Dunkle Materie im dunkeln?

  • Hallo zusammen,



    fast zeitgleich erscheinen in den Augustausgaben von 'Sterne und Weltraum' sowie 'Spektrum der Wissenschaft' ausführliche Artikel über Dunkle Materie. Das wäre nicht weiter verwunderlich, da aktuelle Themen meist von vielen Zeitschriften gleichzeitig aufgegriffen werden. Mich zumindest erstaunt dann aber, dass die beiden Artikel, sieht man von den instruktiven Einleitungen der beiden Artikeln ab, zu beinahe diametral verschieden Schlussfolgerungen kommen. Im SUW Artikel 'Dem Dunklen Universum auf der Spur' wird in einem Informationskasten mit einem Bild vom 'Bullet Cluster, einer Kollission von zwei Galaxienhaufen sogar von einem Existenzbeweis der Dunklen Materie gesprochen. Ein wichtiges Argument, mit Hilfe von Graviationslinsen kann zweifelsfrei auf die Masse der beiden Galaxienhaufen geschlossen werden.


    Ganz anders das Fazit im Artikel 'Das kosmologische Standardmodell auf dem Prüfstand', im Spektrum. Hier werden an Hand detaillierten Untersuchungen von Satellitengalaxien große Zweifel an der Existenz von Dunkler Materie geäussert. Die Anzahl, die Masse-Leuchtkraft Beziehung in die Dynamik von Satelliten Gelaxien, insbesondere der lokalen Gruppe, stehen in Widerpruch zu den Vorhesagen des Standardmodells mit der Dunklen Materie. Als Alternative wird hier eine schon vor vielen Jahren vorgeschlagen Modifikation des Gravitationsgesetztes reaktiviert oder sogar die Modifikation der allgemeinen Relavititätstheorie vorgeschlagen. Nicht so überraschend dann vielleicht, dass die beiden Artikel kaum auf die in dem anderen Artikel aufgeworfenen Probleme der jeweils eigenen Interpretation eingehen. Die könnte natürlich auch ein Indiz sein, dass in dem Gebiet momentan sehr viel in Bewegung ist.


    Als Aussenstehendem stellt sich mir die Frage, ob sich die Lichtablenkung durch große Massen überhaupt ohne eine explizite Form eines Gravitationsgesetzes berechnen lässt. Vielleicht liest hier ja einer der Profis mit und kann die aktuelle, so scheint mir etwas kontroverse, Diskussion kommentieren.


    Beste Grüße


    Thomas

  • Hier
    http://scienceblogs.com/starts…_matter_crisis_hardly.php
    gibt's einen kurzen Überblick darüber. Fazit:


    "[D]ark matter -- this <i>one</i> addition -- makes these and a whole host of other observations work out. But [...] there's one thing that dark matter gets <i>slightly</i> wrong.
    ...
    [D]ark matter is <b>wrong</b> in the details it predicts for individual, galaxy-scale objects.
    ...
    If you do Modify Newtonian Dynamics (the theory of MOND), you can explain the galactic-scale observations better than dark matter can. But you can't explain any of the others."


    Tschau,
    Thomas

  • Hi,


    ich bin selbst auf diesem Gebiet tätig. Ich kenne den 'Spektrum der Wissenschaft' Artikel zwar nicht, aber die zugrunde liegende Originalarbeit sehr wohl.


    Im Grundsatz geht es um Folgendes: Die Annahme der Existenz kalter Dunkler Materie aus bisher im Labor nicht beobachteten Elementarteilchen löst auf einen Schlag sehr viele ansonsten schwer verständliche Probleme, z.B. die Entstehung der Elemente im Urknall bzw. deren Häufigkeitsverteilung, die rasche Bildung von Galaxienhaufen, die Stabilität der Galaxien sowie die Beobachteten grossen Massen von Gravitationslinsen.


    Man kann es auch anders formulieren: Die Einbeziehung einer kalten, daher gut klumpenden Materiekomponente hilft dem Universum Strukturen zu bilden. Das kann man heutzutage sogar mit Grossrechnern simulieren, und die Ergebnisse sehen dem echten Universum verblüffend ähnlich.


    Mit einer Ausnahme: In der Simulation ist die Dunkle Materie sogar *zu* gut darin Strukturen zu bilden. Namentlich sagen die Simulationen eine etwa 2 bis 10 fach höhere Zahl an schwachen Zwerggalaxien voraus als man sie bisher beobachtet.


