Gravitationslinse macht entfernte Galaxie sichtbar

  • <b>Nie zuvor haben Astrophysiker derart energiereiches Licht von einem so weit entfernten Himmelsobjekt gemessen. Vor etwa 7 Milliarden Jahren ereignete sich eine gewaltige Explosion am schwarzen Loch im Zentrum einer Galaxie. Es folgte ein intensiver Gammastrahlen-Ausbruch. Verschiedenen Teleskopen, darunter auch MAGIC, gelang es dieses Licht einzufangen. Quasi nebenbei ließ sich damit Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erneut bestätigen: Denn auf ihrem Weg zur Erde trafen die Lichtstrahlen auf ein näher gelegene Galaxie – und wurden von dieser so genannten Gravitationslinse umgelenkt. </b>


    Bei dem Objekt QSO B0218+357 handelt es sich um einen Blazar, eine besondere Spezies eines Schwarzen Loches. Man geht heute davon aus, dass sich im Zentrum aller Galaxien ein superschweres Schwarzes Loch befindet. Schwarze Löcher, in die gerade Materie stürzt, nennt man aktiv. Sie stoßen dabei extrem helle Jets aus. Weisen diese Ausbrüche in Blickrichtung der Erde, spricht man von einem Blazar.


    Das jetzt in "Astronomy & Astrophysics" beschriebene Ereignis fand vor 7 Milliarden Jahren statt, als das Universum nicht einmal halb so alt war wie heute. "Entdeckt wurde der Blazar am 14. Juli 2014 zunächst vom Large Area Telescope (LAT) des Fermi-Satelliten", erläutert Razmik Mirzoyan, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecher der MAGIC-Kollaboration. "Sofort nahmen die auf der Erde stationierten Gammastrahlenteleskope den Blazar ins Visier, um mehr über das Objekt zu erfahren."


    Eines dieser Teleskope war MAGIC auf der Kanareninsel La Palma, das auf sehr energiereiche Gammastrahlen spezialisiert ist: Es kann Photonen – Lichtteilchen – einfangen, deren Energie 100 Milliarden mal größer ist die von der unserer Sonne ausgesandten und tausendfach größer als die von Fermi-LAT gemessenen. Allerdings hatten die MAGIC-Wissenschaftler zunächst Pech: Wegen Vollmond konnte das Teleskop in der fraglichen Zeit nicht in Betrieb gehen.



    Das Bild zeigt den Effekt der Gravitationslinse: Die MAGIC-Teleskope empfingen energiereiche Gamma-Photonen des Blazars QSO B0218+357, die von einer Galaxie abgelenkt worden waren. Bild: MAGIC-Kollaboration


    Elf Tage später erhielt MAGIC jedoch eine zweite Chance. Denn die von QSO B0218+357 freigesetzten Gammastrahlen gelangten nicht nur auf direktem Weg zur Erde: Eine Milliarde Jahre nach ihrem Aufbruch erreichten sie die Galaxie B0218+357G. Dort kam Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie ins Spiel. Sie besagt, dass eine große Masse im Universum, zum Beispiel eine Galaxie, Licht eines dahinter liegenden Objekt ablenkt. Außerdem wird das Licht wie in einer gigantischen optischen Linse gebündelt – einem entfernten Beobachter erscheint das Objekt viel heller, aber auch verzerrt. Außerdem passieren die Lichtstrahlen die Linse je nach Blickwinkel unterschiedlich schnell.


    Diese Gravitationslinse war der Grund, das MAGIC QSO B0218+357 – und damit das weiteste Objekt im hochenergetischen Gammastrahlenspektrum – doch noch messen konnte. "Von Beobachtungen von Fermi und Radioteleskopen im Jahr 2012 wussten wir, dass die Photonen, die den längeren Weg nahmen, 11 Tage später ankommen würden", sagt Julian Sitarek von der Universität #321;ódz in Polen, der die Studie geleitet hat. "So konnten wir das erste Mal beobachten, dass hochenergetische Photonen von einer Gravitationslinse abgelenkt werden."


    Dass energiereiche Gammastrahlen eines entfernten Himmelskörpers die Erdatmosphäre erreichen, ist alles andere als selbstverständlich. Das Weltall ist angefüllt mit niedrig-Energie-Photonen, die von Galaxien und Sternen stammen. "Viele Gammastrahlen gehen verloren, wenn sie mit diesen Photonen wechselwirken", so Mirzoyan. "Mit der MAGIC-Beobachtung hat sich der Bereich des Universums, den wir mit Gammastrahlen erschließen können, verdoppelt."


