Buchrezension "Doing the Impossible"

  • <b>Doing the Impossible</b>
    George E. Mueller and the Management of NASA's Human Spaceflight Program



    Autor: Arthur L. Slotkin
    Verlag: Springer
    297 Seiten
    Preis: 76,67 €
    ASIN: B00E6T3JJA


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    © Springer Verlag
    Mit freundlicher Unterstützung
    des Verlages



    <b>Klappentext: </b>
    <i> <ul><li> Präsentiert einen faszinierenden Einblick in das Management des Apollo Programms der NASA </li><li> Erklärt wie eine einzelne Person, George E. Mueller, bei der NASA neue Denkansätze eingeführt hat
    </li><li> Gibt eine historische Perspektive auf das Apollo Programm und der Einzelheiten des System Managements eines großen Projektes
    </li> <li> Zeigt, wie Präsident Kennedys Ziel, einen Astronauten auf dem Mond landen zu lassen und ihn sicher wieder zurück zu bringen, erreicht wurde
    </li></ul>
    Dieser sehr gute Bericht über eine der wichtigsten Personen in der Geschichte des frühen amerikanischen Raumflugprogramms beschreibt zum ersten Mal wie George E. Mueller, der System Manager des bemannten Raumflugprogramms der 1960er Jahre, das SPO (System Program Office) einführte und weitere neuartige Betrachtungsweisen, woraus sich der Erfolg des Apollo Programms ergab. Während Wernher von Braun und andere Muellers Annäherung an das System Management nicht wirklich gleich akzeptierten, haben sie später zugestanden, dass ohne dieses System die NASA 1969 keine Astronauten auf dem Mond gelandet hätte. Während Apollo Muellers oberste Priorität war, förderte er von seinen Anfangstagen in der NASA an ein stabiles Post-Apollo-Programm, welches in Skylab, den Space Shuttles und der Internationalen Raumstation gipfelte. Als Ergebnis seiner Bemühungen erhielt Mueller den Beinamen: "Vater des Space Shuttles".
    </i>



    <b>Rezension: </b>


    Eines muss ich gleich voraus schicken: dieses Buch entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen, aber als ich mich erst einmal eingelesen hatte, hat es mich mehr und mehr gefesselt. Ich hatte mit einem Buch über den Anfang des amerikanischen Raumflugprogramms gerechnet, über Technik und die beteiligten Personen, doch hier fand ich mich hinter den Kulissen wieder.
    Es ging nicht um Technik sondern "schlicht" um die Organisation. Und das Wort „schlicht“ ist dabei völlig unpassend.


    Aber jetzt zum Inhalt:
    Als John F. Kennedy im Mai 1961 das Ziel propagierte, noch in den 60ern auf dem Mond zu landen, traute kaum jemand der NASA zu, ein so großes Projekt zum Erfolg führen zu können. Damals waren in den USA viele Menschen überzeugt, dass die US Air Force die NASA übernehmen sollte. Die NASA als zivile Behörde bestand aus 4 unabhängigen Laboratorien, die bis dahin keinerlei Erfahrung mit großen Projekten wie dem anstehenden bemannten Raumflugprogramm hatte. Aus dem Grunde feuerte James E. Webb (wie das James-Webb-Space-Teleskop, damals Leiter der NASA) den bis dahin zuständigen Brainerd Holmes und versprach jemanden zu suchen, der die einzelkämpfenden Einheiten zur Zusammenarbeit bringen könnte, Erfahrung im Management hätte aber auch von der U.S. Air Force als Leiter akzeptiert werden würde.


