Entdeckung des ersten Quasar-Quartetts

  • <b>Mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii haben Astronomen unter Leitung von Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie das erste Quasar-Quartett entdeckt: vier seltene aktive Schwarze Löcher in direkter Nachbarschaft zueinander. Das Quartett befindet sich in einer der massereichsten Strukturen, die je im fernen Universum nachgewiesen wurden, und ist von einem Nebel aus kaltem Gas umgeben. Handelt es sich nicht um eine Zufallsentdeckung, Wahrscheinlichkeit eins zu zehn Millionen, müssten die Kosmologen ihre Modelle der Entwicklung der Quasare und der großräumigen kosmischen Strukturen noch einmal überdenken. </b>


    Im Lotto zu gewinnen ist unwahrscheinlich genug. Aber wer vier Mal hintereinander im Lotto gewinnt, wird sich vermutlich fragen, ob das noch mit rechten Dingen zugeht. In genau dieser Situation befindet sich ein Team von Astronomen unter der Leitung von Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Die Wissenschaftler entdeckten das erste bekannte Quasar-Quartett: vier Quasare, jeder für sich genommen bereits ein äußerst seltenes Objekt, in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander.


    Quasare sind eine vergleichsweise kurze Phase in der Galaxienentwicklung, angetrieben vom Einfall von Materie auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie. Während dieser Phase gehört der Galaxienkern zu den hellsten Objekten im Universum überhaupt – er sendet mehr als hundert Mal mehr Licht aus als der gesamte Rest der Galaxie mit seinen immerhin bis zu hunderten von Milliarden von Sternen. Weil Quasare so selten ist, liegen die bekannten Exemplare weit voneinander entfernt, mit typischen Abständen von einigen hunderten Millionen von Lichtjahren. Die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall ein Quasar-Quartett zu finden, schätzen die Forscher auf eins zu zehn Millionen.



    Bild der Raumregion, in der sich das seltene Quasar-Quartett befindet. Die Positionen der vier Quasare sind durch Pfeile angezeigt. Der Nebel, in den die Quasare eingebettet sind, ist als bläuliches durchscheinendes Gebilde zu sehen. Er hat eine Ausdehnung von rund einer Million Lichtjahren. Quasar und Nebel sind so weit von uns entfernt, dass ihr Licht fast 10 Milliarden Jahre benötigt hat, um Teleskope auf der Erde zu erreichen. Das Falschfarbenbild basiert auf Beobachtungen mit dem 10-Meter-Keck-Teleskop auf dem Gipfel des Maunakea in Hawaii. Bild: Arrigoni-Battaia & Hennawi / MPIA


    Wie kam es trotz der geringen Wahrscheinlichkeit zu dieser Entdeckung? Hier dürften die besonderen Eigenschaften der Raumregion ins Spiel kommen, in der die Quasare gefunden wurde. Sie sind in einen sogenannten Lyman-#945; -Nebel eingebettet, eine gigantische Wolke von kühlem, vergleichsweise dichten Wasserstoffgas, die durch die Strahlung der Quasare selbst zum Leuchten angeregt wird – Hennawi und Kollegen tauften dieses Gebilde den „Jackpot-Nebel“, nachdem sie die vier Quasare gefunden hatten. Außerdem enthält die betreffende Raumregion besonders viel Materie. J. Xavier Prochaska von der University of California Santa Cruz, Hauptantragsteller bei den Beobachtungen mit dem Keck-Teleskop, die zur Entdeckung führten, sagt: "Diese Raumregion enthält mehrere hundert Mal so viele Galaxien, wie man in dieser Distanz erwarten würde."


    Mit dieser ungewöhnlich großen Zahl an Galaxien ähnelt das System den Galaxienhaufen, in denen im heutigen Universum bis zu tausend Galaxien zusammengeschlossen sein können. Allerdings ist die Raumregion soweit von uns entfernt, dass ihr Licht mehr als 10 Milliarden Jahre benötigt hat, um uns zu erreichen. Das Bild zeigt uns diese Region daher so, wie sie vor mehr als 10 Milliarden Jahren aussah, weniger als 4 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Es handelt sich demnach um einen Proto-Galaxienhaufen, Vorläufer eines der massereichsten Galaxienhaufen im heutigen Universum.


