Keramiken aus dem „Sand“ des roten Planeten

  • <b>Wissenschaftler des Fachgebiets Keramische Werkstoffe an der TU Berlin haben in Kooperation mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung erstmals komplexe Bauteile aus simuliertem Marsboden gefertigt und die theoretische Möglichkeit gezeigt, stabile Gefäße wie Vasen nur mit Ressourcen des roten Planeten zu fertigen. Mit ihrem Ansatz möchten die Wissenschaftler einen Beitrag für die Forschungen zur Langzeiterkundung des roten Planeten leisten.</b>


    Die Ziele sind ambitioniert: In den 2030er-Jahren plant die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA mit ihren internationalen Partnerinnen und Partnern den ersten bemannten Flug zum Planeten Mars – eine Reise in die Tiefen des Weltalls, die von Forscherinnen und Forschern weltweit begleitet wird. Ein Team der TU Berlin vom Fachgebiet Keramische Werkstoffe am Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der Fakultät III Prozesswissenschaften befasst sich ebenfalls mit Experimenten, die eine mögliche Reise zum roten Planeten in den Fokus stellen.


    Die Wissenschaftler haben für ihre Publikation „Towards the colonization of Mars by in-situ resource utilization: Slip cast ceramics from Martian soil simulant” mit Hilfe des simulierten Marsbodens „JSC-Mars-1A“ erstmals komplexe geometrische Formen wie Ringe und Vasen gefertigt. Das dem Marsboden (Regolith) nachempfundene Material ist vulkanischen Ursprungs und stammt von der Flanke des höchsten Bergs auf Hawaii, dem Mauna Kea. Die Materialien wurden vom NASA Johnson Space Center entwickelt und der Wissenschaftsgemeinde unter anderem für sogenannte In-situ-Ressourcennutzung-Studien (engl. in-situ resource utilization, kurz ISRU) zur Verfügung gestellt. Ihre Beschaffenheit simuliert den Mars-Regolith.


    Der Mars und die Erde sind zwischen 56 und 401 Millionen Kilometer voneinander entfernt. Eine Reise dorthin würde nach derzeitigen Erkenntnissen bis zu acht Monate dauern. „Im Falle eines Marsaufenthalts wird es für Astronautinnen und Astronauten wichtig sein, eigene Produkte aus lokalen Materialien herzustellen. Diese Praxis wird ‚in-situ resource utilization‘ genannt und bildet die Grundlage für unsere Versuche“, erklärt David Karl. Er ist gemeinsam mit Franz Kamutzki Projektverantwortlicher der Studie. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Team von Fachgebietsleiter Prof. Dr. Aleksander Gurlo.


    „Unsere ‚Marskeramik‘ besteht aus einer Erde, die in chemischer Hinsicht der des Mars‘ ähnlich ist. Für die Verarbeitung haben wir den Marssimulanten nur mit Wasser gemahlen, in Gipsformen gegossen und gebrannt“, erläutert Franz Kamutzki den Prozessansatz. „Es kamen nur ‚Marsboden‘, Gips, Wasser und Energie zum Einsatz – alles Ressourcen, die auf dem Mars vorhanden sind oder erzeugt werden können.“



    Vasen, Ringe und Tabletten aus Marskeramik in unterschiedlichen Brennstadien. Bild: TU Berlin/David Karl


    „Anfangs haben wir das Material vielen Vorprozessen unterzogen: Wir haben es thermisch vorbehandelt, vorgemahlen, vorgesiebt, organische Additive in Form von Dispergatoren und Bindemitteln hinzugefügt und letztlich festgestellt, dass die denkbar einfachste Variante am stabilsten funktioniert“, sagt David Karl. Die Wissenschaftler versetzten den Marssimulanten mit Wasser in einem Verhältnis von circa 50 zu 50 und haben ihn für 48 Stunden mischgemahlen. Der dadurch entstandene Schlicker wurde anschließend in Gipsformen gegeben – etwa für Vasen –, nach kurzer Zeit entformt, luftgetrocknet und bei unterschiedlichen Temperaturen von 1000 bis 1130 Grad Celsius gebrannt. Das Ergebnis sind keramische Bauteile, die, je nach Brenntemperatur, ähnliche oder sogar höhere Druckfestigkeiten im Vergleich zu Porzellan aufweisen.


    „Wir waren sehr überrascht von den guten mechanischen Eigenschaften unserer Marskeramiken – theoretisch sind sie hierdurch für alle Anwendungen interessant, für die heute auf der Erde Porzellan und Tonkeramiken genutzt werden: angefangen von Geschirr über technische Bauteile zu Baumaterialien“, fasst Franz Kamutzki die Bedeutung der Experimente zusammen.


    Angesprochen auf den Nutzen von Vasen auf dem Mars erklären die Wissenschaftler: „In der konzeptionellen Phase unseres Projektes haben wir ausgiebig diskutiert, welche Werkzeuge für eine menschliche Mars-Kolonisation wesentlich sein würden. Letztlich haben wir uns für die Form unserer ‚Marskeramiken‘ auf eine Geometrie geeinigt, die in der menschlichen Zivilisationsgeschichte von allen Kulturen produziert, genutzt und hinterlassen wurde und noch heute weltweit Verwendung findet.“


    Das Team betont außerdem, dass viele andere komplexe Formen mit der entwickelten Prozessroute hergestellt werden könnten. Der Schlickerguss mit Gipsformen sei für die Produktion von großen Stückzahlen mit gleicher Geometrie sinnvoll. Zurzeit arbeitet das Team an neuen Prozessen, bei denen das entwickelte Schlickersystem mittels 3-D-Druck verarbeitet wird. Theoretisch böte eine solche ferngesteuerte beziehungsweise vollautomatische Prozessierung die Möglichkeit, Bauteile mit flexiblen Geometrien zu erzeugen – sogar bevor Menschen den roten Planeten betreten.


