Eskimo durch Eis (lang)

  • Es ist Wochenende, der Mond nicht am Himmel, es ist klar und ich habe Zeit, unglaublich!


    Die warmen Klamotten werden zusammengesucht, Okularkoffer zweimal kontrolliert ob auch alles drin ist.
    Frischer, heißer Tee wird zubereitet und dann alles ins Auto, tanken und auf geht` s Richtung Eifel.


    Auf der Autobahn kommt in mir kurz ein komisches Gefühl hoch...bloß nicht weiter denken.
    Bei Nettersheim verlasse ich die Autobahn und fahre in westlicher Richtung. Ich wäre besser eine Stunde vorher losgefahren.
    Gegen 19.00Uhr ist es schon ziemlich duster. In der Nähe von Urft finde ich dann aber einen sehr guten Platz auf einer Anhöhe mit kompletter Rundumsicht.
    Als erstes schaue ich nach dem "komischen Gefühl". Die blöde Thermoskanne ist nicht ganz dicht.
    Mütze, Handschuhe, "der Stropek" und Zeichenvorlagen sind nass. So ein Mist. Zum Glück ist nicht alles ausgelaufen.
    Auch bin ich froh, dass ich mir den Stropek in der wasserfesten Version bestellt habe und ein zweites paar Handschuhe in der Jacke vergessen hatte.

    Der Blick nach oben entschädigt aber sofort. So deutlich und hell habe ich die Wintermilchstraße noch nie gesehen. Auch das das Seeing scheint sehr gut zu sein. Ein Blick in den Zenit verwirrt zunächst. Cassiopeia steht auf dem Kopf ;) Andromeda ist schnell gefunden. M31 deutlich als verwaschener Fleck zu erkennen, h&chi als funkelnde Swarowski-Steinchen. Der Blick wandert zum Osthorizont und man kann wunderbar sehen, dass der Orion am Rande der Milchstrasse steht.
    Meinen ersten Blick durchs Übersichtsokular schenke ich M31. Über 2 Gesichtsfelder im 35mm Okular lassen sich die schwächsten Ausläufer unseres Nachbarn verfolgen und meine Augen sind noch nicht richtig an die Dunkelheit gewöhnt. Das Dunkelband in der Ebene hebt sich deutlich heraus, weiter südlich wird es wieder nebelig, einfach der Hammer.
    Hell und deutlich ihre beiden Begleiter. Einfach umwerfend der Anblick, ich merke erst jetzt, dass ich mir die Daunenjacke anziehen sollte ;)
    Als nächstes einen Schwenk zu h&chi, traumhaft! Dann zu Mirachs Geist, NGC 404 ist endlich deutlich in seiner Form zu erkennen auch NGC 891 wird kurz angefahren. Deutlich mit ihrem Staubband zu erkennen. Ich bin begeistert von diesem Himmel.


    Ich könnte aber auch mal schnell zu...nee, nee, nicht undiszipliniert rumschubsen. Wozu hab ich mich vorbereitet? Der Nördliche Orion steht auf dem Programm...die komischen Lichtkegel, die am Horizont immer höher aufblitzen, verdränge ich noch.
    OK, kurz zu M42 muss aber. Ich schaue mit dem 22er Leica und prompt ist die Dunkeladaption flöten. Der Nebel knallt, Details ohne Ende.
    Der Dunkelnebel am nördlichen Teil hin zu NGC1982 (M43) ist atemberaubend schwarz, der Kontrastübergang wie mit einem Messer geschnitten. Dann kommen die zarten Nebelfetzen von NGC1982 (M43) filigran ins Bild. Alle Details zu beschreiben wäre einen eigenen Bericht wert.


    Jetzt aber…es soll der Nördliche Orion werden, Disziplin, mein Freund!
    Auf dem Weg dorthin stolpert man aber auch über Alnitak...ui...NGC 2024 zeigt sich. Zum ersten Mal für mich Sommerspechtler. Etwas weiter geschwenkt und ein zarter Nebelbereich wird sichtbar. Es ist eine recht scharfe Kante, da muss der Pferdekopf zu finden sein finden.
    Alnitak muss aber leicht aus dem Bildfeld geschoben werden und die zarte Nebelkante ist sehr schwach, aber gut zu sehen. Jetzt OIII eingeschraubt, der Filter lag die ganze Zeit ausgepackt vor mir. Ich schraube ihn rein und sehe: nix? Wie jetzt? Okular raus und auf den Filter geschaut.
    Eis, das Ding ist komplett mit Raureif überzogen :( Käse und damit kein Pferdekopf.
    Dann eben M78, der braucht keinen OIII Filter. Der Nebel ist einfach gefunden und erscheint wie ein kleiner Komet mit einem dreieckigen Schweif. Deutlich ist der Doppelstern darin zu erkennen.


