Einfluß Photonenmasse auf Rotation von Galaxien

  • <b>Ist es möglich, dass die Wirkung der Photonenmasse auf die gasförmigen Komponenten in Galaxien so stark ist wie die der Dunklen Materie? </b>


    Die Rotation von Sternen in Galaxien wie beispielsweise unserer Milchstraße ist rätselhaft. Denn eigentlich sollte die Umlaufgeschwindigkeit zum Rand der Galaxie hin abnehmen. Tatsächlich aber bleibt die Geschwindigkeit der Sterne in den mittleren und äußeren Bereichen der Galaxien konstant. Der Grund für dieses Phänomen könnte unsichtbare Materie sein, die eine Schwerkraft ausübt. Aber obwohl verschiedene Forschungseinrichtungen seit Jahrzehnten danach suchen, wurde die "Dunkle Materie" bisher nicht gefunden und es ist nicht bekannt, aus was sie besteht. Vor diesem Hintergrund sind die Physiker Dmitri Ryutov, Dmitry Budker und Victor Flambaum Überlegungen nachgegangen, ob vielleicht andere Einflüsse die Rotationsdynamik von Galaxien erklären könnten. Sie untersuchten dazu, welche hypothetische Wirkung die Masse von Photonen, also Lichtteilchen, ausüben würde.


    Prof. Dr. Dmitri Ryutov, vor Kurzem am Lawrence Livermore National Laboratory in den Ruhestand getreten, ist Experte der Plasmaphysik und hat für seine Verdienste auf diesem Gebiet 2017 den Maxwell-Preis für Plasmaphysik der American Physical Society (APS) erhalten. Auf Ryutov geht die in der Fachwelt allgemein akzeptierte obere Grenze für die Masse des Photons zurück. Weil diese Masse extrem klein ist, wird sie bei der Betrachtung von Atom- und Kernprozessen normalerweise ignoriert. Aber selbst eine verschwindend kleine Photonmasse könnte, so die Überlegungen, eine Wirkung auf große, astrophysikalische Phänomene ausüben.


    Bei einem Aufenthalt in Mainz haben Ryutov, sein Gastgeber Prof. Dr. Dmitry Budker vom Helmholtz-Institut Mainz (HIM) und Prof. Dr. Victor Flambaum, Fellow am Gutenberg Forschungskolleg der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), diesen Ansatz verfolgt. Wie kann die extrem geringe Photonmasse Einfluss auf Galaxien nehmen? Der grundlegende Mechanismus für die Überlegungen bezieht sich auf die zusätzlichen Zentripetalkräfte, die durch elektromagnetische Feldstärken infolge des sogenannten Proca-Mechanismus zustande kommen.



    Spiralstruktur unserer Galaxie, der Milchstraße (künstlerische Darstellung. Illustration: NASA/JPL-Caltech


    "Der Effekt, den wir hier theoretisch untersuchen, ist also nicht ein Effekt aufgrund zusätzlicher Schwerkraft", erklärt Dmitry Budker. Der hier diskutierte Effekt könnte parallel zu den Wirkungen der Dunklen Materie auftreten. Er könnte sogar – bei gewissen Annahmen – die Notwendigkeit von Dunkler Materie für die Beschreibung von Rotationskurven vollständig überflüssig machen. Die Rotationskurven geben die Beziehung zwischen der Umlaufgeschwindigkeit der Sterne zu ihrer Entfernung vom Zentrum der Galaxie wieder. "Wir gehen von einer bestimmten Photonmasse aus und können zeigen, dass diese Masse ausreichen würde, um in einer Galaxie zusätzliche Kräfte zu erzeugen, die in etwa groß genug sind, um die Rotationskurven zu erklären", so Budker. "Das war für uns ein außerordentlich spannendes Ergebnis."


