Beobachtungsbericht 16_Dez_2014 (abends)
Ort: Balkon, Ballungsgebiet Rhein-Main, 3,8 mag Himmel
Bedingungen: Klarer Himmel nach Abzug von Regen und mittelhohen Wolkenfeldern, ab 20:00
starkes Seeing (helle Sterne flimmern mittelstark)
Hallo Gemeinde,
endlich, endlich nach langer Durststrecke tat sich mal eine Beobachtungslücke auf, die hinreichend groß war, daß ein Beobachten mit dem Teleskop für mich möglich war. Zwar nur vom Balkon aus und über eine hell erleuchtete Stadt hinweg, aber man ist ja bescheiden geworden.
Diesmal hatte meteoblue Recht! Nach dem wochenlangen trüb-hochnebligen Wetter haben wir ja seit ein paar Tagen eine wechselhafte West/Sturmtief Wetterlage. Von der Traufe in den Regen sozusagen. Aber immerhin "wechselhaft"! Das heißt, mit Lückenchancen - und tatsächlich, mitten an einem grauen, regnerischen Tag kündigte meteoblue am Abend Abzug aller Wolkenschichten voraus und eine Ankunft neuer erst ab 1:00. Und tatsache ab ca. 19:30 zog eine Wolkenwand ab und es leuchteten und blinkten die Sterne des Herbsthimmels (Pegasus).
Was also tun? Auto beladen, oder am Balkon bleiben? Angesichts meines Misstrauens der Herbst-Wettervorhersagen entschloß ich mich für den Balkon mit dem Tal100 (der Newton wohnt unten in der Garagensiedlung). Außerdem nach dem Regen beschlägt der Newton auf der nassen Wiese bevor es überhaupt losgeht.
Also aufgebaut, Wintersachen rausgesucht (steife Brise so hoch aufm Turm), Abendbrot, kurzer Kontrollblick vom Balkon. MIST! Da zieht gerade eine großflächige Wolkendecke heran und knipst einen Stern nach dem nächsten aus. Na noch gebe ich nicht auf, der Aufbau und das Bereitlegen der Materialien hat schließlich 20min gedauert. Also die Glotze. Mit der zweiten Werbung schau ich nochmal raus und tadaaa! ein klasse klarer Orion steht gerade im Südosten. Los gehts.
Als erstest habe ich mal meinen Hyperion 13mm nochmal bewusst auf Herz und Nieren abgeklopft (siehe anderer Thread, Hyperion Nachfolger...). Das technische lasse ich mal weg, aber ich habe dabei vor allem den guten alten M42 "auseinandergenommen". Mein Himmel gab nur mag3,8 her aber selbst da macht sich der Orionnebel prächtig, vor allem mit dem UHC. Nicht umhauend wie im Odenwald, aber weit besser als nichts, vor allem nach 2 Monaten Spechtelzwangspause.
Danach habe ich mich eher Sternen gewidmet. Zunächst wollte ich unbedingt, wie von Günter angeregt die Pferdekopf Region aufsuchen. Dank Benny hab ich ja den Triatlas und damit eine genaue Karte zusätzlich zum Karkoschka (der führt ihn nämlich nicht). Natürlich war bei einem mag3,8 Himmel nichts zu sehen, ein Schelm... Aber es sind da interessante Sternenformationen. Ich habe so meine eigene, wie heißen sie noch, Asterismen? - ausgemacht.
Und zwar um den sigma ORI, finde ich, sieht die Sternengruppe wie eine Miniaturausgabe des Sternbilds Pfeil aus - wenn man sich den hellen sigma ORI wegdenkt. Am besten zu betrachten mit dem 25mm Plössl (40x). Der Sigma ORI ist ein Doppelstern, also mal sehen was bei dem Seeing so geht. Ach so, das ist ein Dreifachsystem mit einer hellen und zwei deutlich schwächeren Komponenten. Mit dem Hyp13 (77x) schön zu betrachten. Es ist der Mittelteil des "Pfeils". Ein anderer Asterismus hat mich an Raumschiff Voyager erinnert, ich kann jetzt aber nicht mehr sagen wo genau, eventuell die Schwertsterne unten.?.
Der Gürtelstern Alnitak ist auch ein Doppelter mit starkem Unterschied. 1,9mag und 4,0mag bei nur 2,4" Abstand. Alnitak ist schon ziemlich hell, aber kein Problem. Der 7mm (142x) trennt sie deutlich, dabei ist die Beugungsscheibe eher eine Minischneeflocke, tanzend.
Holla es ist schon 22:00 und der Jupiter kommt hinter der Hauswand hervor. Umschwenken - mensch ist das bequem mit dem Refraktor und ZS. Wenn ich da an ein Umschwenken mit dem 200p Newton denke...
