Auf Fraunhofers Spuren - Firstlight

  • Hallo Sternfreunde,


    die Vorgeschichte könnt ihr hier lesen:


    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=189273


    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=188257



    Wer auf dem DSM war, kann sich vielleicht noch schwach an Gerhards Frage nach meinem Vortrag erinnern:


    "Also sehen wir mit einem Spiegel gar nicht das direkte, alte Sternenlicht? Sondern nur die Lichtwelle, die in der Aluschicht neu erschaffen wurde?"


    Ja, das ist schon halbwegs philosphisch[8D]
    Ist aber so - wenn eine Lichtwelle auf die Aluschicht trifft, wird die Energie kurzfristig in "elektrischen Strom" umgewandelt und dann entsprechend des "Strom-Musters" neu erstellt.


    Was tun?
    Ganz klar, ich muss an den Linsen weiter schleifen[:)]
    Auf die Gefahr hin, dass Transmissionsvorgänge auch irgendeinen Pferdefuß haben...




    Linsen schleifen ist so ähnlich wie Spiegel schleifen, man lernt dabei zusätzlich wie man Radien gezielt verlängert und verkürzt.
    Also das war eine wirklich neue Erfahrung, soviel Strichführungs-Akrobatik habe ich noch nie gemacht.[;)]


    Am besten ist es, die inneren Radien (R2 gegen R3) in jeder Körnung zuerst zu schleifen und halbwegs "Kurs halten".
    Danach wird R2/R3 gemessen und die beiden äußeren R1 und R4 werden ggf angepasst. Also in OSLO immer wieder neu skalieren.


    Bei den feineren Körnungen (K220, K320, 40µ, 18µ) muss man den Keilfehler immer im Auge behalten.
    Dazu braucht man eine Messeinrichtung diser Art, die ich provisorisch aus herumliegenden Teilen montiert habe.



    Das Glas liegt auf den drei Messing-Spitzen und wird lateral gegen die Alurohre gedrückt.
    Dann kann mann die Messuhr in verschiedenen Positionen ablesen.
    Die Keilfehler liegen am Ende bei 10-20µm. Das reicht bei dem Öffnungsverhältnis locker aus. OSLO zeigt auch hier, wie gut das sein muss.


    Nachdem die letzte Körnung (9µ) durchgeschliffen war, lag das Glas lange rum.
    Die nächste Hürde war der Guß von vier Pechhäuten.
    Diese Hürde wurde nun bei dem herrlichen Frühlingswetter genommen und nach ein paar Stunden polieren kann man durch die Linsen schon mal durchschauen.



    Man sieht, dass die rechte Linse (Vorderlinse, bikonvex, Kronglas) am Rand noch etwas Polierbedarf hat.



    Die linke (Hinterlinse, Konkav, Flintglas) sieht schon besser aus.



    Noch einmal, unter anderer Beleuchtung, weil's so schön ist[:D]
    Die orangen Ringe dahinter sind die beiden Teile der Fassung, der Deckel eines Kanalrohrs aus PVC-U.


    Zwischen Pechhaut-Gießen und Fassungsbau liegen exakt drei Tage!


    Das nächste Bild zeigt die "Montagehilfe" für die Fassung.



    Die Vorderlinse liegt unten, der Ring zwischen den Linsen ist exakt 6,1mm.



    Jetzt kommt noch ein Kanalrohr drauf.



    Einen zünftigen First-Light steht nun nichts mehr im Wege.
    Außer der Nebel draussen, wobei die mangelhafte Politur sicher auch etwas Kontrast kostet[xx(]



    Der erste Eindruck: 1,80m Brennweite sind ganz schön lang, aber das Bild ist auf Anhieb scharf![:)]
    Falls es die Nebelsichtweite heute abend zulässt, wird eine Straßenlaterne angepeilt und fotografiert!


    Viele Grüße
    Kai

  • Servus Kai...


    ...ich kann mich noch gut an diese Frage und an die verstörende Antwort erinnern!
    Aber ob da eine Linse die Antwort drauf ist?!?[;)][;)]


    Begib dich nicht zu lange auf die dunkle Seite der Macht![:D]


    Viel Spaß beim Erstlicht
    lg
    Winni

  • Hallo Winni,


    ob Linsen eine Lösung dieses "Problems" sind, werde ich noch herausfinden.[8D]
    Theoretisch und Praktisch[8D]
    Wie gesagt, es ist eine Fingerübung für den Offner-Null-Korrektor, irgendwie muss man sich ja einen Fraunhofer schönreden[:D]



    Das fotografische First-Light hat soeben stattgefunden, freihand aus der Hüfte.
    Die beiden Lampen hinter Bäumen und Gestrüpp sind 200-300m entfernt.




