Erdrotation

  • Hallo Sternenfreunde,
    hier geht´s mal um die Erde.
    In dem geozentrischen Weltbild von Ptolemäus gab es keine Rotation unseres Planeten und keine Erdachse. Man beobachtete und berechnete aber, bekannt seit Hipparchos (ca 150 v.Ch.), die Präzession, d.h. die Verschiebung des Frühlingspunktes.
    Womit Kopernikus wirklich ganz neu herauskam, war, daß er die Präzession dem Pendeln der Erdachse zuschrieb.
    Heliozentrische Vorstellungen gab es ja schon in der Antike und auch in Indien und daraus folgt natürlich die Erdrotation. Meine Frage ist: war die Erdrotation schon vor Kopernikus bekannt und ist das dokumentiert?
    Gruß Hans

  • Moin Hans!


    > Meine Frage ist: war die Erdrotation schon vor Kopernikus bekannt und ist das dokumentiert?


    Lies mal die Abschnitte über das antike Griechenland und Indien in dem Wikipedia-Artikel...
    --> https://de.wikipedia.org/wiki/Heliozentrisches_Weltbild
    Ich meine, das steht das Wesentliche drin: Es "wird vermutet", aber es bestehen keine eindeutigen Quellen mehr dafür. In den folgenden 16 Jahrhunderten seit der Antike ist das Wissen bzw. sind die Niederschriften komplett vom geozentrischen Weltbild und dem Absolutheitsanspruch der kath. Kirche überdeckt worden.


    Ein helozentrisches Weltbild bedingt eine Erdrotation, das sehe ich auch so. Letztendlich <i>bewiesen</i> wurde letztere erst mit dem Foucault'schen Pendel 1851, wenn ich mich nicht irre.
    --&gt; https://de.wikipedia.org/wiki/Foucaultsches_Pendel


    BTW: wir haben hier im Forum ein Board "Geschichte der Astronomie".
    .

  • Hans,
    die Annahme einer Erdrotation steht und fällt mit der Vorstellung, dass die Erde eine Kugel ist (auf einer Scheibe gibt es keine Erdachse, dafür einen Weltenmittelpunkt).


    Wenn man dann bedenkt, dass jeder selbst in der Frühzeit den Himmelspol am Himmel identifizieren konnte, so dürfte die Annahme einer Polachse fast so banal gewesen sein, dass man dies nicht explizit erwähnte.


    Antiker Vertreter für das heliozentrische Weltbild war Aristarchos von Samos (Berechnungen zur Entfernung von Mond und Sonne). Schon Eratosthenes (um 240 v. Chr.) ermittelte den Erdumfang (Schattenvergleich an unterschiedlichen geografischen Breiten) und auch Thales von Milet oder Aristoteles gingen von einer Kugelgestalt der Erde aus. Unterm Strich galt das auch für Ptolemäus. Die machten sich seinerzeit sogar Gedanken über Parallaxenfehler, wenn man unterschiedliche Standorte einnahm.


    Konkreter war Aryabhata (476–550), der eine Erddrehung annahm und sogar annahm, dass Planeten und Mond nur per Reflexion des Sonnenlichts leuchten. Ganz nebenbei muss er wohl an die Geradlinigkeit der Lichtausbreitung geglaubt haben. Übrigens Annahmen, die selbst für das geozentrische Weltbild gelten, sonst braucht man sich mit Epizyklen etc. nicht auseinander setzen.


    Bleibt also noch die Frage, ob die Erde sich dreht oder der Rest um die Erde. Die Frage ändert aber nichts daran, dass man eine Drehachse für die Sonnenbahn und für die Sternenbahnen braucht.


    Konkreter wird's sicher erst mit Fragen der Längengradbestimmung (Uhrenproblem) oder mit direkten Nachweisen der Erddrehung (Beispiel Focaultsches Pendel).

  • Im Weltbild des Ptolemäus war die Erde eine nicht rotierende Kugel und man erklärte sich die Präzession dadurch, daß der Fixsternhimmel
    doch nicht ganz so "fix" war.


