Cygnus Arc, Westerhout 80, Nordamerika & Pelikan

  • Hallo,


    Es gibt einige Gross-Objekte im Schwan mit einem Kaliber von 3 Grad Winkelausdehnung und mehr. Am bekanntesten ist wohl der Cirrus-Nebel mit seinen drei Teilen: Knochenhand, Pickering's Triangle, Sturmvogel. Weniger bekannt ist der "Fisch auf dem Teller" (Barnard 144, siehe hierzu den aktuellen Thread "Exoten in Cygnus-Wolke"). Noch weniger bekannt ist Westerhout 80.


    Was, <b>Westerhout 80</b> kennt Ihr nicht? Doch, doch: das ist der <b>Nordamerikanebel plus Pelikannebel</b>! Nordamerika und Pelikan sind nur Teile eines einzigen Emissionsnebels, genau wie der Knochenhand und der Sturmvogel Teile eines Ganzen sind. Die Mitte von W80 wird vom <b>Dunkelnebel LDN 935</b> verdeckt. Hinter LDN 935, etwa in der Bucht von Mexiko, liegt die Ionisierungsquelle, welche das Ganze zum Leuchten bringt.


    Gestern Nacht, nach wunderbaren Beobachtungen des Cirrus-Nebels sowie des Fisches auf dem Teller, dachte ich, ich schaue mal, was in Westerhout 80 geht. Ich verwendete ein 5"-Doppelrefraktor bei 26-fach (2,8° GF, 4,8mm AP), in einem Okular war ein UHC-S Filter, im anderen ein O-III Filter.


    Der Pelikan prangte in voller Größe, was eine sehr gute Durchsicht an meinem Standort bedeutet. Dann kam die große Überraschung: mehr als ein Grad südlich entfernt vom Pelikan glomm ein Nebelbogen über anderthalb Grad Länge, mit einem Krümmungsradius der etwa zur Mitte von Nordamerika/Pelikan wies! Mit zitternden Händen blätterte ich im Interstellarum Deep Sky Atlas nach. Und tatsächlich: genau dort ist der <b>Cygnus Arc IC 5068</b> gezeigt. Kartiert werden drei Verdichtungen im Arc. Davon war der östliche mit Abstand am Deutlichsten zu sehen, insgesamt verschmolzen die drei zu einem Bogen.


    Weitfeld-Fotos zeigen, daß der Arc der Rand des Gesamtnebels ist. Mit diesem Cygnus-Bogen wird Westerhout 80 für mich zu einem einzigen Ganzen. LDN 935 ist das Trennende, der Cygnus Arc das Verbindende.


    Ihr habt sicher alle Eure Aha-Erlebnisse in dieser fantastischen, nun schon 5 Nächte andauernden Schönwetterkatastrophe gehabt. Für mich war es dieser Cygnus Arc. Es ist schon eine besondere Freude, etwas zu entdecken, ohne es überhaupt gesucht oder von desser Existenz gewusst zu haben.


    Schöne Grüße, Christopher

  • Lieber Christopher,


    Westerhout 80 habe ich noch nie gehört oder davon gelesen. Bis jetzt. Ich musste gleich im Atlas und auf dem DSS-Bild nachschauen. Danke für den Hinweis.


    Wenn ich das nächste Mal wieder mit meinem 120er f/5 Refraktor in dunklen Gefilden unterwegs bin, werde ich mir diese Gegend vielleicht mal anschauen. Evtl. könnte auch ein Fernglas mit vorgehaltenem Nebelfilter Sinn machen. Versuch macht klug [:)]


    Viele Grüße,
    Robert

  • Hallo Christopher,


    den gesamten Komplex habe ich gestern mal in allen Variationen durchgespielt und dabei verstärkt auf den <font color="orange">Cygnus Arc IC 5068</font id="orange"> geachtet.


    Mit <b>12,5"</b> und OIII waren die drei im DSA vermerkten Nebelteile schwach angedeutet sichtbar, wobei der westliche der drei eingezeichneten Cygnus Arc-Nebelteile am deutlichsten wurde.


    Mit <b>4"</b> und verschiedenen Filtern konnte ich nichts erkennen.


    Im <b>8x40 Fernglas</b> zwar auch nicht, aber - und jetzt kommt das Erstaunlichste dieser Nacht - der gesamte Komplex macht mit den zwei Filtern (2"-UHC und OIII, die perfekt vor die Öffnungen passten) einen ganz anderen Eindruck! Der Nordamerkia-Nebel ist als solcher nicht mehr charakteristisch erkennbar, sondern der östliche Teil des Gesamtkomplexes zieht sich wie ein Bogen, der zu einer großen Blase gehört, die bei dem südlichen Cygnus Arc weiterführen würde. Diesen südlichen Nebelbogen habe ich aber nicht sicher erkennen können.
    Dafür war der Pelikan als schwache diffuse Aufhellung zwischen den beiden hellen den Nebel einrahmenden Sternen erkennbar.


    Der Blick durchs Fernglas zwei verschiedenen Filtern gleichzeitig war sehr überraschend ... eindrucksvoll. Das macht Lust auf mehr. Ich hoffe, das Ganze mal bei Thomas und seinem 6"-Bino beim HTT mit größerer Öffnung nachvollziehen zu können. Thomas, Du kommst doch, oder?


    Diesem Thread würde eine tiefe Weitfeldaufnahme zu dieser Region gut tun, die ja von verschiedensten Nebelschwaden durchzogen scheint. Vielleicht kann ja jemand ein solches Bild hier einstellen.


