Unverhofft weit südlich

  • Hallo,


    Vom in horizontnaher Brühe abgesoffenen M 107 gelernt,
    legte ich mir heute die anstehenden Objekte der Reihe nach von unten nach oben zurecht. Es ging wieder zu zweit ans Werk. S. liess sich kaum aus dem Binosessel loslösen, nur ab und an hörte man einen verstimmten Kommentar über Mücken in der Dunkelheit.
    Der Vollständigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich Saturn excellent präsentierte. Cassinische Teilung, Bauchbinde und Planetenschatten auf den Ringen waren ständig klar und deutlich sichtbar, bis 300x, wobei etwa 200x den schönsten Eindruck hinterliess.
    Nun aber zu den eigentlichen Objekten, deren erstes sich allerdings nur unweit höher als Saturn befand. Der Kugelsternhaufen Messier 9. Alles in allem noch recht früh bei hellen Himmel, erschien er also eher bescheiden.
    Ein Stück Richtung Milchstrasse fand sich rasch der offene Sternhaufen Messier 23, der sich wesentlich schöner darbot. Während er mich an M11, den Wildentenhaufen erinnerte, erkannte S. Wellenformen in den Sternansammlungen.
    Wir wechselten, ich schwang mich in den Sessel, während S. nun das Hauptgerät übernahm und nach Messier 17 suchte, dem Omeganebel. Ich schoss absichtlich über das Ziel in dieser unübersichtlichen Region hinaus und fand Messier 25, ebenfalls einen offenen Sternhaufen, unvorbereitet, deshalb umso schöner. Uns fiel eine gebogene Sternreihe darüber auf, wie eine Augenbraue. Schöner Haufen auch im Teleskop.
    Zurück zu M17, den S. schnell fand und seiner Beschreibung folgend bald auch das Fernglas darauf gerichtet war.
    Interessant, wie sehr sich unsere Seheindrücke am Teleskop in der Nachbesprechung unterschieden. Während er bei niedriger Vergrösserung (50x) ein liegendes Komma mit dunklem Streifen sah, konnte ich vorsichtig höher vergrößern und sah einen Nebelfleck links über dem Komma und eine große, dunkle Fläche unterhalb. Die Fläche des Komma schien stellenweise heller und dunkler zu sein oder vor den Augen zu flackern.
    Mein Sky Quality Meter zeigte 21.25 im Zenith an.
    Messier 16 war unklar, und mittlerweile sass S. wieder im Binosessel und dirigierte mich runter bis knapp über die Bäume, wo er eine interessante Linie aus drei etwas helleren Sternen gesehen hatte mit etwas nebligem darin.
    Ich fand die Region und wir erkannten sofort, dass dies etwas besonderes sein musste. Nach etwas Stöbern in den Sternkarten waren wir uns sicher, den Lagunennebel, M8, vor uns zu haben.
    Im Teleskop zeigte sich ein Sternhaufen, links daneben ein Stern mit einer nach links oben auffächernden Nebelstruktur. Wir beobachteten, bis wir nur noch die Blätter der Bäume sahen.
    Nun angestachelt, blieb ein sicheres Aufsuchen M20's, des Trifidnebels, erfolglos. Lediglich Messier 21, einen offenen Sternhaufen unweit davon, konnten wir sicher identifizieren, bevor plötzlich Sterngruppe um Sterngruppe hinter Wolken erloschen und sich binnen Minuten der gesamte Himmel von Westen her zuzog. Ein verzweifelter Schwenk Richtung Cirrusnebel wurde bereits im Ansatz vom Himmel gewischt, als letzte Objekte verschwanden Kassiopeias Sterne, h&chi Persei und dann die Andromedagalaxie.
    Vielleicht war es gut so, hatten wir doch bei der Suche in der reichen Region um den Omeganebel unsere Bescheidenheit eingebüßt und den einzelnen Objekten mal wieder nicht die Aufmerksamkeit gewidmet, die ihnen zusteht.
    Die Nachbereitung machte Spass, wir konnten alle Objekte in den verschiedenen Geräten diskutieren und so blieb am Ende wohl doch eine ganze Menge hängen. Meine Messierliste hat das erste Drittel gefüllt und ganz sicher werde ich einige Objekte dieser Nacht immer wieder mal anschwenken, sei es im Binosessel oder im Teleskop.
    Zu erwähnen bleibt noch, dass wir heute fast ausschliesslich zwischen 50x und 100x beobachtet haben, Fernglas mit 10x und Sucher mit 8x sowie einige offene Sternhaufen mal ausgenommen.


    Zeit, ins Bett zu gehen.


    Henning

  • Hallo Henning,


    Danke für deinen schönen Bericht!
    Ich kann mir richtig vorstellen, wie Du durch das Erlebte noch so wach warst , dass Du gleich die Eindrücke loswerden musstest. Meinereiner legt sich meistens erst mal müde ins Bett und das Gesehene wird erst am nächsten Tag verarbeitet.


