Sterneschauen mit Erwin Schrödinger

  • Seit 1957 bin ich jedes Jahr mindesten 2 mal in dem kleinen Alpendorf "Alpbach/Tirol", ganz früher nur zum Skiwandern, da gab es noch gar keinen Skilift, später um mich mit meinem Bruder an den neuen Sessellift-Pisten als Pistensau zu profilieren, so sind wir beide schon 1967 mit (Motorrad-)Helm Skigefahren, Beinbruch in Inneralpbach hat der aber auch nicht verhindert, mit den heutigen alten Skilehrern hab ich als Jugendlicher Monopoly- und Karten gespielt (meist Poker), meine beiden Kinder haben dort in der Stube eines alten Bauernhauses jeweils mit den ersten Schritten das Gehen gelernt, viele Sommerurlaube bin ich zu den Hütten raufgewandert und in den letzen Jahren hab ich einige wunderbare Astronomie-Beobachtungsnächte dort erlebt (guckst Du hier und hier klicken ), ABER was ich bisher nicht gewusst habe, und erst kürzlich zufällig erfahren habe, ist, dass der berühmte


    Erwin Schrödinger


    dort seinen Lebensabend verbracht hat und 1961 gestorben ist und da auch begraben ist




    Bei unserem Skiurlaub diese Woche hab ich daher endlich mal sein Grab besucht und diese Fotos gemacht (mit Tochters I-Phone 4, die hat so was natürlich) und ehrfurchtsvoll an SchrödingersKatze gedacht und dann bei meinem Beobachtungsabend am 23.2. am einsamen Weg auf 1400 m Höhe auch daran gedacht, dass möglicherweise auch Schrödinger dort mal vor über 50 Jahren gewandert ist und sich den traumhaften Alpensternenhimmel angeguckt haben könnte.


    Noch eine Berühmtheit wohnt da im Tal, davon wusste ich aber schon lange: Simone Rethel, Schauspielerin der Frommen Helene in alten Filmen, und heutige Frau vom uralt Johannes Heesters, war quasi Nachbarin zwei Häuser weiter von dem Ferien-Bauerhof, den meine Eltern 25 Jahre lang gepachtet hatten, sie ist mit J.H. auch immer noch oft in ihrer kleinen alten Mühle an der Brücke hinten im Tal, ich war sogar mal bei ihr im Haus und hab Schnapsstamperl bekommen, als ich als Jugendlicher mit anderen einheimischen Burschen als "Perchtl" durchs Dorf gezogen bin. Aber Jopi Heesters hat mich nicht so inspiriert jetzt beim Sternegucken.

    Also, es war eine saukalte Nacht, von 19.00 bis 22.45 h hab ich bei minus 11 Grad (!) durchgehalten, Phoenix von Goldammer (Dobson 14 Zoll) und Penelope von IthakA (Fujinon 10 x 50) waren mit dabei, dazu viel Zubehör, Akkus für Okularkofferheizung und Argo-Navis, Beobachtungsstuhl, usw. Der Himmel in Richtung SüdWest über Süd bis SüdOst absolut dunkel, in Richtung NordOst über Nord zu NordWest leider etwas aufgehellt vom Inntal.


    Es war ein Abend an dem ich vor allem mir vom heimischen Landhimmel bekannte Objekte mit dem Anblick bei diesem Winter-kalt-trocken-Alpenhimmel verglichen habe, und es ist (immer wieder) verblüffend, wie gewaltig doch dieser Unterschied ist. Pferdekopf geht ja zu Hause fast nie, hier war er gleich zu Beginn ein leichtes Spiel, h-beta-Filter und 32mm-TeleVue-Plössl lassen ihn eindeutig aufscheinen, natürlich nicht als deutlicher Pferdekopf mit Schnauze, aber als auch direkt sichtbare dunkle Ausbuchtung an der hell-dunkel Grenze. Flammennebel hier im 22-mm-Nagler auch ohne Filter auffallend sichtbar.