    Visuell erscheint das etwas knackiger und weniger blau, in kurzen Augenblicken sogar spektakulär.
    Mit 10mm Okular noch sehr scharf (180x) und das Ethos 4,7mm (380x) verteidigt den Platz im Koffer, das wird hier sicher öfters genutzt.
    Also das macht schon Spaß, eine Optik ausschließlich mit mechanischen Messmitteln - das hat was!
    So ungefähr muss man sich das in Fraunhofer's oder Herschels Zeiten vorstellen.


    Viele Grüße
    Kai

  • na na na, der Kai auf Abwegen? [:D]
    Mal wieder eine interessante Geschichte die Du da angehst.
    Dazu bleibt die Erkenntnis: Glas und Kai, das sind irgendwie beste Freunde. Egal was Du damit machst, es gelingt immer[8D]


    CS, Matze

  • Hallo Matze,


    ja sicher, Glas übt eine besondere Faszination aus[:)]
    Jetzt werde ich mal sehen, was bei der ersten interferometrischen Messung des Gesamtsystems herauskommt, nachdem die Linsen komplett ohne optische Messmittel gefertigt wurden.
    Das dürfte einen Hinweis darauf geben, wie gut die Objektive damals waren.
    Klar, von der heutigen Glasqualität (Schlieren!) konnte Fraunhofer nur träumen.


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Kai,
    ich finde es auch faszinierend, was Du mit einfachen Mitteln so machst und schaffst. Die zwei Bilder von der Lampe schauen doch schon gut aus.
    Apropos, hast Du die Sammellinse noch auspoliert bzw. noch vor auszupolieren?
    Warum nimmst Du einen Abstandsring und keine Abstandsblättchen? ((Beim Blick in das Objektiv sieht man von dem Abstandsring nichts mehr, oder täuscht das?)
    Servus,
    Roland

  • Hallo Roland,


    selbstverständlich werden die Linsen noch komplett auspoliert.
    Das wird sicher noch etwas dauern.
    Die Fassung ist auch nur provisorisch, dieses Modell ging eben sehr schnell und einfach zu realisieren.
    Der Ring wird im Bild durch Refleionen verdeckt, der ist natürlich drin.


    Die Besonderheit bei dem Baker-Design, im Gegensatz zum echten Fraunhofer, besteht in dem relativ weiten Luftspalt.
    Das ist der Tribut der für die exakt gleichen Innenradien zu zahlen ist.
    Deshalb wird in der endgültigen Zelle auch ein Ring zum Einsatz kommen, allerdings mit drei definierten und vorstehenden Auflagepunkten.
    Beim Fraunhofer-Design bieten sich dagegen die Blei-Plättchen an.


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Kai,

    als Refraktor-Liebhaber finde ich es klasse, daß Du ein Linsen-Objektiv fertigst!
    Ich lese mit Begeisterung diesen Thread sowie die beiden zugehörigen. Thanxalott!

    Habe ein kleines Objektiv 65 mm f/10 in Baker-Design. Unvergütet.
    Stammt von einer optischen Bank und dürfte viele Jahrzehnte alt sein. Schwere Fassung aus Stahl.
    Hat eine erstaunlich gute Abbildungsqualität.

    Spiegel bieten in der Tat (gravierende) Einschränkungen. Beispielsweise lassen sich mit ihnen keine Vampir-Galaxien beobachten.
    Was sich wiederum bei deren Auffindung nutzbringend einsetzen läßt.
    Ich mache jeweils Lichtbilder auf vampir-sensibilisiertem Filmmaterial mit und ohne Zenitspiegel.
    Per Blink-Komparator kann man sie dann finden. Ein wenig OT, der Hinweis sollte hier jedoch micht fehlen.

