Materie in enger Umlaufbahn um Schwarzes Loch

  • <b>Das überaus empfindliche GRAVITY-Instrument der ESO hat die seit langem bestehende Annahme, dass sich im Zentrum der Milchstraße ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet, weiter bestätigt. Neue Beobachtungen zeigen Verdichtungen aus Gas, die mit etwa 30% der Lichtgeschwindigkeit auf einer kreisförmigen Umlaufbahn am Rande des Ereignishorizonts herumrasen. Das ist das erste Mal, dass Materie in der Nähe des Punktes beobachtet wurde, von dem es keine Rückkehr gibt. Es handelt sich um die genauesten Beobachtungen von Material, das einem Schwarzen Loch so nahe kommt.</b>


    Das GRAVITY-Instrument der ESO am Interferometer des Very Large Telescope (VLT) wurde von Wissenschaftlern eines Konsortiums europäischer Institutionen, einschließlich der ESO [1], verwendet, um Ausbrüche von Infrarotstrahlung zu beobachten, die von der Akkretionsscheibe um Sagittarius A*, dem gewaltigen Objekt im Herzen der Milchstraße, kommen. Die beobachteten Eruptionen liefern die lang erwartete Bestätigung, dass das Objekt im Zentrum unserer Galaxie, wie lange angenommen, ein supermassereiches Schwarzes Loch ist. Die Helligkeitsanstiege stammen von Material, das sehr nah am Ereignishorizont das Schwarze Loch umkreist. Dies sind die genauesten Beobachtungen, die bisher von Material gemacht wurden, das sich so nah an einem Schwarzen Loch befindet.


    Während sich ein Teil der Materie der Akkretionsscheibe – der Gastorus der um Sagittarius A* mit relativistischen Geschwindigkeiten umher läuft [2] – auf einem sicheren Orbit um das Schwarze Loch befindet, ist alles, was ihm zu nahe kommt, dazu verdammt, über den Ereignishorizont gezogen zu werden. Der dem Schwarzen Loch am nächsten gelegene Punkt, den das Material umkreisen kann, ohne unwiederbringlich von der immensen Masse nach innen gezogen zu werden, wird als innerster stabiler Orbit bezeichnet. Von hier stammen die beobachteten Ausbrüche.


    „Es ist überwältigend, tatsächlich Zeuge zu sein, wie Material um ein massereiches Schwarzes Loch mit 30% der Lichtgeschwindigkeit umherläuft“, staunte Oliver Pfuhl, ein Wissenschaftler am MPE. „Die enorme Empfindlichkeit von GRAVITY hat es uns ermöglicht, die Akkretionsprozesse in Echtzeit in beispielloser Detailgenauigkeit zu beobachten.“


    Diese Messungen waren nur dank internationaler Zusammenarbeit und modernster Instrumentierung möglich [3]. Das Instrument GRAVITY, das diese Studie ermöglichte, kombiniert das Licht von vier Teleskopen des VLT der ESO zu einem virtuellen Superteleskop mit einem Durchmesser von 130 Metern und wurde bereits zuvor zur Erforschung von Sagittarius A* verwendet.


    Zu Beginn dieses Jahres ermöglichten GRAVITY und SINFONI, ein weiteres VLT-Instrument, dem gleichen Team, den Vorbeiflug des Sterns S2 durch das extreme Gravitationsfeld bei Sagittarius A* genau zu vermessen. Zum ersten Mal wurden die Auswirkungen nachgewiesen, wie sie von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie für solch eine extreme Umgebung vorhergesagt wurden. Gleichzeitig wurde eine starke Infrarotstrahlung beobachtet.


    „Wir haben S2 genau verfolgt, und natürlich lassen wir Sagittarius A* nie aus den Augen“, erklärte Pfuhl. „Während unserer Beobachtungen hatten wir das Glück, drei helle Ausbrüche um das Schwarze Loch herum zu bemerken - es war ein glücklicher Zufall!“



    Simulation von Materie in einem engen Orbit um ein Schwarzes Loch. Bild: ESO/Gravity Consortium/L. Calçada


    Diese Emission, ausgelöst durch hochenergetische Elektronen in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs, war als drei markante helle Eruptionen sichtbar. Sie entspricht genau den theoretischen Vorhersagen für Hot Spots, die sich in der Nähe eines Schwarzen Lochs von vier Millionen Sonnenmassen bewegen [4]. Es wird angenommen, dass die Strahlung durch magnetische Wechselwirkungen im sehr heißen Gas im Orbit nahe Sagittarius A* verursacht wird.


    Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, Deutschland, der die Studie leitete, erklärte: „Das war schon immer eines unserer Traumprojekte, aber wir wagten nicht zu hoffen, dass es so bald verwirklicht werden würde.“ Unter Bezugnahme auf die seit langem bestehende Annahme, dass Sagittarius A* ein supermassereiches Schwarzes Loch ist, kam Genzel zu dem Schluss, dass „das Ergebnis eine überzeugende Bestätigung der Lehrmeinung ist, dass es sich um ein massereiches Schwarzes Loch handelt“.


    Fußnoten
    [1] Diese Studie wurde durch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE), des Observatoire de Paris, der Université Grenoble Alpes, CNRS, dem Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der Universität zu Köln, dem Portuguese CENTRA – Centro de Astro#64257;sica e Gravitação und der ESO durchgeführt.
    [2] Relativistische Geschwindigkeiten sind solche, die so groß sind, dass die Auswirkungen von Einsteins Relativitätstheorie signifikant werden. Im Falle der Akkretionsscheibe um Sagittarius A* bewegt sich das Gas mit etwa 30% der Lichtgeschwindigkeit.
    [3] GRAVITY wurde in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (Deutschland), der LESIA des Pariser Observatoriums-PSL/CNRS/Sorbonne Université/Université Paris Diderot und der IPAG der Université Grenoble Alpes/CNRS (Frankreich), dem Max-Planck-Institut für Astronomie (Deutschland), der Universität zu Köln (Deutschland), dem CENTRA-Centro de Astrofísica e Gravitação (Portugal) und der ESO entwickelt.
    [4] Die Sonnenmasse ist eine Einheit, die in der Astronomie genutzt wird. Sie entspricht der Masse der Sonne, dem uns am nächsten gelegenen Stern, und hat den Wert 1,989 x 1030 kg. Daraus folgt, dass Sgr A* eine Masse hat, die 1,3 Billionen mal größer als die der Erde ist.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter https://www.eso.org/public/germany/news/eso1835/ und beim MPE unter http://www.mpe.mpg.de/6956598/news20181031

  • Hi Caro,


    Schicke Sache. Aber warum 'nur' die simulierte Darstellung? Auch bei ESO und MPE nur dieses eine Bild. Schade! Es gibt im Forum genug 'Optiker', die gerne mal ein Beugungsscheibchen vom 'Gravity' Experiment sehen würden und auch verstehen würde was da gezeigt wird. Auf der MPE Seite immerhin der Plot der Messungen. Gut so! Aber auch als News-Release fürs allgemeine Publikum sollte so ein Paper mehr hergeben.


    Weiter So ! Aber mit mehr 'Fleisch'.


    Cheers,
    Gert

  • Danke, Gert, das dachte ich auch. Ich stelle immer wieder fest, das z.B. nasa.gov deutlich mehr für Ihre Auftraggeber tut: das gemeine Volk! Immerhin zahlen wir ja für die Damen und Herren... und da wäre eine offene Informationspolitik bzw. die entspr. server nur recht aber zugegeben nicht billig.
    sorry für meine Direktheit, aber der Grad der Enttäuschung wird größer...
    maTz

  • Hallo Matz, hallo Gert,


    "das gemeine Volk" wird euch Beugungsscheibchen um die Ohren hauen - was soll Otto Normalbürger denn damit anfangen? Diese Pressemitteilungen sind für den Bildzeitungsredakteur gemacht, und nicht für den Teleskop-Selbstbauer.
    Wer was auf höherem Niveau haben will, dem empfehle ich ein Messenger-Abo, da hätte es dann zum Beispiel http://www.eso.org/sci/publica…messenger-no143-16-24.pdf und https://www.eso.org/sci/public…messenger-no170-10-15.pdf zum Instrument allgemein und zum First Light.


    Abgesehen davon solltet ihr es doch auch ohne das besser wissen: GRAVITY ist ein interferometrisches Instrument, alles was ihr bekommt, sind Fringes. Die werden mit einem Wellenfrontsensor analysiert und daraus wird dann das Bild rekonstruiert. Grafiken wie die aus der MPE-Meldung sind die Messung.