    Diese Diskrepanz nahmen nun die Autoren zum Anlass, eine "Krise" der Dunklen Materie zu erklären und stattdessen wieder eine Änderung des Gravitationsgesetzes zu fordern.


    Schaut man aber mal genauer hin, so sieht man, dass diese alternativen Theorien der Gravitation viel mehr Probleme haben als die Dunkle Materie: Die Verteilung des heissen Gases in Galaxienhaufen ist damit nicht in Einklang zu bringen (-&gt; auch, aber bei weitem nicht nur beim Bullet Cluster), die Entstehung der ersten Elemente ebenso wenig, und auch nicht die rasche Bildung der Galaxienhaufen. Mit den Gravitationslinsen die Du ansprichst ist das ein wenig komplizierter, aber auch die sind erstmal abhängig von der "Tiefe" des Potentialtopfes, mithin also die Gesamtmasse der Linse. Das spricht hier ebenfalls fpr die Dunkle Materie. In höherer Ordnung kann man hier mit modifiziertem Gravitationsgesetz über den Potentialverlauf auch einiges machen, jedoch ist es zweifelhaft ob man so die Vielfalt der beobachteten Linsen erklären könnte.


    So interessant diese Idee also ist, man kauft sich hier also eigentlich für die (mögliche, nicht garantierte!) Lösung eines Problems einen ganzen Korb neuer und schwerwiegenderer Unstimmigkeiten ein.


    Auch sollte man sich fragen ob die scheinbare Diskrepanz wirklich so schwerwiegend ist: Simulationen sind bekanntermassen nie perfekt. Zwerggalaxien findet man erstmal nur wenn sie auch normale Materie enthalten, als Gas oder Sterne. Der Prozess des einfangens dieser baryonischen Materie wird gerade erst in die Simulationen eingearbeitet. Vielleicht sind die Dunkle-Materie-Zwerge ja wirklich da, die Diskrepanz existiert also garnicht, und wir sehen sie bloß nicht weil wir keine "Dunkelmaterie-Augen" haben?


    Ebenso sind viele Zwerggalaxien sehr wenig kompakt und sehr lichtschwach. Wir können nicht sicher sein dass wir nicht einfach eine grosse Zahl bisher übersehen aufgrund beschränkter Durchmusterungen...


    Es ist gut und richtig immer an wissenschaftlichen Theorien zu zweifeln. Das letzte Wort über die Existenz der Dunklen Materie ist noch nicht gesprochen. Aber die Hinweise sind schon sehr stark, viel stärker als für die Alternativen.


    Daher halte ich die Darstellung in SuW schon für eine zutreffende Vermittlung des momentanen Kenntnisstandes.


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    <br />
    Es ist gut und richtig immer an wissenschaftlichen Theorien zu zweifeln. Das letzte Wort über die Existenz der Dunklen Materie ist noch nicht gesprochen. Aber die Hinweise sind schon sehr stark, viel stärker als für die Alternativen.


    Daher halte ich die Darstellung in SuW schon für eine zutreffende Vermittlung des momentanen Kenntnisstandes.


    Viele Grüsse,
    Dominik
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Dominik,


    vielen Dank für deine sehr ausführlichen Erläuterungen. Sie sind wohl so zu unterpretieren, dass in dem Spektrum der Wissenschaft Artikel über den Test des Standardmodells mit Zwerggalaxien eine klare Minderheitenmeinung dargestellt ist, oder?


    Nach der Lektüre des Spektrum Artikels habe ich mich gewundert, dass das Konzept der Dunklen Materie, das einem 'Labor-Physiker' doch einige Bauchschmerzen bereitet (die Modifikation des Graviationsgesetzes bzw. der Allgemeinen Relativitätstheorie natürlich ebenso) gerade auf auf kleinen Längenskalen, für die es ursprünglich entwickelt wurde und in unserer näheren Umgebung erhebliche Problme zu haben scheint.
    Doch Kontroversen beleben die Forschung, manch anderer Zweig der Physik wären glücklich, wenn es so viele interesannte, fundamentale Fragen zu klären gäbe. In diesem Sinn bin ich gespann was die kommenden Jahre an neuen Ergebnissen und Erkenntnissen bringen.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hi Thomas,


    ja, das kann man so sagen. Auch sollte man hinzufügen dass es garnicht unbedingt die Skalen in unserer Nachbarschaft geht (die Bewegung der Sterne in der Scheibe der Milchstrasse lässt sich mit DM super beschreiben), sondern eigentlich wirklich nur der Einzelbefund "zu wenig kleine und kleinste Begleitgalaxien _bisher beobachtet_, im Vergleich mit _bisherigen Simulationen (und keinesfalls der Theorie an sich)".


