatte vor der Reise noch einen H-Beta Filter besorgt, aus Neugier, was er bringt aber in erster Linie um den Pferdekopf Nebel (B33) zu sehen. Die ersten Versuche, immerhin bestimmt mehr als eine Stunden liefen schief. Weder mit UHC auf einem Auge und H-Beta auf dem Anderen, oder zwei UHC Filter konnte ich B33 entdecken, weder bei 32x mit 5 mm Austrittspupille noch 65x. Der Flammennebel (NGC 2024) als Reflexionsnebel war dagegen mit dieser Kombination super gut zu sehen, und beim Vergleich mit der Zeichnung im Deep Sky Guide war gar nicht zu verstehen, wieso ich IC434 und damit auch B33 nicht sah. Beim nächsten Anlauf am folgenden Abend wählte ich einen anderen Weg, nämlich orthoskopische Okulare mit kleinem Gesichtsfeld (eher zufällig hatte ich ein Paar 18 mm Baader Classic dabei) und wählte als Ausgangspunkt die trapezförmige Anordnung der Sterngruppe mit Beta 1052 Orionis im linken unteren Ecke, so dass Alnitak - als Magnitude 2 Stern mich offensichtlich bisher geblendet oder abgelenkt hatte – außerhalb des Gesichtsfeld blieb. Dann, mit H-Beta links und UHC rechts, war IC 434 kein Problem mehr und bei 32x auch B33 als dunkle Einbuchtung zu erkennen. Das funk­tionierte dann auch mit zwei UHC Filtern, den besonders schmalbandigen Filtern von DGM, und zu meiner Überraschung auch ganz ohne Filter. Einmal gesehen, habe ich dann deutlich höhere Vergrößerung versucht, bei 105 x (ohne Filter, Alnitak auch außerhalb des Gesichtsfeldes) war B33 auch zu sehen, wenn auch sehr schwach aber die Form war bei der höheren Vergrößerung klarer.





    Das Wetter war immer ein zentrales Thema. Lösen sich die Zirren auf? Auf welcher Höhe finden sich die Passatwolken?


    Ein paar Worte zu den Bedingungen, in den ersten Tagen wurde der Himmel von Tag zu Tag klarer, tagsüber war er um die Sonne deutlich aufgehellt, Zirren bildeten sich, doch gegen Abend lösten sie sich meist auf. Nach dem Ende der Dämmerung zeigt das SQM (ohne Linse) 21.4, bis 21.5 magarcsec^2 und sank dann bis Mitternacht auf 21. 6- 21.7 magarcsec^2. Die Veränderung mag teilweise durch die Abnahme des Zodiaklichts und die Verschiebung der Wintermilchstraße aus dem Zenitbereich bedingt sein. Es wehte immer ein frischer, leider lästiger Wind und es war so trocken, dass zu keinem Zeitpunkt die Optik oder Okulare beschlugen.


    Beim Schreiben merke ich jetzt, dass ich den Bericht teilen sollte, die Fortsetzung mit den Galaxien folgt später.


    Viel Spaß beim Lesen



    Thomas

  • Hallo Thomas,


    ein sehr schöner Beobachtungsbericht mit vielen tollen Eindrücken.Es hat große Spaß gemacht das zu lesen und ich konnte einen Eindruck davon gewinnen wie es dort wohl ist und welchen genialen Himmmel DU dort hattest.Danke auch für die tollen Fotos.Am meisten hat mich beeindruckt das Du dort zwei 160mm Refraktoren mit genommen hast.
    Danke für diesen tollen ,lesenswerten Bericht.


    Viele Grüße


    Markus

  • Hallo Thomas,


    ein schöner Bericht, der Lust macht auf mehr! Besonders der Virgohaufen interessiert mich.
    Ich war schon etliche Jahre nicht mehr in Punta Gorda, obwohl dort der 18-Zöller von Dietmar steht und
    so zum Beobachten einlädt.


    Dass du gutes Wetter hast war wohl auch etwas Glück.
    Bei meinen drei Besuchen, immer im März, war es eher dürftig mit nur jeweils ein, zwei klaren Nächten.
    Deshalb fliege ich lieber weiter weg, wie demnächst im April nach Südafrika zu Hottie.
    Wettergarantie gibt es da zwar auch nicht, aber es ist deutlich besser als auf La Palma.
    cs
    Timm

  • Hallo Thomas,
    danke für den schönen Bericht und die Erinnerungen.
    Dein Verweis auf mich ehrt mich- aber zu viel der Ehr: an den schönsten 12 Tagen meines Lebens und den zugehörigen Berichten die das umreißen hat Anne den größten Anteil. Ohne sie hätte das Forum keinen Lapalma-3Teiler lesen können.