    Der Orion-Nebel hat mir in dieser Nacht am Besten ohne Filter gefallen, war für mich so eindrucksvoller als mit UHC oder OIII, alle 6 Sterne im Trapez bei 200-fach klar zu sehen.


    Und was ich hier unterm Alpenhimmel und heuer erstmals bewusst beobachten konnte, waren viele Strukturen in M43, nicht nur ein verwaschener Nebelfleck wie sonst, sondern diesmal viele dunkle Strukturen und Bänder im deutlich unterschiedlich hellen Nebel M43, lange hab ich dort geguckt.


    Ganz auffallend war der Unterschied zum gewohnten Landhimmel bei den Fuhrmann-Sternhaufen M35 bis M38, man glaubt sie ja von zu Hause gut zu kennen, aber was hier da an unzähligen kleinen Glitzersternchen und Sternenpünktchenketten neu dazu kommt, ist schon sehr verblüffend.


    Lange war ich auch bei den Sternhaufen im Monocerus, auch hier der Unterschied gewaltig, auch der Rosettennebel deutlich mit UHC und OIII und ein Genuß. Nur der OC NGC 2301, den ich zu Hause wegen seiner sonderbaren Form (irgendwie erinnert er mich an die Form von Sylt - obwohl ich dort noch nie war) so sehr liebe, war erst kein so riesiger Unterschied, fast ein bißchen enttäuschend, bis ich endlich bemerkt habe, dass ja der OIII-Filter von der vorhergehenden Rosettennebel-Beobachtung noch drin war. Also ohne Filter war dann auch 2301 ein ganz besonderes Schauspiel.


    Einmal wurde ich vom nächsten Bauernhof aus ca 300 m Entfernung mit hellen Auto-Fernlichtscheinwerfern für 10 min angestrahlt, da hatte wohl jemand mein Rotlicht beim Kartenlesen bemerkt und wollte nachgucken, was sich da auf einsamer Bergstraße nachts Sonderbares tut, ich weiß nicht, wer sich da mehr gefürchtet hat, der Bauer oder ich ? Ich hab mich halt ruhig auf meinen Beobachtungstuhl gehockt und mit bloßen Augen den Himmel in der anderen Richtung angeschaut, nach dem Pfefferspray in der Tasche gefühlt, bis die Scheinwerfer wieder ausgegangen sind.


    Natürlich hab ich auch nach M31 sowie M81/82 geguckt, die waren aber diesmal alle nicht so viel besser, weil sie schon in der Inntal-Aufhellung standen, die Leo-Galaxien waren schön, aber standen noch ziemlich tief, knapp über dem Bergrücken zur Wildschönau.


    Sehr beeindruckend war für mich der Unterschied bei den Orion-Gürtelsternen. Unglaublich, vieviele kleine Sternchen da rundherum mit den bloßen Augen und vor allem mit Penelope zusätzlich zu beobachten sind, ein richtiges Sternengewimmel, nur hier unterm Alpenhimmel zu sehen. Auch M78 deutlich wie nie sonst.


    M1 und auch manch Anderes wunderbar. Und erstmals hab ich in dieser Nacht die beiden dunklen Augen im Eulennebel M97 klar erkennen können.


    Und es war nicht leicht, aber ich hab es geschafft, auch unter diesem wunderbaren Sternenhimmel ganz alleine (nur gedanklich mit Schrödinger verbunden) in der Winterlandschaft nicht, wie früher, zu rauchen, stolz (wer nicht weiß warum, kann hier gucken ), und es war auch ohne SchwarzerKrauser eine besonders gute Nacht, aber nach über dreieinhalb Stunden bei minus 11 Grad kam trotz dickstem Wintergewand und Moonboots und Benzintaschenofen die Kälte doch durch und dann hab ich, um einer Erkältung zu entgehen, darauf verzichtet noch auf Saturn zu warten und doch lieber gleich abgebaut und lag um 23.30 Uhr zufrieden neben der geliebten Gattin wieder im Bett (Kalte Finger- oder Zehen-Wärmen erlaubt sie in der Situation aber nicht) ...