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    <br />Hi,
    Namentlich sagen die Simulationen eine etwa 2 bis 10 fach höhere Zahl an schwachen Zwerggalaxien voraus als man sie bisher beobachtet.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wie hoch ist denn die Zahl? Wenn das Verhältnis zwischen "großen" Galaxien und "zwerggalaxien" bei mehr als 1:10 liegt, aber weniger beobachtet wurde, so hätte ich da eine Gegenbeobachtung ;)


    Falls du im September auf der AG Tagung bist, kannst du dir ja mein Poster dazu ansehen (denn leider gibts keinen Splinter wo das Thema rein passen würde) :)

  • Hi Arp,


    nun, die "Diskrepanz" wenn man so will hängt von der Masseskala ab, und wir tendenziell zu kleineren Massen hin grösser. Grundsätzlich ist 1:10 in etwa das worüber man spricht. Ich sollte jedoch hinzusetzen dass hier wirklich Zwerggalaxien gemeint sind, also Massebereich (inklusive DM) von 10^7 Sonnenmassen und weit darunter.


    Auf der AG - Tagung bin ich auch anwesend, wenn Du da ein Poster hast werde ich sicher mal vorbeischauen!


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • Hi Arp, hi Dominik,
    da ich in diesem Gebiet ebenfalls beruflich taetig bin, kann ich es mir nicht verkneifen, auch mal meinen Senf dazu abzugeben:
    Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der beobachteten Satellitengalaxien und den simulierten Satelliten ist teils erheblich groesser als 1:10. Aber das hat Dominik ja schon korrekt beschrieben.
    Momentan kennt man ca. 35 (bei einigen wenigen Objecten wird noch diskutiert ob sie wirklich Satelllitengalaxien sind oder doch was anderes). Allerdings beruecksichtigt diese Liste nur die "klassischen" Satelliten die ueber den ganzen Himmel verstreut sind, sowie die "neuen" Satelliten, die sich im Bereich der SDSS coverage (http://www.sdss.org/dr6/coverage/index.html) befinden. Das liegt einfach daran, dass die "neuen" Satelliten allesamt so dunkel uns arm an Sternen sind, dass sie nur mit recht komplizierten Algorithmen die auf die SDSS Daten angewandt werden auffindbar sind. Nun deckt SDSS leider nicht den kompletten Himmel ab, also multipliziert man die Anzahl der "neuen" Satelliten mit einem Faktor um dies zu korrigieren.
    Wenn man das gemacht hat, kommt man auf insgesamt rund 65 Satelliten (kommt ganz drauf an, welchem Autor man nun glauben will). In modernen cosmologischen Simulationen (http://arxiv.org/abs/0809.0898)findet mal allerdings tausende Satelliten.
    Ueber dieses "Missing Satellite Problem" zerbricht man sich jetzt schon seit einiger Zeit den Kopf. Einige wollen deswegen die Dunkle Materie abschaffen, andere suchen die Loesung in komplizierteren Simulationen. Ich gehoere zur letzteren Gruppe [:D]
    Unsere Ergebnisse zeigen, dass das "Missing Satellite Problem" sich quasi von selbst loest, wenn man dazu uebergeht in den Simulationen nicht nur die dunkle Materie allein zu simulieren (der schnelle und einfache Weg), sonder die komplette Gasdynamik, Sternentstehung, etc. ebenfalls simuliert. Das ist kompliziert, kostet enorm viel Rechnezeit, aber: Die simulierten Satelliten verraten einem ganz von allein, warum wir nur weniger als 100 Satellitengalaxien sehen koennen (oder koennten, wenn SDSS den ganzen Himmel abdecken wuerde), obwohl tausende Satelliten um uns rum kreiseln: Satellitengalaxien entstehen weit entfernt von der Milchstrasse und fallen erst im Laufe der Zeit in unsere Richtung. Durch verschiedene Prozesse verliehrt der Grossteil dieser Satelliten allerdings sein Gas und ggf. seine Sterne. Was dann uebrig bleibt ist quasi ein Klumpen purer dunkler Materie. Und da dunkle Materie per definitionem dunkel ist, sieht man von den vielen vielen "toten" Satelliten nunmal nix.