    Einen kräftigen Schwenk nach Westen. Knapp 1° östlich von Bellatrix soll es eine Hickson-Gruppe geben, HCG34. Als "Pfad" missbrauche ich den recht hübschen Sternhaufen DO17, der bei 150x im Pentax am besten ausschaut. Der Sternhaufen macht sich gut in der Gegend. Von dort aus geht es etwas weiter nach Nord-Ost. Hier muss das irgendwo sein, zwischen zwei Sternchen taucht ab und an ein schwacher Nebel auf. Dieser steht dem linken von beiden etwas näher. Ein ganz schwaches, leicht ovales Fitzelchen, nur indirekt zu erhaschen, schwierig das Ding. Das müsste NGC 1875 sein.
    Ich strecke mich kurz und komme mit der Sternlampe ans Okular, so ein Sch...Also nochmal die Strecke.
    Langsam merke ich, dass ein leichter Wind aufkommt und ich habe den Eindruck, dass die Sterne etwas schwächer werden.
    Wieder an der Stelle angekommen sehe ich nichts mehr. Ein Blick über den Tubus zeigt, dass der Hase unterhalb von Orion nicht mehr zu sehen ist.
    Hochnebel :(
    Auch die Beine von Orion werden deutlich schwächer, nicht nur meine...
    Also noch schnell zum Kopf des Orion.
    NGC 2022 steht auf dem Programm. Ich tapse zunächst in die falsche Richtung, nach einem zweiten Anlauf ist der PN dann aber gefunden. Im Stropek ist die Position nicht ganz korrekt. Der PN ist einen Tacken weiter nördlich, aber im 22er Leica im Gesichtsfeld.
    Ein winziger Geselle. Ich überspringe das 10er Pentax und schaue gleich mit dem 5,2er.
    Der PN ist sehr diffus, mit nicht ganz so scharfem Rand wie Gerhard es beschreibt, eher weich auslaufend. Das Seeing verschlechtert sich etwas, vielleicht lag es daran. Trotzdem kann ich in guten Momenten in der Mitte einen deutlich dunklen Bereich erkennen. Der PN erscheint ringförmig, der dunkle Bereich ist aber deutlich kleiner als bei M57. Die Form ist leicht rechteckig, wobei die zwei langen Seiten recht gerade sind.



    Die Sicht wird aber immer schlechter, der Zentralstern sollte eigentlich kein Problem sein, ich sehe ihn aber nicht. Den Kopf gehoben und es ist klar warum. Der Nebel hat mich erreicht.
    Die Milchstrasse ist nicht mehr zu sehen. Nur noch die hellsten Sterne im Zenit sind zu sehen.
    Ich höre etwas fallen. Mein Feuerzeug ist von der Heckklappe gerutscht. Der ganze Wagen und der Okularkoffer sind weiß. Alles ist mit Raureif überzogen.



    Ich überlege kurz was ich machen soll. Es ist erst 20.45 Uhr. Ich entschließe mich für die Flucht nach oben.
    Ich packe den Kram ein und fahre weiter die A1 bis Blankenheim, in der Hoffnung, über den Nebel zu kommen. Die Ausfahrt verpasse ich aber fast. Sichtweite dort oben streckenweise unter 20m.
    Also auf der anderen Seite wieder drauf und Richtung Köln. Kurz hinter Nettersheim ist der Himmel dann plötzlich wieder klar. Ich fahre in Wißkirchen wieder runter und finde einen guten Standort an einem Modellflugplatz.
    Die Sicht Richtung Süden wird leider von Bäumen verdeckt. Süd-Ost geht aber. Nur die Milchstrasse ist hier weniger gut zu sehen, man muss schon wissen, wo sie ist.
    Dann der Schreck. Der Spiegel ist komplett vereist. Ich hatte im Auto die Heizung kurz an. Frustiert packe ich die Okulare wieder weg und bemerke, dass der Spiegel vom Rand her wieder klar wird??
    Wie das funktioniert weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist das Eis nach ca. 15 Minuten komplett weg.
    Das Thermometer sagt -5°C, trotzdem verschwindet das Eis vom Hauptspiegel.



