Dynamax/Criterion 4000: Eine Liebesgeschichte

  • Liebe Klassikerfreunde,



    Ihr kennt das sicher auch. Manchmal kauft man einen Klassiker, weil man neugierig ist. Manchmal lernt man, dass es Gurken gibt, von denen man die zuvor gehoert hat. Auch diese bleiben in meiner Sammlung, ist ja auch ein Datenpunkt ... manchmal gibt es aber auch Spontankaeufe, die einem nach Erhalt besser und besser gefallen - und um so ein Geraet geht es hier. Deshalb sorry fuer den etwas schnulzigen Titel. [:)]


    Als Celestron um 1970 ein fuer Amateure bezahlbares Schmidt-Cassegrain-Teleskop herausbrachte, hatte dieses rasch einen Kultstatus und Celestron ein Monopol. Das rief natuerlich andere Firmen auf den Plan, die ein Stueck vom Kuchen abhaben wollten. Die bekannteste dieser Firmen ist MEADE, seit 1980 ersthafter Konkurrent zu Celestron und die beiden Firmen teilen den Markt untereinander auf wie Coca-Cola und Pepsi. Weniger bekannt ist, dass Criterion mit seinen Dynamax-Geraeten ebenfalls auf diesen Markt draengen wollte. Allerdings war diese Firma nicht so erfolgreich, weil die Qualitaet der Schmidtplatten doch stark schwankte. Das Unternehmen wurde vom Optikriesen Bausch&Lomb aufgekauft, die SCTs wurden schwarz mit Tuben im Feldstecherlook und nach ein paar Jahren war dann Schluss. In einer alten Sky&Telescope sah ich mal Isaac Asimov Werbung fuer das vierzoellige SCT machen, das Criterion 4000, um das es hier geht.


    Selber kenne ich Criterion nur von den einst aeusserst erfolgreichen Newtons. Das RV6, ein 152/1300mm-Instrument, war um 1970 quasi der Volkswagen unter den Amateurgeraeten. Selber habe ich 1989 solch ein Geraet als optischen Tubus gebraucht erworben und das knackscharfe Geraet schnell schaetzen gelernt.


    Vor zwei Wochen stoeberte ich bei Ebay UK herum, und ich gab mal aus Spass "Criterion" ein. Und siehe da, es gab eins - in der Spektivversion mit ein paar Okularen. Das Erstgebot war mit 99 Pfund sehr hoch und ich beobachtete es erstmal nur. Dann, einen Tag spaeter, hat mir die Ebaysoftware ein paar andere Angebote angezeigt. Darunter - und ich rieb mir unglaeubig die Augen - noch ein Criterion 4001, diesmal in der Gabel! Der Startpreis war sehr guenstig, und ich beobachtete die Auktion. Und letztendlich bekam ich das Geraet fuer nur zwei Pfund mehr als das Spektiv, das (nachdem niemand geboten hatte) in der Versenkung verschwand.


    Das Geraet ist ein 102mm-SCT mit Oeffnungsverhaeltnis 1:12. Es kommt in einer zeitgenoessischen Gabelmontierung mit Synchronmotorantrieb. Es ist mit Zenitprisma und zwei Okularen (A.S.P. 30mm, A.S.P. 18mm) ausgestattet. Ausserdem hat es einen 4x15-Sucher. Ob der wohl was taugt ?!


    Nun las ich ein bisschen in der Literatur. Dort hiess es von anderen Besitzern, dass das Modell mit dem frontseitig goldenen Ring um 1985 (Halleyzeit!) gefertigt wurde und - wie alle SCTs - in dieser Zeit einem enormen Verkaufsdruck ausgesetzt war, der die Qualitaetskontrolle alle Augen zudruecken liess. Angeblich sollen sogar Modelle mit planparalleler Frontglasscheibe statt Schmidtplatte ausgeliefert worden sein. Eine andere Quelle sagte dass die Wahrscheinlichkeit beim Gebrauchtkauf etwa so aussehe: 50% Gurkenrate, 25% so lala, 25% spitzenmaessig.


    Was hatte ich da nur gekauft ... ? Mich mit dem Gedanken troestend, dass eine Gurke ja auch ein Datenpunkt sei und ueberlegend, wie man eine Planscheibe mit Zonenpolitur in eine Schmidtplatte verwandeln koenne, wartete ich die Lieferung ab.


    Nun - was soll ich sagen. Das Geraet kam in einem Riesenpaket, eingewickelt in Unmengen von Knallfolie. Als ich es dann geschaelt hatte, fiel mein Blick auf ein absolut neuwertiges Instrument! Der Vorbesitzer hatte es in den 1980ern fuer 850 kanadische Dollar gekauft, spaeter kam er damit nach England. Den Motor (110V 60Hz) habe er nie benutzt und hauptsaechlich Mondfinsternisse damit beobachtet.


    Heute abend konnte ich es an der Venus testen - noch ohne Motor, da ich erst eine Polhoehenwiege bauen muss. Uebrigens sind Wandler von 12V Gleichstrom auf 110V 60Hz guenstig im Netz zu kaufen. Guenstig erhaeltliche Wandler von 235V auf 110V dagegen belassen die Frequenz gern auf 50Hz, was einem Radio oder Rasierapparat vielleicht egal ist, aber einen Synchronmotor zu langsam werden laesst.