    So, das war jetzt viel Text. Sorry, aber kuerzer ging's nicht. [;)] Bei interesse: Hier gibt's nochmal eine kurze (leider nicht 100%ig korrekte Zusammenfassung): http://www.newscientist.com/ar…y-sterilise-galaxies.html und wer WIRKLICH wissen will was, wie, wo und vor allem warum: http://arxiv.org/abs/1004.3217


    Gruesse,
    Markus

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: wadepuma</i>
    <br />Hi Arp, hi Dominik,



    Satellitengalaxien und den simulierten Satelliten ist teils erheblich groesser als 1:10. Aber das hat Dominik ja schon korrekt beschrieben.
    Momentan kennt man ca. 35 (bei einigen wenigen Objecten wird noch diskutiert ob sie wirklich Satelllitengalaxien sind oder doch was anderes). Allerdings beruecksichtigt diese Liste nur die "klassischen" Satelliten die ueber den ganzen Himmel verstreut sind, sowie die "neuen" Satelliten, die sich im Bereich der SDSS coverage (http://www.sdss.org/dr6/coverage/index.html) befinden. Das liegt einfach daran, dass die "neuen" Satelliten allesamt so dunkel uns arm an Sternen sind, dass sie nur mit recht komplizierten Algorithmen die auf die SDSS Daten angewandt werden auffindbar sind. Nun deckt SDSS leider nicht den kompletten Himmel ab, also multipliziert man die Anzahl der "neuen" Satelliten mit einem Faktor um dies zu korrigieren.
    Wenn man das gemacht hat, kommt man auf insgesamt rund 65 Satelliten (kommt ganz drauf an, welchem Autor man nun glauben will). In modernen cosmologischen Simulationen (http://arxiv.org/abs/0809.0898)findet mal allerdings tausende Satelliten.
    Ueber dieses "Missing Satellite Problem" zerbricht man sich jetzt schon seit einiger Zeit den Kopf. Einige wollen deswegen die Dunkle Materie abschaffen, andere suchen die Loesung in komplizierteren Simulationen. Ich gehoere zur letzteren Gruppe [:D]
    Unsere Ergebnisse zeigen, dass das "Missing Satellite Problem" sich quasi von selbst loest, wenn man dazu uebergeht in den Simulationen nicht nur die dunkle Materie allein zu simulieren (der schnelle und einfache Weg), sonder die komplette Gasdynamik, Sternentstehung, etc. ebenfalls simuliert. Das ist kompliziert, kostet enorm viel Rechnezeit, aber: Die simulierten Satelliten verraten einem ganz von allein, warum wir nur weniger als 100 Satellitengalaxien sehen koennen (oder koennten, wenn SDSS den ganzen Himmel abdecken wuerde), obwohl tausende Satelliten um uns rum kreiseln: Satellitengalaxien entstehen weit entfernt von der Milchstrasse und fallen erst im Laufe der Zeit in unsere Richtung. Durch verschiedene Prozesse verliehrt der Grossteil dieser Satelliten allerdings sein Gas und ggf. seine Sterne. Was dann uebrig bleibt ist quasi ein Klumpen purer dunkler Materie. Und da dunkle Materie per definitionem dunkel ist, sieht man von den vielen vielen "toten" Satelliten nunmal nix.



    Gruesse,
    Markus
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo zusammen,


    da hier ja offensichtlich etliche Experten sich äußern, möchte ich ergänzen, dass in dem o.g. Spektrum der Wissenschaft Artikel nicht nur die Häufigkeit der Satelleliten-Galaxien als ein Problem gesehen wird sondern auch deren Dynamik. Darüber hinaus wird auch ins Feld geführt, dass auch Gezeiten-Zwerggalaxien, z.B. NGC 5291 Rotationskurven aufweisen, die im Standardmodell einen Hinweis auf Dunkle Materie liefern. Andererseits scheint Konsenz zu bestehen, dass Gezeitenarme nur sehr wenige Dunkle Materie. In der dem Artikel zugrunde liegenden Arbeit wird von insgesamt 5 unabhänigen Argumenten gesprochen, die im Rahmen der bestehenden Modelle schlecht zu erklären sind.


