Die schreckliche Schönheit der Medusa

  • <b>Astronomen haben mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile das bisher detailgetreueste Bild vom Medusa-Nebel eingefangen, das je aufgenommen wurde. Als der Stern im Herzen dieses Nebels altersschwach wurde, hat er seine äußeren Schichten abgestoßen, aus denen sich diese farbenfrohe Wolke bildete. Das Bild lässt erahnen, welches endgültige Schicksal die Sonne einmal ereilen wird: Irgendwann wird aus ihr ebenfalls ein Objekt dieser Art werden.</b>


    Dieser wunderschöne Planetarische Nebel ist nach einer schrecklichen Kreatur aus der griechischen Mythologie benannt – der Gorgone Medusa. Er trägt auch die Bezeichnung Sharpless 2-274 und befindet sich im Sternbild Zwilling. Der Medusa-Nebel erstreckt sich über schätzungsweise vier Lichtjahre und liegt in etwa 1500 Lichtjahre Entfernung. Trotz seiner Größe ist er extrem lichtschwach und schwer zu beobachten.


    Medusa war eine abscheuliche Kreatur mit Schlangen auf dem Kopf anstelle von Haaren. Diese Schlangen werden in diesem Nebel durch die sich windenden Filamente aus leuchtendem Gas dargestellt. Das rote Leuchten des Wasserstoffs und die leuchtschwächere grüne Emission des Sauerstoffgases fügen sich gut hinter dieser Gestalt ein, indem sie einen sichelförmigen Schatten im Himmel bilden. In dieser Phase der Entwicklung von Sternen findet der Auswurf von Materie häufig stoßweise statt, was zu wahrlich faszinierenden Strukturen innerhalb des Planetarischen Nebels führen kann.



    RGB-Aufnahme (eigentlich: BVR) des Medusa-Nebels, verstärkt mit H alpha und O III. Bild: ESO


    Über Zehntausende von Jahren hinweg sind die Sterne im Zentrum Planetarischer Nebel von diesen faszinierenden farbenfrohen Wolken aus Gas umgeben [1]. Innerhalb der darauffolgenden Jahrtausende verteilt sich das Gas langsam in der Umgebung. Dies stellt die letzte Phase im Sterbeprozess eines sonnenähnlichen Sterns dar, bevor er letztlich als Weißer Zwerg seine Aktivität einstellt. Die Phase des Planetarischen Nebels nimmt im Leben eines Sterns nur einen kleinen Bruchteil seiner gesamten Lebenszeit ein – genauso wie die Zeit, die ein Kind dafür benötigt, eine Seifenblase wegzupusten und dabei zuzuschauen, wie sie davonfliegt, nur ein kurzer Augenblick verglichen mit der kompletten Lebensdauer eines Menschen ist.


    Harte ultraviolette Strahlung des sehr heißen Sterns im Zentrum des Nebels bewirkt, dass die Atome in dem sich nach außen bewegenden Gas ihre Elektronen verlieren, also ionisiert werden. Anhand der charakteristischen Farben des leuchtenden Gases können solche Objekte identifiziert werden. Insbesondere dient das Vorhandensein des grün leuchtenden zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] als Hilfsmittel, um Planetarische Nebel ausfindig zu machen. Mit entsprechenden Filtern können Astronomen die Strahlung des leuchtenden Gases isolieren und die lichtschwachen Nebel vor dem schwarzen Hintergrund deutlicher hervortreten lassen.


    Als die grüne [O III]-Emission der Nebel zum ersten Mal beobachtet wurde, dachten Astronomen, sie hätten ein neues Element entdeckt und gaben ihm den Namen Nebulium. Erst später realisierten sie, dass es sich dabei einfach nur um eine seltene Wellenlänge der Strahlung [2] einer ionisierten Form des bekannten Elements Sauerstoff handelt.


    Der Nebel wird auch als Abell 21 bezeichnet (formeller PN A66 21); nach dem US-amerikanischen Astronomen George O. Abell, der dieses Objekt 1955 entdeckt hat. Einige Zeit lang diskutierten Wissenschaftler darüber, ob es sich bei der Wolke um den Überrest einer Supernova-Explosion handeln könnte. In den 1970er Jahren waren Forscher dann allerdings in der Lage, die Bewegung und andere Eigenschaften der Materie in der Wolke zu messen und konnten sie dadurch eindeutig als Planetarischen Nebel identifizieren [3].


