VLT arbeitet erstmals wie ein 16-Meter-Teleskop

  • <b>Das ESPRESSO-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile hat zum ersten Mal das kombinierte Licht aller vier 8,2-Meter-Hauptteleskope nutzbar gemacht. Die Kombination von Licht aus den Hauptteleskopen macht das VLT im Hinblick auf die lichtsammelnde Fläche zum größten optischen Teleskop überhaupt.</b>


    Eines der ursprünglichen Designziele des Very Large Telescope (VLT) der ESO war die Zusammenarbeit der vier Hauptteleskope (engl. Unit Telescopes, kurz UTs), um ein virtuelles Riesenteleskop zu schaffen. Mit dem ersten Licht des ESPRESSO-Spektrografen im Vier-Hauptteleskope-Modus des VLT wurde dieser Meilenstein nun erreicht [1].


    Nach umfangreichen Vorbereitungen durch das ESPRESSO-Konsortium (unter der Leitung des Astronomischen Observatoriums der Universität Genf unter Beteiligung von Forschungszentren aus Italien, Portugal, Spanien und der Schweiz) und ESO-Mitarbeitern startete ESO-Generaldirektor Xavier Barcons diese historische astronomische Beobachtung per Knopfdruck im Kontrollraum.


    Der ESPRESSO-Instrumentenwissenschaftler Gaspare Lo Curto von der ESO erklärt die historische Bedeutung dieses Ereignisses: "Die ESO hat einen Traum verwirklicht, der bis in die Zeit zurückreicht, als das VLT in den 1980er Jahren konzipiert wurde: Das Licht aller vier Hauptteleskope auf dem Cerro Paranal zu kombinieren, um ein einziges Instrument zu speisen!"


    Wenn alle vier 8,2-Meter-Hauptteleskope ihre Lichtsammelleistung kombinieren, um ein einzelnes Instrument zu speisen, wird das VLT was die lichtsammelnde Fläche betrifft effektiv zum größten optischen Teleskop der Welt.


    Zwei der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele von ESPRESSO sind die Entdeckung und Charakterisierung erdähnlicher Planeten und die Suche nach einer möglichen Veränderlichkeit der fundamentalen Naturkonstanten der Physik. Die letztgenannten Experimente erfordern die Beobachtung entfernter und schwacher Quasare, und dieses wissenschaftliche Ziel wird am meisten davon profitieren, wenn das Licht aller vier Hauptteleskope in ESPRESSO kombiniert wird. Beide Ziele erfordern eine hohe Präzision und Unempfindlichkeit des Instruments gegenüber äußeren einflüssen und zusätzlich eine extrem stabile Referenzlichtquelle.


    Aufgrund der Komplexität dieses Unterfangens war die Kombination des Lichts aller vier Hauptteleskope auf diese Art und Weise, dem sogenannten "inkohärenten Fokus", bisher nicht realisiert worden. Allerdings wurde dafür von Anfang an Platz bei den Teleskopen und in der unterirdischen Struktur des Berges vorgesehen [2].


    Ein System aus Spiegeln, Prismen und Linsen überträgt das Licht von jedem VLT-Hauptteleskopzu dem bis zu 69 Meter entfernten ESPRESSO-Spektrografen. Dank dieser komplexen Optik kann ESPRESSO entweder das Licht von mehreren Haupteleskopen - bis zu allen vieren - sammeln und so die Lichtstärke erhöhen oder aber das Licht von jedem der Hauptteleskope unabhängig voneinander empfangen, was eine flexiblere Nutzung der Beobachtungszeit ermöglicht. ESPRESSO wurde speziell für die Nutzung dieser Infrastruktur entwickelt.


    Das Licht der vier Hauptteleskope wird routinemäßig im VLT-Interferometer zusammengeführt, um extrem feine Details in vergleichsweise hellen Objekten zu untersuchen. Doch die Interferometrie, die die Strahlen "kohärent" kombiniert, kann das enorme Lichtsammelpotential der kombinierten Teleskope zur Untersuchung lichtschwacher Objekte nicht ausschöpfen [3].



    Diese Abbildung zeigt in stark vereinfachter Form, wie das von allen vier VLT-Hauptteleskopen gesammelte Licht im ESPRESSO-Instrument unter der VLT-Plattform kombiniert wird. Illustration: ESO/L. Calçada


    Projektwissenschaftler Paolo Molaro kommentiert: "Dieser beeindruckende Meilenstein ist der Höhepunkt der langjährigen Arbeit eines großen Teams von Wissenschaftlern und Ingenieuren. Es ist wunderbar zu sehen, wie ESPRESSO mit allen vier Hauptteleskopen arbeitet und ich freue mich auf die spannenden wissenschaftlichen Ergebnisse, die kommen werden."


