Stellare Aberration vs. Teleskop

  • Hallo an alle Astrophysiker/innen unter euch.


    Es existieren wie immer verschiedene Modelle um Licht zu beschreiben.


    Bei der Stellaren Aberration wird ein Stern durch die Bewegung der Erde im Teleskop nicht direkt anvisiert sondern nur seine scheinbare Position.
    Nun existieren hier sehr viele Erklärungsvarianten.
    Eine lautet im Licht-Teilchenmodell so:
    "Am einfachsten ist dies anhand eines Linsenteleskops wie in Abbildung 6815 zu verdeutlichen. Das Licht fällt durch das Objektiv ein. Bis es das Okular erreicht, vergeht etwas Zeit, in der sich das Teleskop weiterbewegt. Damit der Lichtstrahl das Okular treffen kann, muss das Teleskop leicht geneigt sein. Der Sternort erscheint also um den Aberrationswinkel verschoben. Je größer die Geschwindigkeit, desto größer ist der Aberrationswinkel."
    https://lp.uni-goettingen.de/get/text/7277


    Ich tue mich etwas schwer damit, das die Laufzeit innerhalb des Teleskopes für die Aberration verantwortlich sein soll.


    https://www.astro.com/imwiki/d….png/200px-Aberration.png


    Am besten finde ich noch diese Abbildung hier, welche ohne Laufzeitbeschreibung des Lichtes innerhalb des Teleskopes auskommt.


    https://astro.uni-bonn.de/~deb…systmass/newaberratns.gif

  • Hallo Enrico,


    das Teleskop ist hier wohl nur als anschauliches Beispiel genannt um das Prinzip zu verstehen.
    Wenn man den Ort (und nur darum geht es) eines Sterns so genau wie möglich bestimmen möchte, muß man eben diese Aberration in seinen Daten beachten. Denkbar ist ja, dass ich die Position einmal im Winter und einmal im Sommer bestimme und mich dann eben nicht wundere, dass da zwei verschiedene Werte rauskommen. Und ich diese Aberration zusätzlich zur Parallaxe betrachten muss.


    Ich bin aber mal gespannt, wann das erste Okular Angeboten wird, dass darauf korrigiert ist ;)


    Gruß Dirk

  • Hallo Enrico,


    die Aberration kommt ja dadurch zustande, dass sich der Beobachter mit einer bestimmten Geschwindigkeit quer zur Lichtausbreitungsrichtung bewegt. Um das zu verdeutlichen, wurde in dem Beispiel einfach der Lichtweg durch ein Teleskop gewählt. Bis das Licht das Teleskop durchquert hat, hat sich das Okular schon ein kleines Stück weiter bewegt. Letztendlich ist aber die Länge des betrachteten Lichtweges vollkommen egal, da es nur auf die <b>Verhältnisse</b> der beiden zurückgelegten Strecken ankommt. Die scheinbare Verschiebung des Sternortes lässt sich damit ganz einfach herleiten:


    tan(a) = v/c (Ohne relativistische Effekte)


    mit:
    v: Geschwindigkeit des Beobachters quer zur Lichtausbreitung
    c: Lichtgeschwindigkeit
    a: Aberrationswinkel


    Gruß
    Wolfgang

  • Hallo noch einmal,


    Danke für deine Erläuterung. Ich teile deine Sichtweise. Der Beobachter bzw. das Okular auf der Erde, hat sich mitsamt der Erde weiterbewegt, relativ zur Lichtrichtung und Position des Sternes.


    Leider bestehen einige Autoren von Artikeln im Web (Wikipedia, Spektrum der Wisssenschaft)darauf, dass der Effekt erst auf der Länge des Durchganges durch das Teleskop entsteht.
    Das würde bedeuten, die Ablenkung entsteht erst auf dem Weg von Objektiv zum Okular und vorher hätte keine Ablenkung bzw relative Bewegung/Winkelverschiebung stattgefunden.


    Meine Meinung ist, das bereits am Objektiv ein relativ verschobenes Wellenmuster (Lichtstrahl) ankommt und das Teleskop lediglich zur exakten Winkelmessung durch Vergrößerung dient.
    Die Länge des Teleskops spielt ja auch gar keine Rolle bei der Winkelabweichung.