    Die südliche Milchstraßenregion ist so übervoll mit interessanten Objekten, dass eine Nacht längst nicht genügt, um das alles anzuschauen. Bei euch sind momentan ja die Nächte auch noch kurz und hell. Du wirst sehen, in der August-Neumondzeit kommen gerade die nebligen Südhimmel-Objekte noch viel besser!


    Nicht weit von deinem Wohnort habe ich auch schon öfter beobachtet, wenn wir mit den Kindern Campingurlaub gemacht haben. M20 habe ich dort auch schon beobachtet. Wir waren meist Ende August/Anfang September dort, da waren die Nächte schon wieder deutlich länger und der Himmel dunkler.


    Ich lebe seit über 25 Jahren als "Wirtschaftsflüchtling" in Bayern und habe hier natürlich etwas mehr Südhimmel. Mein südlichstes Objekt von Deutschland aus war NGC1581. Die südlichen Gasnebel stehen hier deutlich höher, aber die Lichtverschmutzung ist hier auch ziemlich übel. Hier muss man schon in die Alpen auf über 1200m gehen, um einen ähnlich guten Himmel zu haben wie bei dir.


    Wie ich auf deiner Homepage gesehen habe, teilen wir noch andere Interessen. Vielleicht melde ich mich mal bei dir, wenn ich in der Gegend bin, und es ergibt sich ein gemeinsamer Paddelausflug mit anschließendem Beobachtungsabend!


    Gruß,
    Martin

  • Hallo Martin,


    Danke.


    Das können wir gerne tun. Deine südlichste Galaxie befindet sich hier doch arg unter Horizont.
    Dennoch, bevor ich meinen ersten Namibiatrip buche, werde ich mich wohl noch einige Jahre hier austoben und beschäftigen können.
    Es blitzt immer näher, ich muss den Router rausziehen.


    CS,


    Henning

  • Hallo Henning,


    vielen Dank für Deinen schönen Bericht. Die Gegend um die STernbilder Schütze und Scorpion hatte ich einem Astrokollegen ebenfalls im Visier.
    Da der Bericht der Nacht lang ist und ich gerade nicht rausfinde wie ich eine word-Tabelle 1:1 ins Forum kopieren kann, verweise ich einfach mal auf unsere homepage: http://www.sternfreunde-soest.de/beobachtungsbericht.html



    M8 und M20 habe ich auch nicht eindeutig ausmachen können; aber viele andere Objekte in dem Bereich sowie anderes am Himmel!



    Viele Grüße und CS
    Uwe

    "Hängst hier die ganze Zeit rum und wartest auf uns"

    Fünfhundertsechundsiebzig Milliarden Dreitausendfünfhundertneunundsiebzig Jahr", sagte Marvin. "Ich hab sie gezählt."...

    Die ersten zehn Millionen Jahr waren die schlimmsten...und die zweiten zehn Millionen Jahre waren auch die schlimmsten.

    Die dritten zehn Millionen Jahre haben mir überhaupt keinen Spaß gemacht. Danach habe ich ein bisschen die Lust verloren"

    (D. Adams)

  • Hallo Henning,


    du bist ja ganz schön aktiv! Die von dir beobachtete Region ist äußerst interessant. Um die Gasnebel richtig schön zu sehen, muss ich etwa 40km raus fahren. M17 ist ein tolles Objekt, das ich über die Jahre mit Öffnungen zwischen 4" und 16" beobachtet habe. Bei mir stellt sich dabei immer der Eindruck einen Schwanes ein. Für den Trifid- und den Adlernebel braucht man dagegen einen möglichst sehr dunklen Himmel. Dann zeigen sich in M20 die Nebelteilungen recht deutlich. Der Adlernebel IC 4703 um den Offenen Sternhaufen M16 ist für mich ein absolutes Highlight, für das ich mir meist eine halbe Nacht Zeit lasse. Hilfreich ist hier ein [OIII]-Filter und viel Geduld, dann kann man sogar die berühmten "Säulen der Schöpfung" sehen, je nach Öffnung und Himmelsqualität zumindest andeutungsweise oder auch deutlich. Manchmal auch gar nicht! Sehr viele Beobachtungen auch mit teilweisen Enttäuschungen habe ich da gemacht, am Anfang half mir ein Foto zur Orientierung. Ein guter Abschluss mag ein Blick zum Kugelsternhaufen M22 sein, der schon im Sucher richtig auffallend ist und dessen Anblick man bildfeldfüllend im Teleskop nie vergisst.


    Ich nehme mir für eine Nacht nur sehr wenige Objekte vor, meistens nicht mehr als fünf.


    Salü, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!