    Sehr interessant mit B33, muss ich nochmal ran. Werd deinen Bericht nochmal lesen, jetzt grad nur handy :)


    Schöne Grüße und CS
    Norman

  • Hallo Thomas,


    Sehr schöner Bericht! Kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Und das mit den Objektiven im Handgepäck ist natürlich auch total cool. Jetzt sind nd die Batterien bestimmt wieder voll.


    Oliver


    P.S.: Jetzt ziehe ich mir Normans+Annes Bericht noch mal rein...

  • Vielen Dank für die netten Kommentare!


    ==> Markus, ja, das Teleskop im Gepäck war schon etwas aufwändig. Ich bin beim Einckecken nervös gewesen, ob Alles angenommen wird, die Tasche mit dem Stativ ist 120 cm lang. Beim Sicherheitscheck musste ich auf beiden Flüge das Handgepäck auspacken, sie wollten die Objektive, die im Röntgenbild wie Ringe aussahen, sehen.


    ==> Timm, Glück mit dem Wetter, na ja, ich war relaxt, da es innerhalb von 17 Tagen immer ein paar gute Nächte geben muss. Doch deine Erfahrungen mit mäßigem Wetter März in La Palmas Norden kann ich auch bestätigen. Zu den Galaxien komm ich dann als Nächstes, nur morgen geht erstmal nach der Reise wieder die Arbeitswoche los..



    ==> Norman, in der Tat, ich hatte sogar nochmal in deinen/euren Bericht aus dem Frühjahr 2015 geschaut und realisiert, dass Anne einen Teil verfasst hat. Ich kann mir vorstellen, dass es eine tolle Zeit war. Wenn man gerade dort war sieht man deine/eure Fotos von der Casa Colmenero mit ganz anderen Augen, und ich habe festgestellt, dass ihr damals schon über Objekte sehr begeistert ward, wie den 'Baby-Scorpion', ich ich jetzt in den Morgenstunden auch besonders schön fand.


    ==> Oliver, wie vermutet, die Batterien sind wieder voll, so viel habe ich im letzten halben Jahr davor nicht beobachten können und auch die Ruhe in den Bergen tat gut, die schlichten Geräusche, wie das Summe von Insekten.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo Thomas,


    sehr schöner Bericht mit tollen Stimmungsbildern.
    Ich war das letzte Mal 2014 mit einem 72mm Refraktörchen in La Palma.
    Insgesamt schon 5x meistens im Sommer, 1 x im Frühling. Immer hatte ich top Wetter, 1 x ein paar Tage die Calima. Ein Winterausflug hat aber auch was. Ich freue mich jetzt schon auf den 2. Teil mit den Galaxien Bericht.


    Gruß
    Lothar

  • Hallo Lothar,


    vielen Dank für das nette Feedback, wenn man etwas über La Palma schreibt, lernt man dass die Insel offensichtlich sehr beliebt ist und es viel mehr gute Erfahrungen- auch mit kleineren Geräten wie einem 72 mm Reftraktor - und Beobachtungen gibt, als man vorher dacht.


    Der Bericht über Galaxien und die zweite Hälfte ist in Arbeit, er wird hoffentlich in Kürze fertig sein.


    beste Grüße

  • Hallo zusammen,


    sorry, es hat etwas gedauert, doch nun geht weiter. In der zweiten Hälfte des Urlaubs standen in erster Linie Galaxien auf dem Programm, dann aber auch noch Kugelsternhaufen und zum Schluss die ersten Teile der südlichen Sommermilchstraße. Der Löwe stand 'schon' um 2 Uhr im Süden, die Jungfrau um 4 Uhr. Meist habe ich mir für den Virgo-Haufen den Wecker gestellt, das schien mir bequemer.