    Was meinen hier die Experten? Lassen sich die anderen Argumente auch entkräften? Gehören hier alle zu Fraktion der 'Verfechter' der DM? Was mich als Ausstehnden etwas wundert, wieso wird in Spektrum ein Artikel gedruckt, der innerhalb des Fachgebietes - so wie es nach den Kommentaren hier scheint- nicht akzeptiert ist.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hi,


    zuerst einmal ist es wichtig zu sagen dass man als Wissenschaftler nie "Verfechter" von etwas anderem sein sollte als dem was durch Beobachtungen bestätigt wird. Daher muss man das Ganze vielleicht so formulieren: Das Universum ist ein sehr grosser Ort, und unvermeidlich sind viele seiner Bewohner (=Galaxien) "speziell". Es ist sicher Konsens dass es Galaxien oder Teile von Galaxien (wie Gezeitenarme) gibt die wenn dann nur vergleichsweise wenig DM enthalten. Jedoch, und das ist der springende Punkt, wenn man die grosse, grosse Mehrheit der Phänomene anschaut, dann hat man mit der Dunklen Materie eben (bedeutend) *weniger* Probleme die Gestalt und Dynamik der Galaxien zu verstehen als ohne sie.


    Dass dies jedoch eine laufende Diskussion auch in der Fachwelt ist sollte klar sein. Wissenschaft lebt vom Diskurs, lebt auch von Auseinandersetzungen, solange diese auf Basis von Beobachtungen geführt werden. Der Artikel im Spektrum geht auf eine wissenschaftliche Originalarbeit der gleichen Autoren zurück. Auch wenn aus meiner Sicht (und der sehr vieler Kollegen) die Beobachtungslage klar gegen die dort vertetene Auffassung spricht, so wäre es doch extrem schädlich wenn abweichende Meinungen nicht ebenso publiziert würden wie der "Mainstream".


    Viele Grüsse,
    Dominik

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    <br />Das Universum ist ein sehr grosser Ort, und unvermeidlich sind viele seiner Bewohner (=Galaxien) "speziell". Es ist sicher Konsens dass es Galaxien oder Teile von Galaxien (wie Gezeitenarme) gibt die wenn dann nur vergleichsweise wenig DM enthalten. Jedoch, und das ist der springende Punkt, wenn man die grosse, grosse Mehrheit der Phänomene anschaut, dann hat man mit der Dunklen Materie eben (bedeutend) *weniger* Probleme die Gestalt und Dynamik der Galaxien zu verstehen als ohne sie.


    ....


    Der Artikel im Spektrum geht auf eine wissenschaftliche Originalarbeit der gleichen Autoren zurück. Auch wenn aus meiner Sicht (und der sehr vieler Kollegen) die Beobachtungslage klar gegen die dort vertetene Auffassung spricht, so wäre es doch extrem schädlich wenn abweichende Meinungen nicht ebenso publiziert würden wie der "Mainstream".


    Viele Grüsse,
    Dominik
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Dominik,


    bei astronomische Fragen diskutieren gerne Laien und Halblaien mit, ich schließe mich da ein, vielleicht weil vieles anschaulich erscheint und wir mit der Bewegung von Massekörpern recht vertraut sind.


    Wenn man die Astronomie/Astrophysik als Teilgebiet der Physik sieht, ist die dunkle Materie, hier im engeren Sinn als Materie, die nicht aus Baryonen oder Lepteonen besteht, ein extremer Fremdkörper. Sie entzieht sich (bisher) im Rahmen solcher 'Definition' jeder weiteren Untersuchung, und wird eben ausschließlich benötigt um die großräumige Kinematik im All im Rahmen der bestehenden Gravitationstheorie korrekt zu beschreiben. Eines der fundamentalen Grundprinzipien der Physik, dass eine Theorie falsifizierbar sein muss, ist hier stark eingeschränkt, da nur gravitative Aspekte berücksichtigt werden müssen. Aus dieser Perspektive ist jeder fundierte Ansatz ohne Dunkle Materie auszukommen, wie z.B. selbst so etwas wie die Modifikation des Graviationsgesetz ausgesprochen attraktiv. Im Umkehrschluss, wenn dies nicht gelingt, stärkt dies auch das Vertrauen darin, dass sie real ist.