    Aber interessant ist Aryabhata. Der schrieb alles nieder 1000 Jahre vor Kopernikus. Diese Schriften fand man aber erst im 1900:ten Jahrhundert. Seine mathematischen Schriften kamen doch zu den Arabern schon um 1000 herum, zusammen mit der Null. Diese machten dann die Null zu einer selbstständigen Zahl.


    Man kann dann doch annehmen, daß Kopernikus erstmals die Erdrotation schriftlich feststellte und auch begründete. Während Ptolemäus die Rotation abtat auf Grund rein mechanischer Vorstellungen. Ein senkrecht hochgeworfener Ball würde dann nicht auf der selben Stelle wieder runterkommen.
    Kopernikus wiederlegte das mit dem richtigen Argument, daß die Atmosphäre und der Ball mitrotiert und war damit schon nahe dran an den newtonschen Begriffen von Gravitation und Trägheit.


    Ich glaube, man kann ihm das mit der Erdrotation schon gutschreiben.

  • Hi HWS,
    sorry, mit Deiner Schlussfolgerung bin ich nicht einverstanden.


    Jede Art historischer Beweisführung, die in irgendeiner Weise auf falschen und nicht verstandenen physikalischen Prinzipien beruht, ist zunächst einmal "falsch" bzw. spekulativ. Zumindest in der Ex-Post-Betrachtung. Wer also vor Newton mit "Mechanik" vom Ballwurf argumentiert, tappt in Wahrheit im Dunklen, weil er weder das Trägheitsprinzip noch die Schwerkraft (oder allg. die Kraftgesetze) kannte. Insoweit gab es vor der Entdeckung der Impulserhaltung (Drehimpulserhaltung) auch keine vernünftige Erklärung für die Drehachse der Erde. Dass deren Lage nicht konstant war (Präzession) macht die Sache noch komplizierter.


    Und wenn man schon unvollständige Erklärungsversuche akzeptiert, dann ist es willkürlich, wenn man zu Kopernikus ja sagt, bei anderen aber nicht. Das Vorhandensein der Drehachse als Polachse ist jedem sofort ersichtlich, der eine Kugelgestalt der Erde annimmt. Da reicht ein nächtlicher Blick zum Himmel. Ob sich dabei die Erde dreht oder das übrige Himmelsfirmament ... Einstein würde sagen: Das liegt am Betrachter. [;)]


    PS: Schon Archimedes (287 bis 212 v. Chr.) sprach davon, dass er die Welt aus den Angeln heben könnte, wenn er nur einen festen Punkt hätte. Er musste demnach schon eine gewisse Vorstellung über die Angeln der Welt gehabt haben. Man kann daraus sogar im Umkehrschluss schließen, dass er die Erde selbst nicht als "absoluten Fixpunkt" betrachtete, sondern einfach nur als Körper, den man bewegen kann.

  • Hallo Hans,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Heliozentrische Vorstellungen gab es ja schon in der Antike und auch in Indien und daraus folgt natürlich die Erdrotation. Meine Frage ist: war die Erdrotation schon vor Kopernikus bekannt und ist das dokumentiert?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wenn ich Dich richtig verstehe, geht es Dir nicht um die Rotation der Erde um die Sonne, sondern um die Rotation der Erde um die eigene Achse, also die Achsendrehung. Man muß ja unterscheiden zwischen dem geozentrischen Weltbild mit ruhender Erde, dem geozentrischen Weltbild mit Achsendrehung der Erde, und dem heliozentrischen Weltbild. Kopernikus ist sich völlig im klaren darüber, daß er der Erde zwei Bewegungen zuschreibt, nämlich die Achsendrehung und die Rotation um die Sonne, während Aristoteles (und Ptolemäus) ihr gar keine Bewegung zuerkennen.


    In der Einleitung zu "De revolutionibus" beruft sich Kopernikus selbst auf 3 antike Kosmologen, die (im Rahmen eines geozentrischen Weltbildes) die Achsendrehung der Erde behaupteten:
    - Heracleides ponticus (+ ca. 320 v.Chr.)
    - Ekphantos (4. Jh. v. Chr.)
    - Hicetas (+ ca. 355 v. Chr.)
    Das waren alles Pythagoreer.


