Astigmatismus kann "eigenwillig" sein

  • Am vergangenen Wochenende konnte ich bei Yves „Messonkel“ spielen. Yves ist gerade dabei seinen 24“ f/4,5 (genau: D= 608 mm, F= 2720,. 42mm Randdicke, Pyrex) zu parabolisieren. Der nicht ganz unwesentliche „Rest“ in Form des kompletten Gitterrohrtubus und Rrockerbox ist bereits gebrauchsfertig. Da fehlt nur noch die Lackierung.


    Bereits vor 3 Monaten versuchten wir den Spiegel mit dem Bath- I- Meter auf Astigmatismus zu testen. Davon fanden wir auch jede Menge, aber völlig chaotisch. Der Spiegel war dabei in einer Schlinge gelagert. Bei Positionsänderung des Spiegels in der Schlinge änderte sich der Grad des Asti völlig unvorhersehbar und ebenso wenig reproduzierbar. Wir reden hier von Asti in der Größenordnung von 1 bis 2 lambda wave PtV.


    Nach Beratung mit Roland Hermann und Ulli Vedder waren wir alle der einhelligen Meinung, dass die Schlingenlagerung für obiges Kaliber ungeeignet ist. Roland empfahl an Stelle der Schlingen zwei Rollenpaare (ich weiß leider nicht wer das erfunden hat). Ulli war der Überzeugung, dass der Spiegel bei der Messung etwas „im Kreuz“ haben müsse. Das soll heißen, Neigung nach hinten. Ives baute erst mal.


    Das Bild zeigt die Anordnung den Spiegel in der vorgesehenen Zelle. Er ist hier um 12° nach hinten geneigt in Messposition.



    Der Ausschnitt zeigt eines der Rollenpaare. Im Vordergrund sieht man mein unentbehrlichen Helfer, ein Digitalthermometer. Ohne dessen Hilfe mache ich keine Messungen. So hab ich auch diesmal die Temperaturdifferenzen der Luft im Bereich der Messtrecke von mehr als 5 m Länge gemessen.
    Hier ein Überblick:


    a) Spiegel oben – Mitte Prüfgerät: 0,5 bis 0,8° C
    b) Vorderseite Spiegel oben-unten : 0,8°C bis +1°C
    c) Mitte Vorderseite Spiegel- Mitte Rückseite : 0,5 bis 0,8°C
    d) in 1 m Höhe über dem Fußboden über die Messtrecke: 0,2 bis 0,3°C


    Selbstverständlich macht man solche Messungen sinnvoller weise erst dann , wenn der Spiegel mehrere Stunden lang in der Messposition austemperiert ist. Man kann sich den Zeitaufwand für Temperaturausgleich sowie die Kosten (ca. 5 bis 10 Euro) eines Thermometers sparen. Nur sind dann die Spiegelmessdaten nicht viel wert.


    Zuerst machte Yves und ich abwechselnd mehrere Messreihen nach Foucault. Diese lieferten lt. FigureXP genügend übereinstimmend eine CC von ca. 0,2. Auch die Übereinstimmung zwischen Coudermaske und Pinsticks mit jeweils gleichen Zonenradien (9 Zonen) war zufriedenstellend. Trotz der oben festgestellten Temperaturdifferenzen waren im Foucaultbild keine Turbulenzen erkennbar.


    Bekanntlich kann man mit Foucault nur unter erheblichem Aufwand Asti. messen. Mit einem Interferometer z. B. eines nach Bath geht das wesentlich schneller. Das nächste Bild zeigt Messergebnis als Farbplot nach FringeXP.



    Man erkennt ganz knalleharten Asti. Aus der Farbskale läst sich ein Wert von XX ablesen. So viel wäre zu viel. Bevor man nun fragt wie man den Spiegel vom Asti befreit sollte man fragen ist es wirklich der Spiegel oder könnte das auch andere Ursachen haben als da wären:
    a) Fehler des I- Meters
    b) Versuchsaufbau


    Zu a) So viel schafft man selbst bei grober Fehljustierung der Optik des Bath I- Meters nicht.


