Der PURUS unter den Deckel geschaut

  • Seit zwei Wochen habe ich die berühmte Purus von Jürgen jetzt bei mir. Ich hatte ihm seinerzeit angeboten sie mal durchzuchecken und sie gegebenenfalls zu überholen. Deshalb habe ich sie nun im Rahmen der "Purus Reloaded" als erster von Kalle bekommen und sie mir gleich vorgenommen.


    So sieht sie aus, wenn man sie aus der Box holt:



    Zwei Sachen fallen zunächst auf: zum einen der etwas seltsam anmutende, aber sehr sinnvolle Mechanismus zu Polhöheneinstellung. Dann (unten) die originelle Befestigung für die Kamera mit integrierter Gegengewichtsstange, hergestellt aus einem Gewindebohrerhalter und einer Gewindestange.
    Etwas gewöhnungsbedürftig, aber funktionell. Ich habe eine 1000D problemlos montieren und austarieren können.
    Aber da ich Uhrmacher bin, interessieren mich natürlich mehr die inneren Werte der Purus. Also habe ich zunächst einmal das Gehäuse von der Montierung getrennt und das Werk ausgebaut. Dabei fiel mir auf, dass die Polhöheneinstellung sehr viel Spiel hat. Mal sehen, was sich dagegen machen lässt.


    Die Purus ist eine sogenannte Uhrwerksmontierung. Das heißt, ein mechanisches Uhrwerk treibt die zentrale Achse an, auf der dann die Kamera montiert wird. Die Achse macht eine Umdrehung in annähernd 23:55 Stunden, folgt also der Bewegung des Sternenhimmels. Die Genauigkeit dieser Nachführung ist begrenzt, aber für Belichtungszeiten von einigen Minuten bei kurzen Brennweiten ist sie ausreichend.
    Silvio hat vor einiger Zeit mal den Konstrukteur und Hersteller der Purus persönlich kennengelernt und einiges darüber hier geschrieben. Wer diesen Thread noch nicht kennt, sollte ihn ruhig einmal durchlesen, weil ich mich in einigen Punkten darauf beziehen werde:
    http://www.astrotreff.de/topic…CHIVE=true&TOPIC_ID=56368
    Nun zum Innenleben der Purus. So sieht das Werk aus, wenn man es aus dem Gehäuse ausbaut:



    Die lange Achse ist die Antriebswelle. Sie wird zum einen in dem Nylonrohr im Gehäuse, zu anderen auf einem konischen Stift auf dem Werk gelagert. Dadurch wird das Gewicht der Kamera weitgehend vom Räderwerk entkoppelt.
    Auf dem Holzring steht das eigentliche Werk. Das weiße Teil oben ist das Herz des Werkes, das sogenannte Echappement.
    Das Werk besteht zunächst aus der Zugfeder, die aufgezogen wird und ihre Kraft an das Räderwerk weitergibt. Am ersten Rad nach der Zugfeder wird die Antriebskraft fur die Kamera abgegriffen. Das Räderwerk übersetzt die Drehbewegung ins schnelle und reduziert dabei das Drehmoment. Das letzte Rad vor dem Echappement macht in Betrieb eine Umdrehung pro Minute. Deshalb heißt es in einer Uhr auch Sekundenrad, ein darauf befestigter Zeiger würde die Sekunden anzeigen.
    Das hier ist das Echappement im Detail:



    Das Echappement enthält die sogenannte Hemmung und die Unruh des Werkes. Die Hemmung, bestehend aus Ankerrad und Anker, hemmt das freie Ablaufen das Räderwerkes und gibt es im Takt der Unruhschwingungen stückweise frei. Zugleich versorgt sie die Unruh mit Kraft, damit sie nicht stehenbleibt. Sie ist vom Typ her eine sogenannte Stiftankerhemmung. Nicht sehr präzise, aber robust und für den Zweck der Purus absolut ausreichend. Die Unruh ist eine monometallische Unruh in Rubinlagern mit flacher Spiralfeder und Regulierung über Rücker und Schlüssel. Ebenfalls von für unseren Zweck völlig ausreichender Präzision.
    Offen gesagt bin ich sogar sehr überrascht über dieses Echappement. In einem Mechanismus zur Vogelabwehr hätte ich einen wesentlich einfacheren Gangregler erwartet. Z.B. eine Körnerunruh mit zwischen den Platinen gelagertem Stiftanker. Die Purivox/Purus ist ein am Anwendungszweck gemessen äußerst hochwertiger und präziser Mechanismus!
    Auf der anderen Seite bedeutet das, dass die Aussage, es gäbe keine Unruh mehr für die Purus, nicht ganz richtig ist. In der Schweiz werden auch heute noch Echappements hergestellt und z.B. in Schiffsuhren eingebaut. Allerdings sind die Maße nicht genormt, die Teile müssten also angepasst werden. Und ganz billig sind sie auch nicht...