    Viele Grüße,
    Andreas

  • Hallo Andreas,


    freut mich wenn's gefällt[;)]
    Nur was sind Vampir-GX?[8D]


    (==>)all
    Konnte am Wochenende einen ersten Sterntest genießen. Inclusive Mond und Jupiter.
    Sozusagen eine bunte Mischung[8D]


    Ich will jetzt nichts schönfärben, aber wer Blau und Violett zu seinen Lieblingsfarbe zählt wird begeistert sein.
    Die farbliche Gestaltung erinnert mich sehr an meinem verflossenen Bresser 100mm f/10, rein rechnerisch wäre ein 100mm f/8 ebenbürtig. Mit solchen Geräten wurde viele Entdeckungen der frühen Astronomie gemacht. Man könnte damit auch ernsthaft beobachten, keine Frage.
    Anderseits waren die ersten Glasspiegel-Optiken sicher eine Erlösung aus der "Blauen Hölle" der großen Refraktoren.

    Interessant sind die Abbildungsfehler, die sich sehr schön studieren lassen.
    Da die beiden Linsen noch zu viel Spiel haben, erzeugt eine Verschiebung (1-2mm) durch die Keilwirkung einen extra Farbfehler - rot und grün, jeweils rechts und links am Objekt. Es war vorneweg klar, dass eine exakte Fassung gebraucht wird.


    Wenn alles zentrisch liegt, gibt es nur den violetten Saum. Die Schärfe ist ziemlich in Ordnung.
    Es gibt Okulare die bei leicht schrägen Einblick mehr Farbe zeigen. ist mir schon an meinen Spiegeln aufgefallen.
    So gesehen alles nicht sooo schlimm.


    Insgesammt wird die Aufmerksamkeit nicht zu sehr vom Farbfehler strapaziert und bleibt am Objekt.
    Auf jeden Fall ein schönes Spielzeug für zwischendurch, was irgendwann noch ernsthaft fertig poliert wird und einen schönen, leichten Tubus bekommt.


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Kai,


    bei der Beantwortung der Frage, WAS Vampir-Galaxien sind, muß ich als naturwissenschaftlich geprägter Mensch passen.

    In dem mittlerweile bereits als historisch zu bezeichnenden Dokumentarfilm "Tanz der Vampire" wurde eindrucksvoll
    dargestellt, daß zumindest irdische vampiröse Existenzen bei klassischen Glasspiegeln keine Reflexion ihrer selbst zeigen.

    Das legt nahe, Objekte im Universum, die zwar mit Refraktor-Objektiven wahrgenommen werden können,
    sich jedoch einer Beobachtung oder fotografischen Erfassung mit Spiegeloptiken entziehen, als Vampir-Objekte zu bezeichnen.
    Im Bewußtsein, daß es sich um eine willkürlich gewählte und möglicherweise vorläufige Benennung handelt.

    Fundierte Erklärungsmodelle für die beobachteten Effekte liegen nicht vor, wohl aber die Effekte.
    Als klassisches Beispiel sei an NGC 7088 erinnert, "Baxendell’s Unphotographable Nebula" (https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_7088).
    Kernsatz in diesem Wikipedia-Artikel: "Die Sichtungen erfolgten alle mit Refraktoren, die versuchten Fotografien hingegen mit Spiegelteleskopen."
    Am Ende ein Vampir-Nebel? Ich habe meine Refraktoren noch nicht dorthin gerichtet. Ende OT.


    Ein achromatisches Objektiv 6" f/20 sollte kaum chromatische Aberration zeigen.
    Ich habe umfangreiche Beobachtungserfahrung mit einem (klassischen) Refraktor mit 6" f/10 FH-Objektiv von A. Jaegers.
    Mondrand zeigte darin einen leichten Farbsaum. Nicht aufsehenerregend, jedoch ohne Anstrengung wahrnehmbar.
    Natürlich ist klar, daß der unscharfe blaue Fokus das gesamte Mondbild überlagert.
    Dementsprechend war ich auch hin und weg, welche Details sich am Mond bei der Beobachtung per FS-128 offenbarten.

    Wenn bei Deinem Objektiv die geometrischen Randbedingungen erfüllt sind, sollte es recht gut abbilden.
    Als da wären: Linsenradien und -abstand. Natürlich unter der Voraussetzung, daß Brechzahlen und Optikrechnung passen.
    Gravierende Farbsäume dürfte es dann nicht mehr geben. Die chromatische Aberration sollte etwa der eines 80/900 Objektivs entsprechen,
    also recht moderat ausfallen. Einfach frohgemut fertigpolieren. Gutes Gelingen!


    Viele Grüße,
    Andreas


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    "Die andere Seite ist dunkel, sehr dunkel."
    "Sei still Yoda und iß Deinen Toast!"
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