    Bei ihren Versuchen, ihren unwahrscheinlichen Zufallsfund zu verstehen, versuchten die Astronomen, alle diese ungewöhnlichen Eigenschaften miteinzubeziehen. Hennawi erklärt: "Wenn man etwas entdeckt, das dem heutigen Wissensstand nach extrem unwahrscheinlich ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hatte einfach nur gewaltiges Glück, oder es ist Zeit, die gängigen Theorien noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen." Die Forscher vermuten, dass es physikalische Prozesse gibt, die die Bildung von Quasaren unter bestimmten kosmischen Umweltbedingungen stark begünstigen. Zahlreiche theoretische Modelle sagen vorher, dass Quasar-Aktivität ausgelöst werden sollte, wenn Galaxien zusammenstoßen und miteinander verschmelzen; solche gewaltsamen Wechselwirkungen, so die Argumentation, könnten höchst effektiv Gas in das zentrale Schwarze Loch umlenken. Derartige Zusammenstöße sollten in einem dichten Protohaufen voller Galaxien deutlich wahrscheinlicher sein als anderswo – analog dazu, dass es auf einem überfüllten Marktplatz ungleich wahrscheinlicher ist, von einem anderen Menschen angerempelt zu werden, als auf einem menschenleeren Feld.


    Fabrizio Arrigoni-Battaia, ein Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, der an der Entdeckung beteiligt war, sagt: "Auch der gigantische Emissionsnebel dürfte ein wichtiger Puzzlestein sein, denn er zeigt, dass es dort eine gewaltige Mengen an dichtem, kühlen Gas gibt." Supermassereiche Schwarze Löcher werden nur dann zu Quasaren, wenn hinreichend viel Gas auf das Schwarze Loch fällt, und dafür wiederum könnte eine Umgebung, die zumindest auf großen Größenskalen reich an dem nötigen Gas ist, günstige Bedingungen bieten.


    Andererseits würde man dem heutigen Verständnis von Strukturbildung im Universum nicht erwarten, dass ein Protohaufen als Lyman-#945;-Nebel in Erscheinung tritt. Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich, einer der Koautoren, sagt: "Unsere heutigen Modelle der kosmischen Strukturbildung sagen aufgrund von Supercomputer-Simulationen vorher, dass massereiche Strukturen im frühen Universum mit extrem dünnen Gas gefüllt sein sollten, mit Temperaturen von rund 10 Millionen Grad. Das Gas im Jackpot-Nebel ist im Vergleich dazu tausend Mal dichter und tausend Mal kühler."


    Hennawi fügt hinzu: „Extrem seltene Ereignisse haben die Macht, langgediente Theorien auf den Kopf zu stellen“. In diesem Sinne könnte auch die Entdeckung des ersten Quasar-Quartetts die Kosmologen dazu zwingen, das heutige Bild von der Entstehung von Quasaren und der massereichsten Strukturen im Universum zu überdenken.


    Weitere Infos auf des Seiten des MPIA unter https://www.mpia.de/news/wisse…t/2015-06-Quasar-Quartett

  • Hallo John,


    eine Gravitationslinse kann man wohl wegen der Anordnung der Quasare ausschließen, meist erscheinen sie ja kreuzförmig um ein linsendes Vordergrundobjekt.

  • Hallo John,


    Zitat von der MPIA-Webseite (ich hab von zuhause grad keinen Zugriff auf das Science-Paper): "Eine Untersuchung der Spektren der vier Quasare bestätigte, dass es sich in der Tat um vier unterschiedliche Quasare handelte (und damit insbesondere nicht um eine sogenannte Gravitationslinse, bei der die Ablenkung von Licht durch die Gravitation einer großen Masse Mehrfachbilder ein und desselben Himmelsobjekts erzeugen kann)."


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Nico,


    Abbildung S2 zeigt ja die vier Spektren, da sieht man ganz klar, daß das vollkommen unabhängig von der Rotverschiebung unterschiedliche Objekte sein müssen. Das ist auch die Aussage von Joe dazu.


    Viele Grüße
    Caro

  • Ausserdem wurde oben ja auch schon gesagt, dass die Anordnung der Objekte ("gerade Linie") im Bild einen Gravitationslinseneffekt eigentlich auch ausschliesst, zumindest für die normalerweise so denkbaren Geometrien von Linsen...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!