    Zu b) Dazu gehört auch der Luftweg zwischen Prüfling und I- Meter. Einzelne, bewegte Luftschlieren können Asti vortäuschen. Obiges Bild ist bereits eine Mittelung aus 3 einzel- I-Grammen, die jeweils sehr ähnlich aussehen. Damit ist diese Fehlerquelle hier eher unwahrscheinlich. Für diese Annahme spricht auch die Ruhe bei der Messung nach Foucault. Dann bleiben noch der Einfluss des vertikalen Temperaturgradienten in der Luft vor dem Spiegels sowie dessen Deformation. Eine undefinierte Verspannung kann man bei der oben beschriebenen Lagerung weitgehend ausschließen.


    Als nächstes wurde der Spiegel um 90° verdreht. Wenn denn Der TG der Luft und die Deformation des Spiegels die Ursache sein könnten, dann würde das Messergebnis bei Drehung des Spiegels um die opt. Achse annähernd gleich ausfallen. Hier das Auswertebild nach der Drehung um 90°.



    Au weia, wat nun? Asti hat sich irgendwie gedreht, ist aber vieeel weniger als im Bild zuvor.


    Abwarten!!!! Wenn denn die Luft vor dem Spiegel oben und unten deutlich unterschiedliche Temperaturen zeigt, dann hat der dort befindliche Spiegel ähnliches. Er braucht Zeit bis sich das ausgleicht.


    So zeigt denn das nächste Bild mehr als eine Stunde später



    Dass es sehr ähnlich aussieht wie zu Beginn der Messserie. Betrag und Lage des Asti sind annähernd gleich.


    Um es dem „Genossen Zufall“ nicht allzu leicht zu machen wurde das Spiel wiederholt.
    Das nächste Bild zeig das Ergebnis nach Rückdrehung in Pos. A aufgenommen ca. 10 Min später.


    Ca. 60 min. später hat fast wieder der ursprüngliche Zustand eingestellt.



    Selbstverständlich wurden die Temperaturdifferenzmessungen im Verlaufe der vielstündigen Messserie mehrfach wiederholt.


    Fazit:
    Der Spiegel hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen groben „eingebauten“ Asti. Wenn man herausfinden will ob denn bei dem beobachteten Asti der thermische Einfluss oder die Deformation wg. Eigengewicht überwiegt wäre entweder ein gleichartiger Versuch in einem Klimaraum notwendig oder eine sehr aufwändige Rechenoperation. Für die weitere Vorgehensweise bei der Parabolisierung reicht es aber aus, wenn man sowohl vor einer Messserie als auch vor einer Nachbearbeitung mehrere Stunden Temperaturanpassung berücksichtigt.


    Gruß Kurt

  • Hallo Kurt .


    Ein sehr spannender Bericht.
    Aber !
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Der Spiegel hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen groben „eingebauten“ Asti. Wenn man herausfinden will ob denn bei dem beobachteten Asti der thermische Einfluss oder die Deformation wg. Eigengewicht überwiegt wäre entweder ein gleichartiger Versuch in einem Klimaraum notwendig oder eine sehr aufwändige Rechenoperation. Für die weitere Vorgehensweise bei der Parabolisierung reicht es aber aus, wenn man sowohl vor einer Messserie als auch vor einer Nachbearbeitung mehrere Stunden Temperaturanpassung berücksichtigt.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Damit würde ich mich ganz und gar nicht zufrieden geben, bevor ich nicht weiss
    warum der Spiegel sich so verhält.


    Für mich ist der Spiegel an einen denkbar ganz ungünstigen Ort aufgestellt.
    Am Boden in der Ecke wo alle drei Wände eine andere Temperatur haben und wo der Fallwind am stärksten ist.
    Versuche einmal die Temperatur der Wände zu messen.
    Bin gespannt was da raus kommt.
    Auch die Spiegelzelle dürfte links und rechts und in allen vier Ecken eine andere Temperatur haben. Für mich ist der Verursacher auf der Hinterseite zu finden.
    Ich würde den Aufstellungsort mit Styropor vom Boden und den Seitenwänden abschirmen und oben noch einen Strömungsschutz bauen der mindstens 1 Meter vor den Spiegel reicht
    und vorne noch einen senkrechten Schutz hat, der eine eventuelle Strömung nur auf der Seite zulässt.
    Bin gespannt auf die neuen Ergebnisse.


