Hallo zusammen,
der Vixen FL102S zählt schon lange zu meinen absolut Lieblingsteleskopen – die knackige Fluorit Optik weiß sofort und immer wieder zu überzeugen wenn man durchschaut. Mein eigener FL ist einer der späteren und wurde 2002 vom Vorbesitzer für mehr als 3.000,- EUR neu beim TS gekauft. Wenn man sich etwas mit den vierzölligen FL Optiken von Vixen beschäftigt, stellt man schnell fest, dass es sowohl Geräte von Vixen aber auch von Celestron und sogar Bresser gab. Außerdem wurden auch zwei verschiedene Brennweiten-Versionen ausgeliefert. Frühe Optiken sind mit 900mm Brennweite beschriftet während auf dem Zierring späterer Teleskope etwas von 920mm Brennweite steht. Ich habe auch schon einige Male gelesen, dass gerade die Geräte mit 900mm – also „die frühen“ – auch die besseren und „wirklich“ guten sein sollen…
Während sich die Unterschiede der Marken i.d.R. auf Farbgebung (Vixen = weiß glänzend, Celestron = schwarz glänzend, Bresser = schwarz matt) und maximal leicht abgewandelte Tubus- und Okularauszug-Geometrie beschränkt sind die Unterschiede der Brennweiten nicht so leicht erkennbar – vorausgesetzt, diese sind überhaupt vorhanden.
Allen Herstellern gemein ist, dass die Optik selbst (Fassung + Linsen + Zierring) von Vixen stammt und soweit ich weiß von Canon/Optron hergestellt wurde.
Schon lange hat mich daher ein FL102S mit 900mm Brennweite im Vergleich zum vorhandenen Gerät mit 920mm interessiert – ist die Brennweite wirklich unterschiedlich? gibt es einen sichtbaren Unterschied? oder wurden lediglich die Zahlen auf dem Zierring geändert? Problem: die Teleskope sind für Ihre Qualität bekannt und somit gesucht und teuer. Ab und zu kommt es aber doch vor, dass ein solches Teleskop im Netz angeboten wird. Vor ein paar Monaten ging mir zunächst ein eben solches Exemplar mit 900mm Brennweite (original von Vixen) bei den Kleinanzeigen leider durch die Lappen. Kurze Zeit später wurde aber tatsächlich noch ein weiteres angeboten welches ich Anfang Oktober zusammen mit einem kleinen Berlebach Stativ und einer GiroII ergattern konnte.
Ein gewisses Risiko ist natürlich immer dabei – da man sich relativ schnell entscheiden muss (sonst isses auch schnell weg!) und der Verkäufer i.d.R. nicht unbedingt in der näheren Umgebung sitzt. Was nun da also genau mit der Post geliefert wird war hinsichtlich Optikqualität offen - aber no risk no fun
Als das Gerät bei mir ankam befand sich jedoch auch der Tubus leider nicht in einem Zustand in dem ich mir ein solches Teleskop vorstelle - dies war auf den Fotos vorher leider nicht in allen Einzelheiten erkennbar. Die Optik - zum Glück - war aber abgesehen von einigen Fusseln und etwas Staub - einwandfrei so dass ich vorwegnehmen kann, dass sich der Kauf in jedem Fall gelohnt hat!
Was war los? Nun - einer der Vorbesitzer hatte den Tubus mit glänzender, schwarzer Folie foliert – offensichtlich um Kratzer zu verbergen. Außerdem wurde die vixentypische, originale Sucherbasis am Okularauszug mit einer dünnen Metallplatte verschlossen (verklebt) und an derer statt zwei Löcher durch den Tubus in den darunter liegenden Okularauszugsflansch gebohrt um einen Standard Sucherschuh zu montieren. Der Montage eines Sucherschuhs mit zwei mittigen Bohrungen stellte sich jedoch auch noch der Rand des Okularauszugflanschs (Längsanschlag für den Tubus) in den Weg. Also wurde an der Stelle wo der Schuh montiert werden sollte kurzerhand ein Stück dieses Randes herausgesägt – da muss man schon eisenhart sein wenn man sowas sieht Allerdings habe ich mittlerweile auch ein Bild aus einem damaligen Werbeprospekt gefunden, in dem das Teleskop genau so abgebildet ist... - könnte also sein, dass das Gerät schon original so ausgeliefert wurde.
Der Tubus zeigte sich dann jedoch von Folie befreit und gesäubert eigentlich in recht ansehnlichem Zustand - bei dem Gerät handelte es sich um ein von Bresser vertriebenes Exemplar. Deutliches Zeichen hierfür waren eben der typisch matt-schwarz lackierte Tubus, der vom Look&Feel absolut identisch zu meinem (übrigens optisch hervorragenden!) Bresser Mars (=Vixen 90M) ist.
