Hallo Leute,
bevor es mit dem (etwas chaotischen?) Bericht los geht: Die letzten Wochen hatte ich ziemlich wenig Zeit. Deswegen an alle, die hier so schöne Berichte verfasst und Zeichnungen gepostet haben ein herzliches "Dankö![:p][:p]". Denn gelesen habe ich sie alle, nur zum angemessen antworten war leider keine Zeit[8)]
<b><font size="2">Exotisches visuell: 5 1/2 Herbig-Haro-Objekte?</font id="size2"></b>
Herbig-Haro-Objekte... darüber gelesen hatte ich ja schon öfters.
CCD-Aufnahmen, meist von Profis, wurden von mir irgendwann nur noch fleissig weggeklickt oder -geblättert - ist ja eh nichts für einen visuellen Beobachter. Immerhin müssen Amateurfotografen ihrer CCD-Kamera grosse Anstrengungen abverlangen, bis ein Hauch eines Quentchens eines Fuzzels auf dem Chip angekommen ist. Dachte ich zumindest immer.
Anfang 2008 schrieb Uwe Glahn diesen Bericht, in dem er die Sichtung von Herbig-Haro 1 und 2 beschreibt. Das visuell so was überhaupt möglich war rief bei mir reichlich kopfschütteln hervor. Aber fast noch interessanter war für mich, dass ich mit HH 255, oder besser Hind's veränderlicher Nebel NGC 1555, auch schon ein Herbig-Haro-Objekt selber beobachtet hatte.
Weitere eigene Sichtungen mussten nun her, soviel war mir klar. Denn diese exotischen und für unmachbar gehaltenen Objekte hatten nun mein Interesse geweckt. Und man soll nicht schlecht über Dinge reden, die man noch nicht selber - wenn vielleicht auch nur theoretisch - im Okular hatte[;)]
<b>Theorie...</b>
Herbig-Haro-Objekte können nur im direkten Umfeld von Gas- und Staubnebeln entstehen und sind Teil von dort stattfindenden Sternentstehungsprozessen. Protosterne oder sehr junge, gerade erst im Nebel entstandene Sterne blasen entlang ihrer Rotationsachse Gasjets in den Raum. Sobald diese Jets auf dichtere Gasmassen treffen bildet sich eine Stossfront aus und das interstellare Gas wird durch die freigesetzte Energie ionisiert - also zum leuchten angeregt. Da häufig ein unterbrochener Fluss vom (werdenden) Stern ausgeht, bilden sich nicht selten leuchtende Knoten, die wie entlang einer Perlenkette aufgereiht scheinen. Aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeiten der einzelnen Knoten und durch die Wechselwirkung mit den umliegenden Gasmassen ergibt sich eine Vielzahl von beobachteten Strukturen, die innerhalb nur weniger Jahre deutlichen Veränderungen unterliegen.
Da Sterne in Gaswolken gehäuft und kosmisch gesehen "gleichzeitig" entstehen treten auch die HH-Erscheinungen in einem Sternentstehungsgebiet häufig in Gruppen auf.
Die für die Jets verantwortlichen Sterne werden, abhängig von ihrer Masse, in zwei Klassen eingeordnet: T-Tauri-Sterne mit 0,3-2,0 Sonnenmassen und Herbig-Sterne mit 3-10 Sonnenmassen. Da auch unsere Sonne zu ihrem Beginn die T-Tauri-Phase durchlaufen und dabei Jets ausgestossen hat (Link), ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie in dieser Zeit ebenfalls HH's erzeugte!
Bei den Herbig-Haro-Objekten handelt es sich also immer um wenige (hundert-)tausende Jahre junge Strukturen, die auftauchen (konnte beobachtet werden), verblassen und dazwischen innerhalb kürzester Zeit ihre Bewegung im Raum und eine hohe Dynamik offenbaren. Da in den wenigen Jahren seitdem diese Objektklasse entdeckt wurde (in den 1940ern, in den 1970ern grob verstanden) intensiv an der Physik der HH's geforscht wird, gibt es reichlich Literatur zum Thema im Internet zu finden. Ganz besonders interessant ist sicherlich diese Webseite, auf der die Bewegung und Veränderung einiger HH's wunderschön hochaufgelöst in Form von kleinen "Filmchen" gezeigt wird!