    Mir fiel auf, dass das Öl der Purus nicht mehr ganz frisch, bzw. im Echappement verbraucht ist. Und einige Lager zeigen beginnenden Verschleiß. Also habe ich das Werk zerlegt um es zu überholen. Das hier ist die Purus in Einzelteilen:



    Nicht erschrecken, ich bin Uhrmacher. So etwas zu zerlegen und wieder zusammen zu setzen ist mein täglich Brot.
    Ich habe also das Werk gereinigt, etwas aufpoliert, an den Lagern Senkungen zur besseren Ölhaltung ergänzt, die Feder gereinigt, alles wieder zusammen gebaut, nach den Regeln der Kunst eingestellt und neu geschmiert.
    Und, tadaaa, so sieht sie nun aus:



    Na, ist doch gleich ein ganz anderer Schnack, oder? Der sich da hinter seiner Kamera spiegelt bin übrigens ich. [;)]
    Und das Gangergebnis kann sich auch sehen lassen:



    Ich habe das Werk eingestellt, reguliert und wieder ins Gehäuse eingebaut. Dann habe ich mir den Mechanismus zur Polhöheneinstelung vorgenommen. Zur Einstellung der Elevation hatte Jürgen einen Hebelarm gebaut, der über ein Innensechskant auf eine der fest angesetzten Sechskantmuttern des Gehäuselagers greift. Leider hat das Innensechskant etwas zu viel Spiel. Jürgen hatte dieses Spiel durch Kunststofffolie minimiert. Ich habe nun das Innensechskant etwas enger gepunzt und das Spiel dadurch deutlich reduzieren können. Außerdem habe ich noch das etwas großzügig bemessene Spiel in den Stellschrauben reduziert.


    Damit ist das gute Stück wieder einsatzbereit. Leider haben bei uns in Schleswig-Holstein mittlerweile die blauen Nächte begonnen. Ich weiß deshalb nicht. Ob ich noch ein vernünftiges Probefoto mit der Purus hin bekomme.
    Wenn nicht, werde ich sie erst mal an Kalle zurück schicken, damit er sie beim ITV vorzeigen und eventuell auch weitergeben kann.


    Ich hoffe, Euch hat dieser kleine Exkurs in das Innere und die Technik der Purus gefallen. Sie ist halt ein richtiges kleines Uhrwerk, überraschend hochwertig und sehr gut erhalten. Und nach der Revision sollte sie für die nächsten 20 Jahre wieder fit sein. Es hat mir sehr viel Spaß gebracht, sie mal zu begutachten und zu zerlegen.
    Mal schauen, irgendwann muss ich mir auch mal so eine anschaffen. Vielleicht bekomme ich ja irgendwoher eine defekte die ich mir reparieren kann.


    Zum Abschluss noch ein Wort der Warnung an alle Purus-Besitzer.
    Ich kann jedem der nun meint, er könne seine Purus jetzt auch einfach so zerlegen und überholen nur davon abraten.
    Das was ich hier gemacht habe ist echtes Uhrmacherhandwerk. Insbesondere das Echappement verlangt Reparatur- und Schmierungstechniken, die schon sehr speziell sind. Und man nicht weiß was man tut, kann man dabei auch sehr schnell sehr viel kaputt machen. Zum Beispiel haben die Lagerzapfen der Unruh einen Durchmesser von 1/10mm, bestehen aus gehärtetem und poliertem Stahl und laufen in geschlossenen Rubinlagern, die natürlich geschmiert werden müssen. Wenn man da etwas falsch macht, ist das Echappement ganz schnell kaputt und eine Reparatur kostet dann mehr als eine gebrauchte Purus.
    Also lieber Finger weg. Dann besser etwas Geld investieren und das Werk einem gelernten Uhrmacher geben.


    Die Purus lebt. Und hoffentlich wird sie noch lange weiterleben. Und ich hoffe, das auch Jürgen sich über diese Revision und diesen kleinen Bericht freut.


    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Marcus,


    das ist ein schöner Bericht!


    Vielen Dank daß Du für uns alle und speziell diese Purus neu überholt hast!


    Ich freue mich schon sehr auf dieses feine Teil, ein kleines 50 mm Canon Objektiv habe ich mir schon extra dafür gekauft.

  • Hallo Marcus,
    einen sehr interessenten Bericht hast Du da gepostet, bei dessen Lektüre alle Fans von feiner Mechanik leuchtende Augen bekommen dürften.
    Prima, dass Du das Uhrwerk wieder fit gemacht hast. Ich vermute, wenn man den Aufwand normal zahlen muss, kostet es mehr als die Purus ursprünglich gekostet hat?


    Eigentlich hat das Gehäuse nun ein Sichtfenster verdient, damit vor allem die junge Generation sehen kann, wie früher Zeit gemessen wurde[:D]


    Jedenfalls überlege ich nun stark, mich in die Liste einzutragen und auch mal ein paar Purus-Versuche zu starten[:p]!


    Gruß,
    Martin

  • Hallo Marcus,


    HUT AB!