    Viele Grüße


    Rene

  • Hallo miteinander,


    den Cygnus Arc IC 5068 hatten wir in der klaren Nacht Sa/So am BTM (Bericht folgt) auch in Ralph's 4-Zoll Bino Refraktor drin, ich glaube mit UHC-Filter - Christopher war ja mit dabei :). Da war für mich auch, wie Rene schon sagt, der westliche Teil recht deutlich zu erkennen - mit "Von-der-Rückseite-aus-umdenken", weil Ralph in seinem Bino ja Zenitspiegel (d.h. spiegelverkehrte Bilder im Okular) verwendet ;-).


    Servus
    Ben

  • Tobias Knesch hat mir erlaubt, seine wunderbare H-Alpha-Aufnahme hier einzufügen. Sie demonstriert sehr schön das komplexe Nebelgeschehen in dieser Region.



    Was mich hieran besonders beeindruckt ist die Art, wie die Dunkelnebel wie mit einem Pinsel gezogen sich nach unten rechts über die Emissionsnebel legen. Überhaupt sind die Dunkelnebel fantastisch detailliert herausgearbeitet - hineinzoomen lohnt!


    Der lange Bogen - Cygnus Arc - ein ganzes Stück unterhalb des Pelikans ist von diesen Dunkelnebeln in 3 Teile getrennt. Von links nach rechts (Osten nach Westen) heissen diese: IC 5068C, IC 5068, IC 5068B.


    Alle Beobachtungsberichte, die ich gelesen habe, sagen, IC 5068C sei der schwächste Teil. Auch Tobias' Bild belegt dies.
    Ich könnte aber schwören, dass ich sowohl im heimischen Garten in meinem 5-Zoll-Doppelrefraktor als auch auf dem BTM 2016 in Ralph's 4-Zoll-Doppelrefraktor IC 5068C deutlicher sah als die anderen Teile des Bogens. Der Sache will ich unbedingt bei nächster Gelegenheit nachgehen!


    Beste Grüße, Christopher

  • Hallo Christopher,


    bin über Deinen Beitrag vom letzten Jahr gestolpert - ich hatte jetzt diese Woche auch mal das Vergnügen, den Cygnus Arc kennenzulernen:


    Standort: Cret du Chatillon, französische Voralpen, 1650 m
    Bedingungen: mit dem 6" f/5-Newton bei 20x und UHC-Filter ist der Nordamerikanebel auffallend hell, der ganze Pelikan deutlich sichtbar.
    Beobachtung: Der westliche Teil des Cygnus Arc ist am deutlichsten sichtbar und indirekt einfach zu finden. Meines Erachtens liegt es nicht nur an der Flächenhelligkeit, sondern auch daran, dass es im westlichen Teil nur wenig Sterne hat, von denen sich der Nebel abheben müsste. Den Rest des Bogens fand ich aus diesem Grund etwas schwieriger, aber mit etwas Geduld war der Bogen in etwa auf der im Deep Sky Atlas eingezeichneten Länge zu erkennen.


    Es geht also auch mit dem einfachen Urlaubsreiseteleskop - ein Doppelrefraktor wäre auch schön, aber dann müsste ich Teile des Gepäcks oder der Familie zu Hause lassen :)


    Und wer in der Gegend unterwegs ist, sollte auch mal einen Blick auf Sharpless 2-119 ein bisschen weiter östlich werfen - der kam mir eher einfacher vor als der Cygnus Arc, eher vergleichbar mit dem Pelikannebel. Als ich dann gerade angefangen hatte, die ganzen hellen und dunklen Nebel in der Mitte des Schwans aufzudröseln, sind leider Wolken aufgezogen. Schade, ich hätte noch lange weitermachen können. Ein dunkler Himmel und ein Teleskop mit einem großen Feld sind schon was Feines :)


    Viele Grüße und weiter viel Spaß bei den Weitfeldbeobachtungen,


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Lieber Holger,


    vielen Dank für Deinen Bericht. An Sharpless 2-119 habe ich mich nie versucht. Wenn er mit dem Pelikannebel vergleichbar ist, dann lohnt sich der allemal, auch in meinen nur mittleren Öffnungen. Auch "68-Cygni-Nebel" genannt, ist Sh 2-119 auf Fotos auffallend und gross. Der Interstellarum Deep Sky Atlas zeigt ihn als mit 8 Zoll zugänglich, und kartiert den hellsten, östlichen Teil. Der Nebel ist auf Fotos um ein Vielfaches größer als diesen kartierten Teil. Dein Bericht zeigt, dass er mit 6 Zoll zugänglich ist.


    Der Atlas empfiehlt H-Beta für Sh 2-119 - auch dies ist interessant für mich, denn ich schliesse aktuell die H-Beta-Filter immer mehr ins Herz. Die oft gelesene Behauptung, sie seien nur mit grossen Öffnungen sinnvoll, ist absoluter Quatsch. Im Schwan bleibend: diese Woche konnte ich im 5-Zöller vier Teile des grossen Nebels IC 1318 um Sadr über ein Areal von 4 mal 4 Grad sehen, und alle waren mit H-Beta deutlicher als mit UHC.


    Beste Grüße, Christopher

  • Hallo Christopher,


    hab Deine Antwort erst jetzt gesehen - vielen Dank.
    Die Nebel um Sadr hatte ich mir am gleichen Abend nach Sh 2-119 noch angeschaut. Für den H-Beta-Filter war wegen aufziehender Wolken leider keine Zeit mehr, aber auch mit dem UHC war die ganze Gegend sehr plastisch, inbesondere die Dunkelwolke, die IC 1318 teilt. Werde mir Deinen Tipp aber mal merken!


    Ich stimme Dir jedenfalls voll zu, dass der H-Beta auch bei kleinen Öffnungen sinnvoll ist, da gibt es auch eine Menge Objekte. Allerdings brauchen sie einen guten Himmel, den hat nicht jeder.


    Viele Grüße


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

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