    Graviationstheorien sind beleibe keine heilgien Kühe, in den 80ziger Jahren wurde das Newtonsche Graviationsgesetz in Frage gestellt. Durch Experimenten in der Teilchenphysik ausgelöst kam die Frage auf, ob auf einer Skala von wenigen Metern Abweichungen zum 1/r Potential auftreten. Diese Zweifel wurde dann mit diversen Messungen, wenn ich recht erinnere von Bohrungen im Gletschereis auf Grönland und auch mit anderen Methoden zerstreut. Als Resultat ist heute das Gravitationsgesetz mit deutlich höherer Präzision bestätigt. Leider ist es wohl sehr viel schwieriger es auf den astronmisch relevanten Längeskalen, bzw. niedrigeren Feldern experimentell zu überprüfen. Soweit ich den Artikel in Spektrum und die zugrund liegende Originalarbeit verstanden habe, ist momentan gar nicht ganz klar, ob die Allgemeine Relativitätsheorie nicht sogar Raum für Modifikationen besitzt, die zu Änderungen der Gravitation führen. Aus der Sicht der Phyik als Ganzes ist dies daher ein sehr attraktiver Ansatz, auch wenn er vieleicht 'nur' dazu führt, dass wir in ein einigen ein gesichertes Bild der der Graviation besitzen.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo,


    ich möchte mal meine bescheidene Meinung zum Thema äußern.


    Als Ende der Neunziger in einer PM (ich weiß, PM ist nicht gerade ernst genommen unter Wissenschaftlern) ein Artikel über Antigravitation erschien, las/hörte ich das erstemal was von Beschleunigter Ausdehnung des Universums. Wie eben gesagt, gingen die Schreiber von einer gemessenen beschleunigten Ausdehnung des Universums aus und mutmaßten über eine Antigravitation, die bei genügend großem Abstand immer sttärker würde. Nun kann man sich den Wirkbereich der Kraft ausgehend von einem Körper wie eine Kugeloberfläche vorstellen. Mit zunehmendem Durmesser nimmt die Fläche, auf welche die kraft wirken soll, quadratisch zu - also muss die Kraftwirkung quadratisch mit der Entfernung abnehmen. Das macht eine Antigravitation oben beschriebener Art "irgendwie" unmöglich. Also muss es eine andere Ursache für die beschleunigte Ausdehnung des Universums geben - da passt die Idee der dunklen Materie gut hinein.


    In einem Astronomiefilm über das Thema wurde dann auch von eben dieser dunklen Materie/dunklen Energie gesprochen und dass sie bereits in Entfernung und Lage ermittelt wurde. Sie liegt in jede beliebige Richtung gemessen etwa 10 Mrd. Lichtjahre um uns herum als Gürtel (nur eben in 3D, also als Kugelsphäre). Nun lässt die beschleunigte Ausdehnung und die vorher abnehmende Ausdehnung auch erklären, und zwar folgendermaßen:


    Als das Universum noch eine Dichte der weißen materie hatte, die eine stärkere Gravitationskraft zwischen der weißen Materie ermöglichte, als zwischen weißer und dunkler Materie (Raum-Dichte-Konstellation), da wurde halt die Ausdehnung ausgebremst. Nun da wir uns mittlerweile alle voneinander soweit entfernt haben (nicht gesellschaftlich gemeint), dass die gravitationskraft zwischen uns so klein ist, dass der dunkle Materiegürtel bereits eine stärkere Anziehungskraft auf uns ausübt als wir auf uns gegenseitig, da treiben wir halt nach außen auf den "Schwimmring" zu. Wie es danach weitergeht, kann ich ohne mathematik nicht sagen und mit meinen faktischen Kenntnissen wohl auch nicht mit Mathematik. Möglich wäre bei einer entsprechenden Größe des dunklen Materierings (mit dunkler Energie immerhin 96% der Masse des gesamten Universums) eine vollständige Ausbremsung und Umkehrung des Prozesses bis zur Implosion - vielleicht gibt's aber auch nur nochmal einen Beschleunigungsschub vor dem Kätletod in unendlicher Ausdehnung, oder dem Streben gegen ein Grenzwert der Ausdehnung.


    jetzt noch ein bißchen eigenes "Gespinne"


    Interessant ist auch die frage was die dunkle materie eigentlich darstellt. Wenn man bedenkt, dass bei genügend hoher Lichtdichte aus dem Licht materie entsteht (den Fakt habe ich aus populärwissenschaftlicher lektüre - ich glaube Joachim Bublath), dann könnte man die dunkle materie vielleicht als festgesetzten negativen Schwingungspunkt einer ursprünglichen Lichtwelle/teilchenwelle auffassen und die weiße materie als den entsprechenden Gegenpol der Lichtwelle. Vielleicht ist das nur ein überbleibsel des urknalls (ich weiß, alles ist ein überbleibsel des Urknalls) und in einer art schwingungserstarrung hat sich halt zuerst in den äußeren bereichen dem entsprechend das Meiste "geklumpt" - in zufälligerweise schwarzer Form. Aber das soll jetzt genug Spekulation ohne Ernsthafte Rechnung sein.


