Murphy´s Gute-Nacht-Geschichte

  • Ich bin gerade noch aufgekratzt genug, um zu so später Stunde hier in die Tasten zu haun...


    <font color="limegreen">Dienstag, 16.05.17</font id="limegreen">


    Am Dienstag zeichnete sich ab, es würde zwei aufeinanderfolgende wolkenlose Nächte geben.
    Die Zeit für Beobachtungen war sehr knapp – nur ca. 2 Stunden. Derzeit ist ja eine Supernova zu sehen – erst kürzlich entdeckt. Perfektes Timing und Gelegenheit, um trotz der Kürze der Zeit einen tollen Beobachtungsausflug mit hohem Erinnerungswert zu haben. Wann gibt´s man schonmal eine SN und dann noch bei gutem Wetter?
    Um Nägel mit Köpfen zu machen,, wollten ich gleich Dienstag Abend die Gelegenheit nutzen. Nacht durchmachen lohnte sich nicht, ich wollte wieder beizeiten ins Bettchen nach der Beobachtung, da der Mond eh stören würde ab 2 Uhr herum.
    Es galt einen Kompromiss zu finden zwischen ausreichender Entfernung von München ins Dunkle hinein und auch noch zu solchen Zeiten öffentliche Verkehrsmittel/ Verbindungen/ Orte zu finden, bei denen ein Nachhause-kommen gesichert ist – ohne 3 Stunden bis zum ersten Zug im Morgengrauen warten zu müssen.
    Die Recherche ging los. Welche Himmelsrichtung sollte zu gegen Mitternacht frei sein? Nordosten.
    Was für Orte gibt es da südlich von München, die ausreichend weit weg von der Münchener Lichtglocke sind? Es wäre ja saudumm, nach Süden zu fahren, um dann wieder nach Norden in die Glocke zu schaun.... Ein Abgleich von Entfernung zu MÜnchen, Prüfen der Sichtachse in die wichtige Himmelsrichtung (laut Lichtverschmutzungskarte gerade knapp an der Lichtglocke vorbei) – UND ein noch gegen 1 Uhr fahrender Zug ... UND ein unkompliziertes Erreichen – zu Fuß – eines halbwegs gut geeigneten Beobachtungsplatzes, vom Bahnhof aus... führte mich ausgerechnet nach Dürrnhaar. Ein Ortsteil der dörflichen Gemeinde Aying im Süden Münchens, welche ich aus beruflichen Gründen sehr gut kenne. Man purzelt quasi vom Bahnsteig, macht drei Schritte und steht auf dem Acker.


    Soweit die Recherchen, der Plan stand. Das Wetter, die wunderbare Abendsonne, lockten mich noch auf den Basketballplatz. Ich verletzte mir die Hand, sodass der Abend gelaufen war. Hektisches Packen, Auf- und Abbau mit einem verbogenen Daumen, nein Danke. Die Nacht blieb ungenutzt.


    <font color="limegreen">Mittwoch, 17.05.17</font id="limegreen">


    Nächster Tag, nächste Chance. Mittwoch strahlte die Sonne von einem extra blauen Himmel. Nicht eine Wolke. Viel besser als den Tag zuvor. Glück im Unglück! Dieses mal sollte es losgehen. Der Zeitrahmen war eng, aber insgesamt gut zu managen und hinreichend für einen tollen Ausflug. 22 Uhr herum in die S-Bahn für eine Dreiviertelstunde. Halbes Stündchen aufbauen und justieren, 23.30 Uhr sollte es astronomisch dunkel sein – perfekt getimed. Der Weg zum Platz vom Bahnhof Dürrnhaar aus: 5 Minuten. Wenn man langsam ist.


    Ich befürchtete das eine oder andere Licht, denn nicht nur in München wird gebaut, auch und ggf. gerade in umliegenden Gemeinden. Ich wusste von Neubauten, aber nicht wieweit die schon fertig waren. Fette Baustrahler währen worst case. Aber diese wären nicht in der Beobachtungsrichtung, also mit Streulichtschutz völlig Schnuppe eigentlich. Ich kam an. Der Bahnhof in dezenten Laternen beleuchtet, gelblich. An der Kreuzung zum Bahnübergang Richtung Feld stand eine helle Laterne, die war das größte Problem und leuchtete locker das Feld bis 100 m Entfernung aus, wennauch nur schwach natürlich in diesen Entfernungen. Aber es gibt schlimmere Laternen.