    Viele Grüße
    Caro


    PS. Matz, ich hätte gerne mal eine Referenz auf eine NASA-Pressemitteilung mit Beugungsscheibchen drin [;)]

  • Hallo Caro,
    die Beiträge in Astronews lese ich besonders gerne.


    Zu den Messungen des GRAVITY-Instruments der ESO:
    Beeindruckend, wie die Vorgänge in den galaktischen Zentren immer besser messbar werden, das gilt hier für die Bahnen aber auch für die Polarisationsperiode der umlaufenden Flares. Aber der Nachweis eines Ereignishorizonts steht noch aus. Supermassive Objekte: ja, Schwarze Löcher: nein oder noch nicht.


    Grüße an alle Leser
    xlorentz

  • Hallo Caro,
    ich bin erst seit kurzem hier im Forum angemeldet, lese deine Beiträge aber schon länger.
    Ich möchte an dieser Stelle mal Danke sagen, für die ständigen Infos die du so raushaust.
    Finde ich sehr interessant! Weiter so!

  • Hallo xlorentz,


    ich hab da ein Deja Vu angesichts von "Diskussionen" (absichtlich in Anführungszeichen) mit dir vor über acht Jahren...


    Gewisse Dinge ändern sich so schnell nicht. Wir lassen hier im Astrotreff nach wie vor keine Crackpottery unkommentiert stehen. Und nein, wir wollen deine Idee, was denn ein Objekt sein soll, das über 4 Millionen Sonnenmassen in einen Radius von 120 Astronomischen Einheiten (= bahnnächster Punkt des Sterns S2, der mit dem "Etwas" ja offensichtlich nicht kollidiert ist) quetscht, wenn nicht ein Schwarzes Loch, eigentlich gar nicht hören, aber ich fürchte wir kommen nicht drum rum, oder?


    Viele Grüße
    Caro

  • Die Frage ist, ob es alternative Ideen gibt, die <b>alles</b> genauso gut erklären, wie das Modell "Schwarzes Loch".
    Wirklich wissen können wir nicht, was hinter dem EH ist. Wir können dafür nur Modelle machen, die konsistent und möglichst einfach sind.

  • Hallo Caro,


    für manchen ist es vollkommen in Ordnung, jedes kritische Argument zur Standardphysik, insbesondere zur Relativitätstheorie, als Crack einzustufen. Für mich käme es auf das Argument an.


    Was habe ich gesagt? Mit anderen Worten folgendes: Was Schwarze Löcher auszeichnet, ist ihr Ereignishorizont. Haben Photonen oder (andere) Teilchen den Schwarzschildradius überschritten, kann niemand sie zurückholen. Eine solche Annahme gibt es nur in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Das experimentell zu bestätigen wäre ein Triumph für die Allgemeine Relativitätstheorie vergleichbar mit dem Nachweis der Gravitationswellen.
    Die Messungen des GRAVITY-Instruments der ESO bedeuten nicht den Nachweis eines Ereignishorizontes. Es ist bedenklich, Schwarze Löcher (Ereignishorizont) als experimentell bestätigt zu behaupten.


    Viele Grüße
    xlorentz

  • Zitat: "Was Schwarze Löcher auszeichnet, ist ihr Ereignishorizont"


    Das ist halbfalsch. Was ein SL auszeichnet ist das Gravitationsfeld, das es verursacht, und das kann man messen.


    Der Ereignishorizont ist ein mathematisches Gebilde, übrigens das Resultat erstmaliger Anwendung der Feldgleichungen durch Schwarzschild 1916.


    Alle Materieansammlungen haben einen Ereignishorizont, auch das kleinste Teilchen. Quetscht man dessen Masse innerhalb seines Ereignishorizontes, ist es ein SL.


    Gruß Hans

  • Ja sowas aber auch, Freund Brandes kennt seinen Newton nicht [:)] Nicht daß ich es anders erwartet hätte, aber nunja.