    Interresant ist vielleicht auch noch folgende Überlegung:


    F = m*a
    Bei welcher Lichtdichte entsteht genügend Gravitationswirkung zwischen den Lichtquandten (aufgrund ihrer masse aus der Masse-Energierelation), um diese Lichtquandten innerhalb einer Halbschwingung vollständig auszubremsen (ich meine hier die transversale Schwingungsbewegung selbst - nicht die Lichtgeschwindigkeit). Damit hätte wir dann ein Abstoppen des Schwingungsprozesses und damit einen Übergang von Schwingung in materie - könnte ja vielleicht möglich sein.


    Sternklare Grüße
    Alko

  • Hallo Alko,


    auch wenn du's vermutlich leider nicht hören willst: Du verquickst da Dunkle Materie und Dunkle Energie (das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!) und dazu noch eine abstruse Theorie wie sie in der PM leider nur allzu häufig zu lesen ist.


    Schon lange vor den 90er Jahren hatte man sich von der egozentrischen Idee verabschiedet, daß wir uns im Zentrum des Universums befinden. Warum sollte sich das Universum auch ausgerechnet auf unser popeliges Milchstraßensystem fixieren wollen? Um uns herum liegt keine ominöse Kugelschale von was auch immer, weder in 10 Milliarden Lichtjahren noch anderswo. Dankenswerterweise können wir das mit eigenen Augen sehen - an der Stelle stehen Galaxien, genau wie unsere eigene auch. Und die stehen vor derselben Situation, nämlich daß sich das Universum um sie herum ausdehnt. Wo soll da noch Platz für ein Mysterium sein?


    Die Dunkle Materie dagegen können wir lokalisieren, kosmologisch gesehen schon vor unserer Haustür. Sie steckt ja auch in der Milchstraße schon mittendrin, da müssen wir die heimischen Gefilde gar nicht verlassen. Und in jeder anderen Galaxie ist sie auch drin. Mithilfe des Gravitationlinseneffektes läßt sie sich inzwischen ja auch schon direkt nachweisen, Stichwort Bullet Cluster.


    Über die Dunkle Energie läßt sich naturgemäß jede Menge spekulieren, das ist ganz normal, wenn man nun so überhaupt nicht weiß womit man es zu tun hat. Eines weiß man jedenfalls, sie ist so gleichmäßig im Universum verteilt wie nur irgendwas. Also überall.


    Und ja, PM sollte man nicht erst nehmen (nicht nur als Wissenschaftler!), der Unsinn den dieses Magazin verbreitet, ist größtenteils sogar noch weit unter Bildzeitungsniveau. Ich erinnerte mich noch, wie - ebenfalls Ende der 90er Jahre - ein Mitschüler von mir in einem Referat in der Schule mit reichlich Bildmaterial über Planet X schwadronierte - 2012 läßt grüßen. Sein "Wissen" hatte er aus der PM, nichtsahnend auf welchen Humbug er da reingefallen war.


    Von daher: An besten Finger weg von der PM, denn ohne falsche Vorstellungen, die man nur mühsam wieder aus dem Kopf bekommt - egal ob nun zum Thema Weltuntergang 2012 oder zur Dunklen Materie - lebt es sich einfach besser.


    Viele Grüße,
    Caro

  • Hallo Caro,


    ich bin ganz deiner meinung bzgl. dessen was dort in der PM geschrieben stand, ich hatte zu der Theorie der Antigravitation ja auch meinen gedanklichen Standpunkt dargelegt (das sollte eigentlich daraus hervorgegangen sein). Das Wissen um die dunkle Materie und die dunkle Energie (wobei ich hier beides nicht miteinander verquicken wollte) habe ich nicht aus der PM, sondern aus Astronomievorlesungen an der Uni. Die Information über die Lokalisierung der dunklen Materie habe ich aus einem Astronomiefilm, in dem sich ESA- und Nasaforscher zu dem Thema äußerten, bzw. es präsentierten (ich werde den namen des Films nochmal recherchieren und an dieser Stelle bekannt geben).


