<b>Vorgeschichte</b>
Astrofreund Karsten hatte zwei 8“ zur Auswahl und brauchte dazu Messhilfe. Teleskop Service (TS) hatte ihm diese Spiegel freundlicherweise im Rahmen einer höchst kulanten Umtauschaktion zur Verfügung gestellt. Da war ich natürlich neugierig geworden und gerne bereit die gewünschte Messhilfe zu leisten.
Die Dokumentation der einzelnen Interferogramme, aufgenommen in ROC mit dem Bath- Interferometer bei 532 nm möchte ich mir in diesem Bericht aus Platz- und Zeitgründen schenken. Ausgewertet wurde mit „openFringe“ Vers. 8.10. Wie bei mir üblich wurde für jede Einzelmessung 3 bis 4 Interferogramme aufgenommen und die entsprechenden Einzelergebnisse mit „openFringe“ gemittelt.
Hier also zunächst die Messergebnisse beider Spiegel nach vielstündiger Lagerung bei annähernd konstanter Temperatur:
<b>Bild 1</b>
<b>Bild 2</b>
Die Ergebnisse beider Spiegel verleiten zum „anbeißen“. Es wurden hier keine Zernikes zwecks Schönung ausgeknipst, außer den „branchenüblichen“ für Piston, X Tilt, Y Tilt und Coma.
Selbst wenn man die fast Strehl = 0,99 nicht ganz ernst nimmt hat Karsten jetzt einen erstklassigen 8“- Spiegel und ich hab erstmals in meinem Leben einen fertigen Parabolspiegel GEKAUFT.
Damit aber nicht genug, denn „LX“ hat mich neugierig gemacht. Deshalb folgte die
<b>spezielle Messserie während er Abkühlphase auf dem Prüfstand</b>
LX steht für low Expansion. Das soll heißen geringe thermische Änderung des Spiegelmaterials. Mehr dazu konnte TS leider nicht sagen. Ob diese Änderung bei Temperaturwechsel günstiger oder ungünstiger ist als z. B. Borofloat, Pyrex o. ä. war also nur durch Vergleichsmessungen herauszufinden. Als Vergleichsobjekt besitze ich zufällig einen ähnlich großen Spiegel aus Borofloat.
Hier die wichtigsten Daten der Spiegel:
<b>Bild 3</b>
sowie das Messprotokoll zum Vergleichsspiegel, garantiert im „ausgekühlten“ Zustand (gemessen nach mehrtägiger Lagerung im Prüfraum).
<b>Bild 4</b>
Ideal wären natürlich genau gleicher Durchmesser und Dicke des Vergleichsspiegels. Aber relativ einfache Messungen unter nicht ganz optimalen Randbedingungen sind auf jeden Fall gescheiter als reine Spekulation. Dazu reicht es natürlich, wenn man nur einen der „LX“ - Spiegel sowie den Borofloatspiegel unter möglichst gleichen Bedingungen untersucht. Das ist im folgenden der 198 LX (b) sowie der 219 Borofloat.
Der Versuch lief folgendermaßen ab:
1.Der Prüfling wird über mehrere Stunden an einem Ort mit praktisch konstant höherer Temperatur „aufgeheizt“. Dieser Ort ist die Oberseite meines an sich gut isolierten Heizkessels. Wenn man während der Dauer der Lagerung die Oberseite des Prüflings abdeckt ist seine Temperatur an Ende ca. 10°C höher als die Lufttemperatur im Prüfraum.
2.Der Prüfling wird auf den Prüfstand vor dem Interferometer justiert. Der Spiegelhalter aus Sperrholz ist rückseitig in Höhe der Spiegelmitte mit ca 40 mm durchbohrt. Durch diese Bohrung wird die Temperatur der Spiegelrückseite Mithilfe des Strahlungsthermometers gemessen.
