Hallo zusammen,
<hr noshade size="1"><i>erst mal eine Bitte an die Herren, die zurzeit einige Threads mit ihren Streitereien verschönern: Bitte haltet euch hier zurück (und kommentiert diese Bitte auch nicht weiter). Fände ich wirklich nett - DANKE!</i>
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So, jetzt kann's losgehen - ich hatte ja schon gelegentlich mal mein 120/600-Binoprojekt erwähnt. Inspiriert dazu hatte mich Gerd Huissel mit den Berichten über sein Zwillingsteleskop:
Vom Kometensucher zum Traumbino
Vom Kometensucher zum Traumbino Teil 2: Baubeginn
Vom Kometensucher zum Traumbino Teil 3 : Montage
Vom Kometensucher zum Traumbino Teil4: Zwilling
Dazu kamen die euphorischen Doppelrefraktorbeobachtungsberichte z.B. von Christopher Hay beim OdM Dezember 2016 - Barnard's Loop. Und da ich schon einen 120/600-Refraktor hatte, lag es nahe, den zu verdoppeln. Dabei wollte ich ein möglichst großes Feld realisieren und bei 6mm Austrittspupille mit Filtern beobachten können - das war schon immer meine Hauptanwendung für diesen Refraktor und das gleiche beidäugig mein Traum.
Im Vergleich zu Gerds Traumbino habe ich vielmehr auf Standardkomponenten zurückgegriffen, damit das Bino überhaupt in absehbarer Zeit fertig wird. Hier mal ein Bild:
Die Zutaten sind im Einzelnen:
<ul><li>zwei Skywatcher 120/600 (hinter dem DC-Fix), einer davon gekürzt</li><li>zwei 3"-Okularauszüge, einmal lang, einmal kurzbauend</li><li>zwei Zenitspiegel in 2" bzw. 3"</li><li>eine variable 2"-Verlängerung</li><li>justierbare Rohrschellen für die Kollimation (siehe unten)</li></ul>In den Okularauszügen stecken zwei der 30mm Ultra-Flat-Okulare von APM mit 70° Feld. Mit 36 mm Feldblendendurchmesser komme ich dann auf gut 3.4° Feld, bei 20facher Vergrößerung und 6 mm Austrittspupille, und das beidäugig [:p].
Das Gesamtgewicht von 10.6 kg ist noch recht handlich und wird von der AYO ohne Murren (und sogar ohne Gegengewicht) getragen:
Wie man sieht, ist der Einblick schräg und der Pupillenabstand wird durch Rotation der Optiken eingestellt (deshalb auch die variable Verlängerung). Der schräge Einblick ist in der Praxis nicht furchtbar störend. Eigentlich wollte ich die Teleskope längs so hinschieben, dass man bei mittleren Beobachtungshöhen die Okulare auf gleicher Höhe hat und den Kopf nicht neigen muss, aber da muss ich erst an den Zenitspiegeln noch mehr wegfeilen, damit das geht...
Die Teleskope hängen zusammen an einer Prismenschiene und die Schellen sind relativ dazu verstellbar, darüber wird die Kollimation eingestellt:
In der Theorie ist das auf den ersten Blick ein ansprechendes Konzept, in der Praxis aber kein Spaß - die Achsen sind zwar einigermaßen senkrecht zueinander, aber nicht waagrecht/senkrecht im Okular. Und die Tuben müssen sich bei der Justage in den Rohrschellen drehen können, was sie aber am liebsten gar nicht und ansonsten eher nur ruckweise machen. Ganz abgesehen von so Dingen wie aus dem Alu rausgerissenen Gewinden (trotz ordentlich Fett)... [xx(] aber jetzt ist es geschafft. Ich habe am Jupiter justiert, bei 20facher Vergrößerung entspricht der Jupiterdurchmesser praktischerweise ziemlich genau den 15', den die einschlägige ISO 10936 für die vertikale Kollimation fordert. Kleineres Nachkollimieren (z.B. nach Filterwechsel) geht zum Glück problemlos.
Zu den erfreulichen Dingen: das First Light am vergangenen Samstag war einfach eine Wucht und noch viel besser als erwartet. Ich hatte mit zwei H-Beta-Filtern bestückt, am Jupiter justiert, den grünen Saturn und den Lagunennebel bewundert. Dann wollte ich mal den Nordamerikanebel suchen. Nur war da nix mit Suchen - beim Rüberschwenken von Deneb stand er schon in voller Ausdehnung im Gesichtsfeld, vom hellen strukturierten Mexiko bis hoch nach Nordkanada direkt sichtbar. Beim Pelikannebel war beidäugig indirektes Sehen nur gerade so erforderlich und der Vergleich zu einäugig sehr aufschlussreich: da musste ich die Details wirklich bewusst festhalten, um sie sehen zu können. Das war vorher auch schon meine Erfahrung beim Testen am Vollmond gewesen: Dinge, die man sich mit einem Auge aktiv erarbeiten muss, sind mit zwei Augen in vielen Fällen einfach da. Man sieht beidäugig nicht unbedingt mehr (die prinzipiell sichtbaren Details sind meines Erachtens nicht furchtbar unterschiedlich), aber viel einfacher und in kürzerer Zeit [8D]. Oder anders gesagt: warum habe ich Jahre meines Lebens mit einäugiger Beobachtung vergeudet...
Beidäugig ein großes Vergnügen waren dann auch der gesamte Westerhout 80 und die Region um Sadr - da kann man Stunden damit verbringen!
Und dann kam mir beim Rumschwenken ein sehr unerklärlicher, hartnäckiger Reflex im rechten Okular ins Bild, den ich mir überhaupt nicht erklären konnte, zumal er relativ strukturiert war. Es war wohl schon etwas spät und ich nicht mehr ganz klar im Kopf - nach längerem Rumgrübeln und Rumsuchen stellte sich heraus, dass ich beim letzten Zusammenpacken die Filter falsch einsortiert hatte und den ganzen Abend mit einem H-Beta und einem OIII-Filter unterwegs gewesen war. Und der Reflex war kein Reflex, sondern der Cirrusnebel [B)]... jetzt wünsche ich mir ganz schnell noch einen zweiten OIII-Filter. Und kurzbrennweitigere Okulare. Und ein Doppelteleskop mit noch größerer Öffnung. Und...
Ich glaube, ich hör jetzt besser erst mal auf. Ich freu mich jedenfalls auf weitere Beobachtungen!
Viele Grüße und lasst euch inspirieren [;)]
Holger
Nachtrag: beim Bericht vom First Light nicht unerwähnt lassen wollte ich das Licht und Gegröle unweit von meinem üblichen Beobachtungsplatz, das mich zwang, ins benachbarte Tal 75m tiefer auszuweichen, wo es 5 Grad (!) kälter war. 10 Grad statt 15 ist im Sommer schon unangenehm... Eigentlich wollte ich den Fahrer eines Motorrollers, der gerade losfuhr, fragen, wie lange sie denn noch da zu sein gedächten, aber der hielt ganz respektvoll 20 Meter Abstand von mir. Das kenne ich so gar nicht - naja, wie sich dann rausstellte, waren sie zu zweit auf dem Roller, ohne Helm und mit ziemlich undeutlicher Sprache. Wenn ich's geahnt hätte, hätte ich ihnen noch einen schönen Schreck einjagen können ("Halt, Polizei")...