    Die Physiker gingen aber noch weiter. Sie haben sich die Bildung von Protosternen angeschaut und bemerkt, dass ihre Theorie noch andere Implikationen hat. Langlebige, leichte Sterne mit einer Masse von wenigen Sonnenmassen – also auch unsere Sonne – hätten nach dieser Theorie hoch elliptische Umlaufbahnen. "Diese Vorhersage stimmt offensichtlich nicht mit den Beobachtungen überein, das heißt wir können nicht alles erklären." Der Effekt der Proca-Kräfte kann nur für einen Teil der Besonderheiten, die bei den Rotationskurven zu sehen sind, verantwortlich gemacht werden. "Wir sehen die Photonmasse derzeit nicht als die Lösung für das Rotationskurven-Problem. Aber sie könnte ein Teil der Lösung sein", fasst Budker zusammen. "Wir möchten eine offene Geisteshaltung bewahren, solange wir noch nicht wissen, was die Dunkle Materie wirklich ist."


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Mainz unter http://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/7645_DEU_HTML.php

  • Hallo Caro,


    also jetzt versteh ich gar nichts mehr!


    Ich dachte ein Photon hat KEINE Ruhemasse. Also m_ruhe = 0. Exakt.
    Gilt das jetzt noch?


    Den Energiegehalt mag man in Masse umrechnen mit E = mC^2.


    Aber dann bewegt es sich auf jeden Fall geradlinig und mit Lichtgeschwindigkeit und entweicht nach ein paar 100000 Jahren
    aus dem Halo einer jeden Galaxie.


    Also kann es die Rotationskurven nicht erklären.


    Oder gibt es möglicherweise eine von Null verschiedene Ruhemasse?
    Aber die wäre doch so klein, dass es sich immer noch geradlinig bewegt.
    War es nicht so, dass die Laufzeit zwischen Licht und Neutrinos (möglicherweise nicht masselos) selbst nach Milliarden Lichtjahren nur einige Tage oder Wochen beträgt?


    klare Grüße
    John

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: John23</i>
    <br />Hallo Caro,


    also jetzt versteh ich gar nichts mehr!


    Ich dachte ein Photon hat KEINE Ruhemasse. Also m_ruhe = 0. Exakt.
    Gilt das jetzt noch?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo,
    ich bin zwar nicht Caro und schon längere Zeit aus der Physik heraußen, versuch aber dennoch mal ne Antwort.


    Nach den derzeit gültigen Standardmodell der Elementarteilchen ist es eine Voraussetzung, dass die Ruhemasse der Photonen Null ist, ansonsten würde z.B. die Eichinvarianzen der Quantenelektrodynamik verletzt werden. Aber dieses Modell ist nach derzeitigen Kenntnisstand ohnehin nur eine, ich nenn es mal Niedrigenergienäherung einer umfassenderen noch unbekannten Theorie (SUSI, Strings oder was auch immer). In dieser neuen Theorie, könnte die Voraussetzung dann nicht mehr notwendig sein.


    Unabhängig davon, wird in der Experimentalphysik auch immer wieder versucht, solche Null-Parameter (Neutronenladung, Photonenmassen usw.) zu messen. Solange die Messungen sagen "Betrag kleiner als" ist alles o.K. ... misst man irgendwann "Betrag größer als" muss man die bestehenden Theorien korrigieren.
    Neutrinos haben laut Standardmodell auch keine Ruhemasse, von Neutrinooszillationen liegen aber mittlerweile Abschätzungen von &gt; (0.4-0.7) eV/c² vor.


    Wenn die Photonen eine Masse haben, dann müssen Korrekturen zum Coulomb-Potential hinzugefügt werden, die dieses abschwächen. Damit kann man die Masse als &lt; 10^-9 eV/c² abschätzen. Magnetfeldeffekte führen zu einer Abschätzung &lt; 10^-18 eV/c². (Zahlen von 2014, kann mittlerweile noch niederigere Abschätzungen geben).

  • Ein weiteres Problem ist dass dieser hypothetische Mechanismus in einigen Galaxien fehlt, wie in fernen Galaxien des jungen Universums, deren Rotationskurven so verlaufen wie man sie anhand der Dichteverteilung der sichtbaren Materie erwartet. Diese Galaxien aus der Kinderstube des Universums scheinen also auch ohne dunkle Materie und den hypothetischen neuen Effekt auszukommen. Erst mit älteren Galaxien wird eine zusätzliche Erklärung notwendig. Dazu kann die dunkle Materie dienen, wenn man annimmt, dass diese erst später in Galaxien "kondensierte".


