Ich steige aus der Bahn und trete ins Freie, den 72mm-Refraktor auf dem Rücken. Nur wenige hundert Meter später lasse ich die Siedlung hinter mir. Das sich aufweitende Feld ist ungewöhnlich hell – der wenige 100 Meter entfernte Sportplatz ist beleuchtet. Die Strahler reichen hunderte Meter weit in die Flur und sind blendend hell. Ohje. Ich ließ mich nicht beirren, immerhin standen noch die Planeten am Himmel – für 2 Stunden Spaß würde es reichen und an meinem Platz wären die Lampen verdeckt. Am Ende meines Weges einige hundert Meter entfernt sah ich sich bewegende Scheinwerfer. 2 oder mehr Erntefahrzeuge! Um kurz vor 21 Uhr und noch so spät am Mähen... Ohje Nr. 2. Mein Stammplatz wäre jetzt nicht wirklich angeraten, da ich dort plattgefahren würde. Ich spazierte weiter und freute mich über das hinter der hügeligen Landschaft mehr und mehr verschwindende direkte Licht des Sportplatzes. Kuhglocken bimmelten und begleiteten mich auf meinem kleinen 10-15minütigen Weg. Bei einem Baum auf halbem Wege machte ich Halt. Nur im T-shirt war es nun doch etwas frisch. Ich zog mir was langes über und beschloss, im Schutz des Baumes zu verbleiben, weit genug weg von den gefräßigen und lichtflutenden Erntefahrzeugen.
Eine Fledermaus zischt von links nach rechts knapp an mir vorbei.
Ich ziehe die Beine aus dem Stativ und visiere im Stehen parallel zum Boden Saturn an. Fast mitten in der Milchstraße steht der! Im 13er Ethos wurde „links“ neben Saturn ein Nebel im Sehfeld sichtbar. Die Dämmerung war noch nicht ganz vorüber – aber schon jetzt zeichnete sich ab worum es sich handelte – der Trifidnebel! Bildet man ein fast rechtwinkliges Dreieck gelangt man „unten“ noch zum Lagunennebel. DAS alles in einem Sehfeld! Lagunennebel, Tifidnebel und Saturn mit Ring!
Und mit noch genug Sehfeld drumrum. Exakt 3 Grad Sehfeld habe ich mit dem 13mm-Okular.
Bumm. Auf einmal Zappenduster. Kurz vor neun – fast zeitgleich wo ich mich für den Standort entschied und den ersten Blick durchs Okular nahm, wurde das Licht am Sportplatz ausgeschalten... Sofort war es deutlich dunkler und die Lichtglocke im Süden verschwand.
Je mehr die Dämmerung voranschritt, umso brillanter wurde der Anblick von der Nebel-Saturn-Kombination. Ein Flugzeug flog zwischen Lagunen-und Trifidnebel hindurch, quer nach rechts unten durch das Sehfeld.
Ein helles Licht schickte sich nun an, um die Ecke zu biegen – die landwirtschaftlichen Machinen! Ich versteckte mich hinter dem Baum und wurde offenbar nicht gesehen. Nicht dass ich ängstlich wäre oder was – aber mich in den Scheinwerfer stellen und auf nen großen folgenden Austausch hatte ich grade keinen Bock. Es war nur eine Maschine...
Hier ein schneller Schuss hinterher aus freier Hand...
Eine Grille in dem Baum neben mir zirpte, kurz darauf bellte ein Reh auf der Wiese hinter mir.
Ich mag diese Gegend. Kaum zu glauben, dass München so nah sein soll.
Ich stöberte weiter mit dem 13er Ethos durch die Schützenregion. M 22 war ein recht helles Bällchen, was ich sukzessive mit 13mm, dann 8mm und schließlich gar 4,7mm bearbeitete. Es ist schon erstaunlich, wie schön so ein Objekt selbst im kleinen Gerät kommen kann, wenn man sich nur Zeit für das zaghafte Funkeln nimmt und dem Auge die Dunkelheit gönnt, um die kleinen schüchternen Lichtfünkchen zum Vorschein zu bringen. Und dann ist dies ein wunderschöner Anblick – feinste Sterne eines glimmenden Balls im weiten Dunkel des 100Grad-Okulars.