    Eigentlich erscheint es ja ganz einleuchtend, daß sich nicht die riesengroße Fixsternsphäre dreht, während die winzige Erde ruht, sondern daß das Große ruht und das Kleine sich dreht. Dennoch hat sich das geozentrische Weltbild mit Achsendrehung der Erde in der Antike nicht durchsetzen können. Eines der Gegenargumente lautete, daß eine schnell rotierende Erde auseinanderfliegen würde.


    Viele Grüße
    Johannes

  • Hallo zusammen!


    Diskussionen über das geozentrische Weltbild begeben sich leider regelmäßig auf Irrwege. Das liegt daran, dass die Dinge häufig mit dem heutigen Wissen aus der heutigen Sicht betrachtet werden. Dieser Ansatz ist aber falsch. Man muss sich auf den anstrengenden Weg begeben und das historische Weltbild wirklich aus der damaligen Sicht interpretieren. Daher haben Menschen ohne naturwissenschaftliche Vorbildung ironischerweise bessere Chancen das mittelalterliche Weltbild wirklich zu verstehen.


    Beim Thema "rotierende Erde" fängt das Dilemma schon an, wenn man davon ausgeht, dass man unter "Erde" im Mittelalter das gleiche verstanden hat wie heute. Mit "Erde" hat man wirklich nur die feste Kugel gemeint und eben nicht den gesamten Globus. Das mag auf den ersten Blick wie ein unbedeutender Unterschied aussehen. Das war es tatsächlich aber nicht. Man hat sich gemäß aristotelischem Weltbild die Elemente als konzentrisch geschichtet vorgestellt, wobei alles Schwere in Richtung Mittelpunkt des Universums strebt. In der Mitte die Erdkugel, dann außen herum wie ein riesiger wabbeliger Tropfen im Universum die Wassersphäre. Damit trat für die mittelalterlichen Gelehrten eine schwierige Frage auf: Warum ist dann nicht die gesamte Erdkugel von Wasser umschlossen? Man ging davon aus, dass der Erdmittelunkt und der Mittelpunkt des Universums doch nicht zusammenfallen. Das konnte man aber nur so erklären, dass die Erdkugel nicht überall die gleiche Dichte hatte. So war der Schwerpunkt der Erde im Mittelpunkt des Universums, der Volumenmittelpunkt war ein Stück davon verschoben. Der Erde schwamm also wie eine dicke runde Boje im großen kugeligen Wassertropfen. Eine Konsequenz dieser Sichtweise war, dass nur die eine Seite der Erde (nicht vergessen: hier nicht "Globus" gemeint) bewohnt war, denn die andere Seite war ja permanent unter Wasser.


    Nur zur Frage der rotierenden Erde:
    Diese Frage war im Mittelalter seit der Scholastik absolut präsent. Dass man statt einer rotierenden Fixsternsphäre die Sichtweise einfach umdrehen und sich eine drehende Erde vorstellen kann, war den Gelehrten ganz klar bewusst. Dies hat z.B. Nikolaus von Oresme diskutiert. Eines war natürlich auch klar: Eine drehende Erde alleine war unsinnig, denn dann wären ja die Bewohner einmal am Tag unter Wasser getaucht worden. Also müsste sich der große wabbelige Wassertropfen in gleicher Geschwindigkeit mitdrehen. Und nicht nur das. Auch die große Luftblase unterhalb der Mond- und Planetensphären müsste sich in exakt gleicher Geschwindigkeit mitdrehen. Sonst hätten wir permanent heftigsten Ostwind. Die mittelalterlichen Gelehrten waren sich bewusst, dass aus kinematischer Sicht nicht zwischen ruhender und drehender Erde unterschieden werden konnte. Man kann aus dieser Sicht aber auch sagen: Es gab keinen Grund das aristotelische Weltbild der ruhenden Erde über Bord zu werfen. Und jeder der sich auch heute einfach mal die Zeit nimmt und ins mittelalterliche Weltbild eintaucht und versucht sich das Universum bildlich vorzustellen, der ist beeindruckt von der wunderbaren Konsistenz und Harmonie. Drei sich zufällig im gleichen Rhythmus drehende Sphären (Erde-Wasser-Luft) sind nach diesem Weltbild zwar theoretisch möglich, aber für die Praxis nutzlos und intuitiv unsinnig.


