Prüfstand

  • Hallo liebe Spiegelschleifer!


    Ich möchte mal das Thema Prüfstand ein wenig aufrollen!
    Während des Polierens meine 300mm Prüfsphäre habe ich immer mal wieder am Prüfstand herumgebastelt denn je genauer die Sphäre wurde, um so höher wurden die Anforderungen an die Lagerung des Spiegels beim vermessen. Soweit so logisch so gut.


    Nun, da der Spiegel scheinbar fertig ist kommt die nächste Herausforderung. Das Teil sollte natürlich in einer schönen Holzkiste optimal gelagert senkrecht stehen.
    Während der normalen Polierphase hat man ja den Vorteil, dass beim vermessen der Spiegel gedreht werden kann und so der Lagerungsastigmatismus rausgerechnet wird. In meinem Falle hatte ich sogar immer 45°, also insgesamt 8 Stellungen des Spiegels gemittelt. Jetzt sieht die Sache anders aus, man hat nur noch eine Stellung und hier wird es interessant.


    Die Daten des Spiegels:
    Durchmesser: 300mm
    ROC: 3003mm
    Randdicke: 37mm
    Laut letzter FFT Messsession mit insgesamt 48 Interferogrammen in 8 Stellungen:
    Strehl:0,998
    RMS wavefront:1/148


    Ich fang einfach mal mit der Metamorphose meines Prüfstandes über die letzten Wochen an:



    Der Ausgangspunkt. Direkt an der Wand befestigt ist soch mal prima - wegen der Wackelei.



    Der Anti Luftturbulenztunnel: Das feste Styropur(Trittschalldämmung) hat sich gegenüber Malerfolie bewährt, da die dünne Folie sich auch wieder mit der Luft mitbewegt hat.



    Mit dem genialen Mirror Edge Calculator von Robert Houdart
    http://www.cruxis.com/scope/mirroredgecalculator.htm
    habe ich das hier entworfen. Solange der Spiegel beim messen immer gedreht wurde - kein Problem.
    Die Kugellager liegen in 22,5° und 67,5° von der Vertikalen am Spiegel an und die Wippe liegt durch das Stahlgewicht im Gleichgewicht.




    Das Bild zeigt die Null Stellung des Spiegels auf der Wippe als FFT Zernike Auswertung von OF. Hier sieht man schon, wie die zwei oberen Lager den Spiegel "quetschen", obwohl ich die Wippen mit den zwei runden Stahlgewichten ausgeglichen habe. Hier reiften in mir die ersten Zweifel, ob diese Lagerung optimal ist. Von meinem physikalischen Verständniss her müssten die Arme der Wippen nicht gleich lang sein.
    Es wäre mal interessant, die Krafteinleitungen der Auflagepunkte und die sich daraus ergebenden Deformierungen im Spiegel zu berechnen. Dafür fehlt mir allerdings das mathematische Wissen und die erforderliche CAD Software.



    Logische Konsequenz aus der obigen Messung war eine Unterstützung der unteren Rollen und damit die Entlastung der oberen Rollen.
    Es stellte sich sofort eine Verbesserung ein, leider kann ich meine Auswertungen dazu nicht mehr 100%ig zuorden. Ich hatte die Messreihen einfach durchnummeriert... [xx(]



    Nächstes Experiment: auch ganz gut. Die drei roten Kreise zeigen drei Schrauben, an denen der Spiegel hinten ganz leicht anliegt.
    Das hatte ich gemacht, weil das System starken Schwingungen ausgesetzt war. Das Interferogramm wollte einfach nicht ausschwingen. Lag wohl am heftigen Wind draußen.



    Dies ist nun der letzte Stand des universalen Prüfstandes. Die Auflagepunkte sind Kugelrollen mit Kunststoffkugeln. Erstaunlicherweise sind diese auch unter Belastung noch sehr leichtgängig. Wenn der Spiegel genau senkrecht steht, findet er automatisch auf die Schwerelinie. Dazu unten noch ein Link auf ein kleines Video.



    Die Kugelrollen. Der Spiegel liegt unten weder vorne noch hinten an. Die rote Linie ist die Schwerelinie. Wenn der Spiegel genau senkrecht steht, rollt diese automatisch auf die Kugeln.




    Die Vertikale Halterung: Der Spiegel hat hier 1-2mm Luft und ich justiere den Prüfstand so, dass sich der Spiegel kaum entscheiden kann, ob er nun lieber vorne oder hinten anliegen möchte.




    Die FFT Auswertung dazu sieht schon besser aus. Bin aber noch nicht dazu gekommen, da mal noch etwas rumzuvariieren. Die Deformierungen an der Oberen Hälfte des Spiegels gefallen mir noch nicht.





    Eine schöne Holzkiste ist schon fertig. [:)]
    Spiegel mal eben auf Styropur gestellt und getestet mit mäßigem Erfolg, was zu erwarten war...


    Hier noch das kleine Video zum Teststand:
    Achtung: Es sind 75MB im MP4 Vormat.
    http://www.sternwarte-kletzen.…ruefstand-kugelrollen.mp4


    Für Vermessungen, bei denen man den Spiegel immer mal drehen muss ist das einfach ein schönes Arbeiten.
    Das gelbe und blaue Zeugs kommt übrigens aus einem ganz simplen 3d-Drucker.