    Ich freue mich zu hören, dass hier keine einfache 'Spieldose' auf Reisen geht, sondern feinstes Uhrmacherkunsthandwerk. [:)]


    Ganz nebenfrei bekommt man ja nicht immer seine Uhr gewartet zum Nulltarif [;)].


    Geniese die schönen Tage und pass mir blos auf, dass der Grimsvötn nicht gleich seine Asche auf's Haupt dieser Purus ablegt. [:D]


    Gruß
    und viel Spaß beim nächtlichen Fotoschießen
    Kalle

  • Hallo Patrik, Martin und Kalle,


    Danke für die Blumen. Es hat mir auch wirklich Spaß gebracht, die Purus zu überholen. Und glaubt mir, den Bericht zu schreiben hat mehr Arbeit gemacht als die Überholung an sich. Aber vielleicht schaut ja auch noch der eine oder andere PURist hier rein.


    Kalle, ich werde versuchen, die Purus dieses Wochenende an Dich zurück zu schicken. Bei mir werden die Nächte definitiv nicht mehr dunkel. Bis August ist die Deepskysaison in Schleswig-Holstein vorbei. Ich hoffe, das gute Stück erreicht Dich noch rechtzeitig vor dem ITV, dann kannst Du sie vor Ort vielleicht an jemanden aus Süddeutschland weitergeben.
    Vielleicht kann ich sie ja gegen Ende der Purus Reloaded Tour nochmal bekommen.


    Bis dann:
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Marcus,
    lass Dir ruhuig einen Moment Zeit. Derzeit bin ich nicht da, nächste Woche auf dem ITV.
    Der nächste in der Liste ist 'Schneidfried'. Dessen Adresse habe ich aber nur in Hannover liegen. Ich hab' gerade eine Mail an ihn rausgeschickt, damit er die die Kontaktdaten schickt.


    Gruß
    Kalle


    PS: Deine Dokumentation ist schon mal Klasse für sich.

  • Hi Marcus


    Erstamls Hut ab vor Deiner Arbeit und vor allem der Dokumentation!!


    Frage: wir haben hier auch eine PURUS und mich würde interessieren, ob man diese generell mal warten lassen sollte (vor allem schreibst Du ja dies bezgl. Schmierung und "Verschleißerscheinungen").


    Ich war damals auch auf der Liste "Purus on Tour", leider schaffte sie damals den Weg nach Tirol nicht. Durch Zufall bekamen wir dann eine in die Hand und ich muss gestehen, ein beeindruckendes Teil.


    Grüße aus Innsbruck
    Tom

  • Hallo Tom


    Sorry für die späte Antwort, ich habe Deinen Beitrag erst jetzt gesehen.
    Ob Eure Purus mal überholt werden müsste hängt vor allem davon ab, wie oft sie benutzt werde soll. Wenn die das ganze Jahr über im Schrank steht und nur 2x aufgezogen wird, ist eine Überholung nicht notwendig. Wenn sie (wie die Purus von Jürgen) praktisch das ganze Jahr über läuft, sollte der Zustand des Werkes ruhig mal geprüft werden.


    Das kannst Du sogar selbst machen. Wenn Du den Deckel der Purus mit den drei Imbusschrauben löst, kannst Du ihn und die Antriebswelle abnehmen. Dann hast Du das Werk im Gehäusetopf vor Dir. Schau Dir dann die Lager des Räderwerkes an. Wenn sie trocken und schwarz oder dunkelgrün sind, ist eine Werksreinigung und Neuschmierung angesagt. Das Schwarze ist ein Gemisch aus metallischem Abrieb und verharztem Öl. Das ganze bildet eine Art Trockenschmierung auf der die Räderwerkszapfen noch lange laufen können. Aber irgendwann reißt auch dieser Schmierfilm und dann beginnen die Zapfen und die Lager zu verschleißen. Das passiert vor allem wenn das Uhrwerk nicht durchgehend läuft, was ja bei einer Purus in der Regel der Fall ist.


    Wenn das also der Fall sein sollte, ab zum Uhrmacher damit.
    Das gilt natürlich erst recht, wenn sie irgendwelche Probleme macht, sie zum Beispiel stehen bleibt obwohl die Kamera sauber austariert ist. Oder sie überhaupt nicht, zu langsam oder viel zu schnell läuft.
    Aber wenn sie keine Probleme macht und nur sporadisch mal für ein paar Fotoexperimente genutzt wird, gilt der erste Hauptsatz der Kybernetik:
    <i>Never touch a running system!</i>


    Falls Du noch Fragen hast, sprich mich an.
    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Marcus,


    hey, ein klasse Bericht von Dir. Als Gewinner der ersten "Purus on Tour" freut es mich sehr zu lesen, dass DIE Purus nun auch mal so fachmännisch gewartet werden konnte und somit einer erfolgreichen 2. Tour nichts mehr im Wege steht.


    Vielen Dank für den sehr interessanten Bericht!


    Gruß
    Heiko

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