  • Moin,
    Falls Du Dich für Schrödinger näher interessierst: Eine der besten Wissenschaftler-Biografien die mir untergekommen ist (die meisten sind ja langweilig) ist: Moore, W. Schrödinger: Life and thought. Cambridge University Press. Alle Aspekte der Persönlichkeit (auch die bedenklichen) werden dargelegt.


    Bei Schrödinger kommt einem ja immer seine Rolle in der Formulierung der Wellenmechanik in den Sinn. Was weniger bekannt ist: Schrödinger hat sich in einer philosophisch-theoretischen Arbeit Anfang der 1940er mit dem "Problem des Lebens" befasst. Damals war die DNA ja noch nicht als Träger der Erbinformation bekannt. Schrödinger hat sich aus der Tatsache, dass Röntgenstrahlen Mutationen auslösen können, Gedanken über die Größe eines Gens gemacht. Aus dem Ergebnis, und weil er als "naiver Physiker" verschiedene bekannte Fakten anders verbinden konnte als die Genetiker seiner Zeit, kam er auf den Gedanken, dass die Erbinformation eine Nachricht sei, die in einem Code verfasst sei. Schrödinger war der erste, der das Wort vom "genetichen Code" übehaupt benutzt hat. "What is Life?" war tatsächlich dann 10 Jahre später eine Kultlektüre unter den Molekularbiologen der ersten Stunde, also Leuten wie Watson, Crick, Franklin, Linus Pauling usw. Die Leute, die mit der Entdeckung der DNA-Doppelhelix den Startschuss zur Entschlüsselung des Codes gegeben haben, hatten Schrödingers Buch gelesen.


    Es gibt schon Leute, die ein echtes Händchen dafür haben, die wesentlichen wissenschaftlichen Probleme ihrer Zeit zu erkennen. Für den zweiten dicken Fisch seines Wissenschaftlerlebens war eine rein theoretische Angelleine zu dünn, und er hat sie eben auch 10 Jahre zu früh ausgeworfen. Aber hat er ein paar Leuten den richtigen Floh ins Ohr gesetzt.


    Hartwig

  • Hi Stephan,


    eine wunderbare Erlebnisbeschreibung hast Du da abgeliefert, schöne Assoziationsketten, wie unser Köpferl sie schonmal ausspeiht. "Beobachtungsbericht" wäre eine sehr ärmliche Umschreibung dafür.


    Klasse!


    CS Franjo


    P.S. Hartwig: Erwin Schrödinger nicht auf seine gleichnamige Gleichung zu reduzieren ist ganz wichtig, volle Zustimmung!

  • Hallo Stephan,
    ein wunderbarer Bericht mit "unbezahlbaren" Details, war zum ersten Mal richtig überzeugt, dass es Sinn macht, sich in dieses Board regelmäßig "reinzulesen", wenn auch die "Moneymaker" hier viele Threads - getarnt als "Ratgeber" - dominieren.
    cs Ken

  • Ich danke Euch für die schöne Rückmeldung. Besonders auch für die weitergehende Information zu Schrödingers Bedeutung. Die Biographie von Moor interessiert mich zwar, aber mein humanistischgymnasiales Schulenglisch ist sicher zu schlecht für genußvolles Lesen, aber ich bin jetzt so neugierig geworden, dass ich mir die Autobiographie "Mein Leben, meine Weltansicht: Die Autobiographie und das philosophische Testament" von Schrödinger selber bestellt habe.


    Mit schönen Grüßen

  • Hallo Stephan,


    mann, wie es mich freut von Dir wieder zu lesen. Erst die Tage habe ich daran gedacht, wie es Dir wohl geht. Dein Bericht zeigt mit, dass Du wohlauf bist und es nach wie vor (vielleicht sogar noch etwas mehr) ehrfurchtsvoll unser wunderbares Firmament bewunderst und die Gedanken über Sinn und Unsinn unseres Lebens machst.


