Buchrezension "Tod aus dem All"

  • Philip Plait
    <b>Tod aus dem All</b>
    Wie die Welt einmal untergeht


    442 Seiten, Paperback
    Rohwolt Taschenbuch Verlag
    Januar 2010
    ISBN: 978-3-499-62588-6
    Preis (D): 11,- €
    Titel der Originalausgabe: "Death From the Skies!"



    <b>Zum Autor:</b>


    Schon früh in seiner akademischen Laufbahn zeigte sich Phil Plaits Interesse an Fragestellungen mit einer gewissen Sprengkraft: er promovierte 1994 an der University of Virginia in Astrophysik mit einer Dissertation zur Supernova 1987A. Anschließend arbeitete er als Projektwissenschaftler an der COBE - Mission zur Vermessung der 3K-Hintergrundstrahlung, sowie an einem der "Arbeitspferde" des Hubble Space Telescope, dem abbildenden Spektrographen STIS. Anfang 2007 vollzog Plait dann den Schritt zur Laufbahn eines selbständigen Wissenschaftsautors.
    Vielen Lesern wird Phil Plait vor allem durch seine Webpräsenz bekannt sein: sein "Badastronomy Blog"


    http://blogs.discovermagazine.com/badastronomy/


    ist eine der herausragenden Adressen im Web wenn es um die fachlich fundierte Widerlegung von Pseudowissenschaft mit astronomischem Einschlag, aber auch um die Diskussion topaktueller Forschungsergebnisse geht.



    <b>Das Buch:</b>


    "2012" brachte unlängt die Apokalypse auf die Kinoleinwand, kaum eine Woche vergeht ohne TV - Dokumentation zu immer neuen Katastrophenszenarien, und auch hier im Astrotreff haben Astrophysiker und Stellarastronomen des öfteren mit Threads zu Asteroideneinschlägen oder nahen Supernovae zu tun - keine Frage also, der Weltuntergang hat Hochkonjunktur!
    Das Interesse an derartigen Szenarien ist natürlich berechtigt, denn, wie der Autor bereits auf der ersten Seite des vorliegenden Buches feststellt:


    "Das Universum wird uns <i>alle</i> vernichten."


    Das WANN und das WIE einmal abseits von Sensationsjournalismus wissenschaftlich fundiert und doch für jeden Interessierten verständlich zu diskutieren, das ist das Ziel das sich Phil Plait mit "Tod aus dem All" gesteckt hat. Und, soviel sei vorab gesagt, er erreicht dieses Ziel auf fulminante Art!
    Nachdem im kurzen Einleitungskapitel quasi die dem Universum zur Verfügung stehenden "Mordinstrumente" kurz gezeigt werden, widmet Plait anschließend einer wohlüberlegten Auswahl von Weltuntergangsszenarien jeweils ein eigenständiges Kapitel. Im einzelnen sind dies:


    - Asteroiden-/Kometeneinschläge
    - Sonneneruptionen
    - Supernovae
    - Gammastrahlenausbrüche
    - Schwarze Löcher
    - feindselige Ausserirdische
    - Tod der Sonne
    - Untergang der Milchstrasse
    - das Ende des Universums selbst.


    Angesichts dieser grossen Spannbreite an teilweise nur sehr unzureichend erforschten Themen war sicher stellenweise die Gefahr groß, zu weit in Spekulationen abzudriften. Es ist dem Autor hoch anzurechnen dass dies an keiner Stelle geschieht, sondern die Argumentation immer eng an Fakten und wo möglich auch aus der Vergangenheit bereits bekannten Vorfällen geführt wird. Jedes Kapitel beginnt mit einer Umschreibung des Szenarios, verpackt in eine fiktive Einblendung der "Stunde X". Anschliessend erfolgt eine detailliertere Skizzierung des Bedrohungspotentiales für die Menschheit. Dies kulminiert in einer im Kern qualitativen, aber doch an jeder Stelle nachvollziehbaren Einschätzung des tatsächlichen Risikos, welche wo vorhanden auch harte Zahlen aus der Fachliteratur aufgreift.