    Also, zurück zur Eingangsfrage: War die Erdrotation schon vor Kopernikus bekannt und ist das dokumentiert?


    Ja! Wobei "bekannt" vielleicht das falsche Wort ist, denn "bekannt" war auch Kopernikus die Erdrotation nicht.


    Gruß
    Wolfgang

  • Vielleicht nochmal ergänzend:


    Im Zusammenhang mit der rotierenden Erde ist ja eine entscheidende Frage:


    Wann wurde das mittelalterliche Konzept der getrennten Erde- und Wasser-Sphären zugunsten des Globus-Konzeptes aufgegeben? Ab wann sah man die Erde als zeklüftete Landschaft, in der einfach die tiefsten Stellen mit Wasser gefüllt sind? Denn nur wenn man die Erde so sieht, kann man sich auch wirklich vorstellen, dass das Ganze tatsächlich rotiert!


    Dieser Wandel trat offensichtlich im späten 15. / frühen 16. Jahrhundert ein. Durch die ausgedehnten Seefahrten hatte man festgestellt, dass die Landverteilung so ganz und gar nicht dem entsprach, wovon man zuvor jahhundertelang ausgegangen ist. Zudem hat sich mit Renaissance und Humanismus eine neue, offenere Geisteshaltung herausgebildet, die die Theorieversessenheit der Scholastiker offen kritisiert hat. 1533 gab der Humanist Ermausmus von Rotterdam die "Kosmographie des Ptolemäus" von Johannes Froben heraus. In der Einleitung hierzu schreibt Erasmus:


    "Früher gab es mehr Schwierigkeiten, als man zweifelte, ob der Himmel sphärische
    Gestalt habe, als manche meinten, der Erdkreis schwimme auf die gleiche Weise im
    Ozean, wie ein Ball im Wasser schwimmt, der nur mit der Spitze herausschaut und im
    übrigen von Wasser bedeckt ist."


    Gruß
    Wolfgang

  • Anbei zwei Literaturquellen, die insbesondere die Theorien der Antike betreffen:


    Hugo Berger: Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen (1903)
    online hier: https://archive.org/details/wissenschaftlilchen00berg


    Sir Thomas Heath: Aristarchus of Samos, the ancient Copernicus (1913)
    online hier: https://archive.org/details/aristarchusofsam00heatuoft



    Die Abhandlungen zeigen, dass im Verlaufe der Zeit so ziemlich alle geometrisch möglichen Varianten zumindest angedacht wurden. Das Problem war eher, dass kein Vertreter seine Thesen durch Beobachtungen beweisen konnte und keine der Thesen wirklich widerspruchsfrei war. Es mangelte nicht am abstrakten geometrisch-mathematischen Verständnis für Kreisbewegungen, Kugelgestalt der Erde, Parallaxe etc.. Da ist zusammenfassend der Almagest von Ptolemäus die Krönung und setzte nicht umsonst Maßstäbe.


    (==&gt;)Wolfgang:
    Die Einleitung von Erasmus von Rotterdam zeigt wunderbar, wie man früher (und auch heute noch) rhetorisch arbeitete. Indem man aus der Fülle an antiken Vorstellungen diejenige rauspickt, die den größten Widerspruch hervorruft, rechtfertigt man seine eigene Vorstellung ohne sie belegen zu müssen.

  • Hallo Kalle,


    deinen Kommentar zu Erasmus verstehe ich nicht. Erasmus bezieht sich nicht auf irgendwelche herausgepickten antiken Vorstellungen sondern auf die jahrhundertelange scholastische Vorstellung, wie man sich die Erde im Universum vorzustellen hat.


    Was deine Literaturempfehlungen betrifft:
    Ich würde generell keinem Laien in Sachen Wissenschaftsgeschichte empfehlen, sein Wissen aus Literatur der Zeit von vor 1960 zu beziehen. (Das bezieht sich natürlich nicht auf Originalquellen.)


    Gruß
    Wolfgang

  • Naja, Wissenschaftgeschichte ...
    nach 1960 ... die Texte sind nicht frei verfügbar. Und das Studium der Originalquellen setzt entsprechende (meist lateinische, griechische oder arabische) Kenntnisse voraus. Damit ist Deine Empfehlung nicht "laientauglich". [;)]

  • Hi Wolfgang,
    jetzt vergleichst Du aber Äpfel mit Birnen.