An Trifid und Omega probierte ich den OIII, der Kontrast wurde stärker aber der Charakter der Nebel ging verloren.
Die nächsten beiden Maschinen bogen um die Ecke und tuckelten friedlich an mir vorbei, nichtsahnend, dass da ein Sternegucker hinter dem Baum hockt :-)) Nun waren alle Lichtquellen hinfort...
Ich fand durch das Herumsurfen noch den Omeganebel M 17, hier ein ähnliches Ergebnis mit OIII.
Der Zirrusnebel passte sogar noch im 13mm-Okular gaaanz knapp ganz hinein. Im 26mm war der Anblick recht nett, auch Triangulars Whisp war gut zu erkennen. Im 13er aber schon zu dunkel bei dem eher durchschnittlichen Landhimmel.
Ja, ich gebs zu, auch M 13 war im Okular. Und auch hier flog ein Flugzeug durch das Sehfeld. Klingt nicht spektakulär - aber hat irgendwo was. Das Ferne mit dem irdischen verknüpft und das Bild bekommt dadurch eine Lebendigkeit. Man schaut nicht einfach an – man erlebt.
Mein Lieblingskugelhaufen M 15 musste auch herhalten – ist aber bei kleiner Vergrößerung nicht ganz so dankbar wie M 13. Just zu diesem Zeitpunkt kommt die SMS von StefanSLS, der gerade einen matschigen 13 auf der Sternwarte bestaunen darf ;-)) M 13 ist in meinem Fall hier und heute schon im kleinen 72er prachtvoll und voller Sterne, man mag es nicht glauben. M 15 ist da noch zu kondensiert um Eindruck zu schinden – da sind größere Öffnungen geeigneter.
Ich habe mir die Flausen in den Kopf gesetzt, mal aus Spaß G 1 zu probieren. Um nicht den ganzen Atlas schleppen zu müssen, habe ich die Karte im Deepskyatlas abfotografiert.
Nun waren an sich eigentlich Zirren vorhergesagt – aber alles etwas unsicher. Am liebsten hätte ich eine ganze Nacht auf dem Berg verbracht aber das war mir zu riskant zirrentechnisch.
Die noch junge Nacht stellt sich als weitgehend zirrenfrei heraus. Gelegenheit also, mal komplett übermütig auf einen extragalaktischen Kugelhaufen zu halten, der sein Licht auf eine 72mm große Linse werfen soll. Dass linke Beobachtungsauge hielt ich geschlossen, während ich mit dem rechten Auge auf das Display der Kamera schaute.
Meine Beschreibungen zur Beobchtung möchte ich im Extra-Thread zum Thema G1 belassen:
http://www.astrotreff.de/topic…PIC_ID=228639&whichpage=3
Hier nur soviel:
Juhuuuu! [:D][:p][^][:p]
Das Teil ist tatsächlich nicht Kleinrefraktor-scheu und hat sich nach einigen Minuten zaghaft aber sicher wiederholt aufglitzend gezeigt. Toll! Ach was – unglaublich!
Die Zeit verflog und exakt nach meiner Beobachtung von G1 schlug die dörfliche Glockenuhr 23 Uhr. Zeit aufzubrechen und den letzten Zug zu erwischen. Ich blickte in den Himmel und trauerte der Nacht nach – wer hätte gedacht, dass die Zirren entgegen der Prognose derart ausbleiben – nun war ich zu schlecht ausgerüstet um die ganze Nacht zu überstehen.
<i>Die Milchstraße nochmal ein wenig ausgedehnter</i>
In 5 Minuten hatte ich alles zusammengepackt. Keine 10 Minuten später sitze ich zufrieden neben einer leicht rauschenden Birke und wartete auf den Zug zurück in die Stadt. Der Mut trotz fieser Zirrenprognose loszufahren hat sich voll ausgezahlt.
CS!
Norman