    So, das war es erstmal. Wie gesagt, da will ich noch so einiges experimentieren.
    Und wenn es dann gar nicht anders geht, wird der Spiegel eben dem Prüfstand angepasst. [8D]


    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Henri,


    ja, macht Sinn einen eigenen Thread aufzumachen.
    Dann kopiere ich meinen Text aus dem Lyot-Thread einfach mal hier her:


    Rein überschlägig sind die Verbiegungen bei senkrechter Aufstellung in diesem Fall unter 1nm RMS surface.
    Das ist Strehl 0.9995 und damit sehr schwer messbar.
    Alles andere würde mich sehr wundern, aber Du bist jetzt in der Lager hier Nägel mit Köpfen zu machen und genau nachzumessen.
    Mich interessiert das sehr!


    Als Aufstellung eignet sich praktisch nur die Zweipunktlagerung mit +/-45, vorzugsweise mit zwei Kugellagern:
    http://www.astrotreff.de/topic…HIVE=true&TOPIC_ID=121042


    Siehe auch den Beitrag von RogerZi unten auf Seite 1, das ist anders als bei Dobsons üblich weil hier die Freiheitsgrade anders liegen.
    Hier ist eine mustergültige Ausführung zu sehen:
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=181395


    Nach meiner Erfahrung mit größeren und dünneren Spiegeln, wo man die Teststand-Verbiegungen wirklich eindeutig sieht, müssen zunächst einige Messungen gemacht werden um den Teststand homogen auszurichten. Wasserwaage allein reicht nicht immer aus!


    Falls es Unterschiede in verschiedenen Stellungen gibt, kann man in diesem Fall die beste aussuchen und markieren.
    Ein Prüfsphäre wird ja nur in einer Stellung betrieben.


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Kai und alle mitlesenden, danke für die Links. Den ersten kannte ich noch nicht - sehr aufschlussreich.


    Der Tipp mit der Wasserwage war Spitze! Ich hätte nicht gedacht, dass sich ein Höhenunterschied von einem Millimeter zwischen den zwei Auflagepunkten so stark auswirkt. Jetzt sind die Deformationen schon mal viel symmetrischer.


    Und es gibt einen weiteren Ansatz:
    Ich hatte den Spiegel in 0° Stellung samt abgedichtetem Luftkanal etwa 2h aufgebaut und dann eine Messung gemacht - Werte wie immer. Dann habe ich den Siegel um 90° gedreht und die nächsten Aufnahmen gemacht. Beim FFT auswerten konnte ich regelrecht zuschauen, wie sich die Oberfläche veränderte. Ich kann's nur auf Temperaturunterschiede schieben...
    Bei mir im Messraum schwankt die Temperatur immer mal so um die 2°C. Mit meinem kleinen IR-Termometer konnte ich zwar bisher keine signifikanten Temperaturunterschiede zwischen Ober- u. Unterseite des Spiegels feststellen, da scheint aber definitiv was zu passieren.


    Ich werde das mal analysieren. Gut das mir die Problematik gerade im Herbst zufliegt, vor sechs Wochen wäre mir da vermutlich nichts aufgefallen


    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Henri,


    das thermische Verhalten kann man am besten an Extremen sehen, mein 85cm Spiegel war da besonders anfällig wegen dem großen Unterschied zwischen Rand- und Mittendicke (20 zu 7mm).


    Auskühlzeit im Teststand: min 4h, am besten über Nacht.
    Drehung nur mit Handschuhen, danach min 30min warten.
    Besonders eindrucksvoll: wenige Minuten am Teststand schrauben, *ohne* Spiegelberührung, danach deutliche Verformung wegen abgestrahlter Körperwärme[;)]


    Das ist jetzt in kleineren Dimensionen um Größenordnungen weniger kritisch, anderseits spielst Du in einem ganz anderem Genauigkeitsbereich.
    Rein vom Gefühl würde ich da ähnliche Maßstäbe ansetzen und dem Teil die Zeit geben die ihm gebührt.


    Nebenbei:
    Die Dreherei hat bei einer Referenzsphäre nur einen Zweck:
    Sicherstellen, dass die Austellung im Teststand optimal und reproduzierbar ist.
    Dann sollte man sich auf eine Stellung konzentrieren, da die spätere Betriebslage genauso vertikal ist.
    Bei einem "normalen" Spiegel dienen die Drehungen ja dazu, die Zenitstellung zu rekonstruieren, mangels direkter Mess-Möglichkeit.


    Viele Grüße
    Kai

  • Hallo Leute, ich versuche mal allen zusammen zu antworten:


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Drehung nur mit Handschuhen, danach min 30min warten.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Mach ich auch so, zwar nur mit dünnen Baumwollhandschuhen(in einem Bild oben), aber dafür noch mit einem Stück Styropur zur isolation.
    Nach der Drehung und dem schließen des Luftkanals mache ich die Auswertung und Mittelung der Interferogramme(etwa 15min). Erst dann werden die neuen Bilder gemacht. Vielleicht ist diese Zeit doch etwas knapp...