    Mir fällt als neue wissenschaftliche Erkenntnis zum heliozentrischen Welt jetzt nur die Rehabilitierung Galileos am 31.10.1992 durch Papst Johannes Paul II ein. [:D][:D][:D]

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kalle66</i>
    <br />Mir fällt als neue wissenschaftliche Erkenntnis zum heliozentrischen Welt jetzt nur die Rehabilitierung Galileos am 31.10.1992 durch Papst Johannes Paul II ein. [:D][:D][:D]
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Warum wohl? Weil du nur Vorkriegsliteratur liest. [:D]

  • Langer Auslegungen kurzer Sinn: befrage zwei Fachleute zu einem Problem und du kriegst immer verschiedene, oft sogar entgegensätzliche Antworten.


    Trotz aller Auslegungen steht doch wohl fest:


    Schon in der Antike hatte man heliozentrische Gedankengänge. Die Erde ist eine Kugel, sie rotiert und die Sonne ist der Mittelpunkt der Welt.


    Das geozentrische Weltbild setzte sich durch mit Ptolemäus, der alles wissenschaftlich mit den damaligen Mitteln ziemlich gut untermauerte. Die Erde war ein Kugel, sie rotiert nicht, die Präzession hatte Ursachen in Bewegungen in der Fixsternsphäre.


    Kopernikus war der Erste, der in einer veröffentlichten Arbeit das heliozentrische Weltbild als dem geozentrischem überlegen darstellte, hielt aber an den schönen Kreisbahnen fest, was natürlich wieder Schwierigkeiten machte. Die Erde war eine Kugel, die um die Erdachse rotiert und in einer Kreisbahn die Sonne umlief. Die Präzession erklärte er mit dem Pendeln der Erdachse.
    Entscheident für die Rotation der Erde war die Annahme, daß Atmosphäre und alles auf der Erdoberfläche mitrotiert.
    Die Hauptargumente gegen das heliozentrische Weltbild waren ja, wenn die Erde rotiert, müßte alles von ihrer Oberfläche wegfliegen, man müßte einen Fahrtwind von Osten her verspühren. Wenn etwas senkrecht runter auf den Erdboden fällt, müßte es schräg fallen usw.


    Erst mit Kepplers Elipsenbahnen konnte man die Umlaufbahnen genau berechnen.


    So kann man es doch korrekt beschreiben?!

  • Hans-Werner,
    Kopernikus zog seine Schlüsse nicht im "leeren Raum", sondern hatte Vordenker, wie Regiomontanus, Peuerbach und andere. Arthur Köstler (Die Nachtwandler. Das Bild des Universums im Wandel der Zeit, 1959) erwähnt , dass Regiomontanus selbst in einem Brief ein heliozentrisches Weltbild entwarf. (Weitere Quellen kenne ich da nicht.)


    Seinerzeit bewirkte der Zeitgeist, dass Kopernikus mit seinen Vorstellungen eher als "Exzentriker" und weniger als Ketzer abgetan wurde. Da dürfte die persönliche Einstellung wichtiger Persönlichkeiten zum Thema Wissenschaft eine große Rolle gespielt haben. Beispiel Papst Gregor und seine Kalenderreform.


    Die Herangehensweise von Kopernikus war mathematisch "einfacher" für die Berechnung von Ephemeriden (so hab ich es in Erinnerung).
    Stichwort dazu: Alphonsinische Tafeln mit 2° Positionsabweichung von Sternen (bezogen auf die Epoche 1500), welche durch die Preußischen Tafeln (E. Reinhold) Mitte des 16. Jahrhunderts abgelöst wurden. Zwischenzeitlich arbeiteten die Seefahrer (Chr. Kolumbus) mit Tafeln von Regiomontanus (siehe http://www.spektrum.de/alias/d…ontanus-1436-1476/1295816)


    Siehe auch Literatur und Forschungsarbeiten von Owen Gingerich (Professor Emeritus of Astronomy and of the History of Science at Harvard University; http://owengingerich.com/)


    Selbst Kepler konnte bestimmte astronomische Phänomene nicht erklären: Beispiel Ephemeriden der Jupitermonde, die erst unter Berücksichtung der Lichtgeschwindigkeit erklärbar sind. Das geschah wiederum zu einer Zeit, als die "Kirche" einen Teil ihrer Deutungshohheit schon eingebüßt hatte (30-jähriger Krieg/protestantische Spaltung, nach der zuvor erfolgten Trennung der anglikanischen Kirche oder allgemein: Zeitalter der Aufklärung).