    Das extrafokale Sternbild zeigte eine Fangspiegeldejustage, und beim Justieren merkte ich, dass selbiger sehr locker war. Bei terrestrischer Beobachtung einige Tage zuvor war mir das leicht matschige Bild bereits aufgefallen. Nachdem sich der Fangspiegel erstmal komplett dejustiert hatte, habe ich ihn wieder in die richtige Position gebracht. Venus zeigte die Phase, aber das Seeing liess alles blubbern. Bei diesigem Himmel habe ich dann einige Sterne getestet, und sie erscheinen als nadelscharfe Punkte, wobei sich im Defokus ein leichter Zonenfehler auf 90% bemerkbar machte. Ob dieser fuer den leichten Streulichthalo verantwortlich ist, wird sich bei einer Folgebeobachtung unter richtig klarem Himmel zeigen. Auf jeden Fall ist die Abbildung nicht schlecht und das Geraet scheint zu den oberen 25% zu gehoeren. Getestet habe ich mit den mitgelieferten Okularen und mit einem Speers-Waler bei 8mm (150x) und 5mm (240x). Die Liebesgeschichte hat also ein Happy-End!


    Hier nun ein paar Bilder des feinen Teils!



    Das Instrument in seiner Gabel, mit der Gummikappe entfernt. Die beiden mitgelieferten Okulare entsprechen dem damaligen Lieferumfang. Uebrigens sind die Gabelholme verkehrt herum montiert worden! Der "Feintrieb" mit dem Kronrad in Rektaszension befindet sich auf der dem Beobachter gegenueberliegenden Seite, und ich werde das wohl aendern. Ein zweites Gewindeloch fuer den Klemmhebel, der auf der gleichen Seite wie der Feintriebknopf sein kann, ist jedenfalls vorhanden.



    Die Gabelform ist dem Questar 3.5" nachempfunden. Auch gibt es viertelzoellige Stativgewindebohrungen, wo Stangen eingeschraubt werden konnten, die ein simples Tischstativ mit parallaktischer Neigung ergaben. Diese Beine waren allerdings bei mir nicht mehr dabei.



    Polposition - wie beim Questar ist die "Parkstellung" nach oben. Das Instrument laesst sich nicht wie beim C8 nach unten schauend in die Gabel einschwenken. Mit dem Loesen vierer Inbusschrauben kann das Geraet entgabelt werden, und der Schuh in der Mitte hat ein Stativgewinde fuer den Spektivmodus.



    Der 4x15-Sucher ist klein, aber in einer stabilen Metallhalterung. Auch ist er dank achromatischer Optik den gaengen 5x24-Modellen zeitgenoessischer (und neuer) Instrumente deutlich ueberlegen, da die Optik nicht auf ein paar mm Netto-Oeffnung abgeblendet wird.



    Das Zenitprisma ist mit einem Ueberwurf unbekannten Gewindes am Tubus befestigt. Sehr merkwuerdig ist der geringe Durchlass, der das Gesichtsfeld doch arg vignettierten sollte. Die Feldblenden der beigelegten Okulare sind allerdings noch etwas kleiner, sodass sich hier keine Vignette bemerkbar macht. Das ist definitiv kein Richfielder.


    Die Fokussierung erfolgt SCT-Typisch ueber den Hauptspiegel, wobei ich auch bei hohen Vergroesserungen kein Shifting feststellen konnte.



    Die Okulare haben aussenliegende Feldblenden und sie sind vom (mir voellig unbekannten) Typ A.S.P. - 30mm (40x) und 18mm (67x).



    Die Unterseite mit drei viertelzoelligen Gewindebohrungen und der Steckdose fuer die 110V 60Hz, die den Synchronmotor antreiben.



    Und das Typenschild - abermals, wie Celestron und Meade, ein Kalifornier!



    Die Schmidtplatte ist in einem braeunlich/gruenlichen Farbton verguetet. Die Optik macht speziell fuer ihr Alter einen absolut sauberen Eindruck.


  • Hallo Jürgen,
    schön, dass du ein brauchbares Gerät ersteigern könntest!
    Die Firma Dynamax kenne ich auch. Eine nordbayrische Volkssternwarte hatte vor Jahren ein 8 Zoll Dynamax Schmidt-Cassegrain. Das war aber so grottenschlecht,, dass es mir lange Zeit alle C 8 verleidet hatte. Wenn die auch alle so sind.......
    Mein Zeiss 50/540 zeigte ein besseres Jupiterbild.
    Wenn du jetzt schreibst, dass Dynamax anfangs Probleme mit der Qualität der Schmidtplatte hatte, wuerde dies die schlechte Qualitaet des genannten Gerätes erklären.
    Gruesse
    Andreas

  • Hi Andreas,



    ich habe vor etlichen Jahren mal fast ein Dynamax 8 gekauft (Problem war, nur Selbstabholer und ich habe kein Auto). Das hatte nach Verkaeuferangabe die zweite Schmidtplatte, weil die erste so schlecht gewesen sei. Es handelte sich noch um ein Dynamax/Criterion ohne Bausch&Lomb, und die Geraete waren von der Farbgebung in hellblau/dunkelblau gehalten - wie es ein Freund einmal ausdrueckte: Klosettfarben!


    Irgendwo im Netz habe ich den Hinweis gelesen, dass es damals patentrechtliche Streitereien zwischen Celestron und Criterion gegeben haben soll. Es ging um die Herstellmethode der Schmidtplatte. Vielleicht lag da der Hase im Pfeffer - dass Criterion eine andere Herstellmethode benutzen musste, die nicht so erfolgreich war. Das war in den 1970ern. Als 1980 Meade mit dem 2080 kam, ging es auf einmal. Wobei die Meade-Schmidtplatten damals auch nicht immer das Gelbe vom Ei waren, siehe mein Meade 2080-Artikel hier im Klassikerforum: Schlieren im Floatglas.


    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=203319

  • Hallo Jürgen,
    danke für den link. Ich habe mich köstlich amüsiert! Der eine Satz bringt es auf den Punkt:
    "I've seen plastic toy store refractors with better optics than this beast"
    Herrlich!
    Gruesse
    Andreas

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