    So stieß man auf George E. Mueller, ein Experte in Sachen Satellitenkommunikation mit der gewünschten Managementerfahrung im Bereich Forschung und Entwicklung und der bereits mit der Air Force zusammen gearbeitet hatte. Mueller sagte nur widerstrebend zu, da der Job in einer zivilen Bundesbehörde wie der NASA sein Gehalt auf die Hälfte kürzen würde. Trotzdem reizte ihn die Herausforderung und er arbeitete sechs Jahre für die NASA.
    Als er mit seiner Arbeit anfing, übernahm er das reinste Chaos. In jedem Forschungszentrum herrschten andere Bedingungen und Führungssysteme, es gab keine vollständigen Vorgaben, es waren Zwischenziele gesteckt worden an die keiner glaubte, der Zeitplan wurde nicht berücksichtigt und zudem explodierten die Kosten.
    Dazu Misstrauen, Argwohn und Positionsgerangel unter den Direktoren der Forschungszentren, kurz die NASA krankte nach seiner Meinung unter mangelnder Kommunikation und Disziplin.
    Es war für ihn sehr schwierig, geeignete Leute aus der Industrie zu bekommen, da diese in der NASA wesentlich schlechter bezahlt wurden. Er löste das Problem durch Rekrutierung vieler Offiziere der Air Force, wodurch er sich deren Unterstützung sicherte und welche Disziplin mitbrachten, um die Umstrukturierungen durchzuführen.
    Insgesamt war dieses Durcheinander ein Glücksfall für Mueller, dadurch konnte er die gesamte Struktur umarbeiten und seine Vorstellungen durchsetzen.
    Er setzte durch, die Raketen komplett zu testen und nicht so wie bisher alle Einzelteile für sich.


    Das Buch enthält eine ausführliche Darstellung des Klinkenputzens, das Mueller sowohl bei den einzelnen Forschungszentren als auch bei Kennedy und dessen Beratern leisten musste, um die Mondlandung in den 60er Jahren verwirklichen zu können.
    Nach dem Attentat auf John F. Kennedy wurde dessen Traum für die NASA zu seinem Vermächtnis und zu einer Sache des nationalen Stolzes, was für uns heute kaum nachzuvollziehen ist.
    Viele Besuche in Washington, die Gespräche um die Finanzierungen sicher zu stellen, zahlreiche Meetings, mehr als 90 öffentliche Reden und trotzdem wurden die Mittel gekürzt und es wurde immer schwieriger, den Zeitplan einzuhalten.
    Dann brachte das Apollo 1 Unglück mit dem Tod der drei Astronauten White, Grissom und Chaffee das ganze Apollo-Programm an den Rand des Scheiterns, es brachen viele Spannungen innerhalb der NASA auf, der Abbruch des gesamten Programms wurde mehrfach diskutiert. Die Untersuchungen zu dem Unglück nehmen im Buch einen großen Raum ein.
    Der Zeitbogen spannt sich weiter bis kurz nach der Mondlandung, im Dezember 1969 hat Mueller die NASA verlassen.


    Obwohl Mueller nur sechs Jahre für die NASA gearbeitet hat, hat er maßgeblich zum Erfolg des Apollo-Programms beigetragen, auch wenn er für Außenstehende farblos bis unbekannt blieb.
    Ein letztes Kapitel behandelt Muellers Laufbahn, nachdem er die NASA verlassen hatte, so war er bis 2004 mit 86 Jahren CEO bei einem großen Luftfahrtunternehmen.
    2011 erhielt er einen Preis für sein Lebenswerk vom Smithsonian Museum.
    Er blieb immer ein Befürworter der Raumfahrt, wobei er den größten Wert auf die wissenschaftliche Forschung legte. Er hatte große Pläne, die im Apollo-Programm erworbenen Kenntnisse zu nutzen, um den benachbarten Raum und die Planeten weiter zu erforschen, was dann aber leider keine Unterstützung mehr bekam. Trotzdem brachten sie ihm den Beinamen „Vater des Space Shuttles“ ein.