    Also doch Zwillinge, zum Glück. Und in den Zwillingen NGC 2392. In der Aufsuchvergößerung fällt mir das Blinken extrem auf. Schaut man direkt auf den ZS, blendet sich der Nebel aus. Schaut man auf den Nachbarstern, ploppt riesig und hell der Nebel auf. Mit höherer Vergrößerung verliert sich der Effekt immer mehr.
    Anfangs kann ich kaum Details wahrnehmen, das Seeing hier unten ist schlechter als oben in der Eifel aber immer noch deutlich besser als in der Kölner Innenstadt.
    Ich mach mir erstmal einen Tee, ein bisschen ist ja noch drin ;) Ich lasse den Nebel immer wieder durchs Bildfeld wandern. Mal schau ich direkt, dann wieder indirekt, hier wechsel ich immer den Bereich, in dem ich den Nebel halte. Langsam gewöhnt sich das Auge und lernt. Es tauchen Strukturen auf. Dunkle Stellen sind sichtbar. An einer Stelle ist sie deutlicher zu erkennen. Der Ort ist aber schwer zu bestimmen, da sie nur indirekt erscheinen.
    Eine helle, dreieckige Struktur mit stark gerundeten Ecken zeichnet sich ab. Ich ärgere mich, dass ich nicht höher vergrößern kann (wenn jemand ein gebrauchtes Pentax XW 3,5mm im Angebot hat, bitte anbieten!)


    Die Struktur in der Mitte erinnert wirklich an einen Wankelmotorkolben, wie Achim hier http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=113371 beschrieben hat.
    Ich versuche eine Zeichnung. Aber schon das schwache Rotlicht stört. Ich verschiebe die Zeichnung auf später, mache nur kurze Skizzen.



    Das mit dem OIII wird wieder nix. Ich hab das Ding schon wieder offen liegen lassen. Diesmal ist er von beiden Seiten voller Raureif. Man, ist das eine feuchte, kalte Pampe.
    Nach ca. einer Stunde bemerke ich dann auch, dass der Fangspiegel total zu getaut ist. Mit den Hände wärme ich diesen an. Das hält dann nochmal ca. 30 Minuten und gibt Zeit, immer mehr Details zu erfassen, dann ist das Ding wieder zu :(
    Mittlerweile ist es nach Mitternacht und der Kopf des Löwen steht hoch genug hinter den Bäumen.


    NGC 2903 eröffnet für mich in diesem Jahr den Reigen der Frühlingsgalaxien. Ich finde diese Gx fast ohne Sucher, ich weiß nicht wie oft ich schon hier war. Ich liebe dieses Ding und kann erstmals seit langem wieder erkennen, dass man fast senkrecht auf die Scheibe schaut, herrlich.


    Den Abschluss heute Abend macht Mars...also ein Mars, dazu eine Tasse Tee ;)
    Mit dem Abend dann doch noch versöhnt, baue ich ab und fahre nach Hause.
    Alles in allem eine tolle Nacht und mit einem Lächeln über mich selber und meine kleinen Katastrophen, fahre ich wieder in die Lichtglocke von Köln.


    Anmerkung zu der Zeichnung von NGC2392:
    Die Details in der Zeichnung waren nicht gleichzeitig sichtbar.
    Ich habe drei Skizzen der unterschiedlichen Eindrücke gemacht und diese zu Hause in Ruhe zu einem Bild zusammengefasst. Die dunklen Bereiche im Nebel waren feiner als in der Zeichnung.
    Ich bekomme das aber nicht so zu Papier, zumal ich eine neue Technik mit schwarzem Papier, Pastellstift und Wischer versucht habe. Zu dem Bild folgt noch ein eigener Thread.


    VG Dirk

  • Hi Dirk!


    Schöner Bericht und man hat beim lesen das Gefühl, mitten drin bzw. dabei zu sein.
    Deine Zeichnungen finde ich super.
    Beim blick auf die zwei Vereisungsbilder muss ich selber an meine beiden letzten Beobachtungsnächte denken. Da wird's vom anschauen wieder kalt an den Füßen.