    <i>Die Mandelblüte in Cueva del Aqua, einige hundert Meter unterhalb der Casa el Colmenero </i>

    Im Löwen habe ich in erster Linie das Leo-Triplet, NGC 2903 und dann die Region mit M96, M97 sowie das Triplett mit M105 und diverse NGC Galaxien nördlich davon angeschaut. NGC 2903 zeigt bei 32x Vergrößerung schöne Ausläufer und bei 105x und 175 x ganz klar einen hellen elliptischen Kern mit etwas Struktur darum, doch ich konnte nicht sicher erkennen, dass es sich um eine Balkenspirale handelt. M96 und M97 finden sich bei niedriger Vergrößerung gleichzeitig im Gesichtsfeld, zeigen bei 65x und 105x ein wenig Struktur. M105 mit den Galaxien NGC 3384 und NGC 3389 fand ich sehr ansprechend, für Details reichte die Öffnung nicht aus, doch ein schönes Trio. Das Leo Triplett war ein echter Hingucker bei den Bedingungen, bei 65 x standen die Galaxien mit ihren ganz verschiedenen Formen sehr schön vor dem dunklen Hintergrund. M65 und M66 zeigten indirekt beide Ansätze von Struktur, besonders gefiel mir NGC 3628 mit einem breiten Staubgürtel, der bei 105x sehr gut raus kam.




    <i>In Garafia, dicht am Meer schien meist die Sonne, manchmal hingen die Passat-Wolken auch sehr tief. </i>


    Die Bedingungen waren doch recht unterschiedlich. Die Umgebung von Puntagorda, vor allem die höheren Lagen werden häufig besonders gelobt, weil man sich über den Passatwolken befindet. Leider ist das im Februar, März nicht immer der Fall. An einigen Abenden zogen in der Dämmerung Wolken auf, die sich dann wieder auflösten, doch es kam auch anders, Abends war es super klar, als ich morgens um 3 Uhr dann aufstand um den Virgo-Haufen zu betrachten, stiegen Passatwolken auf, erst wenige, dann immer mehr so dass ich kaum begonnen einpacken musste. Auch aus der 'Urlaubsperspektive' störten die Wolken heftig, die Casa el Colmenero kühlte aus, der Kamin frisst Unmengen Holz, doch die meiste Wärme verfliegt durch den Schornstein. So haben wir dann tagsüber statt bei feuchten 10 Grad in den Wolken zu sitzen den Südwesten am Meer, Puerto de Tazacorte, aufgesucht und dort das Baden und Sonnenbaden einer bunten Mischung von spanischen Jugendlichen, meist deutschen Senioren und Aussteigern bei Cafe con Leche im Strandcafe verfolgt.






    <i>Puerto de Tazcorte mit Restaurants und Strandleben, immer gut zum Aufwärmen </i>


    Durch das wechselhafte Wetter empfand ich das Beobachten recht anstrengend, man wusste nicht so recht wie die Nacht wird, unter dem Strich gab es dann doch viele Stunden klaren Himmels. Doch Klarer Himmel ist nicht alles, gegen Ende der Zeit fing es an zu stürmen, in Garafia – etwas tiefer gelegen – wehte der Sturm die frisch geleerten Mülltonnen um, so dass sie auf der Straße landeten. In dieser Zeit – gegen Ende des Urlaubs - war auch das Seeing schlecht, die zwei Tage alte Mondsichel waberte bei 32x so stark, dass man glauben konnte, man blicke unter der sengenden Mittagssonne im Hochsommer über eine Asphaltstraße Richtung Horizont.



    Trotzdem, mehre Nächte waren gut, in Zweien stimmte alles, sehr gute Transparenz, windstill, wirklich dunkel (SQM in den Morgenstunden um 21.9 mag arcsec^2 ) gutes Seeing. Das war die Zeit für den Virgo-Haufen und weitere Galaxien. Besonders war ich auf die Markarian-Kette gespannt, sie steht deutlichen höher als in Norddeutschland und bei der Transparenz können Plätze im Flachland meist auch nicht mithalten. Bei 2,5 Grad Gesichtsfeld bekommt man neben dem südlichen Teil mit M84 und M86 auch M87 und benachbarte Galaxien mit ins Bild und damit sind mehr als ein Dutzend Galaxien gleichzeitig sichtbar, doch schöner fand ich den Anblick wenn man sich auf die Region um M84 und M86 konzentriert, und eine etwas höhere Vergrößerung wie 65x wählt. M84, M86 und NGC 4388 bilden ein gleichseitiges Dreieck von diversen Galaxien, wie NGC4387, NGC 4413, dem Dublett NGC 4435 und NGC4438, sowie NGC4402 umgeben. Bei 105x waren dann auch weitere schwächere Galaxien in der Nähe wie NGC4305 und NGC4306 indirekt sichtbar. Bei 105x war das 'Dreieck' mit M84, M86 und NGC 4388 und den Nachbarn besonders wegen des Kontrastes zwischen den hellen, elliptischen Galaxien und den vielen Spindeln besonders reizvoll. Mit 175 x habe ich versucht den hellsten Galaxien Struktur zu entlocken, doch viel mehr als Formunterschiede konnte ich nicht ausmachen. Auf dem Programm standen auch diverse weitere Galaxien im Haufen, weiter am Rand M98 als Balkenspirale sowie M99 und M100 als Spiralen. Auch hier hat 175x kaum klare Struktur erkennen lassen. Sehr schön dagegen bei allen Vergrößerungen die Edge-on Spirale NGC 4216.