    Die Tatsache, dass das Licht zum berechneten Zeitpunkt auf der Erde ankam, könnte einige Theorien über die Struktur des Vakuums ins Wanken bringen – allerdings sind dafür weitere Untersuchungen erforderlich. "Derzeit verweist die Beobachtung auf neue Möglichkeiten für Hochenergie-Gammastrahlen-Observatorien – und setzt ein Ausrufezeichen für die nächste Generation von Teleskopen im CTA-Projekt", resümiert Mirzoyan.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPP unter https://www.mpp.mpg.de/aktuell…d38dd3a3bd1259b50a3653f2/

  • Hallo Caro,
    Citat: "Viele Gammastrahlen gehen verloren, wenn sie mit diesen Photonen wechselwirken"


    Photonen wechselwirken doch nicht miteinander. Photonen auf ihrem Weg durch den Raum sind Wellen und Wellen können sich überlagern, aber können Gammastrahlen wirklich mit z.B. Radiowellen wechselwirken und verschwinden?
    Was Gammastrahlen dagegen effektiv absorbiert, ist doch Materie im Raum.
    Oder hab ich da was falsch verstanden?
    Gruß Hans

  • Hi Hans,


    doch, klar wechselwirken Photonen miteinander! Vielleicht der einfachste Weg das zu verstehen ist, dass grundsätzlich physikalische Prozesse auf Teilchenebene umkehrbar sind. Elektron und Positron können zu 2 Photonen wechselwirken. Bei passenden Energien bzw. passender Kinematik geht das also auch umgedreht, 2 Photonen werden zu einem Elektron-/Positron-Paar. Genau das begegnet uns in der Gammaastronomie. Ein hochenergetisches Photon wechselwirkt mit einem niederenergetischen aus dem extragalaktischen Hintergrundlicht (von Sternen oder warmem Staub z.B.). Dadurch geht für den Beobachter auf der Erde das hochenergetische Photon verloren...


    Viele Grüsse,
    Dominik (der übrigens im Kontrollraum saß als die Daten aus der Pressemitteilung aufgenommen wurden)

  • Hallo Dominik,


    über einen Punkt bin ich gestolpert, da steht zu lesen: <i>Vollmond verhindert ersten MAGIC-Einsatz</i>


    Das für visuelle Beobachtungen der Vollmond stört ist mir ja klar, aber das auch Beobachtungen im Bereich der energiereichen Gammastrahlen stört hat mich verblüfft. <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dominik (der übrigens im Kontrollraum saß als die Daten aus der Pressemitteilung aufgenommen wurden)<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Sitzt du da ständig auf LaPalma herum? Dann hättest du ja für "mal selber gucken" für ein eigenes Teleskop einen prima Platz. [:)]


    Gruß
    Stefan

  • Dominik,
    da stelle ich mir folgende Frage:
    Durch die Raumdehnung wird die Energie eines jeden Photons ja kontinuierlich gesenkt (rotverschoben). Für bestimmte Quantenmechanische Prozesse (z.B. Positron/Elektron Annhilierung bzw. dessen Umkehr) sind ganz bestimmte Energiebeträge notwendig. Dann könnte es doch "Zonen" im Kosmos geben, bei der die Rotverschiebung genau das Ausmaß hat, dass dies energetisch passt. U.U. in Wechselwirkung mit anderen Photonenquellen. Quasi Resonanzzonen.


    Gibt es diesbezügliche Überlegungen? Oder ist das vielleicht nur ein Hirngespinst von mir?


    Gruß

  • Danke Dominik,
    dann war ja alles klar. Was ich nicht wußte, war, daß der Teilchencharakter sich nicht nur im Zusammenhang mit Materie bemerkbar macht.