    Viele Grüße
    Alois

  • Hallo Kurt,
    sehr interessante Ausführungen! Ein wichtiger Schluss aus der Versuchsserie ist sicher, dass unsere Messapparate derart genau sind, dass geringste Änderungen in den Randbedingugnen wie Temperatur und Lagerung aus einem superben Spiegel eine elende Gurke generieren können.



    Weiter wurde bestätigt, dass Schlingenlagerungen für grosse Dünne ungeeignet sind.


    Ich hoffe, Yves nutzt das schöne Wetter und bestätigt uns bald einmal die (glücklicherweise scheinbar Astifreien) Resultate mit dem Sterntest. Trotz fehlender Parabolisierung sollte ein starker Astigmatismus da gut sichtbar sein. [8D]


    Gruss Max

  • Noch eine Asti-Geschichte aus eigener Werkstatt:


    Sterntest mit 305mm Spiegel mit 20mm Randdicke in fertiger Montierung. Bei Kollimation mit 250facher Vergrösserung sind alle Sterne runde Scheibchen, kein Astigmatismus sichtbar aber noch Temperaturanpassungsschlieren.


    30 Minuten später wird getestet. Kein Astigmatismus sichtbar. Zwischenzeitlich wird der Komet Macholz einer Bekannten mit dem 15er Dobson vorgeführt, dann noch Plejaden, Orionnebel etc.


    60 Minuten später wieder am 305er. Alle Sterne zeigen Kreuzform im Focus, Extra und Intrafokal eiert es gewaltig. [xx(]


    Dann folgt Ausscheiden von möglichen Astiquellen:


    - Brille sitzt auf Nase [:o)]
    - Kopfdrehen: Eier drehen nicht mit (Augen sind nicht die Quelle)
    - Okular drehen: Eier drehen nicht mit (Okular ist's nicht)
    - Spiegel in der Spiegelfassung drehen, dazu Handschuhe anziehn, Drehung um ca 60 Grad. Neukollimierung. Eier haben nicht mitgedreht (Hauptspiegel ist nicht die Quelle des gesichteten Astis [^])


    Damit muss der Fangspiegel in seiner Fassung die Ursache des Übels sein! Die Fassung besteht aus den 3 klassischen Silikonplopps mit Zündholzstärke, Durchmesser 8-10mm auf einem Holzkreuz.


    Wiederum Ausscheiden von möglichen Ursachen:


    - Temperatur(Aussentemperatur knapp über Gefrierpunkt): Holz und das FS-Glas weisen ca. die gleichen Temperaturausdehnungskoeffizienten auf. Die Plopps könnten durch die Kälte hart geworden sein -&gt; sollte schon nach 30Minuten in der Kälte auffallen, kaum die Ursache.


    - Feuchtigkeit (Rasen um Scope ist Taufeucht): Das Holz könnte Feuchte gezogen haben. Ist mit 2 Schichten Wandtafellack bemalt. Eine Abklärung zeigt, dass der Lack nicht dampfdicht ("Wasserdicht") ist.


    Der Hund ist damit gefunden! [}:)] Das Quellmass von Holz ist um einiges grösse als die Temperaturausdehnung. Das Kreuz wird somit nächstens mal abgeschliffen und mit Bootslack versiegelt.


