Satellit oder Ballon vor Jupiter?

  • Heute Nacht habe ich bei der Jupiterbeobachtung eine Art Satellit vor dem Planeten vorbeifliegen sehen und mit der Videokamera aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte mit 100fps und wird hier in der Animation 4fach verlangsamt dargestellt. Eine Internetrecherche ergab, dass es wohl nicht die ISS war. Hat jemand eine Idee, was es gewesen sein könnte?
    Uhrzeit: 3.6.2018 00:12:43 MESZ
    Breitengrad: 48°36#8242; N
    Längengrad: 9°06#8242; O
    Meereshöhe: 400 m



    Hallo Josef, aktuell bekomme ich eine Fehlermeldung der astrotreff.de Datenbank, wenn ich neue Antworten anhänge, deshalb stelle ich die Antwort hier oben ein:


    Die Höhe des Jupiters zum Aufnahmezeitpunkt betrug etwa 25 Grad. Wenn man nun mal annimmt, dass es sich bei dem Objekt um einen Stratosphärenballon in 30 km Höhe gehandelt hat, dann betrug seine Entfernung etwa 71 km. Bei 5 Bogensekunden Objektdurchmesser ergibt dies eine Ballongröße von etwa 1,7 m. In großer Höhe werden die Ballons sehr groß, d.h. in meinem Fall hat es sich dann wohl um ein eher kleines Exemplar gehandelt.


    Gruß
    Thomas

  • Hallo Tom,


    ein genialer Transit in jedem Fall [:)]
    Die ISS ist es ganz bestimmt nicht. Wetterballon? Die Sonde kann man jedenfalls nicht baumeln sehen.
    Falls es das ist, so wird sich Hartwig bestimmt auf deinem Thread melden (astrohardy).
    Du kannst ihn aber sicher mal deine Animation zukommen lassen.


    Fehlt eigentlich nur noch, dass da jemand dranhängt.


    LG
    Mario

  • Hallo Tom,
    ähnliche Effekte hab ich, wenn die Nachführung nicht perfekt ist und sich ein Staubkorn auf derm Kamerachip befindet. Dann läuft so ein schwarzer Fleck genau wie in Deiner Animation durchs Bild.
    Das mit der Nachführung vermute ich bei Dir nicht. Das mit dem Staubkorn kann aber auch anders pasieren. Es könnte so ein Staubkorn auch in Bewegung kommen und durchs Bild rutschen.
    Es kann natürlich auch ein treibender Wetterballon sein..
    Ich habe heute um 0:11:29 Ein Video von 90 s aus dem Raum FFB (Bayern) aufgenommen. Bei mir ist zur fraglichen Zeit nichts zu sehen. Es ist jedenfalls nichts, was Jupiternah vorbeigeflogen ist. Ein erdnaher Satellit wäre möglich.
    Servus,
    Roland

  • Hallo Mario, Roland und Jörg,


    danke für Eure Hinweise und den Vergleich mit den eigenen Aufnahmen.


    Das Bild stellt einen fixen Ausschnitt aus der Mitte des Kamerasensors dar, d.h. das Objekt hat sich real relativ zum Sensor während der Aufnahme bewegt. Wenn es ein Staubkorn wäre, würde es nach unten fallen und da Jupiter zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Nähe des Meridians stand, wäre dies auch im Bildausschnitt von oben nach unten und nicht von rechts nach links. Wenn es tatsächlich ein Effekt auf der Oberfläche des Kamerasensors sein sollte, müsste es wohl eine Art von Insekt gewesen sein, das da herumgekrabbelt ist [:)]. Der Durchmesser des Objekts misst etwa 20 Pixel, was 0,05 mm entspricht.


    Das Objekt bewegt sich zwar augenscheinlich parallel zu den Jupiterbändern, dies tut es jedoch viel zu schnell um in Jupiterentfernung sein zu können. Mein erster Gedanke war daher, dass es sich um ein Objekt in der Erdatmosphäre oder einen erdnahen Satelliten handeln würde, vielleicht auch ganz einfach nur um einen Heliumballon für Kinder.


    Gruß
    Thomas

  • Hallo Thomas,


    Ich meine eine mitlaufende strichförmige Struktur zu sehen, die sich unter dem Objekt bist zum NEB zieht. Darunter lässt sie sich eher unsicher verfolgen. Das könnte die Schnur vom Ballon zu eigentlichen Sonde sein, die dann unterhalb der Planetenscheibe vorbei geflogen wäre. Ich tippe also auch auf einen Wetterballon. Aber vielleicht kann Hartwig wirklich noch etwas heraus finden, er kennt sich bei Ballonen und den Aufzeichnungen besser aus.


    Auf jeden Fall ein toller Zufallstreffer. Herzlichen Glückwunsch.
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Es sind leider nur 16 oder so frames mit dem "Ding", aber natürlich könnte man die händisch stacken (zentriert auf das Ding, nicht auf Jupiter, versteht sich!), vielleicht erkennt man dann die "Schnur" oder einen Radarreflektor, den größere Wetterballons wohl oft haben.