    Es ist also eher eine Frage ob viele Darstellungen und auch Erläuterungen dazu falsch hergeleitet sind.

  • Hallo Enrico,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: EnricoAusLeipzig</i>
    <br />Leider bestehen einige Autoren von Artikeln im Web (Wikipedia, Spektrum der Wisssenschaft)darauf, dass der Effekt erst auf der Länge des Durchganges durch das Teleskop entsteht.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das ist ein Missverständnis deinerseits. Wikipedia und mit Sicherheit auch Spektrum der Wissenschaft besteht nicht darauf, dass der Effekt erst im Teleskop stattfindet. Das wäre vollkommener Unsinn. Das Teleskop dient nur zur Erläuterung! Die Länge, die man zur Verdeutlichung wählt ist vollkommen gleichgültig. So lange das Licht eine bestimmte Strecke a zurücklegt, bewegt sich einfach auch der Beobachter um eine - natürlich viel kleinere - Strecke b. Das Verhältnis b/a ist das gleiche wie das Verhältnis der jeweiligen Geschwindigkeiten c/v.


    Vielleicht hilft es zur Verdeutlichung, wie Bradley, der Entdecker der Aberration, (angeblich) auf die richtige Lösung zur Deutung des Effekts gekommen ist: Er hat die Fahne auf einem Schiff beobachtet, wobei der Wind genau von der Seite geweht hat. Beim fahrenden Schiff wurde die Fahne aber leicht in Richtung Heck abgelenkt.


    Gruß
    Wolfgang

  • "Hingegen für den Fall, dass sich das Fernrohr mit einer Geschwindigkeit v {\displaystyle v} v bewegt, muss es in Bewegungsrichtung gekippt werden, um den Lichtstrahl in seiner Mitte zu halten (Bild links), denn <b>das Licht benötigt eine gewisse Zeit, um das Fernrohr zu durchlaufen."</b>


    Richtig wäre hier meiner Meinung nach "das Fernrohr zu ereichen".
    Und selbst hier handelt es sich ja um einen Effekt der Relativgeschwindikeit.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Aberration_(Astronomie]#Stellare_Aberration






    Spektrum.de



    http://www.spektrum.de/kolumne…-bewegt-sich-doch/1454911


    "In der Zeit, die das Licht benötigt, um vom Objektiv des Teleskops zum Okular zu gelangen, bewegt sich die Erde samt Teleskop ein Stück um die Sonne."


    Und hier sogar eine einfach Rechnung dazu.
    http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/23206


    "In der Abbildung (die 3000-fach überzeichnet ist) durchläuft der Lichtstrahl in Punkt 1 das Objektiv des Fernrohrs und danach das Rohr mit 300.000 km/s, bis er in Punkt 2 das Okular treffen soll. Während dieser Laufzeit hat sich ein 1 m langes Teleskop mitsamt der Erde um 0,1 mm weiterbewegt. Man muss also das Fernrohr in dieselbe Richtung kippen, um den Lichtstrahl in seiner Mitte zu halten. Der tatsächlich auftretende Kippwinkel (auch: Aberrationswinkel) infolge des Erdumlaufs (jährliche Aberration) beträgt etwa 20,5#8243;."



    Nicht das ich missverstanden werde. Die Formeln dort und die Erläuterungen zur speziellen Relativitätstheorie mit welcher der Effekt erklärt werden kann, zweifle ich nicht an.
    Lediglich die zur Vereinfachung angestellten Vergleiche/Modelle sind sehr schlecht gewählt bzw. regelrecht falsch(es sei denn diese sind tatsächlich richtig).

  • Hallo Enrico,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: EnricoAusLeipzig</i>
    <br />Lediglich die zur Vereinfachung angestellten Vergleiche/Modelle sind sehr schlecht gewählt bzw. regelrecht falsch(es sei denn diese sind tatsächlich richtig).<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Die Beispiele sind <b>nicht</b> falsch!


    Schlecht gewählt? Vielleicht. Das erkennt man ja daran, dass offensichtlich Missverständnisse geschürt werden.