    Auch hier das Fazit: Unsere Spiegelchen sind halt schon grässliche Mimös'chen. Nur beinahe "wissenschaftliches" Vorgehen bei der Fehlerermittlung führt zum Ziel. [:p]

  • Hallo Alois,
    erst einmal vielen Dank für die kritische Stellunnahme. Mir scheint, dass bisher noch sehr wenige (bis gar keine?) gezielte Versuche dieser Art vorliegen. Daher sind Deine Tipps besonders wertvoll. Einiges kann ich noch nachtragen. <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Damit würde ich mich ganz und gar nicht zufrieden geben, bevor ich nicht weiss
    warum der Spiegel sich so verhält.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Da hast Du vollkommen recht. Sicher ist, dass der Spiegel in Folge der Temperaturunterschiede der Luft in seiner Umgebung thermisch verbogen wird. Sonst wäre der Zeiteffekt bei der Anpassung nach der Drehung nicht erklärbar (Änderung Bild 3 zu Bild 2 bzw. Bild 5 zu Bild 4). <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Für mich ist der Spiegel an einen denkbar ganz ungünstigen Ort aufgestellt.
    Am Boden in der Ecke wo alle drei Wände eine andere Temperatur haben und wo der Fallwind am stärksten ist.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Der verfügbare Raum lässt keine andere Wahl als den Messaufbau in der Raumdiagonale anzulegen. Da landet der Prüfling notgedrungen in einer Raumecke und es liess sich auch nicht verhindern, dass eine Außenwand mit ins Spiel kommt. Wir waren der Meinung, erst mal mit der Messung zu beginnen um zu erfahren, wie schlimm sich die unterschiedlichen Temperaturen der Wände auswirken und ganz wesentlich, ob denn die neue Lagerung reproduzierbare Messergebnisse ermöglicht. Das letztere scheint gesichert.


    Die Temperaturdifferenzen der Wände konnte ich zumindest annähernd mit einem einfachen Strahlungsthermometer messen. Die Außenwand hinten rechts ist tatsächlich um 2 bis 3°C kälter als die angrenzende die Innenwand. Die Decke ist wiederum um 1°C wärmer als Innenwand. Die Temperaturdifferenzen zum Fußboden kann man mit diesem Thermometer nicht messen, da hier die unterschiedlichen Emissionsgrade der unterschiedlichen Materialien zu berücksichtigen wären. Die Oberfläche des Fußbodens besteht aus ist Laminat, die der Wände und der Decke aus glattem Putz. <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Für mich ist der Verursacher auf der Hinterseite zu finden.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Dafür spicht auch die bereits oben angegebene gemessene Temperaturdifferenz:
    c) Mitte Vorderseite Spiegel- Mitte Rückseite : 0,5 bis 0,8°C
    Das Messungen mit den Strahlungs thermometer zeigen ebenfalls tendenziell, dass die Rückseite des Spiegels kälter blieb. Die Reproduzierbarkeit dieses Tehmometers erlaubt leider keine zuverlässige Messung von Temperaturdifferenten im Bereich von kleiner 1°C.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Ich würde den Aufstellungsort mit Styropor vom Boden und den Seitenwänden abschirmen und oben noch einen Strömungsschutz bauen der mindstens 1 Meter vor den Spiegel reicht
    und vorne noch einen senkrechten Schutz hat, der eine eventuelle Strömung nur auf der Seite zulässt.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Damit wird man höchtwahrscheinlich die Temperaturdifferenz zwischen Vorder- und Rückseite vermindern können. Der Aufbau wird dann so ähnlich wie bei meinen bereits beschriebenen Messungen im Iso-Tunnel. Sicher wird der Yves einige m² Styro- Platten investieren müssen, spätestens dann wenn die Parabolisierung in die Endphase geht. <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Bin gespannt auf die neuen Ergebnisse.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    ich auch, wenn der Yves mich wieder messen lässt[:D]
    Gruß Kurt

  • Hallo Max,



    das mit dem Sterntest konnte ich schon vor ca. 2 Wochen bestätigen, allerdings nur bis ca. 260 x, mehr ging leider noch nicht [:)], kein Asti zu sehen weder extra/intra, Kreisrunde Beugunsscheibchen waren glücklicherweise zu sehen [^].Wenn ich nicht ca. 2 m hoch auf der Leiter gewesen wäre hätte ich wohl einen Lufsprung gemacht [:D].
    Ich hoffe das bleib auch bei fortgeschrittener Parabel und höherer Vergrösserung so. [8)]



    Gruß



    Yves

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