    <i>Tagsüber Wind und Wellen, nachts klare Luft und ebenfalls Wind. In La Fajana bei Barlovento im Nordosten gibt es ein schönes Naturschwimmbad. </i>


    Ich habe in drei Nächten den Virgo-Haufen beobachtet und mir am nächsten Morgen Aufzeichnungen auch einfache Skizzen gemacht, doch wenn ich dies jetzt zusammenfasse, stelle ich fest, dass Vieles schon wieder verblasst und aus der Erinnerung verschwunden ist.
    Ganz klar vor Augen stehen mir allerdings die hellen Objekte, die Sombrero Galaxie M104 kam schon bei 65x, aber besonders bei 105x und 175 x sehr gut raus, auf den ersten Blick war klar woher der Name stammt. Dann – eigentlich gar nicht auf dem Programm habe ich mir M51 angeschaut und mich über die Spiralstruktur schon bei 65x, aber besonders gut bei 175 x freuen können. Das Highlight war dann M101, bisher nie mein Favorit. Bei 65x sehr viel Struktur und besonders bei 105x war eine großer Menge schwacher, sehr zerrissener Bereiche sichtbar und bei 175x weitere Details, natürlich alles recht dunkel doch klar erkennbar. Die ´zerfasernden' Bereiche ordneten sich sehr schön zu den Spiralarmen an, nicht einfach nur Struktur sondern der Drehsinn der Spirale war gut zu erkennen. Den Abschluss bildete M83, für mich eine Premiere, der Balken direkt sichtbar, hell und kompakt, der Drehsinn M51 und M101 entgegengesetzt. Doch vom ästhetischen Reiz hatte M101 ganz klar meine Präferenz. Centaurus A, NGC 5128 nördlich von Omega Centauri kam ganz zum Schluss. Wie eine matt leuchtend Kugel mit einer deutlichen Einschnürung, sehr hübsch.


    Rückblickend waren es tolle Nächte, ich fand es im Virgo-Haufen teilweise anstrengend mich zu orientieren, ich habe lange nicht alles gesehen was ich anschauen wollte und hoffe dass sich eine Gelegenheit gibt, dies nachzuholen. Ganz klar sind bei der Öffnung von 160 mm, auch mit zwei Augen, die einzelnen Galaxien nicht besonders ergiebig, doch die Gruppen, besonders das Leo Triplett und die Markarian Kette waren sehr eindrucksvoll. Tagsüber habe ich auch Fotos einzelner Galaxien z.B. bei Wikisky angeschaut, und mich nachts daran erinnern müssen, dass Galaxien leider recht dunkel sind, die mittlere Flächenhelligkeit ist selbst bei den hellsten Ellipsen (M84 21.2 mag arcsec^2) gerade mal vergleichbar mit einem sehr guten Himmel, die von Spiralen (M51 22.0 magarcsec^2 , M101 23.7 magarcsec^2) deutlich niedriger. Nun, die Milchstraße leuchtet halt auch nur schwach und nicht in so hell, bunt und knallig, wie man es von einigen Farbfotos großer Galaxien her kennt. (zum Vergleich, richtig hell ist der Orionnebel M42, in den hellsten Zonen beim Trapez mit bis zu 15 magarcsec^2 etwa tausend mal heller als der Hintergrund, hier kann man bereits Farbe erkennen)