    An alle anderen zur Erläuterung: Entgegen der Behauptung unseres hier im Forum nach Jahren wiederauferstandenen Einsteingegners ist die Existenz des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs keine Frage ob man "Anhänger" der ART oder nicht. Auch mit rein klassischer, Newtonscher Mechanik läßt sich herleiten wieviel Masse auf welchem Volumen dazu führt, daß Licht dem nicht mehr entkommen kann. Kommt dann halt um einen Faktor 2 falsch raus.


    Daß es um die Frage Ereignishorizont oder nicht bei dieser Meldung eigentlich gar nicht geht, ist klassisches Crackpot-Verhalten. Ob unser Freund hier wohl klein beigibt, wenn die Ergebnisse des Event Horizon Teclescope raus sind? Ich glaub ja nicht so recht dran...


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Caro,


    In der newtonschen Theorie kann die Geschwindigkeit unendlich groß werden. Egal wie stark das newtonsche Gravitationsfeld sein soll, es gibt immer Massen, die so schnell sind, dass sie nicht eingefangen werden können. Also keine Schwarzen Löcher (und keinen Ereignishorizont).


    Viele Grüße
    Xlorentz

  • Hallo,
    die Newtonsche Gravitationstheorie ist aber nur begrenzt gültig, bzw. als Spezialfall in der ART enthalten. Es gibt eben keine höhere Geschwindigkeit als die Lichtgeschwindigkeit. So gibt es auch kein Entkommen irgendwelcher Massen oder Photonen, beim Eindringen in den EH.
    Ein interessanter Bericht dazu steht im Kosmos-Himmelsjahr 2019 ab S.64, Februarmonatsthema "Woher stammen gigantische schwarze Löcher?".


    Gruß Armin

  • Armin,
    wer in seinem Profil "Dipl.Physiker" stehen hat, der kennt den Unterschied zwischen Newtonscher Mechanik und ART. Wenn er sich hier dennoch so ausdrückt, will er nur seine Bücher dazu verkaufen, die physikalisch eine "Minderheitenmeinung" vertreten.


    Mir persönlich reicht die aktuell anerkannte Lehrmeinung. Die Störgefühle zu ungelösten Fragen der Physik sind bei mir ungleich größer, wenn ich die Thesen der sog. Minderheitsmeinung sehe. Denn dann kommen erstmal wieder Störgefühle zu gelösten Fragen der Physik auf.

  • Hallo
    „Ja sowas aber auch, Freund Brandes kennt seinen Newton nicht“ sagt Cora.
    „wer in seinem Profil "Dipl.Physiker" stehen hat, der kennt den Unterschied zwischen Newtonscher Mechanik und ART“ sagt Kalle66.
    Beides widerspricht sich. Die Formulierung „Freund Brandes“ ist herabsetzend. Ich würde sie im Astrotreff nicht benutzen.
    Viele Grüße
    Xlorentz

  • Hallo Caro,


    ganz bewusst habe ich einen Tag gewartet in der Hoffnung, dass du es selbst tust: Bitte korrigiere dich und nimm die folgende abwertende Behauptung zurück:
    „Ja sowas aber auch, Freund Brandes kennt seinen Newton nicht[:)]“ … „Entgegen der Behauptung unseres hier im Forum nach Jahren wiederauferstandenen Einsteingegners ist die Existenz des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs keine Frage ob man "Anhänger" der ART oder nicht. Auch mit rein klassischer, Newtonscher Mechanik läßt sich herleiten wieviel Masse auf welchem Volumen dazu führt, daß Licht dem nicht mehr entkommen kann. Kommt dann halt um einen Faktor 2 falsch raus.“
    Mein Argument ist:
    „In der newtonschen Theorie kann die Geschwindigkeit unendlich groß werden. Egal wie stark das newtonsche Gravitationsfeld sein soll, es gibt immer Massen, die so schnell sind, dass sie nicht eingefangen werden können. Also keine Schwarzen Löcher und keinen Ereignishorizont in der newtonschen Theorie.“
    Benötigst du weitere Argumente?


    An der obigen Veröffentlichung von Gravity stört mich die Behauptung, alles an der ART sei bewiesen, obwohl das für Schwarze Löcher nicht gilt. Die Folge ist eine Diskussion wie diese – geprägt von Intoleranz gegenüber denen, die noch nicht überzeugt sind, dass es Schwarze Löcher gibt. Es kann sein, dass das Event Horizon Teleskope das ändert.


    Viele Grüße
    Xlorentz

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