Lediglich zwei längere aber dafür nur oberflächliche Schrammen an der Taukappe waren wohl ursprünglich zu sehen und offensichtlich auch der Grund für die Folierung. Diese wurden zwar nun durch die beiden Löcher sowie eine feinen Schnittlinie längsseits des Tubus wo man die Folie abgetrennt hatte ergänzt – trotzdem in Summe gar nicht schlecht. In dieser Form hätten Perfektionisten evtl. etwas auszusetzen und auch ich habe eine Weile überlegt ob ich nicht einfach meinen ungenutzten M102 (f/10) hernehme, diesen kürze und dessen Tubus verwende. Aber erstens wollte ich diesen Klassiker nicht verschandeln und zweitens fand ich die kleinen Macken nach etwas Gewöhnungszeit absolut nicht tragisch. Also entschloss ich mich dazu den originalen Tubus weiter zu verwenden.
Nicht dauerhaft weiterverwenden wollte ich aber den OAZ der nicht nur unschön war sondern sich aufgrund einer krummen Welle auch nicht mehr ordentlich verstellen lies - egal wie - das Teil lief immer ungleichmäßig. Zum Glück fand ich kurze Zeit später einen nagelneuen GSO Crayford Auszug mit Starway Aufdruck - der "nahezu" passte
In der Hoffnung einen Plug&Play Wechsel vornehmen zu können bestellte ich sofort. Aber Puste-Kuchen Plug&Play…! Der 112mm Flansch war am Umfang in Summe ca. 0,4mm dicker als die Tubus-Öffnung und selbst per Eisfachbehandlung geschrumpft unmöglich in den Tubus zu bringen. Also stand eine etewas längere Feilaktion an um diesen am Umfang gleichmäßig zu verschlanken. Aber das Ergebnis zählt ja bekanntlich und am Ende passt der Flansch nun perfekt in den Tubus und sitzt perfekt gerade
Ist zwar nun nicht mehr original – aber dafür hat dieser OAZ neben gleichmäßigem Lauf auch eine Mikro-Untersetzung mit an Bord, die man immer brauchen kann.
Abschließend musste dann noch die an der Innenseite der Taukappe verklebte Velourfolie entfernt werden, die bereits begann sich abzulösen und überdies einige Fussel auf der Linse hinterlassen hatte. Da die unvermeidlichen Klebereste nach deren Entfernung unschöne Flecken hinterließen habe ich die Taukappe innen auch gleich nochmal mit Tafelfarbe behandelt.
Nach dem ganzen Aufwand ist dieser FL nun also wieder in einem Zustand in dem ich ihn auch gerne benutze und er kann erhobenen Hauptes gegen seinen Vixen Bruder antreten.
Die Linsenfassungen sind bis auf den Aufdruck der Brennweite absolut identisch - schaut man sich die Linsen aber etwas genauer im Gegenlicht an bemerkt man einen Unterschied im Reflex der Vergütung – während der ältere 900er einen rötlichen Reflex zeigt, schimmert der 2002 gekaufte 920er in grünlichem Ton. Ansonsten sind hier keine Unterschiede feststellbar.
Brennweite – unterschiedlich oder nicht?
Da die Fassungen wie erwähnt absolut identisch sind ist es ja relativ einfach das festzustellen – zumindest hinsichtlich dieser beiden Optiken . Hierzu habe ich den Bresser montiert und auf meine Lieblingsstraßenlampe fokussiert. Anschließend dann die 900er Optik runter- und die 920er auf geschraubt… und siehe da die Fokuslage ändert sich gemäß OAZ-Skala von 2,6 auf 3,2 - ein Unterschied von gerade mal 0,6cm also nicht mal 1/3 der angegebenen Differnz. Ich vermute den Unterschied hier eher in den Fertigungstoleranzen als in einer geänderten Auslegung.
Innere Werte:
Nachdem der Bresser fertig war wollte ich natürlich auch wissen ob und wie er sich hinsichtlich optischer Leistungsfähigkeit vom Vixen unterscheidet. Hierfür habe die beiden Geräte in drei verschiedenen Disziplinen miteinander verglichen. Natürlich spiegelt dieser Vergleich lediglich meine subjektive Erfahrung mit genau diesen beiden Optiken wieder und ist nicht repräsentativ – trotzdem vielleicht interessant.
1. Beobachtung bei Tageslicht
2. Sterntest
3. Vergleich am Planeten
Beobachtung bei Tageslicht – Durchgeführt an einem kalten aber sonnigen Sonntagnachmittag im November – Zielobjekt war ein metallenes Schornsteinrohr in etwa 200m Entfernung. Auf diesem Rohr ist eine kleine Metallplakette mit Hersteller-Logo und einer Seriennummer aufgedruckt. Der Aufdruck ist dunkelgrau auf metallenem Grund – der Kontrast ist also bei hoher Vergrößerung überschaubar. Beide Teleskope waren auf separaten Montierungen direkt nebeneinander aufgestellt, so dass man von einem zum anderen wechseln konnte. Gleichzeitig war dies auch der erste Einsatz des Bresser 900ers nach den Optimierungen.
Zunächst fiel mir auf, dass ich mit dem Bresser bei ca. 150fach kein richtig scharfes Bild mehr hinbekommen konnte – der Vixen hingegen zeigte nach kurzer Temperaturanpassung sehr schnell sein bekanntes, knackiges Bild, wie man es von einer Fluorit Optik gewohnt ist. Nachdem sich zunächst etwas Enttäuschung breit gemacht hatte viel mir auf, dass das Bild am Bresser in einigen, wenigen Momenten doch ganz manierlich durchblitzte #150; bis mir dann endlich das Licht aufging: schwarzer Tubus!