    "Bei passenden Energien bzw. passender Kinematik geht das also auch umgedreht"!
    Das muß aber doch ein ganz seltener Vorgang sein, sonst würde ja hier nichts "vernünftiges" mehr ankommen.
    Weiß man wie selten?
    Hans

  • Hallo Stefan,


    die MAGIC Teleskope registrieren die Gammastrahlung nicht direkt (das ginge auch nicht, die Erdatmosphäre ist nicht durchsichtig für Gammastrahlung, diese wird durch...Paarerzeugung in der Luft absorbiert!), sondern sie detektieren die Cherenkovblitze der Sekundärteilchen. Das ist optisches und nah-ultraviolettes Licht. Die lichtempfindlichen Elemente sind PMTs (die Cherenkovblitze sind nur ns lang, CCDs daher viel zu langsam). PMTs sind leider sehr empfindlich gegen zu große Nachthimmelshelligkeit, daher wird bei Vollmond tatsächlich nicht beobachtet.



    Hallo Kalle,


    hier treffen ja Photonen aus 2 kontinuierlichen Spektren (power laws im Falle der Gammaquellen, und Planck im Falle der thermischen vis/IR Photonen) aufeinander. Es "finden sich" daher immer passende Partner. Anders wäre das eventuell wenn eine der beiden Populationen scharfe Linien hätte. Gibt es im Standardmodell bei TeV-Energien aber überhaupt nicht, und das Sternlicht ist ja bekanntermaßen ebenfalls breitbandig...


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • Hallo Hans,


    das kann man natürlich genau ausrechnen! Ganz allgemein (und vereinfacht) kann man sagen, dass das Produkt aus den beiden Photonergien in etwa das Quadrat der e+/e- Masse-Summe, also 1 TeV^2, ergeben muss. Faktoren O(1) mal vernachlässigt. MAGIC beobachtet just im Bereich 30GeV...30TeV, also sag bei TeV. Und die Sterne sind just 1eV heiss. Fiese Sache ;). Bei einem TeV wird optische Tiefe eins bereits bei einer Rotverschiebung von 0,1 erreicht. Das ist gar nicht viel!


    Für die oben beschriebene Beobachtung war also sehr wichtig, dass MAGIC auch bei wirklich viel niedrigeren Energien (~100GeV) gute Empfindlichkeit hat. Da Sterne nicht beliebig heiss werden, wird das Universum da langsam durchsichtig!


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • Hallo Fachleute,
    der letzte Absatz irritiert mich:
    Die Tatsache, dass das Licht zum berechneten Zeitpunkt auf der Erde ankam, könnte einige Theorien über die Struktur des Vakuums ins Wanken bringen – allerdings sind dafür weitere Untersuchungen erforderlich.
    Zum einen verhält sich das Licht also offensichtlich so, wie man erwartet hat und berechnen konnte, zum anderen könnte das dann etwas über den Haufen werfen.
    Wenn ich da zwischen den Zeilen lese, dann freue ich mich schon auf die "weiteren Untersuchungen". Vielleicht können wir dann ja auf das ein oder andere "Dunkelwort" verzichten, oder es kommen ganz neue Worte hinzu, darauf freue ich mich.
    Viele Grüße,
    ralf

  • Hi ralf,


    gemeint sind "alternative" Theorien, also sprich solche die eine Abweichung von exakter Achromatizität (das ist die Vorhersage der ART!) verursachen würden. Eine solche Abweichung hat man auch hier nicht gemessen, was den "Lebensraum" dieser Alternativen gegenüber der ART weiter einschränkt.


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • Ach so, ja logisch, jetzt verstehe ich.
    Mir war gar nicht bewusst, dass sich da so viel "Getier" herumtummelt.
    Um deinen Platz im Kontrollraum beneide ich dich. War dir zu diesem Zeitpunkt klar was da passierte? Oder habt ihr nur ungewöhnliche Signale aufgezeichnet die später zu einem "Bild" wurden?
    das nur so am Rande.
    Viele Grüße,
    ralf

  • Hi ralf,


    ich war nicht auf Beobachtungsschicht, sondern eigentlich mit einer Schülergruppe am Observatorium. Nachdem die Schüler aber im Bett waren, blieben Kollegen und ich noch, um der Crew Gesellschaft zu leisten. Die Beobachtungen waren ja genau so geplant, um zu schauen ob man das Gravitationslinsen - "Echo" sehen würde. Es war aber auf jeden Fall ein sehr erfreulicher Moment, als wir in der online-Analyse sahen, dass da wirklich was ist. Ist nun natürlich auch keine weltverändernde Entdeckung oder so, aber war für mich einer der ganz wenigen Fälle wo man sofort (und nicht erst nach Wochen) sieht, dass da grade was interessantes passiert.


    Viele Grüsse,
    DK

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