<b>Bild 5</b>
3.Ca. 5 Minuten nach der Platzierung des Spiegels beginnt die erste Serie der Interferometeraufnahmen. Dieser Zeitpunkt wird willkürlich mit 0 bezeichnet. Danach folgen im Abstand von 15, 30, 60, sowie 120 min weitere Interferometeraufnahmen. Als Referenz- Messpunkt für die Umgebungstemperatur diente eine kleine Borofloatscheibe in unmittelbarer Nähe des Spiegelhalters. Deren Oberfläche wurde natürlich mit dem obigen Strahlungsthermometer abgetastet. Nach mehr als 12- stündiger Lagerung des Spiegels auf dem Prüfstand konnte man keine Temperaturdifferenz zwischen Spiegelrückseite und Referenzmesspunkt mehr messen. Man kann daher davon ausgehen, dass die vorher gemessenen Temperaturdifferenzen im Rahmen des Auflösungsvermögen des Messgerätes real sind. Genau genommen ist die Oberflächentemperatur während der Abkühlphase immer geringer als die im innern des Spiegels. Aber um diese Differenz messen zu können müsste man spezielle Temperaturmessfühler im Inneren des Spiegels einbauen. Die hier beschriebene Temperaturmessung ist jedenfalls gut reproduzierbar und nach meiner Eischätzung hinreichend genau zur Beurteilung des thermischen Verhaltens im praktischen Einsatz der Spiegel.
Hier die typischen Temperaturdifferenzkurven der beiden Prüflinge:
<b>Bild 6</b>
Überraschend an dem Ergebnis ist wahrscheinlich, dass diese Spiegel selbst nach 2 Stunden Abkühlzeit immer noch nicht vollständig abgekühlt sind. Erst nach mehr als 10 Stunden Lagerung auf den Prüfstand war die Temperaturdifferenz kleiner als das Auflösumgsvermögen des Temperaturmessgerätes.
Die nächsten Diagramme zeigen die Wellenfronten der Spiegel während der Abkühlphase. Zunächst der Borofloat Spiegel
<b>Bild 7</b>
Zu Beginn der Abkühlphase zeigt der Spiegel einen deutlichen Randeffekt (rote Kurve), aber man beachte die Skala. Die Differenz der Wellenfronten im Randbereich zum Zustand nach 2 Stunden Abkühlung (schwarze Kurve) beträgt weniger als 1/10 Wellenlänge bei einer Temperaturdifferenz näherungsweise 9°C zur Außenluft. Die dazwischenliegenden Kurven zeigen zwar ebenfalls eine systematische Änderung mit der Abkühlung, allerdings mit einer Differenz von max. 1/40 lambda (schwarz – gelb).
Das muss man sich mal richtig vor Augen führen. Nach 15 Minuten hat der Spiegel zwar noch rund 7°C Übertemperatur aber die Deformation der Wellenfront im Vergleich zum voll abgekühlten Zustand ist bereits vernachlässigbar. Man kann wohl davon ausgehen, dass beim praktischen Einsatz in einem Teleskop mit Ventilator derart hohe Temperaturdifferenzen nach weniger als 30 Minuten abgebaut sind. Es macht daher keinen Sinn einen Borofloat- Spiegel wie diesen oder einen mit ähnlichen Abmessungen irgendwie anders korrigieren zu wollen als möglichst genau parabolisch.
Nun mag man einwenden dass obige Messungen durch Luftschlieren infolge der Übertemperatur des Spiegels verfälscht und damit nicht aussagekräftig seien. Dazu folgendes:
Diese Luftschlieren gibt es nicht so lange der Spiegel wie hier auf den Prüfstand vertikal aufgestellt ist und die erwärmte vor dem Spiegel als dünne, laminare Schicht frei abströmen kann. Es gibt dagegen immer irgendwelche Luftschieren in dem relativ langes Strahlengang zwischen Prüfling und Interferometer. Deren Wirkung wurde hier ausnahmsweise durch alleinige Aktivierung der „Sphericals“ ausgeschaltet. Zusätzlich wurden genau wie eingangs gesagt 4 Einzelinterferogramme je Kurve gemittelt.
Die folgende Grafik mit Tabelle zeigt die Ergebnisse für den „LX“ Spiegel
<b>Bild 8</b>
Hier liegen die Kurven so eng beieinander dass man praktisch Änderung der Wellenfrontdeformation infolge Temperaturdifferenzen feststellen kann. Wird die derartiger Spiegel in einem Tubus mit Zwangsbelüftung eingebaut, dann kann man sofort nach dem Aufbau im Freien auch bei hohen Temperaturdifferenzen Spiegel - Umgebungsluft ungestört von Tubusseeig beobachten. Einschlägige Erfahrungen hab ich bereits vor mehreren Jahren mit einem 10“ Zerodurspiegel sowie einem 12“ Quarzspiegel machen können.
<b>Fazit</b>
Schade dass es nicht noch mehr solcher LX Spiegel zu kaufen gibt.
Gruß Kurt
<font color="limegreen"><font size="1">In's Optikforum verschoben, da hier solche Themen wohl eher erwartet werden. Stathis</font id="size1"></font id="limegreen">