    Naturgemäß fällt das Resultat dieser Risikoeinschätzung für jedes Szenario anders aus, und hinzu kommen ganz erhebliche Unsicherheiten, denn die Wissenschaft weiss über Sonneneruptionen beliebig viel mehr als über Ausserirdische, nur eben auch nicht alles.
    Auch diese Unsicherheiten verschweigt Plait nicht etwa, sondern bezieht sie in die Diskussion mit ein, was ein wohltuender Unterschied zu sehr vielen anderen populären und mehr oder weniger wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex ist.
    Der Adrenalinspiegel des Lesers wird also angesichts des drastischen Katastrophenszenarios zu Beginn jedes Kapitels in die Höhe schnellen, aber am Ende bleibt dann doch jedesmal eine zentralen Erkenntnis. Nämlich dass die Gefahren die uns aus dem Universum drohen zwar nicht ganz auszuschliessen sind, das Risiko aber in jedem Fall so viel kleiner ist als beinahe jedes andere alltägliche Lebensrisiko dass der Blick zu den Sternen von wundervoller Neugierde statt von Angst geprägt sein sollte.


    Das schliesst aber keineswegs aus dass Plait auch an vielen Stellen für eine eingehendere Erforschung der Phänomene, und wo möglich auch der konzeptuellen Entwicklung von Abwehr- und Schutzstrategien z.B. gegen erdnahe Asteroiden oder Sonnenstürme, plädiert.


    Ganz nebenbei bekommt der Leser hier auch eine Art Crashkurs im kritischen Denken, was ein ausserordentlich wichtiges Rüstzeug in der heutigen, von pseudowissenschaftlichen Thesen und Verschwörungstheorien geradezu durchsetzten Informationslandschaft ist.


    Besonders im neunten Kapitel – zum Schicksal des gesamten Universums – entwickelt der Autor auch einige Ideen von philosophischer Tragweite, etwa diejenige dass ein in ferner Zukunft denkbarer Zerfall des falschen Vakuums weniger ein Weltuntergangs- als ein Geburtsereignis sein könnte, ermöglicht er doch vielleicht durch Änderung fundamentaler Parameter das erneute entstehen komplexer Strukturen in einem ansonsten erkalteten und „toten“ Kosmos.


    An die einzelnen Szenarien schliesst sich noch ein Kapitel an in welchem der Autor die jeweiligen Resultate kurz zusammenfasst, in einer mit Zahlen zu Risiko, Angaben zu potentiellen Schäden sowie möglichen Abwehrstrategien versehenen Tabelle einander gegenüberstellt, und auch in den Kontext aktuellen gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Handelns einbettet.


    Sprachlich gelingt es Plait im vorliegenden Buch durchweg einen lockeren Tonfall anzuschlagen, und doch nur selten zu weit in Richtung allfälliger Scherze zu tendieren.


    Wo so viel Licht ist da gibt es natürlich auch Schatten. So schlichen sich einige Ungenauigkeiten in der Übersetzung ein (Beispiel: „Kubikkilometern an … Sonnenoberfläche“, S. 76), die Qualität der SW – Abbildungen könnte teilweise besser sein, und die Fußnoten sind für einen ungestörten Lesefluß etwas zu zahlreich und umfangreich geraten.
    Dies sind aber kleinere Kritikpunkte, die den Wert des Buches insgesamt nicht schmälern.


    Jedem interessierten Hobbyastronomen – und sicher nicht nur diesen – kann ich „Tod aus dem All“ nur wärmstens empfehlen, und wünsche allen Lesern dass für sie Wirklichkeit wird womit Phil Plait sein Buch beschließt:


    „Wer den Gefahren des Himmel mit Respekt begegnet, ohne dabei den Blick für seine Schönheit zu verlieren, hat verstanden.“

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