Quantenverschränkung mit Quasaren bestätigt

  • <b>Quantenphysikern um Anton Zeilinger von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien gelang mithilfe von bis zu 12 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernten Quasaren der erfolgreiche Nachweis der Quantenverschränkung. Das weltweit erste Experiment dieser Art bestätigte mit Licht, das kurz nach dem Urknall im Inneren von weit entfernten Galaxien entstanden ist, die Gültigkeit der Quantenmechanik und wurde mit astronomischen Teleskopen auf den Kanaren durchgeführt, die zu den größten Europas zählen. </b>


    Zu seltsam, um wahr zu sein: So bewerteten der berühmte Physiker Albert Einstein und seine Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Physical Review“ im Jahr 1935 die Quantenmechanik. Besonders das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung betrachteten sie mit Skepsis.


    Wird ein Quantenobjekt – etwa ein Lichtteilchen – gemessen, das mit einem anderen verschränkt ist, dann, so sagt die Quantenmechanik, ist der Zustand des einen Teilchens von der Messung, die an dem anderen durchgeführt wird, abhängig. Das gilt auch auch dann, wenn die beiden weit voneinander entfernt sind und obwohl keinerlei Information zwischen ihnen ausgetauscht wird.


    Das lässt sich mit der klassischen Physik nicht vereinbaren. Einstein vermutete daher, dass die Quantenmechanik ein solches Experiment nicht vollständig beschreibt und es noch unbekannte Einflüsse gebe, durch die das Messergebnis bereits vor der Messung festgestanden hat.


    Doch grau ist alle Theorie. Es dauerte beinahe drei Jahrzehnte nach Einsteins Aufsatz bis es im Jahr 1964 dem nordirischen Physiker John Stuart Bell (1928–1990) gelang, einen Vorschlag zu formulieren, wie sich die Quantenverschränkung experimentell überprüfen lässt. Und tatsächlich: Seitdem konnten zahlreiche solcher „Bell Tests“ nachweisen, dass die Voraussagen der Quantenmechanik stimmen.


    Doch ein Schönheitsfehler blieb stets: Alle diese Experimente enthielten sogenannte „Schlupflöcher“, die es ermöglichen, gemessene Korrelationen auch ohne die Quantenmechanik zu erklären. Eines der hartnäckigsten Schlupflöcher ist jenes der „freien Wahl“ (freedom-of-choice loophole): Teilchen und Messeinrichtung könnten theoretisch schon vor dem Experiment kausal beeinflusst worden sein. Das Messergebnis wäre dann nicht zufällig zustande gekommen und Einsteins klassische Physik gerettet.


    Neue Experimente zeigen nun allerdings, dass es schlecht aussieht für Einstein, wie ein internationales Team um Anton Zeilinger von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien in der aktuellen Ausgabe der „Physical Review Letters“ berichtet. Die Wiener Forscher führten einen sogenannten „Cosmic Bell Test“ mit Licht durch, das von zwei weit entfernten Quasaren kurz nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren ausgestrahlt wurde. Dadurch konnten sie erstmals nachweisen, dass sich ein unbekannter Einfluss auf die Messergebnisse verschränkter Teilchen aus 96 Prozent des Universums seit dem Big Bang ausschließen lässt.



    Eine der zwei mobilen Empfangsstationen für verschränkte Photonen, die von den Quantenphysikern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf La Palma für die Messung der Verschränkung eingesetzt wurde. Foto: Dominik Rauch/ÖAW


    Für ihr Experiment nutzten die Wissenschaftler/innen zwei der größten Weltraumteleskope Europas: das William Herschel Telescope und das Telescopio Nazionale Galileo, die sich auf der Kanareninsel La Palma befinden. Mit diesen beiden Teleskopen fingen sie das Licht von zwei in entgegengesetzten Richtungen im Universum liegenden Quasaren ein, die jeweils rund 8 und 12 Milliarden Jahre von der Erde entfernt sind. Quasare sind hochenergetische Kerne von Galaxien, die über eine extreme Leuchtkraft verfügen. Die Farbe der einzelnen Lichtteilchen – Physiker sprechen präziser von Photonen –, die bei der Entstehung der Quasare festgelegt wurde und zwischen rot und blau variiert, steuerte die Wahl der Messeinstellung von zuvor in einem mobilen Labor vor Ort erzeugten verschränkten Teilchen.