Einweihung der neuen Jupitersaison für mich! Aber gerade der Jupiter zeigt: mieses Seeing. Na gut, er steht erst 20 Grad hoch und die Hauswand ist zu nahe. Jedenfalls freue ich mich über ein Wiedersehen. Auch mit den Galileischen Monden, die sich adrett aufgereiht präsentieren. Drei links, wie eine Zentimeterskala und einer weit rechts vom Jupiter. Der Planet selbst gibt nur zwei strukturlose verwaschene Bänder her. Und die leicht gräulichen Kappen. Das nördliche Band scheint mit der Kappe verwachsen zu sein, das südliche Band dagegen klar durch ein helleres Band getrennt. Na immerhin. 9mm max (111x) ist noch angenehm.
Denn aber weiter zu den stellaren Objekten. Sternbild Hase habe ich in Erinnnerung, Carbonstern. Im Karkoschka sehe ich R und RX. Leider nur in der groben Karte, da ist die Suche etwas schwierig. Dennoch RX ist in der Nähe einer markanten Gruppe. Ich sehe sie nicht mit bloßem Auge, aber der 6x30 Sucher zeigt sie auf. Man kann lästern wie man will über die Suchröhrchen, aber ich finde die begrenzte Sternenanzahl ausgezeichnet für einen Vergleich mit den Karkoschka Suchkarten. Und der Tal 6x30 Sucher ist ein ganz feines Stück! Jedenfalls - der RX ist ein schöner goldgelber Stern und fällt gleich neben einem blauweissen Stern ähnlicher Helligkeit auf. Das ist ein Veränderlicher und wohl gerade im helleren Teil der Kurve. Vom RX hangele ich mich per Grob-Starhop an den R an und es gelingt mir auf Anhieb mit dem Plössl 25 (1,25 Grad Suchfeld). Aber hallo - der ist jetzt intensiv orange, wie nachglühendes Metall in einem Stahlwerk. Hach ich liebe diese intensiv leuchtenden Pünktchen insbesondere mit dem Refraktor. Das gibt kein Bildschirmpixel her!
Danach geht es nach dem Karkoschka Programm - Seite E4/E5 weiter. Ein einziges DS-Objekt im Hasen steht da: M79 ein weit entfernter Kugelsternhaufen. Ich finde ihn tatsächlich, aber so tief wie er steht und direkt über der Lichtglocke einer größeren Stadt in der Ferne - ist es eine blasse Erscheinung. Wie eine runde schwache Virgin-Kette Galaxie mit dem 8" Newton bei Landhimmel. Deutlich zu halten, aber sonst nichts, ein Fettfleckchen auf Glas eben.
Also wieder zurück zu den Glanzobjekten. Rigel, lese ich, ist auch ein Doppelstern - na dann! 0,1mag gegen einen 6,8mag Stern in 9,5" Abstand. Das wird sportlich denke ich und halte drauf. Was sagte ich gerade über das LCD Pixel! Im 25er Plössl - ein stechend helles bläuliches Pünktchen, ich genieße eine Weile diese Lichtorgie, dann halte ich Ausschau nach dem Begleiter. Nein, zu viel verlangt, also dann den (das?) 7mm Ortho - jep da ist er, recht einfach sogar. Rigel ist mittlerweile etwas zermatscht bei der Vergrößerung, aber der Lichthof ist beim Ortho so gut im Zaume gehalten, daß der schwache Begleiter klar aus dem Hintergrund heraus winkt.
Ich habe dann noch weitere DS (Doppel Sterne!) in der Orion Gegend angesteuert, wie:
gamma LEP weissgelb/weissgelb
lamda ORI eng und weißblau beide
32 ORI mit 1,2" mein TAL Auflösungstester - ging heute nicht
eta ORI mit 1,7" war heute ein winziger Schneemann (2 Kugeln)
Zum Schluß und gegen 1:00 nochmal Jupiter, schon besser. Da ist was links (=Westen) am südlichen Band, es verbreitert sich zum Planetenrand und wirkt blasser. Der GRF? Muss mal nachher Calksky fragen. Na zumindest wird er dem R überhaupt nicht gerecht.
Mittlerweile ziehen auch diesige Zirren auf, die hellen Sterne zeigen einen Lichthof, durchgefroren bin ich auch, also Abbau. 1:00, Wie von meteoblue angekündigt. Zwar nur 5% vs. 90% aber Ehre, wem Ehre gebührt!
Heute sitze ich wieder unter dunkelgrauem total verregneten Himmel als ob nix gewesen ist. (Habe ich etwa geträumt?) Und ich habe frei also tippe ich diesen Bericht, froh mal eine Lücke erwischt zu haben. Man ist ja so bescheiden geworden und freut sich über Kleinigkeiten bei diesem "spannenden" Astro-Halbjahr Q3/Q4-2014.
Clear Skies,
Walter
PS: Der BB über das rote Positionslicht entfällt somit (ref. Wetter-Mecker-Thread..)