Adaptive (aktive) Optik à la AO7 - pro und cons

  • Hallo,


    nachdem ich eine St7 mit Komplettset zum Verkauf ausgeschrieben hatte kommen immer mehr Fragen, ob man sich die AO7 (oder die entsprechend neueren Versionen) antun soll oder nicht. Ich weiß, dass man über den Nutzen dieses "Image Stabilizers" - mehr ist es in meinen Augen nicht - streiten kann. Daher will ich ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit meine Erfahrungen nennen:


    Rahmenbedingungen:


    Die St7 diente zu Experimenten mit der Photometrie, da mich interessierte, ob das aus der Gegend um Kaiserslautern, wo ich damals wohnte gehen würde oder nicht, nachdem bildmäßige Fotografie ohne lange Wege dank Ramstein Air Base sehr mühsam war. Ich hatte mir ein gebrauchtes Celestron-SC besorgt, jemand hatte mir damals noch wegen des Backfokus geholfen, und daran dann die St7 samt Zubehör (Filterrad und AO) montiert.


    Abgesehen von dem Aufwand, das ganze Gerödel zu transportieren und einzurichten funktionierte die Technik an sich recht gut, damals noch mit Windows XP und einem IBM-Laptop, der Strom kam per Wechselrichter von der Autobatterie bzw. Lichtmaschine.


    Nach einiger Zeit ging dann das ganze Material wieder aus dem Haus (bis auf die Kamera), da ein Umzug anstand und ich das ganze Material eher als Belastung denn als Potenzial empfand.



    pro's:


    - generell funktionierte die Steuerung mit der Original-SBIG-Software zusammen mit einem für damalige Zeiten (Ende 90er) verhältnismäßig starken IBM-Laptop und XP sehr gut. Abstürze waren selten und auch die Datenaufnahme usw. klappte nach damaligem Standard verläßlich.
    - wenn man sich an die Software gewöhnt hatte und die Einstellungen so getroffen hatte, wie das Setup sie braucht, war auch das nicht zu beanstanden, die Nutzerführung war damals deutlich auf die Menschen ausgelegt, denen intensives Studium der Handbücher zumutbar ist, für heute ist das m.E. archaisch, aber es klappt. Grundsatz: "Wenn man es richtig macht funktioniert es wie an der Strippe gezogen".
    - Die Stabilisierung ist wirklich gut, die Gabel des seinerzeitigen Celestron führt zwar ordentlich nach - gut ist was anderes - aber die Sterne bleiben deutlich runder und man kommt auch an feinere, schwächere Sterne ran als ohne die AO. Dafür muss aber wirklich alles richtig eingestellt sein! Da wie bei allen Rohrstativen auch hier die Stabilität das Thema Nr. 1 ist musste man beim Aufbau wirklich auf Wackelfreiheit achten, also entsprechender Untergrund usw., bei Wind habe ich Sandsäcke an die Beine gelehnt, das hilft gut zur Stabilisierung.
    Die Zeit und Mühe ordentlich aufzubauen und sich in das System einzuarbeiten muss man sich einfach nehmen, ansonsten bringt's nix außer Frust. Die AO ist kein Allheilmittel und als zusätzliche sensible Komponente bringt sie auch neue Aufgaben mit sich, denen man sich stellen muss.
    - Die St7 ist self-guiding, d.h. wenn man in der Nähe des Ziels einen passenden Leitstern findet, was leider nicht immer der Fall ist, hat man was das Guiding angeht keine Sorgen. Da alles in einem Gehäuse verbaut ist gibt's da kein Wenn und kein Aber. Nur ist man eben auf das Gesichtsfeld des Guiding-Chips in der Kamera festgelegt. Das muss man bei der Aufnahmeplanung berücksichtigen! Einfach mal sehen ob man was findet kann sich zur Nervensache entwickeln, dafür gibt's Planetariumsprogramme, wenn man dann weiß was man suchen muss, kommt man damit klar.
    - Man kann den Selfguiding-Mechanismus auch nur für die AO verwenden und die Montierung extern guiden, das geht genau so. Die Limitierung für die AO damit sie ihre volle Performance erreicht ist der Leitstern auf dem Chip der St! An der Sache kommt man nicht vorbei, hat dafür aber auch durch die Hardwareintegration von Filterrad und AO eine in sich geschlossene Einheit. Ich werte das als "Pro".