    Durch die Einspeisung des kombinierten Lichts in ein einziges Instrument erhalten Astronomen Zugang zu Informationen, die bisher nicht verfügbar waren. Die neue Anlage ist eine entscheidende Neuerung für die Astronomie mit hochauflösenden Spektrografen. Sie bedient sich neuartiger Konzepte, wie z.B. der Wellenlängenkalibrierung mit Hilfe eines Laserfrequenzkamms, die eine bisher unerreichte Präzision und Reproduzierbarkeit bietet, und nun die Fähigkeit, die Lichtsammelleistung der vier einzelnen Hauptteleskope zu vereinen [4].


    "Wenn ESPRESSO mit allen vier Hauptteleskopen arbeitet, gibt uns das einen verlockenden Vorgeschmack auf das, was die nächste Generation von Teleskopen wie das Extremely Large Telescope der ESO in einigen Jahren bieten wird", so Xavier Barcons, Generaldirektor der ESO.


    Fußnoten
    [1] ESPRESSO - der Planetenjäger der nächsten Generation - hat seine ersten Beobachtungen am 6. Dezember 2017 mit nur einem der vier Hauptteleskope (UTs) mit einem Durchmesser von 8,2 Metern durchgeführt, aus denen sich das VLT zusammensetzt.
    [2] Das Wort "inkohärent" bedeutet, dass das Licht der vier Teleskope einfach addiert wird, ohne dass die Phaseninformation so berücksichtigt wird, wie sie im VLT-Interferometer vorliegt.
    [3] Die neue inkohärente Kombination hat die Lichtsammelleistung eines Teleskops mit 16 Metern Durchmesser. Die Winkelauflösung bleibt jedoch die eines einzelnen 8-Meter-Teleskops, im Gegensatz zum VLT-Interferometer, bei dem die Auflösung auf die eines (virtuellen) Teleskops mit einer effektiven Apertur, die dem maximalen Abstand zwischen den einzelnen Teleskopen entspricht, erhöht wird.
    [4] Der "AstroComb", ein Wellenlängen-Kalibriersystem auf Basis eines Laserfrequenzkamms, wurde von der Menlo Systems GmbH in Martinsried entwickelt und hergestellt.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter http://www.eso.org/public/germany/news/eso1806/

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wie zahlreich sind die Dinge doch,
    derer ich nicht bedarf!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Durch dein Posting sind es auch nicht wirklich weniger geworden [:D]

  • Hallo Gert,


    davon steht in [3] doch gar nichts, da geht es um das Auflösungsvermögen.


    Rein von der Effizienz her gesehen ist Interferometrie aber nunmal ein Lichtmengenkiller sondergleichen, denn du bekommst ja kein Bild, sondern ein auf eine viel größere Fläche als das Abbild einer Punktquelle verteiltes Interferenzmuster, daß es auszuwerten gilt (plus jede Menge Verlust bei den diversen optischen Elementen im Strahlengang). Und stell dir mal vor, du nimmst zum Ausleuchten beim Optiktest einen 12mag-Stern. Dementsprechend sind der Helligkeit von Objekten, die sich interferometrisch untersuchen lassen, klare Helligkeitsgrenzen gesetzt, auch mit 8-Meter-Teleskopen.


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Caro,


    Wenn man Interferenzstreifen machen will, braucht man natuerlich viel Licht. Ist klar. Aber waum nicht eine kohärente Bildkombination? Der ganze Strahlengang mit Beamlängenkompensation etc. ist doch im VLT-Keller vorhanden.


    Die vom LBT haben es schon 2014 angekündigt.
    https://www.spiedigitallibrary…17/12.2057695.short?SSO=1


    OK, die haben beide Spiegel auf einem Träger, aber das VLT hat doch die Infrastruktur mit den Beamlängenspiegeln auch. Bin mal gespannt, ob die da nachziehen können.


    Clear Skies,
    Gert

  • Hallo Gert,


    eine Ankündigung heißt noch lange nicht, daß es das schon gibt [;)] Tatsächlich wird an solchen Instrumenten aber natürlich gearbeitet, und lange wird es nciht mehr dauern. Generell ist alles in diesem Bereich aber deutlich komplexer als man angenommen hat und vieles hat sich um Jahre und Jahrzehnte verzögert. Mit der Interferometrie am VLT ist man erst jetzt auf dem Weg dorthin, was man sich in den ursprünglichen Planungen eigentlich schon für die ersten VLT-Phasen ausgemalt hatte...


    Viele Grüße
    Caro

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