  • Hallo Hans,


    das, was du zusammenfassend schreibst ist sicher nicht falsch. Trotzdem habe ich immernoch den Eindruck, dass du die Situation der Zeit (Kopernikus) noch nicht wirklich verinnerlicht hast. Ich kann mich auch täuschen. Dann vergiss meine folgenden Kommentare einfach.


    1. Eine Naturwissenschaft in unserem Sinn existierte damals noch nicht. Man hatte a) die Philosophie und Theologie, mit der die Welt erklärt wurde und b) die Mathematik, mit der man sozusagen die Phänomene reproduzierte.


    2.) Kopernikus stand vollkommen in dieser Tradition. Für den modernen Leser ist oftmals verwirrend, dass das einleitende Buch auf philosophischer Basis geschrieben ist, der Rest aber auf mathematischer Basis. Eine Synthese zwischen beiden gab es nicht.


    3.) Rein mathematisch (heute würden wir sagen: kinematisch) ist es völlig egal, ob Erde-Wasser-Luft rotieren oder der Rest außen herum in entgegengesetzter Richtung. Dies war bereits den Gelehrten des Mittelalters hinlänglich bekannt!


    4.) Mathematisch ist es auf den ersten Blick eleganter, wenn man von der heliozentrischen Theorie ausgeht. Denn dann erklären sich die rückläufigen Bewegungen der Planeten wesentlich schlüssiger. Auch das war schon den Gelehrten des Mittelalters bekannt.


    5.) Zu Kopernikus' Zeit gab es keine philosophische Methode, um sicher zu entscheiden, was nun rotiert und was stillsteht.


    6.) Das etablierte philosophische System Aristoteles' sah stillstehende Erde-Wasser-Luft-Sphären vor.


    7.) Aristoteles Philosophie war von Thomas von Aquin aufs Engste mit der Theologie verbunden worden und fester Bestandteil der universitären Lehre. Eine vorschnelle Aufgabe zu Gunsten einer wie auch immer gearteten neuen oder anderen Philosophie war nicht denkbar und auch aus damaliger Sicht nicht sinnvoll.


    8.) Die Vorstellung der gemeinsam rotierenden Sphären Erde-Wasser-Luft war geradezu absurd. Vor allem weil die Erde als ein exzentrischer Ball innerhalb einer großen Wasserkugel gesehen wurde.


    9.) Für die ursächliche Bewegung der Erde-Wasser-Luft-Sphären gab es keine Erklärung. Für die Bewegung der äußeren Sphären sehr wohl. Der Beweger saß außen - Gott.


    10.) Was war jetzt an Kopernikus neu? Er war der erste, der folgende extreme Fleißarbeit geleistet hat: Er hat das ptolemäische System genommen und die Mittelpunktsposition der Erde durch die Sonne ersetzt. Er hat alle Parameter neu angepasst und schließlich ein neues mathematisches (heute würden wir sagen) Modell entwickelt. Eine Leistung, vor der man nur den Hut ziehen kann. (Wer die Leistung nicht würdigen kann, sollte mal versuchen das mit Excel nachzumachen.)


    11.) Kopernikus ist eindeutig ein Kind seiner Zeit. Da ist nichts Seherisches oder Revolutionäres. Revolutionär erscheint das höchstens im Rückblick, weil er zufällig richtig lag.


    12.) Nach Kopernikus: Das Buch hatte es äußerst schwer, Anhänger zu finden. Es blieb bei einer Auflage. Ganz anders das Standardwerk der Astronomie, Johannes Sacroboscos "De Sphaera Mundi". Dieses Werk und damit das geozentrische Weltbild wurde noch etwa 100 Jahre lang an den Universitäten verwendet.


    Gruß
    Wolfgang

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