    Ich fühlte mich sofort wohl. Ruhe, Duft von frischem Acker, eine leichte Brise, mild. Es waren sicher noch über 12 Grad. Vielleicht sogar 15, ich hatte das Thermometer nicht dabei. Ich spazierte zu meinem anvisierten Feldweg, ließ mir die milde Luft in das Gesicht wehen und schaute mich erstmal ein wenig um. Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet für mein Hobby diesen Ort besuchen würde. Wie erwartet oder fast befürchtet, kam Licht aus Richtung der neuen und modernen Bebauung am Ortsrand südlich von meinem Platz. Allerdings moderat, jedenfalls wenn man nicht nach Süden schauen muss. Gleich wo ich da nun so stand, kam eine Sternchnuppe daher, welche am Raben vorbei unterhalb des Löwens in zwei Teile zerbrach. Ein toller Auftakt! Ich baute auf, Streulichtschutz rum, perfekt zur Dunkelheit war ich mit allem fertig. Der Cepheus stand mit der Fireworks-Galaxie und der dortigen Supernova noch etwas tief. Aber, die gute Nachricht: der Himmel zeigte sich in dieser Richtung genauso, wie es anhand der Vorrecherchen zu erwarten war – die Lichtglocke lag tatsächlich (noch) komfortabel weit genug abseits des Sternbilds. In dieser Richtung war es dunkel.


    <font color="limegreen">Jawoll, es wurde auch beobachtet</font id="limegreen">


    Was tun in der Zeit, um das Höhersteigen der SN abzuwarten? Insgesamt stand mir ziemlich genau eine Stunde reine Beobachtungszeit zur Verfügung. Unter der Voraussetzung, dass ich innerhalb von einer Viertelstunde den Gitterrohr-Dobson abgebaut und verstaut bekomme. Das habe ich schon getestet, das klappt. Zumindest, wenn man nicht so etepetete alles feinsäuberlich eintütet. Rucksack auf und alles rein ist da eher die Marschrichtung. Viel an Objekten schaffe ich persönlich in einer Stunde nicht. Eine halbe Stunde etwa habe ich mir für die SN reserviert. Für die erste halbe Stunde fiel meine Wahl auf das OdM - NGC 5033 und der nebenstehenden NGC 5005. Eine Beschreibung meiner Beobachtung findet sich im entsprechenden Board, da verlinke ich einfach mal...


    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=210242



    Eine halbe Stunde widmete ich mich diesem Ensemble und dann war die SN dran. Zum Glück hatte ich noch eine A3-Kopie vom SkyAtlas 2000, sodass mir das Mitschleppen von Kartenwerk erspart blieb. Der Sternhaufen NGC 6939, welcher neben der Galaxie steht, war fix gefunden. Die Galaxie NGC 6946 war schon schwieriger. Ich musste schon etwas rühren, um dann einen schwachen Schmadder auszumachen. Die habe ich schon besser und deutlicher im 4“er gesehen.... aber trotzdem waren die Bedingungen erstmal okay. Das Seeing schien auch gut zu sein. Im 26er Nagler war das Duo wunderbar eingerahmt. Ich hatte wie Gerd einen Ausdruck dabei, anhand dem ich die Position der SN gut nachvollziehen konnte. Sie war sehr schnell gefunden. Ich vergrößerte bis zu 170 fach, der Eindruck gefiel mit aber bei ca. 100fach am besten. Ich ließ die SN auf mich wirken, versuchte mir vorzustellen was ich da sah, die Situation und das Ereignis zu verinnerlichen. Von der Spiralstruktur der Galaxie war übrigens nicht viel zu erkennen, da hat es einfach an Transparenz und Höhe gefehlt denke ich. Dennoch eine tolle Beobachtung wie ich fand. Die Supernova war auch im 26er Okular der auffälligste Stern in der kleinen Sterngruppe am Rand der Galaxie. Ich behielt die Zeit scharf im Blick. Wir reden hier vom allerletzten Zug der Nacht!