    Jedenfalls schon ein netter "Beifang".


    CS
    HB

  • Hallo Marcus und HB,


    die Sache mit der hypothetischen Schnur ist ein guter Hinweis, danke sehr. Vielleicht könnte ich das Stacking so bewerkstelligen, dass ich zunächst mal ein gestacktes Bild der restlichen Frames (ohne Objekt) erstelle und dann bei jedem Frame mit Objekt die Differenz aus Summenbild und Einzelframe erstelle. Dann müsste das Objekt hell und Jupiter dunkel sein, so dass ich das Objekt evtl. konventionell stacken kann. Ich denke, das werde ich mal probieren.


    Außerdem ist mir eingefallen, dass ich derzeit eine experimentelle Version des Kameratreibers von ZWO für die Asi Kameras einsetze. Diese Version sollte eigentlich lediglich einen Fehler im Bereich Deep Sky beheben und sich nicht auf die Planetenbeobachtung auswirken, aber vorsichtshalber werde ich die Sache auch mal ins ZWO Forum stellen.


    Gruß
    Thomas

  • Hallo Thomas,


    99pro ist es ein Wetterballon.
    Gratuliere! Das ist noch viel schwieriger zu realisieren als ein ISS Durchgang (der sich ja berechnen lässt). Sicher Dir mal das Copyright (irgendeine Signatur im Video das Du hier plaziert hast).


    Bestes Indiz die Schnur, die Schlieren die mitlaufen und der ausgerechnete Ballondurchmesser 1,7m.*


    Ich habe mal so ein Ballon in der hellen Dämmerung fast im Zenit verfolgt und da war er im Okular etwa Jupiter-groß, hatte ich das Gefühl (plus minus 50% ;-)). Also bei 20 Grad Elevation passt die Größe, würde ich ohne Rechnung sagen.


    CS,
    Walter


    * Nachtrag: Wetterballon auf Wikipedia: Füll-Durchmesser 2,3m, Platz- Durchmesser 13m.

  • Hallo Thomas,
    wenn ich das alles bedenke, dann tippe ich auch auf einen Wetterballon. Ob man da wirklich auch die dünne Schnur sieht, ist fraglich. Es könnten auch Spikes durch die Fangspiegelspinne sein. Dann müssten auch noch drei weitere zu sehen sein. Das kann ich aber auch sein, dass sich die Spikes nur vor dem helleren Bereich des Jupiters abzeichnen. Ist nur eine Idee.
    Servus,
    Roland

  • Hallo Roland,


    wenn man ein wenig "indirekt" schaut, dann kann man sogar eine kleine "Verdickung" am Ende des "Seils" beobachten (Das Instrumenten Paket) - so mein Eindruck jedenfalls. Das Seil ist sicher zu dünn, aber ich schätze Beugungseffekte haben sich im Video bemerkbar gemacht zusammen mit den Seeing-Schlieren.


    CS, Walter


    PS: wäre das nicht ein Video fürs APOD? Das sieht so frappierend nach "aufgeblasener Ganymed Schattendurchgang" aus ;-). Erst beim zweiten Blick fällt auf, dass der GRF eigentlich still steht für ein Zeitraffer. Ein schönes Verwirr Spiel!

  • Hallo zusammen,


    inzwischen habe ich mittels Autostakkert und Fitswork eine gestackte Version des Negativs erstellt. Die Tropfenform des Objekts kommt im gestackten Bild noch etwas deutlicher als im Video heraus, bei der herabhängenden Schnur (C8, keine Spikes) konnte ich jedoch leider keine Verbesserung der Bildqualität feststellen. Eine „Nutzlast“ sehe ich nach wie vor nicht, vielleicht weil sie im Bereich des NEBs liegt und sich hier die Luftturbulenzen besonders stark auswirken. Ich denke inzwischen auch, dass es sich um einen Ballon handelt. Es könnte entweder ein normaler 40cm Luftballon aus einem Luftballonwettbewerb sein, der sich in einer Entfernung von rund 16 km und einer Höhe von 7 km befand oder um einen Wetterballon in der Stratosphäre mit etwa 2 m Durchmesser. Mit den Wetterballons kenne ich mich nicht aus, allerdings verstehe ich die Größenangaben so, dass es sich bei dem Platzdurchmesser um die (aufgeblähte) Größe des Ballons in der Stratosphäre handelt, wo er so groß wird, dass er platzt und die Nutzlast zurück zur Erde fällt. Die 13 m Platzdurchmesser kommen also nicht so ganz an meine Größenberechnung heran. Aber vielleicht gibt es da ja auch kleiner Modelle mit weniger Nutzlast.
    Gruß
    Thomas


  • Sehr schön!


    Solange das Ding noch eine Tropfen-Form hat ist es noch einiges vom vollem Durchmesser entfernt, und entsprechend auch noch nicht so hoch gestiegen. Wäre ein nettes Physik Problem die Relation zwischen Größe des Ballons und Höhe abzuschätzen und dann zu gucken ob es eine Lösung gibt die mit dem Video konsistent ist. Aus der Winkelgeschwindigkeit und der Höhe über dem Horizont kann man auch einige Randbedingungen ableiten ... das gibt ein nettes System von Gleichungen :) Physik-Lehrer könnten damit ihre Schüler "quälen"!