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Besonders eindrucksvoll: wenige Minuten am Teststand schrauben, *ohne* Spiegelberührung, danach deutliche Verformung wegen abgestrahlter Körperwärme
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das kann ich absolut bestätigen!




    --&gt;Kai
    ich hätte gedacht, dass deine akrobatisch dünnen Spiegel schneller die Wärme abgeben und sich die Teststandproblematik deutlich stärker auswirkt. Aber vermutlich ist es hier sehr schwierig Vergleiche zu suchen. Auch sollte mein Rohling spannungsfreier sein(hoffe ich), da feingekühlt.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dann sollte man sich auf eine Stellung konzentrieren, da die spätere Betriebslage genauso vertikal ist./quote]


    Also doch Spiegel an "Gehäuse" anpassen. [:)] Dieser Gedanke ist langsam aber sicher in mir gereift...


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">kannst du bitte ein Bild von deinem Bath zeigen<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    derzeitige Ausbaustufe [8D]




    [quote]Ich sehe an Deiner Konstruktion keine "Notbremse" unten.
    Hast Du keine Angst, dass Dir der Prüfling von den unteren Kugeln rollt?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Äh, ist noch nie passiert... [:D]
    Aber im Ernst, der Spiegel rollt da nicht einfach runter. Um es mit einfachen Worten zu auszudrücken: Das wäre als wenn ein Rad plötzlich bergauf rollen wollte. Vielleicht ist es in dem Video nicht gut erkennbar, aber wenn man den Spiegel unten nach vorne zieht und loslässt, rollt er automatisch wieder zur Schwerelinie zurück.


    ------


    Ich bastle derzeit gerade noch ein wenig an meiner Messtechnik herum. Ziel sind reproduzierbare Messreihen von verschiedenen Auflagepunkten.
    Hier geht es mir nicht nur um meine Sphäre. Mal sehen was dabei herauskommt.



    Beste Grüße, Henri

  • Hallo Armin,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">...aber wenn man den Spiegel unten nach vorne zieht und loslässt, rollt er automatisch wieder zur Schwerelinie zurück.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Offensichtlich muss es da eine Rückstellkraft geben, wie das Video zeigt. Vielleicht, dass durch das Rollen bis zur Kante, der Spiegel etwas schräg gerät und dabei der Schwerpunkt des Spiegels nach oben wandert. Vergleichbar zu einem Würfel, der diagonal auf einer Kante steht. Der hat dann auch den Drang (weiter oder zurück) zu rollen, bis er flach auf einer seiner Seiten liegt, in eine Position mit geringerer potentiellen Energie. Und die einzige Seite beim Spiegel, die zunächst in Frage kommt ist der Rand.

  • Hallo Henri,


    ihr habt mich da scheinbar falsch verstanden.
    Wenn Du versehentlich hängen bleibst, kann Dir der Prüfling herausfallen.
    Dagegen würde ich eine kleine Sicherung einbauen.


    Einfach weil Du dir sicher in den A.... beisst, wenn es passiert ;)


    Du kennst ja murphys Gesetzt.


    Viele Grüße


    Armin


    Dein Bath sieht sehr gut aus!

  • Hallo Kai,


    wegen dem Verhalten von dünnen Spiegeln mit signifikantem Dickenunterschied, erinnere ich mich an eine meiner Begegnungen mit den Technikern in der Werkstatt beim Observatorium Haute Provence, da erzählte mir ein Techniker, das die Problem mit einem Hochpräzisem 105cm F3 Spiegel, der trotz einer komplizierten Entlastungs Spiegelfassung, immer noch zu große thermische Probleme machte.


    Um einen nachtäglichen komplizierten teuren Umbau auf thermisch gesteuerte Adduktoren zu umgehen, wurde dem Spiegel hinten eine thermische Maske verpasst.
    Diese Maske bestand aus 2 übereinander geklebten verschieden großen Sternmasken die aus einem dünnem, festen Fließ ( ähnlich dem Malerfließ ) bestanden!
    Die große Maske mit langen Zacken die reichten bis an die Unterkannte der 70% Zone, die kleine Maske ( mit langen Zacken an der 5% Zone beginnend ) bis zum Startpunkt der Sternzacken der Großen, bei der ca. 35% Zone!
    diese Masken wurden nach einer erstellten Thermokurve berechnet!


    Die Auflagepunkte der Spiegelfassung wurden Dabei berücksichtigt ( thermisch neutralisiert &gt; keine Kältefinger ) und entrechtend, wenn nötig ausgespart!


    Dazu waren einige Tests nötig, die mit damals noch sehr teuren Thermokameras, um die Temperaturverteilung über den Auskühlungsprozess zu dokumentieren, bis eine gleiche Anpassung erreicht wurde!

    Gruß Günter


    GSO 12"+ 8" Skywatcher Dobson, Celestron 8" Schmidtkamera; C8 Orange + 5,5" Comet-Catcher; MAK 100/1000 + 127/1500; ED 80 PRO,

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