    Dieses Bild wurde mit dem FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph (FORS)-Instrument aufgenommen, das am VLT angeschlossen ist. Die Daten selbst wurden im Rahmen des Cosmic Gems-Programms der ESO gewonnen [4].


    Endnoten


    [1] Entgegen der Erwartung handelt es sich bei dem hellen Stern im Zentrum des Bildes nicht um den das zentrale Objekt des Medusa-Nebels, sondern nur um einen Stern im Vordergrund namens TYC 776-1339-1. Medusas zentraler Stern ist ein leuchtschwächerer, bläulicher Stern, der sich außerhalb der Mitte des sichelförmigen Schattens im rechten Teil des Bildes befindet.


    [2] Diese Art Strahlung ist selten, da sie durch einen verbotenen Übergang entsteht – Übergänge, die durch quantenmechanische Auswahlregeln verboten sind, aber dennoch mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auftreten können. Die Bezeichnung [O III] bedeutet, dass es sich bei der Strahlung um verbotene (eckige Klammern) Emission des zweifach ionisierten (daher III) Sauerstoffs (O) handelt.


    [3] Die Expansionsgeschwindigkeit der Wolke beträgt etwa 50 Kilometer/Sekunde – viel geringer als man für einen Supernova-Überrest erwarten würde.


    [4] Das ESO Cosmic Gems-Programm (wörtlich „kosmische Edelsteine“) ist eine ESO-Initiative zur Erstellung von astronomischen Aufnahmen für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Programm nutzt hauptsächlich Zeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen wissenschaftlicher Beobachtungsarbeit genügt, um Bilder von interessanten, faszinierenden oder von Himmelsobjekten anzufertigen, die einfach schön anzusehen sind. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO für jedermann zugänglich. Auch professionelle Astronomen können sie für ihre Zwecke nutzen.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten des ESO Science Outreach Network unter http://www.eso.org/public/germany/news/eso1520/

  • Hallo Caro,


    danke für diesen interessanten Beitrag [:)]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"> Insbesondere dient das Vorhandensein des grün leuchtenden zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] als Hilfsmittel, um Planetarische Nebel ausfindig zu machen. Mit entsprechenden Filtern können Astronomen die Strahlung des leuchtenden Gases isolieren und die lichtschwachen Nebel vor dem schwarzen Hintergrund deutlicher hervortreten lassen. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Und wie ! Im Fernrohr geht beim Medusa-Nebel ohne Filter (fast) gar nichts, ein OIII-Filter bewirkt aber wahre Wunder: Der Kontrast wird drastisch gesteigert, und wie von Zauberhand zeigt dann schon der 5-Zöller (bei guten Bedingungen) sehr deutlich die charakteristische sichelartige Form. Da gibt es ja eine ganze Reihe planetaricher Nebel, die - meist aber deutlich lichtschwächer - ähnlich empfänglich für den OIII-Filter sind, z.B. Jones 1 und Jones-Emberson 1, und viele Objekte aus dem Abellkatalog.


    Servus
    Ben

  • Hallo Ben,


    letzten Endes ist das ja die Natur der Dinge. Das Gas in den abgestoßenen Hüllen alter Sterne ist so dünn, daß es nur durch UV-Strahlung anregbar ist und dann Emissionslinien zeigt. Welche dominieren, ist letztlich auch eine Temperaturfrage: Um O III anzuregen (oder besser gesagt überhaupt erstmal in den entsprechenden Ionisationszustand zu bringen), braucht es energiereichere Strahlung als zum Beispiel bei H beta. Und gerade bei PNs kommt das recht gut hin, wenn die Weißen Zwerge noch relativ jung und heiß sind.


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Caro,


    da fällt mir ein absoluter Spezialist zu diesem Thema ein. Welche Nebel am besten mit dem OIII-Filter, welche mit dem Zwischenfilter UHC (der u.a sowohl OIII als auch H-Beta durchlässt), und welche mit dem H-Beta Filter am besten zu erkennen sind - dafür nennt Reiner Vogel auf seiner tollen Homepage zahlreiche Beispiele:


    http://www.reinervogel.net/


    Mit vielen interessanten Objektbeschreibungen, und gerade beim Sharpless Katalog sind auch viele H-Beta affine Nebel enthalten.


    Servus
    Ben

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