    CS
    HB

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich einige Stratosphärenballons habe aufsteigen lassen in paar Infos:


    Tropfenförmig ist der Ballon nur ganz am Anfang (Luftdruck ~1.000 hPa) bereits in 5.600m beträgt der Druck nur noch 500 hPa.
    Um eine große Höhe zu erreichen füllt man den Ballon "sparsam" (daher tropfenförmig), in Abhängigkeit von der Zuladung.


    Ein 200g Ballon (Gewicht der Hülle) plus 400g Sonde hat anfangs 1,2m Durchmesser und platzt bei 3,0m Durchmesser in 20.000m Höhe.
    Ein 1.600g Ballon plus 1.000g Sonde hat anfangs 1,8m Durchmesser und platzt bei 10,5m Durchmesser in 38.000m Höhe.


    Jetzt könnt ihr rechnen ... ;)

  • Hallo Dietmar,


    danke für die Infos bezüglich der Wetterballons. Das Problem mit den Wetterballons besteht darin, dass der Ballon in meinem Bild lediglich 5 Bogensekunden groß ist und dass man sehr große Entfernungen benötigt, um metergroße Ballons so klein dargestellt zu bekommen. Es ist ja keine höhere Mathematik, sondern ganz einfach: Luftlinie in km / 41 = Ballongröße in m, d.h. ein 1 m großer Ballon müsste schon 41 km entfernt sein, um 5 Bogensekunden groß zu erscheinen, ein 2 m Ballon bereits 82 km usw. Selbst bei lediglich 25 Grad Jupiterhöhe nimmt dabei die Höhe des Ballons über dem Erdboden stark zu. Die Höhe beträgt etwa 42 Prozent der Entfernung, d.h. der 1 m Ballon wäre bereits in einer Höhe von 17 km usw. Dies widerspricht aber der Tröpfchenform des Ballons.


    Gruß
    Thomas

  • Moin Thomas,


    für mich ist auch noch der Kinderballon nicht ausgeschlossen. Dafür spricht der Zeitpunkt. Gerade Samstags gibt es viele Dorffeste mit Luftballon-Aktionen. Solche Ballons legen auch manchmal Hunderte von Kilometern zurück.


    5 Bogensekunden entsprechen ja rund 40 Zentimeter in 16 km Abstand. Die Nutzlast, wohl eine Postkarte, ist zu klein um sie vor dem NEB sehen zu können. Wenn er beim Start nicht ganz prall gefüllt war, könnte er auch die 6-7 km Höhe unbeschadet überstehen, und Kinderballons behalten auch voll aufgeblasen noch ihre Tröpfchenform.


    Gruß
    Helmut

  • Weiss nicht, aber meine Rechnung passt.


    10m Ballon in 40km Höhe = 7" ... nur dann halt rund und nicht tropfenförmig.
    Ungewöhnlich die Zeit mit Mitternacht.


    Meine Rechnung geht so:


    10m Ballon;
    25 Grad Schräge, 40.000m hoch => 94.600m Schrägentfernung;
    arctan(10m/94600m)*3600"/° = 7";**


    Hab ich was übersehen?


    **Nachtrag: Uups mit dem "richtigen" Taschenrechner sind es =21"...(blöder Microsoft Calculator[:o)])

  • Hallo,
    es kann auch ein kleiner Wetterballon sein z.B.:
    https://www.stratoflights.com/shop/wetterballon-200/
    Mit 0,5 m Durchmesser wäre er nur 20,6 km weg und dann nur 8700 m hoch, wenn ich mich nicht verrechnet hab. Die Platzhöhe wäre bei 23 km. Der Ballon könnte da also bei 8700 m noch tropfenförmig sein, vor allem, wenn weniger Helium eingefüllt wurde...
    Servus,
    Roland

  • Hallo zusammen,


    es sieht derzeit so aus, als ob es sich um einen Ballon von etwa einem halben Meter Größe gehandelt hat. Hierfür kommen heliumgefüllte Kinderballons oder kleine Wetterballons in der Aufstiegsphase in Frage. Die Grenzen scheinen hier fließend zu sein.


    Inzwischen habe ich auch die Winkelgeschwindigkeit des Ballons zu 2 Bogenminuten pro Sekunde bestimmt. Ein 0,5 m Ballon hätte dann bei 20 km Entfernung und 8 km Höhe eine Geschwindigkeit von minimal 40 km/h, was mir plausibel erscheint. Bei zunehmender Entfernung und Höhe würde die Geschwindigkeit entsprechend zunehmen. Für einen niederen Erdorbit wäre es jedoch deutlich zu wenig, so dass die Satellitenhypothese damit wohl endgültig erledigt sein dürfte.


    Aus meiner Sicht ist das Thema damit ausreichend geklärt. Nochmals danke für die vielen Hinweise.


    Gruß
    Thomas

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