    Dann ein technischer Aspekt, bei dem ich unsicher bin. Oft hatte ich den Eindruck die Himmelstransparenz hing von der Richtung ab. Richtung Süden, zum Roques des los Muchachos hin schien sie mir deutlich besser als Richtung Westen und Norden, also über dem Atlantik. Mehrfach hatte ich überlegt zum Roques zum Beobachten hoch zu fahren mit der Hoffnung auf besseres Seeing und noch etwas bessere Transparenz- vor vier Jahren Ende August war ich dort. Doch als dann in der zweiten Hälfte der starke Wind auf kam der zeitweise richtig zum Sturm ausartete habe ich darauf verzichtete da es schon auf 1000 m Höhe nachts sehr unwirtlich war (zum Glück hatte ich ein Paar spezielle Fingerhandschuhe dabei, denen die Fingerspitze fehlten, aber eine Art Kappe wie bei Fäustlingen darüber geklappt werden kann). Während des Urlaubes laß ich das lesenswerte Buch 'Die Erfindung der Natur' über Alexander von Humboldt, ein Buch das das 19 Jahrhundert mit der Naturauffassung, Kultur und Politik Revue passieren lässt. Von Humbold bestieg den 3700 m hohen Teide auf Teneriffa direkt nach Verlassen des Schiffs vom Meer aus, laut der Biografie in seiner Neugier und Begeisterung sogar ohne Mantel und ohne Zelt. Da fragte ich mich beim Rückflug schon, warum ich mich nicht wenigstens einmal aufgerafft habe bequem mit dem Auto abends zum Roques hoch zu fahren. Andererseits, für Humboldt war es die erste Station seiner Südamerikareise im Alter von Ende Zwanzig.





    <i>La Palma mit dem Roques des los Muchachos, der Blick zurück</i>


    Die Reise endete wie sie begann, herrliches, wenn auch leicht diesiges Sommerwetter, selbst oben in den Bergen mehr als 20 Grad. Der Sturm aus dem Osten war wohl der Beginn von erneutem Calima, das zweite Mal innerhalb der zweieinhalb Wochen. Doch wir genossen den letzten Tag in Bergen, das Teleskop hatte ich in der Früh demontiert und auf die Koffer verteilt.


    Viel Spaß beim Lesen und beste Grüße



    Thomas

  • Hallo Thomas,


    vielen Dank für Deinen tollen Bericht. Beim Lesen möchte man am liebsten gleich wieder dort hin [:)]


    Besonders den zweiten Teil Deines Berichtes habe ich mit Ungeduld erwartet, denn mich interessiert natürlich brennend, was man mit 2x 160 mm unter Top-Bedingungen an Galaxien erwarten kann. Jetzt habe ich einen Anhaltspunkt, worauf ich bei den Vergleichsbeobachtungen mit meinen 2x 120 mm achten muss. Danke dafür!


    Vom vergangenen Frühjahr habe ich ebenfalls Markarian´s Kette in guter Erinnerung. Es ist schon beeindruckend, die gesamte Kette im Überblick zu haben und all die verschiedenen Charaktere direkt erkennen zu können. Gleiches gilt für das Leo-Triplett, welches ich zum vergangenen Neumond schon vor den Linsen hatte. Was natürlich in dieser Öffnungsklasse z.T. grenzwertig wird, sind die Details, wie Spiralarme und Knoten. Ich werde bei meinen nächsten Beobachtungen darauf achten und berichten, was mit 2x 120 mm geht [:)]


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Jörg, hallo Andreas,


    freut mich dass der Bericht gefallen hat.


    Vielleicht vorweg, ich sehe mich nicht als einen besonders erfahrenen Galaxienbeobachter, der hätte vermutlich gerade bei den schwächeren Galaxien mehr Struktur und mehr Details erkennen können. Und vieleicht hätte er auch ein anderes Teleskop gewählt.


    Ich finde es immer schwierig zu beschreiben was man sieht, Struktur klar sehen, damit meine ich meist, dass man sie direkt sieht. Mein Fazit, unter den guten Bedingungen von La Palma ist mit ca. 150 mm binokular in den hellen Galaxien wie M51 und M83 und M101 die Spiralstruktur sehr gut zu sehen. Die Spiralen im Virgo-Haufen sind zu klein und zu schwach, die Helligkeitsverteilung ist nicht ganz gleichmäßig, doch ist das bereits Struktur?
    Großferngläser und Doppelrefraktoren stoßen hier ganz klar an eine Grenze, andererseits, die Trios und Gruppen, kommen in der Übersicht, besonders in Verbindung mit einem großen Gesichtsfeld toll raus, und dies geht bereits auch mit kleinerer Öffnung, besonders wenn die Formen sehr verschieden sind.


    Mir ist beim Schreiben jedenfalls klar geworden, dass mir vieles entgangen ist, es lohnt sich auch ein weiteres Mal dorthin zu fahren.


    Beste Grüße


    Thomas


    p.s. ich hatte mir in den lezten Tagen ein paar historische Zeichnungen von Galaxien von Lassell angeschaut, die er Mitte/Ende des 19. Jahrundert visuell hinter großen Teleskop (60cm / 48") angefertigt hat, als Orientierung aus der Ära unbeinflusst von Fotografie recht interessant.