    „Wir mussten bei unserem Experiment sicherstellen, dass die Entscheidung wie die verschränkten Teilchen gemessen werden völlig unabhängig von uns und unserer Umgebung getroffen wird“, erklärt Erstautor Dominik Rauch, der am Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW und an der Universität Wien forscht. „Das von Menschen, der Erde und fast unserer gesamten Vergangenheit völlig unabhängige Licht aus dem All ist dafür ideal geeignet, und so konnten wir die weit entfernten Quasare als kosmische Zufallsgeneratoren einsetzen.“


    Die Quantenphysiker von ÖAW und Universität Wien sind Pioniere dieser Methode zur Messung der Quantenverschränkung. Bereits im Februar 2017 war ihnen bei einem Pilotversuch in Wien die erfolgreiche Demonstration eines „Cosmic Bell Test“ mit Sternenlicht aus der Milchstraße gelungen. Bei ihrem neuen Experiment konnten sie nun erstmals kosmisches Licht verwenden, das beinahe vom Rand des bekannten Universums zu uns gereist ist.


    „Es ist das erste Mal, dass Milliarden Jahre altes Licht aus unserem Universum zum Nachweis der Quantenverschränkung genutzt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Einflüsse gibt, die eine zur Quantenmechanik alternative Erklärung der Verschränkung liefern, liegt damit bei nahezu Null. Die Wahl der Messeinstellung hätte für unsere Versuchsanordnung lange vor der Entstehung der Erde erfolgen müssen“, sagt Quantenphysiker Anton Zeilinger, der auch die Wichtigkeit des Experiments für quantenphysikalische Anwendungen betont: „Die Widerlegung von Schlupflöchern ist von großer Bedeutung für die Quantenkryptografie. Für den sicheren Austausch quantenverschlüsselter Informationen müssen unbekannte Einflüsse vollständig ausgeschlossen sein.“


    Weitere Infos auf den Seiten der ÖAW unter https://www.oeaw.ac.at/oesterr…-von-quasaren-bestaetigt/

  • Zeilinger und seine Leute machen ja wirklich tolle Experimente. Wenn nun das letzte Schlupfloch für eine klassische Deutung der Quantenverschränkung gestopft ist, was bedeutet das dann für die Relativitätstheorie? Daß Einstein versucht hat, an einer klassischen Erklärung des Verschränkungsphänomens festzuhalten, war ja nicht bloß eine persönliche Borniertheit. Auf dem Spiel steht schließlich die Fundamentalthese der Relativitätstheorie, daß es keine überlichtschnellen Kausalwirkungen geben könne. (Newton hatte das noch angenommen.) Wenn aber nun alle klassischen Deutungen der Quantenverschränkung scheitern, muß man sagen, daß bei der Messung solcher Systeme genau das geschieht. Eine Messung am einen Flügel der Meßvorrichtung wirkt sich sofort, d.h. überlichtschnell auf den anderen Flügel aus. Damit könnte auch Einsteins Lehre von der Relativität der Gleichzeitigkeit hinfällig werden. Denn es ließe sich nun ein bevorzugtes Bezugssystem definieren, nämlich dasjenige, in dem beide Quantenereignisse gleichzeitig stattfinden. Was in diesem Bezugssystem gleichzeitig ist, müßte dann nicht nur als „relativ“, sondern als „absolut“ gleichzeitig gelten. Vielleicht war Newton am Ende sogar näher an der Wahrheit dran, als Einstein dachte, nämlich insofern als Newton die Wirklichkeit für nicht-lokal hielt, während Einstein die These von der Lokalität aufbrachte, die nun durch die Quantenverschränkung offenbar falsifiziert wird.


    Viele Grüße
    Johannes

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