Doppelsternsystem mit protoplanetaren Scheiben

  • <b>Mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) haben Astronomen protoplanetare Scheiben um zwei junge Sterne im Doppelsternsystem HK Tauri gefunden, deren eine ganz anders orientiert ist als die andere. Die neuen ALMA-Beobachtungen liefern das bisher beste Bild protoplanetarer Scheiben in einem Doppelsternsystem. Sie können erklären helfen, warum soviele Exoplaneten sonderbare Umlaufbahnen mit hohen Exzentrizitäten oder ungewöhnlichem Neigungswinkel haben - ganz anders als bei den Planeten unseres eigenen Sonnensystems.</b>


    Im Gegensatz zu unserer einzelgängerischen Sonne entstehen die meisten Sterne in Doppelsternsystemen - umkreisen also jeweils einen Partnerstern. Doppelsterne sind im Weltall sehr häufig, sind aber trotzdem bei weitem noch nicht vollständig verstanden. Eine der offenen Fragen ist, wie und wo Planeten in solchen komplexen Umgebungen entstehen.


    „ALMA hat uns jetzt den bisher besten Blick auf ein Doppelsternsystem mit protoplanetaren Scheiben geboten – und wir sehen, dass jede der Scheiben eine ganz eigene Orientierung aufweist!” sagt Eric Jensen, ein Astronom am Swarthmore College in Pennsylvania, USA.



    Künstlerische Darstellung der Scheiben um die jungen Sterne HK Tauri A und B. Illustration: R. Hurt (NASA/JPL-Caltech/IPAC)


    Die zwei Sterne im System HK Tauri, das sich etwa 450 Lichtjahre von der Erde im Sternbild Taurus (Der Stier) befindet, sind weniger als fünf Millionen Jahre alt und etwa 58 Milliarden Kilometer voneinander entfernt – das ist der 13-fache Abstand zwischen Neptun und Sonne.


    Der weniger helle Stern, HK Tauri B, ist von einer protoplanetaren Scheibe umgeben, die wir direkt von der Seite sehen - als eine dunkle Wolke, die das Licht des darin befindlichen Sterns abschattet. So kann der Stern die Scheibe nicht überstrahlen: besonders gute Bedingungen für Beobachtungen der Scheibe im sichtbaren oder im nah-infraroten Licht.


    Der Begleitstern, HK Tauri A, besitzt ebenfalls eine Scheibe, die allerdings in diesem Fall das Sternenlicht nicht ausblendet. Im sichtbaren Licht kann die Scheibe daher nicht beobachtet werden, da ihr schwaches Leuchten von der Helligkeit des Sterns überstrahlt wird. Im Millimeter-Wellenlängenbereich jedoch strahlt sie hell und kann von ALMA problemlos beobachtet werden.


    Mit Hilfe von ALMA war das Team nicht nur in der Lage, die Scheibe um HK Tauri A nachzuweisen, sondern auch zum ersten Mal ihre Rotation zu vermessen. Mit dieser Zusatzinformation konnten die Astronomen berechnen, dass die beiden Scheiben etwa um 60 Grad zueinander geneigt sind. Das bedeutet insbesondere, dass die Scheiben nicht beide parallel zur Ebene sein können, in der die beiden Sterne einander umkreisen. Mindestens eine der Scheiben muss gegen die Bahnebene gekippt sein.


    „Diese deutliche Schieflage hat uns einen bemerkenswerten Blick auf ein junges Doppelsternsystem erlaubt”, sagt Rachel Akeson vom NASA Exoplanet Science Institute am California Institute of Technology in den USA. „Obwohl schon frühere Beobachtungen einen Hinweis auf die Existenz einer solchen Schieflage gegeben haben, zeigen die neuen ALMA-Beobachtungen von HK Tauri viel deutlicher als vorher, was in einem solchen Doppelsternsystem wirklich vor sich geht.”


    Sterne und Planeten entstehen aus riesigen Staub- und Gaswolken. Wenn das Material in diesen Wolken sich unter der Einwirkung von Gravitation zusammenzieht, fängt es an sich merklich zu drehen bis der Großteil des Staubs und des Gases eine abgeflachte protoplanetare Scheibe bildet, die um einen wachsenden zentralen Protostern wirbelt.


    In einem Doppelsternsystem wie HK Tauri jedoch ist die Sache sehr viel komplizierter. Befinden sich die Umlaufbahnen der Sterne und die protoplanetaren Scheiben nicht ungefähr in der gleichen Ebene, können diejenigen Planeten, die dort entstehen, auf hochexzentrischen und geneigten Bahnen landen [1].


    „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass es in Doppelsternen tatsächlich Bedingungen gibt, unter denen sich Planetenbahnen verändern können - und dass die Grundlage dafür zum Zeitpunkt der Planetenentstehung geschaffen wird, offenbar aufgrund des Entstehungsprozesses eines solchen Systems”, bemerkt Jensen. „Wir können zwar nicht ausschließen, dass es alternative Erklärung gibt - aber wir können zeigen, dass ein zweiter Stern durchaus als Erklärung infrage kommt.”


    Da ALMA den ansonsten unsichtbaren Staub und das Gas von protoplanetaren Scheiben sehen kann, erlaubt es noch nie zuvor gesehene Blicke auf dieses junge Doppelsternsystem. „Da wir dieses System in den frühen Stadien der Entstehung mit der noch vorhandenen protoplanetaren Scheiben beobachten, können wir besser sehen, wie die Dinge ausgerichtet sind”, erklärt Akeson.


    Die Forscher wollen jetzt herausfinden, ob derartige Schieflagen für Doppelsternsysteme typisch sind oder nicht. Erst weitere Durchmusterungen werden zeigen können, ob dieser interessante Fund ein Einzelfall bleibt - oder ob solche Systeme in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, häufiger vorkommen.


    Jensen schließt mit der Bemerkung: „Obwohl es ein großer Schritt nach Vorn ist, diesen Mechanismus zu verstehen, kann er nicht alle merkwürdigen Umlaufbahnen von extrasolaren Planeten erklären – dafür gibt es einfach nicht genug Doppelsternbegleiter. Das ist also auch ein interessantes Rätsel, dass es noch zu lösen gilt!”


    Endnoten


    [1] Wenn zwei Sterne und ihre Scheiben sich nicht in einer Ebene befinden, wird die Gravitationsanziehung des einen Sterns die Scheibe des anderen Sterns stören und es zum Taumeln oder zur Präzession bringen, und andersherum. Ein Planet, der in einer der Scheiben entsteht wird ebenfalls die Störung durch den anderen Stern erfahren, was zu einer Neigung und Verformung seiner Umlaufbahn führt.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten des ESO Science Outreach Network unter http://www.eso.org/public/germany/news/eso1423/

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!