    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: EnricoAusLeipzig</i>
    denn das Licht benötigt eine gewisse Zeit, um das Fernrohr zu durchlaufen."


    Richtig wäre hier meiner Meinung nach "das Fernrohr zu ereichen"..<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Man kann auch sagen: Denn das Licht benötigt eine gewisse Zeit um eine bestimmte Strecke zu durchlaufen. Die bestimmte Strecke kann die Fernrohrlänge oder irgendeine andere Länge - 1 m oder 1 km oder 1000 km sein. Nur die Strecke vom Stern bis zum Beobachter ist ungeeignet! Die ist nämlich viel zu lang. Das Licht braucht dafür mehrere Jahre. In dieser Zeit bewegt sich der Beobachter nicht mehr geradlinig sondern dreht mitsamt der Erde mehrere Runden.


    Gruß
    Wolfgang

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">


    Man kann auch sagen: Denn das Licht benötigt eine gewisse Zeit um eine bestimmte Strecke zu durchlaufen. Die bestimmte Strecke kann die Fernrohrlänge oder irgendeine andere Länge - 1 m oder 1 km oder 1000 km sein. Nur die Strecke vom Stern bis zum Beobachter ist ungeeignet! Die ist nämlich viel zu lang. Das Licht braucht dafür mehrere Jahre. In dieser Zeit bewegt sich der Beobachter nicht mehr geradlinig sondern dreht mitsamt der Erde mehrere Runden.


    Gruß
    Wolfgang
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">



    Dann ist die Aberration tatsächlich messbar nur aufgrund der Lichtlaufzeit innerhalb eines Teleskopes.
    http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/23206

  • Ich versuch's nochmal anders:


    Das ganze ist im Prinzip das gleiche, wie wenn du mit einem Gewehr auf ein bewegtes Flugzeug schießen willst. Angenommen das Flugzeug bewegt sich von links nach rechts. Dann darfst du das Flugzeug nicht direkt anvisieren, sondern musst ein kleines Stück weiter nach rechts zielen. Denn wenn die Kugel ankommt, ist das Flugzeug ja schon etwas weiter geflogen.


    Um welchen Winkel du das Gewehr nach rechts drehen musst, ist unabhängig vom Abstand des Flugzeuges. Es kommt nur auf das Verhältnis der Flugzeuggeschwindigkeit und der Geschwindigkeit deiner Gewehrkugel an.


    Genau so funktioniert auch die Aberration.

  • Ich bin nach wie vor der Meinung dass ich mit dem Teleskop die Aberration sehe, welche "in der Zeit bis zum Teleskopobjektiv" entstand.
    Die weitere relative Positionsänderung in der Zeit des Lichtdurchganges durch das Teleskop würde dann eine untergeordnete Rolle spielen und ist nach meinem Empfinden nicht optisch feststellbar bzw. hat keine Auswirkung auf die Ausrichtung des Teleskopes.

  • Es ist wie in Bradleys Beispiel mit dem Wind. Wenn ich auf einem fahrenden Schiff bin, kommt der Wind scheinbar aus einer anderen Richtung als für einen Beobachter auf dem Land. Es kommt nur auf die Windrichtung und Windgeschwindigkeit an, es ist aber gleichgültig, was der Luft auf dem Weg zwischen Atlantik und Beobachter so alles über den Weg gelaufen ist. Genauso wenig "entsteht" die Aberration "in der Zeit bis zum Teleskopobjektiv".

  • Enrico,
    man kann Licht und die optische Abbildung von Objekten klassisch durch Strahlengänge aber auch 'moderner' durch Wellenfronten beschreiben. Und wenn man es mit Wellenfronten beschreibt, dann bewirkt die Lichtbrechung an Linsen etc. eine Laufweg/Laufzeit-Änderung. Bewegt sich zudem alles zueinander, wird die Wellenfront zusätzlich verformt, weil ein Teil der Wellenfront früher auf die Linse trifft (quasi die zugewandte Seite) als der andere Teil. Eine genaue Antwort, wo was passiert, muss man im Einzelfall berechnen.