    Meine übrige Überlegung ist einfach mal ein Gedankenansatz oder auch Idee genannt.


    Sternklare Grüße
    Alko

  • Hallo Alko,


    gerade dein "gedanklicher Standpunkt" zur Dunklen Materie ist es ja, der so nicht stimmt - auch das sollte rübergekommen sein. Deinen "Schwimmring" gibt es nicht, der ist sogar noch unrealistischer als die Sache mit der Antigravitation aus dem Artikel.


    Ich empfehle dir dringend die nochmalige Konsultation deines Vorlesungsskriptes unter folgenden Gesichtspunkten:
    - Welle-Teilchen-Dualismus: Nur weil man Licht und Materie mal als Welle mal als Teilchen beschreiben kann, paßt das nicht zu dem was du dir ausgedacht hast. "Negativer Schwingungspunkt", "Gegenpol einer Lichtwelle", was soll das? Sowas gibt es nicht.
    - Ruhemasse des Photons = Null. Photonen bewegen sich im Rahmen der Krümmung der Raumzeit. Ein Photon selber übt aber keine gravitative Wirkung aus.


    Viele Grüße,
    Caro

  • Hallo Caro,


    Mit "Negativer Schwingungspunkt" und "Gegenpol einer Lichtwelle" meinte ich nur Wellenberg und Wellental. Auf dem Schwingungsweg zwischen diesen beiden Phasen muss die Lichtschwingung ja eine Beschleunigung durchlaufen. Die Frage stellte sich mir einfach, was die ursache für diese ständige Hin- und Herbeschleunigung ist. Was sorgt für den ständigen Richtungssinnwechsel der Schwingung - Licht hat schließlich kein Medium zur Fortbewegung. Es muss schlussendlich eine Kraft sein, die da wirkt, denn sonst wäre eine Veränderung eines Zustandes ja nicht möglich nach dem ersten Newtonschen Axiom. Ich habe meinen gedanken hier auch nur eingebracht, um mich mal mit jemandem inhaltlich darüber zu unterhalten.


    Über den "Schwimmring" aus dunkler Materie möchte ich mich trotzdem gerne nochmal mit dir unterhalten, da er nicht meine Erfindung ist, sondern in einem seriösen Astronomiefilm als thema gebracht wurde (Titel recherchiere ich wie schon gesagt). Dass der Ring aus dunkler Materie die Ursache für die beschleunigte Ausdehnung des Universums ist, war dann wieder meine Idee (was allerdings auch nicht so abwegig wäre, vorrausgesetzt er existiert).


    Sternklare Grüße
    Alko

  • Hallo Alko,


    ich glaube du hat eine falsche Vorstellung von einer Lichtwelle, denn eben gerade weil das elektromagnetische Feld ja kein Medium hat, gibt es da auch nichts, was da materiell schwingt und daher beschleunigt oder abgebremst wird. Das Feld selber ist ja nicht sein eigenes Medium und das Photon als Teilchen macht auch keine Schwingungsbewegung durch. Das ist auch einer der Tücken des Welle-Teilchen-Dualismus.


    Das mit dem "Schwimmring" kann eigentlich nur irgendwie falsch rübergekommen sein, denn solche seltsamen Theorien sind im Allgemeinen nur bei Leuten populär, die sich die Unendlichkeit des Universums nicht vorstellen können - und das sind normalerweise keine Wissenschaftler. Wo kein "Außen", da kann halt auch nichts mysteriöses von außen ziehen, so auch bei unserem Universum.


    Viele Grüße,
    Caro

  • Hallo Caro,


    alles klar, beim erwähnen des Wortes "elektromagnetisch" fiel es mir gerade wie Schuppen von den Augen. Natürlich braucht es keine extra Kraft, ist ja die Wechselwirkung zwischen elektrischem und magnetischem Feld und damit ein sich ständig gegenseitig erzeugendes/umwandelndes Etwas bestehend aus Energie. Ich glaube das eine Jahr Uni-Pause hat ein wenig von meinem Wissen verschüttet.


    Wegen des Films kann ich gerne mal recherchieren (falls es dich interessiert). Ich hab ihn im Zuge einer ganzen reihe astronomischer Filme zu verschiedenen Aspekten des Universums gesehen - es waren alles ernsthafte Dokumentationen ohne billigen esotherischen Hintergrund. Da ist wohl doch wieder ein Besuch bei einem guten Freund fällig.


    Sternklare Grüße
    Alko

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