Natürlich wird dieser bei Sonnenschein wesentlich mehr aufgeheizt als der weiße Vixen-Tubus, der nahezu die komplette Strahlung reflektiert – selbst bei den Minusgraden… Ein Test durch Handauflegen machte dies auch überdeutlich – Vixen: eiskalt – Bresser: lauwarm. Tja was tun - jetzt wo schon alles draußen stand? Alufolie brachte hier die Lösung – einfach ein paar Bahnen um den schwarzen Tubus gewickelt und man konnte förmlich zusehen wie das Bild besser und besser wurde bis letztendlich kein Unterschied mehr sichtbar war.
Beide Optiken zeigten mit 4mm Okular bei 225fach ein absolut vergleichbares, sehr gutes Bild bei dem man in ruhigen Seeing-Momenten sowohl das Logo als auch die Seriennummer einwandfrei lesen konnte.
Auch bei anderen Objekten in der Umgebung konnte ich keinen Unterschied bzgl. der Bildqualität feststellen – die Optiken zeigten sich hier absolut ebenbürtig.
Sterntest – Der Vixen 920er FL ist hier sehr nahe an meiner Referenz (Tak FC-100N; f10; mit vermessener top Optik) - auch wenn er nicht vermessen wurden zeigt der Sterntest des Vixen intra- und extrafokal nahezu identische, schön ausgeprägte und gleichmäßige Ringmuster und ein perfektes Airyscheibchen - was auf eine sehr gute sphärische Korrektur schließen lässt. Schon bevor der Tubus ausgekühlt ist erkennt man das gleichmäßige Ringmuster beidseitig des Fokus – natürlich mit Artefakten aber trotzdem schon jetzt deutlich.
Der Bresser 900er schneidet hier nur minimal schlechter ab und ist ebenfalls auf sehr hohem Niveau.
Coma, Asti oder ander andere Fehler konnte ich bei beiden Optiken nicht ausmachen. Aufgrund der nur leichten Unterschiede stufe ich beide Teleskop als sehr gut ein. Man muss sich immer vor Augen halten, dass der Sterntest überaus empfindlich ist – am Himmel wird man hier keinen Unterschied wahrnehmen können aber dazu ja später mehr
Vergleich am Planeten – tjo der interessanteste Vergleich steht leider noch aus… Jupiter ist aktuell sehr früh dran – da bin ich meistens noch nicht einsatzbereit und wenn doch spielte das Wetter bisher leider nicht mit. Bin gespannt ob hier dann doch noch feine Unterschiede sichtbar werden!
Fazit (bisher):
- Bis jetzt schätze ich beide Optiken als absolut vergleichbar und sehr gut ein. Das Gerücht, dass die 900er generell die „besseren“ Optiken haben ist hier nicht nachvollziehbar. Hier ist meiner Meinung ausschließlich die Serienstreuung bei Vixen bzw. Canon/Optron dafür verantwortlich ob man eine sehr gute oder gar eine Ausnahme-Optik hat.
- Ein Unterschied der Brennweite ist feststellbar allerdings mit 6mm deutlich geringer als die Beschriftungen vermuten lassen.
- Bei Tages- bzw. Sonnen-Beobachtung ist insbesondere der weiße Tubus des Vixen ein Vorteil. Außer einer schicken Optik gibt es wohl keinerlei Vorteile eines schwarzen Tubus – weshalb ich mich frage warum man überhaupt auf die Idee kommt ein Teleskop schwarz zu lackieren. Wenn man nur nachts beobachtet dürfte das aber irrelevant sein.
- Die Mikro-Untersetzung des Bresser ist natürlich eine feine Sache und kann beim Vixen mit entsprechendem Aufwand genauso nachgerüstet werden – ich mag trotzdem lieber den original Auszug und habe lediglich die Handräder aus Plastik gegen selbstgedrehte aus Alu getauscht.
Häufiger zum Einsatz wird bei mir sicher der Bresser kommen. Da der Tubus schon ein paar Gebrauchsspuren hat muss ich auch nicht gar so sehr aufpassen und außerdem steht er als Schnellspechtelkanone direkt vor der Wohnzimmertür – allzeit bereit!
Sobald ich beide am Planeten vergleichen konnte werde ich das hier natürlich noch ergänzen. Außerdem werde ich die beiden auch nochmal gegen die Vixen ED-102SS Optik antreten lassen – wobei die Unterschiede aufgrund des schnelleren Öffnungsverhältnisses von f/6,5 hier deutlicher ausfallen dürften – mal sehen. Der erste Test des Vixen ED zeigt jedenfalls eine sehr, sehr gute spährische Korrektur die ebenbürtig zum Vixen FL sein dürfte.
Vielleicht meldet sich ja der ein oder andere Vixen, Bresser oder Celestron FL-Besitzer mit seinen Erfahrungen zu Wort wäre interessant.
Viele Grüße
cs
Christoph