    Auch wenn viel pech dabei war, so kannst du stolz sein, dies bei Frost und Nebel gemeistert zu haben und wirst dich noch lange daran erinnern können.
    Mir macht es momentan richtig spaß, da draußen in der kälte zu spechteln.
    Das härtet ab und man lernt seine Grenzen kennen bei solchen Umständen.


    Tip: Die Thermoskanne immer extra in Plastiktüte wickeln. Wenn's doch mal tropft/läuft, fängt es die Tüte auf.


    Gruß Matze

  • Hallo Dirk,


    Danke für den phantastischen und emotionsgeladenen Bericht, da bekommt man als "Anfänger" Appetit auf mehr! Auch ich war richtig "mitten drin" in Deinem Bericht, als wäre ich dabei. Und trotz Widrigkeiten hattest Du schöne Beobachtungserfolge, von denen ich (vorerst) mit 8" nur träumen kann.


    Grüße Uwe

  • Hi Dirk
    Ein schöner Bericht mit 2 sehr bemerkenswerten, sehr guten Zeichnungen.
    NGC 2022 sieht mir sehr okularrealistisch aus,gefällt mir von den zwei am Besten, da ich den PN hervoragend nachvolllziehen kann.
    Deine Zeichentechnik finde ich klasse!Da freu ich mich auf mehr!


    Lg von Hajü
    http://www.astromerk.de

  • Hallo Dirk,


    schöner mitreisender Bericht. Tolle Zeichnungen von NGC2022 und Eskimo-Nebel.


    Das mit dem Raureif auf dem O-III Filter ist mir auch passiert. Beim nächsten Mal wusste ich es, nie offen im Koffer liegen lassen sondern entweder Deckel drauf oder raus zu den Okularen ans Teleskop legen, wo der Wind drüber streichen kann.


    Gruß
    Lots

  • Hallo zusammen,


    danke an alle für das Feedback.

    (==>)Matze:Den Tipp mit der Thermoskanne werde ich beherzigen ;)


    (==>)Hajü: Der Ausschnitt fürs Web ist bei NGC2392 zu groß. Auf dem Zeichenkarton ist der kleiner.
    Beide Zeichnungen wirken am besten mit ca. 2m Abstand betrachtet. Dann kommt es dem visuelle Eindruck sehr nahe.


    (==>)Lotz: demnächst ist der Filter immer am Mann. Hab reichlich Taschen. Die Luftfeuchte war aber ungewöhnlich


    VG
    Dirk

  • Hallo Dirk,


    ein sehr schöner Bericht und dazu noch diese faszinierenden Zeichnungen.
    Der Eskimonebel ist spitze geworden.


    Ich denke auch schon darüber nach, vom H-Alpha-Zeichnen mal ins
    Deep-Sky-Zeichnen zu wechseln, jedoch sind das zwei ganz andere
    Richtungen.


    Gruß


    Michael


    P.S.: So ähnlich haben mein Okularkoffer und mein Dobson auch ausgesehen ;)

  • Hi Dirk!


    Wooah, was eine Zeichnung! Der Eskimonebel sieht ja absolut fantastisch aus! Da hast Du wirklich ein Händchen für! Gratulation!
    Sonst auch ein lesenswerter Bericht! Wir waren am besagten Wochenende ebenfalls draußen, hatten aber keinerlei Eisprobleme.
    Wir hatten eine furztrockene, eisige Luft.


    Viele Grüße,


    Nils

  • Hallo Dirk,


    wie sah es eigentlich mit der Himmelshelligkeit aus? Immerhin sind Münstereifel und Mechernich nicht soweit entfernt. Und die Dörfer drumrum produzieren auch noch Licht.


    Ist dein Platz denn zumindest gegen direkte Lichtquellen abgeschirmt?

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: SigurRósFan</i>
    <br />Hallo Dirk,


    wie sah es eigentlich mit der Himmelshelligkeit aus? Immerhin sind Münstereifel und Mechernich nicht soweit entfernt. Und die Dörfer drumrum produzieren auch noch Licht.


    Ist dein Platz denn zumindest gegen direkte Lichtquellen abgeschirmt?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Nico,


    der Platz war ok aber nicht sehr gut. Ein Dorf war gleich in der Nähe. Man wurde aber nicht geblendet. Wo ich genau war, weiß ich eigentlich nicht. Bei der nächsten Tour werde ich früher losfahren und einen besseren Platz suchen.


    vg
    Dirk

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