    con's:


    - Die oftmals behauptete Sache, dass man mit der AO auch auf einer Wackelmontierung von dem Stabi profitiert ist meines Erachtens nach Unfug. Der Stabi braucht eine einwandfreie "Erdung" damit er überhaupt auf etwas referenzieren kann.
    Sonst schwurbelt das Ding vor sich hin und erzeugt m.E. sogar schlechtere Bilder als ohne.
    Man muss sich vor Augen halten was das Ding macht: Es vergleicht die zum Guiding erzeugten schnellen Bildfolgen und bewertet die Verschiebungen auf dem Chip, die es auszugleichen sucht. Dabei wird stillschweigend unterstellt, dass die Bezugsachsen still stehen (die Verschiebungen also aus Abweichungen der Atmosphäre kommen), denn auf diese werden die Abweichungen berechnet. Wenn diese Voraussetzung nicht stimmt kann der Stabi seine Wirkung nicht entfalten, um auf hochfrequente Schwingungen der Mechanik zu reagieren ist das System mit einer Grenzfrequenz von rd. 25Hz viel zu träge!
    - Es braucht ziemlich Geduld, alles so einzustellen und einzurichten, dass das System wirklich wie am Schnürchen läuft. Ich hatte zum Schluß alles fest verschraubt und mir Marken an den OAZ gemacht, wie genau alles zusammengehört, damit man es nach Transport wieder richtig aufbaut. Das ist nicht trivial und erfordert wirklich Sorgfalt. Bei fest aufgebauten Teleskopen ist das einmal Thema, mobil nervt es irgendwann.
    - Die Technik ist der Zeit ihrer Entstehung geschuldet etwas sensibel, also nix für Grobmotoriker. Die dünnen Flachbandkäbelchen sind das eine, die Spiegellagerung ist das andere und dadurch, dass alles verflanscht werden muss besteht immer gerne genommen auch die Möglichkeit des Schwerkraftunfalls. Isaac lauert eben überall. Man baut das am besten am Tisch zusammen, richtet alles aus und verfrachtet es so zum Teleskop.
    - Man braucht ca. 200mm Backfokus! Den muss man sich erstmal beschaffen oder man hat Glück und das Teleskop bringt das von Hause aus mit. Sonst muss man basteln. Mir hat damals jemand geholfen, sonst wäre das nie ans Laufen gekommen.
    - Die St's haben für heutige Maßstäbe winzige Bildfelder. ABER das muss kein Nachteil sein, man kann z.B. Photometrie und Spektroskopie in guter Qualität betreiben, ohne sich mit den immensen Datenmengen der heutigen Kameras rumzuschlagen, zudem bring in solchen Fällen gerade die Beschränkung des Bildfelds auf das Ziel und seine Umgebung durchaus Vorteile, wenn man helle Bildelemente nicht erstmal ausblenden muss, da sie einfach aus dem Bildfeld manövriert werden können. Wat dem een sin Uhl is dem annern sin Nachtigal ...
    - Man braucht einen Rechner mit XP oder 98, die Windows-Versionen heute unterstützen die alte Software nicht mehr, und ECP/EPP-Ports gehören standardmäßig heute nicht mehr zum Repertoire, ja richtig, die Kameras werden wie die seinerzeitigen IOMEGA-Band- und Disk-Laufwerke am Druckerport angeschlossen, der damals üblicherweise bidirektional und für den Im- und Export großer Datenmengen gedacht war.
    Das ist Geschichte, und man muss das erst wieder aufsetzen. Ob es Softwarelösungen für Win7 ff. für die Cams aus dieser Zeit gibt weiß ich nicht, da ich noch eine XP-Maschine für alte Hardware laufen habe, die auch so einen Parallel-Port hat (Len. T60), die ECP/EPP-Ports gibt's als Express-Cards zum stecken.


    Vielleicht hat dies dem einen oder anderen geholfen,


    in diesem Sinne


    CS
    Jörg

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