  • Hallo Thomas,


    ein sehr schöner Bericht ! Wir waren im Mai 2004 mit fünf Leuten und einem 10-Zöller auf La Palma, und ich erinnere mich an die Drachenbäume, die verwilderten Katzen, und die schönen Wanderungen in den Kiefernwäldern auf den Vulkankämmen an der Südostküste. Oben auf dem Roque haben wir im Süden damals drei Sterne vom Kreuz des Südens und den Eta-Carinae-Nebel erkennen können, und Omega Centauri schon recht gut.


    So ein 160mm Bino-Refraktor ist sicher ein tolles Teil, und dann noch mit den Weitwinkelokularen [:p]. Ich hab am ITT in Kärnten oft durch den 25x150 Feldstecher vom Martin Birkmaier geschaut, und da haben mich die Wanderungen in der Milchstraße immer ganz besonders beeindruckt. Ja, M83 ist eine wunderbare Spirale, und die zwanzig Grad höher auf La Palma - gegenüber Südbayern - machen schon sehr viel aus. Das Galaxien-Ensemble um M84 und M86 in einem Blickfeld ist im Paket für mich einer der besten Deep-Sky Eindrücke des Himmels.


    Servus
    Ben

  • Hallo Ben,


    das Kreuz des Süden und Eta-Carinae vom Roques sind natürlich echte Hingucker, ich hätte gar nicht gedacht, dass man Eta-Carinae von La Palma aus sehen kann. Auch für Objekte wie M83 macht die südliche Lage selbst gegenüber einem Alpenstandort noch einen großen Unterschied.



    Wo du Omega Centauri erwähnst, sollte ich jetzt noch eine kleine Ergänzung verfassen, denn neben Galaxien und dem Wintersternhimmel durfte dieser hellste Kugelsternhaufen nicht fehlen. Ich hatte mehrfach Gelegenheit Omega Centauri zu beobachten, natürlich hell, aber vor allem wirklich groß. Horizontnah war das Seeing nur in einer Nacht sehr gut, da war bei 175 x fast das gesamte Gesichtsfeld mit Sternen ausgefüllt. Ich habe dann mit M4 verglichen, bei 105x und 175x wirkt M4 daneben mit viel weniger, aber deutlich helleren Einzelsternen schon fast wie ein offener Sternhaufen.



    <i>Natur pur: Subtropischer Regenwald mit Lorbeerbäumen bei Los Tilos</i>


    In der letzten Nacht hatte ich als Abschluss mir vorgenommen das kurz vor der Morgendämmerung aufgehende Zentrum der Sommermilchstrasse zu beobachten, nicht um verschiedene Objekt 'abzuklappern' sondern einfach um ruhig zu genießen, kaum ein Okularwechsel, fast ausschließlich mit 32x, der niedrigsten Vergrößerung. So bin ich dann langsam mit den Augen durch die südliche Milchstraße gewandertert, bin natürlich auf die offfenen Sternaufen M7 und M6 gestoßen, weiter östlich sehr eindrucksvoll der Lagunennebel M8.
    In der Ferne krähte gelegentlich ein Hahn, sonst war es ganz still, kein Wind strich durch die Kiefern in der Nähe. Besonders reizvoll fand ich den Kontrast zwischen den Dunkelnebeln (B292, B300 und weitere), den extrem vielen etwa gleich hellen, doch eher schwachen Sternen und an verschiedenen Stellen einen durchscheinenden Schleier von nichtaufgelösten Sternen und dazwischen Sternhaufen und einzelne helle Sterne eingebettet. Das ist selbst mit einem Fernglas ein sehr eindrucksvoller, unvergesslicher Anblick. Ganz zum Schluss habe ich dann einer meiner Lieblingssternhaufen, NGC 6231, den 'Baby Skorpion' im Skorpion angesteuert, tief im Süden bei -41 Grad. Zusammen mit einer hellen Sterngruppe um den Doppelstern Zeta Scorpionis ist dies bei 32x und fast noch schöner bei 65x eine einzigartige Konstellation. Dies Bild schwebt mir in Erinnerung immer noch vor den Augen und ich hoffe, dass es nicht so schnell verblasst, dass sich eine weitere Gelegenheit ergibt den Anblick der südlichen Milchstraße zu genießen.



    Beste Grüße


    Thomas



    p.s. <i>Und noch eine weitere Seite von La Palma, San Andres im Osten, fast nur ein Dorf umgeben von Bananenplantagen</i>

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