    Weitere Infos und Bilder auf den Seiten der TU Berlin unter https://www.tu-berlin.de/?201728

  • Hi Caro,


    interessant. Ich [Laie] vermisse bei solchen Schilderungen den Aspekt der unterschiedlichen Schwerkraft. Können wir denn davon ausgehen, dass Mars-Material sich auf dem Mars in Sachen Verarbeitung und Festigkeit so verhält wie bei uns auf der Erde?


    Bei den 3D-Druck-Experimenten auf der ISS, von denen ich mal was las, wurde die andere Schwerkraft auf der ISS auch nicht als zu beachtender Aspekt beschrieben. Hier kommt in meiner Überlegung noch dazu, dass das Pulver beim Transport zur ISS minutenlang einem Vielfachen unserer Schwerkraft ausgesetzt ist. UND sich danach in micro-G wiederfindet. In der es verbleibt, bis nach einigen Wochen dann, je nachdem, wann das Experiment terminiert ist, es zum Drucken verwendet wird.
    Auch das in micro-G gedruckte Produkt wird nicht auf der ISS nach Festigkeit getestet, sondern wenn überhaupt dann erst nach Rücktransport. Auf dem es wieder minutenlang der ernormen Beschleunigung ausgesetzt wird.


    Weil sich diese Aspekte bei meiner Lektüre nie finden, nehme ich an, dass ich Quatsch denke. Aber wo ich da Quatsch denke, ist mir nicht klar. Weisst Du da was von? (Oder darf man unter Deinen Beiträgen hier einklich gar nicht kommentieren? Tut jedenfalls wohl nie einer... Sorry, wenn das so ist.)


    LG Annette

  • Hallo Anette,


    das hier ist ein Forum und kein Monolog - natürlich darf hier kommentiert, oder besser gesagt diskutiert werden, auf Augenhöhe. Wobei natürlich gilt: In den Astronews bin ich auch nur der Bote und kenne mich nicht notwendigerweise in dem Foschungsgebiet aus, das die eingestellte Pressemitteilung behandelt. Insofern vermute ich, daß du zumindest teilweise Recht hast und die Umgebungsbedingungen die Materialeigenschaften beeinflussen, da wäre ja auch schon sowas profanes wie Luftfeuchte zu nennen. Ich vermute allerdings, hier geht es primär erstmal um die chemische Zusammensetzung des Ausgangsmaterials und wie sich alleine schon unterschiedliche Behandlungen beim Brennvorgang darauf auswirken. Ich denke mal, das alleine bietet schon genug Stoff für die Frage Mars-Vase ja oder nein...


    Viele Grüße
    Caro

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    ...auf Augenhöhe...
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Nimms mir nicht übel Caro aber genau den Eindruck hab ich hier noch nie gehabt. Vor allem bei Dir und DK nicht.

  • Hallo,


    als Autor der oben zitierten Studie freue ich mich, dass ihr Intresse an unserer Arbeit habt.


    Kurz zur Gravitation: Unsere Coauthoren von der BAM haben vor kurzem als erste unter Mirkogravition (Parabelflug) gezeigt, dass Lastersintern bei solchen Bedingungegn möglich ist. (https://www.bam.de/Content/DE/…mfahrt-hannovermesse.html)


    In der oben besprochenen Publikation (hier open-access zugang: https://journals.plos.org/plos…1371/journal.pone.0204025) versuchen wir allerding etwas anderes.
    Man kann auch mit sehr konventionellen Mitteln auf der Mars hohe Stückzahlen fertigen. Z.b. mit Schlickerguss eben.


    Falls man 3D Druck nutzen will verweise ich im Schlusssatz in der Pressemitteilung auf eine besondere Art der Additiven Fertigung. Bei dieser (Layerwise slurry depostion) werden Schlicker genutzt und keine Pulver oder Polymerfilamente.


    Ich freue mich über weitere Fragen.
    Grüße David

  • Hallo Mirko,


    schade daß du das so siehst. Ich blogge nämlich unter anderem auch deshalb fast gar nicht mehr, weil ich den Modus "jemand schreibt einen Text, und die Leserschaft darf mit Kommentaren huldigen" als belehrend und von oben herab empfinde, ganz im Gegenteil zu einem Forum, wo jeder gleichberechtigt zum TO steht (und sich wenn dann ausschließlich inhaltlich durch Nonsens-Äußerungen disqualifiziert).


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo David,


    ist denn der Schlicker beim Drucken formstabil, oder läuft das nicht gleich auseinander?
    Polymer oder Metall beim geht ja durch den Temperaturabfall schnell vom flüssigen in den festen Zustand über und bewart dadurch die Form. Wie funktioniert das denn mit layerwise slurry deposition?


    Welche Arten von Objekten lassen sich den mit LSD drucken? Auch innen hohle Objekte?


    Viele Grüße
    Ludger

  • Hallo Ludger,


    aus persönlicher Erfahrung (auch wenn's lange her ist) [:D] kann ich dir sagen, dass man mit Schlicker auch innen hohle Objekte herstellen kann - das sieht dann in etwa so aus wie hier.
    Ok, das ist jetzt nur so halb ernst gemeint, aber so ähnlich kann man es sich ja schon vorstellen - das ist definitiv layerwise slurry deposition.


    Interessanterweise kann man aus nassen Sand, wenn man ihm das Wasser geschickt durch "Panieren" mit trockenem Sand entzieht, auch faustgroße Kugeln herstellen, die stabil genug für eine großformatige Murmelbahn am abschüssigen Strand sind - führt immer wieder zu sehr erstaunten Blicken.


    Viele Grüße


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

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