    Da das Seeing wirklich gut erschien, hielt ich 5 Minuten vor der gesetzten Zeitgrenze auf Jupiter. Tatsächlich zeigte sich ein feinstrukturierter, gebänderter Planet, ein toller Anblick, keine Selbstverständlichkeit in dieser Bildruhe. Dann hieß es abbauen. Ich machte mir unnötige Hektik, da ich mir nicht sicher war, ob ich den ganzen Bahnsteig ablaufen muss um auf die richtige Seite zu kommen. Ich vergaß, dass die Strecke eingleisig war. Alles in allem war ich sehr fix, ich glaube sogar neuer Rekord. Zu hause habe ich auch schon alles so präpariert, dass kein unnötiges Zubehör das Packen verzögert.


    Es war eine tolle Nacht, sie hat sich vollends für mich gelohnt, ich war sehr zufrieden. Mein Zug kommt, genau zur richtigen Zeit. Allerdings aus der falschen Richtung. Wie gesagt, eingleisig. Ich wollte doch nicht NOCH weiter in den Süden – sondern zurück nach München! Ich ging verschiedene Szenarien/ Optionen durch, kam aber zu dem Schluss, dass der Zug einfach nur massiv zu spät war und der andere bald kommen würde. So war es dann auch. Mit mir am Bahnsteig war nun ein älterer Herr, der gerade aus dem Zug gestiegen ist – eine Station zu spät und wirkte etwas desorientiert. Eine junge Frau die auch ausgestiegen ist, hat das bemerkt und sich wirklich rührend um ihn gekümmert. Ich sagte auch, ich wäre auf den gleichen Zug angewiesen, alles gut, bekommen wir hin. Einfach schöne Szene. Da spielen sich in München um diese Uhrzeit ganz andere Szenen ab. Im Dorf ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest hier.


    Unterwegs nahmen weitere Verzögerungen ihren Lauf, und Fehlauskünfte vom Service, mit denen ich nicht weiter langweilen will, es war jedenfalls wohl wieder jemand im Gleis unterwegs oder dergleichen, sodass ich eine halbe stunde später zu Haus war. Warum muss das dann genau bei mir sein – wo ohnehin der Schlaf nicht gerade viel sein wird?


    Egal, es war eine tolle Nacht.


    Übrigens, wenn der Kollege mitliest:


    http://www.astrotreff.de/topic…210922&whichpage=2#776542


    Diese Erscheinung habe ich nicht bemerkt.



    <font color="limegreen">Donnerstag, 18.05.17</font id="limegreen">


    Ich erzähle meinen Kollegen fröhlich von meiner Beobachtungsnacht.



    <font color="limegreen">Freitag, 19.05.17</font id="limegreen">


    Ein Termin in Aying, also auch Dürrnhaar, steht an. Sonnenschein, noch gutes Wetter, am frühen Nachmittag soll es regnen. Und zwar nicht zu knapp. Der Termin fand im Freien statt, ein toller Wochenausklang.
    Freitag Abend, 21 Uhr. Ich möchte meinen Dobson in der Wohnung aufbauen, um noch ein paar Sachen zu checken und rumzubasteln. Unter anderem, um neuen Streulichtschutz/ Schmutzschutz dranzuschneidern. Ich baue die Rockerbox zusammen. Nächster Schritt, Box auf das Bodendreieck setzen. Bodendreieck. BODENDREIECK! Wo ist das hin? Ich suche und suche... und mir schwant es. Dürrnhaar, Acker, Regen. AHHHHHHHHHHH!
    Folgende Abendgestaltung: S-Bahn-Störungen und Fahrplan gecheckt – in genau diese Reihenfolge übrigens... Taschenlampe, Was zum Lesen, Apfel eingesteckt und ab in die Bahn.