    Dieses Buch ist anfangs schwer zu lesen, es werden sehr viele Abkürzungen benutzt, die aber am Ende des Buches erklärt sind; viele Namen tauchen auf, die auf dieser Seite des großen Teiches und 50 Jahre später völlig unbekannt sind. Der Text hält die Zeitlinie nicht immer ein, springt vor und zurück, was aber für das Verständnis der Zusammenhänge unumgänglich ist.
    Es sind einige interessante, teilweise bekannte Fotos eingestreut, die den Text auflockern aber nicht dominieren.
    Der Aufbau insgesamt ist ungewöhnlich, so findet man gleich nach dem Inhaltsverzeichnis eine Auflistung der Illustrationen und der im Text enthaltenen Tabellen, die man sonst im Anhang findet.
    Am Ende des Buches sind noch fast 30 Seiten diverse Quellen aufgelistet, deren sich der Autor bedient hat und natürlich eine Liste der im Buch verwendeten Abkürzungen sowie der Index.



    <b>Fazit: </b>


    Ein Buch über einen eher unbekannten Mann, der zu seiner Zeit beachtliches geleistet hat.
    George E. Mueller war ein Visionär, der die wissenschaftliche Seite der Raumfahrt für besonders wichtig hielt und ist sein Leben lang ein Befürworter der Raumfahrt geblieben.
    Wer sich für die Anfänge der bemannten Raumfahrt interessiert, findet hier eine Fülle an Informationen und Einblicken in eine spannende Zeit, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann.

  • George Mueller, all up testing, Apollo, seufz, schluchz! Heute kriegen wir Großflughäfen, Opernhäuser und Stromleitungen nicht gemanagt. Damals wurden Projekte vergleichbarer Komplexität als Beiwerk zu Apollo nehenher erledigt. Allein die Baumaßnahmen, die man für Apollo in wenigen Jahren hochzog, waren beachtlich. Vielleicht sollte man mal die Infrastruktur, die man braucht,um nach dem Ende des Erdöls hier irgendwie weitermachen zu können, bis 2020 zeitnah bauen und "all up" testen.


    All up testing war schon sehr gewagt. Es setzte voraus, dass die Leute, die die Saturn V bauten, so gut waren, dass man das riskieren konnte. Geoerge Mueller hat das verantwortet. Und er hatte das richtig eingschaetzt. Apollo 4 startete All Up - perfekter unbemannter Flug. Apollo 6 startete, ebenfalls unbemannt, all up. Fast guter Flug, wenn man davon absieht, dass sie dabei fast auseinandergebrochen wäre. Apollo 8 startete All Up: Bemannt, und problemlos direkt zum Mond. Alle weiteren Saturn 5s flogen uhrwerkartig. Was wäre passiert, wenn eine der ersten 3 genannten Raketen auf der Startplattform explodiert wären? Ja, der Energieinhalt einer Saturn V entsprach der einer kleinen Atombombe. Und Muellers Ruf waere sicherlich ruiniert gewesen. Es haben eine Menge Leute eine Menge riskiert damals. Nicht nur die Leute, die sich all up hochschießen ließen.


    Hartwig

  • Hallo Hartwig,


    ja, sie haben schon eine Menge riskiert. Und wenn man das aus heutiger Sicht sieht waren die Risiken kaum überschaubar.
    Aber sie haben auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles ausgeschöpft, was ging.
    Und nach dem Unglück mit Apollo 1 wurden umfangreiche Untersuchungen eingeleitet um so etwas in Zukunft zu verhindern. Allein bis sie erst einmal die Ursache für das Feuer gefunden haben ...
    Vieles war erst durch den Wettlauf mit der UdSSR möglich, es wurde eine Sache des nationalen Stolzes. Womit ich nicht die Leistungen von Mueller, von Braun, Webb oder anderer schmälern will.
    Diese waren Ausnahmepersonen, die den für sie richtigen Platz gefunden hatten.
    Ich glaube dass, wenn es heute einen ähnlichen Antrieb gäbe, würden wir wieder Menschen finden, die das Unmögliche möglich machen können.


    In dem Sinne ... wer baut endlich einen Wolkenschieber? [;)]


    Gruß
    Ute

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