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dunkle Materie – in fernen Galaxien Fehlanzeige


    Milchstraßensysteme im jungen Universum bestehen hauptsächlich aus Gas und Sternen<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    https://www.mpg.de/11169643/galaxien-dunklematerie

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: UliT63</i>



    Wenn die Photonen eine Masse haben, dann müssen Korrekturen zum Coulomb-Potential hinzugefügt werden, die dieses abschwächen. Damit kann man die Masse als &lt; 10^-9 eV/c² abschätzen. Magnetfeldeffekte führen zu einer Abschätzung &lt; 10^-18 eV/c². (Zahlen von 2014, kann mittlerweile noch niederigere Abschätzungen geben).
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">



    Hallo Uli,


    so wie du es schreibst war es mir bisher auch bekannt. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Reichweite eines Potentials und der Masse des Feldquants. Auf diese Weise hat Yukawa die Masse und die Lebensdauer des Pions abgeschätzt. Die Reichweite ist gegeben durch die Compton-Wellenlänge, und darauf wird in dem Artikel auch eingegangen.


    Was ich nun nicht verstehe, ich hätte gedacht, dass die 'Lebensdauer' eines Photons größer als das Alter des Universums sein müsste, und die Reichweite dann der Durchmesser, andernfalls könnte man keine kosmische Hintergrundstrahlung oder extrem junge Galaxien beobachten. In dem Artikel geht es aber in der Einleitung bei der Längenskala erst um Astronomische Einheiten und dann um einige Lichtjahre, um viele Größenordnungen kleinere Werte, mit dem Durchmesser des Universums kommt man auf Werte im Bereich 10E-21 eV/c^2 bzw 10E-56 kg als Masse für das Photon, also nochmal sehr viel kleiner.



    Bin mal gespannt, ob hier jemand Licht ins Dunkel bringt.


    beste Grüße


    Thomas


    p.s.


    meine Frage hat sich geklärt, man muss in die Abschätzung nicht notwendigerweis die beobachtete Reichweite und 'Lebensdauer' eines Photons einsetzen, sondern kann auch die 'Lebensdauer' eines hypothetischen ruhenden Photons mit sehr geringer Ruhemasse einsetzen, die vermutlich im Bereich von ein paar Jahren liegt. Die tatschächliche, gemessene Reichweite und Lebensdauer des Photon mit Ruhemsasse minimal größer als null, das dann mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fliegt, liegen dann lorenztransformiert wieder im Bereich des Durchmesser bzw. Alter des Universums.

  • Hallo Caro,


    Danke dafür das du immer wieder wissenschaftliche Artikel einstellst die einen zum Nachdenken anregen.


    Ich finde den Ansatz sehr interessant da man die dunkle Materie auf direktem Weg (noch) nicht nachweisen kann sondern nur die Wirkung. Daher ist es wichtig auch andere Ideen zu verfolgen.


    Photonen gibt es eine riesige Menge und da machen auch kleinste Einflüsse eines Photons sehr viel aus.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kreislauf</i>
    <br />Ein weiteres Problem ist dass dieser hypothetische Mechanismus in einigen Galaxien fehlt, wie in fernen Galaxien des jungen Universums, deren Rotationskurven so verlaufen wie man sie anhand der Dichteverteilung der sichtbaren Materie erwartet. Diese Galaxien aus der Kinderstube des Universums scheinen also auch ohne dunkle Materie und den hypothetischen neuen Effekt auszukommen. Erst mit älteren Galaxien wird eine zusätzliche Erklärung notwendig. Dazu kann die dunkle Materie dienen, wenn man annimmt, dass diese erst später in Galaxien "kondensierte".


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dunkle Materie – in fernen Galaxien Fehlanzeige


    Milchstraßensysteme im jungen Universum bestehen hauptsächlich aus Gas und Sternen<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    https://www.mpg.de/11169643/galaxien-dunklematerie
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Halt mal, machte nicht die dunkle Materie schon einen Hauptteil der Masse des ganz jungen Universums aus?
    Das nimmt man doch allgemein an, denn wenn nicht müßte man auch annehmen, daß es dauernd aufgepumpt wird mit mehr Materie.

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