    Ich hoffe das wir uns in nicht alzuferner Zukunft wieder treffen können.


    Viele Grüße


    Achim
    ... der immer wieder mal an das gemeinsame Abenteuer unter Südhimmel denken muss

  • Hallo Achim,


    danke für Deine Antwort, ja es geht mir gut, und auch ich lese immer wieder Deine Berichte, natürlich auch den aktuellen "Dealer-Bericht", mich hast Du ja auch "angefixt" in Richtung großer Spiegel, hihi, und vor nicht allzu langer Zeit hab ich sogar mit viel Vergnügen auch nochmal Deinen Bericht von Namibia 2007 gelesen, und auch an die dunklen Nächte auf der Winklmoosalm denke ich gerne zurück, Dein Frühstücksholzbrettchen, das Du das letze mal dort vergessen hast und ich mitgenommen habe, um es Dir auf dem Almberg zu übergeben, hat aber inzwischen leider meine Frau entsorgt ("Dein Zimmer wird immer mehr zum Müllhaufen"), vielleicht sehen wir uns ja trotzdem bald mal wieder, AIP und auch Edelweißspitze hab ich heuer wieder fest im Visir.

  • Hallo Stephan,


    schön mal wieder was von Dir zu lesen.


    Jaja, der Alpenhimmel. Ich erinner mich im Herbst beimS attlegger, da war das so stockfinster, daß man vor lauter Sternen Schwierigkeiten hatte, UMi zu finden! das war absolut krass.


    Ein interessanter Bericht, vor allem der Bezug zu solch bekannten Personen ist durchaus lesenswert.


    Viele Grüße


    Markus


    PS: Der Schrödinger hätt mich in astronomischer Hinsicht auch mehr inspiriert. Und ja, seine Wellengleichung ist cool... (wenn man DGLs mag)
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    Quidquid agis, agas prudenter et respice finem!
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    DANUBIA - OBSERVATORIUM


    Markus A. R. Langlotz
    Dr.-Bruno-Sahliger-Str. 8
    D-93096 Köfering


    Die Astroseite: http://www.N-T-L.de
    Die Starfinderseite: http://starfinder.N-T-L.de
    Die Mailadresse: ntl.observatory (at) freenet.de

  • > aber mein humanistischgymnasiales Schulenglisch ist sicher zu schlecht für genußvolles Lesen


    NEIN, das Ding ist in gut verständlichem Englisch verfasst.
    Hartwig

  • Hallo Lotz,


    danke auch für Deine Rückmeldung, Deine Berichte les ich auch immer, auch den von der Embergeralm, auf der ich selber ja keine so guten Erfahrungen gemacht habe



    auch wenn ich nicht so oft zu Euren Berichten etwas schreibe, meist bin ich erschlagen von der Fülle der exotischen Objekte, die Ihr (damit ist auch Achim gemeint) so findet, aber mitlesen tu ich gerne, aber was ich gerade bei Dir, Markus, vermisse, ist mal eine persönliche Andeutung, wie es der Familie und den beiden tollen Töchtern geht ... kannst mir ja mal ein PN schicken.


    vlobg

  • Hi Stephan,


    PN scheint's hier ja net zu geben *oder ich bin zu dusslig dafür* - aber is ja kein g´Geheimnis.


    Der Fiona und der Antonia geht's prächtig. Und die beiden Mädels haben vor genau einem Jahr Verstärkung bekommen - von unsrem Stammhalter Leopold. Jetzt könne sie Mama und Papa zu dritt ärgern.


    Und ab Sommer kann ich mich in die eigene Kuppel im Garten verkrümeln, wenn sie's mir zu bunt treiben.


    Viele Grüße


    Markus

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