    Den Abberationswinkel kann man für Weltraumteleskope recht einfach über ein Vektordiagramm berechnen. Im Grunde ist es ein Anwendungsfall der speziellen Relativitätstheorie (SRT). Vielleicht kennst Du den Effekt der Längenkontraktion, der in Flugrichtung bewegter Objekte auftritt: Als Gedankenmodell, passt da ein fahrender Zug mit Länge 1000m komplett in einen Tunnel, der nur 900m lang ist. Er muss nur schnell genug fahren. Übertragen auf das Teleskop heißt das, dass die Größe des Teleskop in Flugrichtung gestaucht wird. Und deshalb verhält es sich optisch dann etwas anders. Wenn man es ausführlich berechnen will, muss man allerdings die SRT komplett anwenden und sich nicht nur auf den Effekt der Längenkontraktion beschränken. Bezgl. Laufzeiten der Wellenfront heißt dies, dass man auch den Effekt der Zeitdilation berücksichtigen muss.


    Im Ergebnis wichtig ist: Er tritt (als Abweichungswinkel) immer gleich auf, egal ob man mit Teleskop beobachtet oder nur mit den Augen eines Astronauten und ist nur durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der man durch den Weltraum kreist. Die Frage, wer sich dabei bewegt erledigt sich von allein, wenn man daran denkt, dass auf einer Kreisbewegung die Richtung sich ständig ändert und das, was sich zunächst einmal nach 'links' bewegt, eine halbe Runde später nach 'rechts' bewegt. Egal wo man seine "null" auf dem Kreis festlegt, die 'Bewegung' (um 90° gedreht) hätte man eine Viertelkreisdrehung später dann wieder.


    Wichtig ist der Effekt bei Positionsbestimmungen, die z.B. aktuell durch den Hipparchos-Satelliten, durchgeführt werden. Die rechnen beim aktuellen Nachfolger (Gaia-Mission) sogar noch andere Abweichungen raus, z.B. Gravitationseffekte (Lichtkrümmung) in der Nähe von Jupiter.


    Vielleicht hilft das beim Verständnis ...

  • Hallo Kalle,


    es ist mir hier schon wichtig zu betonen, dass die Aberration ein klassisches Phänomen ist, welches auch ohne relativistische Effekte auftritt! Man braucht für das Verständnis keine Relativitätstheorie!


    tan(a) = v/c (klassisch)


    Bei Berücksichtigung der relativistischen Effekte kommt man fast zu den gleichen Ergebnissen:


    sin(a) = v/c (relativistisch)


    Nimmt man für v die Bahngeschwindigkeit der Erde (ca. 30000 m/s), erhält man v/c = 0,0001.


    a = 0,0057° = 20,5"


    Das Ergebnis der klassischen Betrachtung weicht lediglich um 0,0000005 % vom relativistischen Ergebnis ab.


    Gruß
    Wolfgang

  • Nur bei deutlich höherer Beobachtergeschwindigkeit ergeben sich zwischen klassischer und relativistischer Betrachtung merkliche Differenzen.


    Angenommen ich würde mit meinem Auto mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fahren. Ein Stern, der tatsächlich in Richtung des Seitenfensters steht, erscheint so, als ob er nach vorne in Fahrtrichtung verschoben wäre. Wegen der hohen Geschwindigkeit liefert die klassische Theorie jetzt ein falsches Ergebnis.


    Nach klassischer Theorie:


    v/c = 1
    arctan(1) = 45°
    Der Stern erscheint im 45°-Winkel schräg vor mir.
    Die "Lichtteilchen" würden mit wurzel(2) = 1,41facher Geschwindigkeit auf mein Auto einprasseln. Das geht aber nach Relativitätstheorie nicht. Das Ergebnis muss falsch sein.


    Nach Relativitätstheorie:


    v/c = 1
    arcsin(1) = 90°
    Der Stern erscheint direkt vor mir durch die Windschutzscheibe.


    Alles Licht erscheint so, als ob es in einem engen Tunnel vor mir verdichtet wäre. Das kann man in einem ziemlichen alten Film von Carl Sagan sehen:


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    Gruß
    Wolfgang

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