    <font color="limegreen">Freitag, 22.45 Uhr, Dürrnhaar.</font id="limegreen">


    Ich hastete, in Dürrnhaar angekommen, zum Beobachtungsplatz. Ich leuchtete schon vorher den Weg ab, für den Fall, dass ein Spaziergänger das Teil gefunden und irgendwo drapiert hat damit man es besser findet. Nix. Ich näherte mich dem Platz. Schon von weitem: nix. Ich leuchtete die angrenzenden Äcker ab, für den Fall, dass ein Jugendlicher dachte, es wäre ein Bumerang... nix. Ich lief extra den zeckenträchtigen hochgrasigen Randsteifen bewusst dass nasse Gras durchschlürfend ab, auf der Seite wo mein Dob stand: nix. Der Weg auf dem ich stand war eine Zuwegung zu einer Baumschule – ich flitzte in Richtung eines mir bekannten Tors, in der Hoffnung, da eine Telefonnummer zu erhaschen. Tatsächlich stand ein Wagen auf dem Gelände, welcher auf der Lackierung Kontaktdaten hatte. Puh, immerhin ein Ansatz. Trotzdem baute ich mir schon in Gedanken ein neues Bodendreieck. Dabei hatte ich erst vor wenigen Tagen (!) Optimierungen dran vorgenommen. Aber: ich hatte zum allerersten mal während der 6 Jahre die ich den Dob nutze, die Füße nicht reingedreht. Hüäh? Ja und? ;)
    Das wird insofern interessant, als dass ich, immer noch wild umherleuchtend, zurück am Bahnübergang ankam, und dort am Boden vor einem Verkehrsschild im Gras – genau – mein Bodendreieck lag. Juhuuuu! Aber mit den offenen Gewinden der Standfußaufnahme nach oben, wo es schön bis zum ungeschützten Holz reinregnen konnte. Aber völlig egal! Ich war happy. Das Dreieck war richtig gut drapiert an einer sinnvollen Stelle - dass ein Suchender auch drauf stößt. Meine Hoffnung wurde erfüllt – in einem Dörfchen wie diesem gibt es noch ein Miteinander, gesunden Menschenverstand und Freundlichkeit. Ich wollte noch einen Zettel beschreiben mit einem Dankeschön, und an den Mast bappen, aber habe leider alle Stifte ausgepackt – die ich heute Mittag noch im Rucksack hatte.
    Mir tat es regelrecht leid, mich in dieser Situation nicht bedanken zu können – aber ich werde noch eine Gelegenheit finden.


    Wäre es an meinem Platz liegen geblieben, wäre vermutlich irgendwann ein Trecker drübergerollt.
    „Murphy´s Law“ hat es mal wieder so richtig krachen lassen. Besser als der Trecker, und dafür bin ich dankbar.


    Danke Aying!


    CS
    Norman

  • Für Murphys Law doch viele Happy Ends :)


    Und da soll mal einer sagen, dass die Astronomie ein entspannendes Hobby sei :)


    Klasse Geschichte und gut geschrieben - man fiebert ja fast schon richtig mit


    Gruß
    Timo

  • Hallo Norman,


    die Supernova hab ich noch nicht gesehen, aber bei der jetzigen Wetterprognose hoffe ich das bald nachzuholen ! Ja, Dürrnhaar ist ein gut erreichbarer Platz an der S-Bahn, und in der von München abgewandten Süd- bis Ostseite hatten wir da schon öfters recht brauchbaren Himmel. Wenn wir an der VSW Gruppen haben, nutzen wir diesen Standort gerne - von 2013 hab ich einen Bericht mit Bildern:


    http://cougar.bakonyi.de/~ben/…304-duerrnhaar/index.html


    Servus
    Ben

  • Hallo Timo,


    danke Dir, freut mich [:)]


    Jau stimmt, der klassische Murphy war´s nicht, aber doch viele persönliche Zufälle... zum Glück nich alle negativ :)


    Hallo Ben, oha, ja, ich entsinne mich, hab ich schonmal bei Dir gelesen... Na dann viel Erfolg mit der SN!


    Beste Grüße
    Norman

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