<b>...und Praxis</b>
Das gleich vorweg: alle HH's sind ohne Nebelfilter beobachtet! Ich hab's einfach verduselt... unglaublich. Mein UHC ist eh klinisch tot und der [OIII] ist nicht zum Einsatz gekommen, da ich fälschlicher Weise zu diesem Zeitpunkt annahm, dass es sich bei den HH's um reine Reflexionsnebel handelt. Erst später habe ich gelesen, dass Nebelfilter zumindest manchmal einen gewissen Gewinn bringen sollen.
Auffällig ist, dass sich die weitaus meisten HH's in der Wintermilchstrasse befinden. Warum vergleichsweise wenige dieser Objekte in der mit Gasnebeln gespickten Sommermilchstrasse auftauchen ist mir nicht bekannt.
Also sollte eine gute Winternacht für einen kleinen Abstecher zu diesen Exoten genutzt werden. Zwischen Weihnachten und Neujahr war es dann endlich so weit und nach einigen Wochen dauergrau herrschten endlich wieder einmal fast optimale Bedingungen für Nebelbeobachtungen vor. Mit einem Mitbeobachter traf ich mich unter einer beeindruckenden Wintermilchstrasse, mit dabei die Aufsuchkarten von der zuvor getroffenen Auswahl erfolgversprechender Kandidaten.
Und gleich das erste Objekt sollte für reichlich Motivation für die nächsten Stunden sorgen!
<b>HH 161 (Cas, Daten)</b>
... befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Reflexionsnebel van den Berg 1 und umgibt den Emissionslinienstern LkHa 198, der für HH 161 verantwortlich ist. Auf dem DSS-Foto erkennt man, dass HH 161 vor einem Dunkelnebel steht. In einem 5 Bogenminuten-Radius befinden sich 5 weitere HH's.
Zunächst wurde von Beta Cas ausgehend der Reflexionsnebel vdB 1 aufgesucht. Der Nebel ist unter guten Bedingungen deutlich sichtbar und umgibt den hellsten Feldstern und ein benachbartes Sternpärchen als extrem diffuse Aufhellung. Die Nebel waren ganz eindeutig zu erkennen - damit zählt vdB 1 definitiv zu den leichteren Reflexionsnebeln.
Circa 5' nordöstlich dann die grosse Überraschung des Abends: HH 161 ist ab 200x um einen mittelschwachen Stern sofort und sehr leicht zu erkennen! Als beste Vergrösserung entpuppt sich 300x: ganz klar als elliptischer Nebel zu erkennen, nach Südosten vom Stern wegweisend. Mein Mitbeobachter fand das Teil zu einfach, er bat mich um schwereres[;)]
<b>HH 158 (Tau, Daten)</b>
... ist visuell eigentlich ein unspektakuläres Objekt, wenn einen der theoretische Background nicht interessiert. Interessant vielleicht aber auch, weil man eventuell der Erste ist, der den Nebel visuell besucht??
Mit 200x Vergrösserung lässt sich nur ein schwacher, diffuser Lichthof um einen mittelhellen Stern (Veränderlicher DG Tau) erkennen. Da dieser Hof um andere vergleichbar helle Sterne praktisch fehlt ist die Sichtung eindeutig.
<b>HH 43 (Daten) und HH 183 (Daten) (beide Ori)</b>
Beide Objekte passen theoretisch sehr schön ein ein Gesichtsfeld. Kein Wunder, denn man befindet sich gerade mitten im Orion-Nebelkomplex, in dem es vor HH's nur so wimmelt. In einem 20'-Radius um HH 43 werden immerhin 18 weitere Herbig-Haro-Objekte gelistet.
Die hellsten Vertreter im Sternbild Orion sind HH 1 und HH 2 bei NGC 1999, die ich diesmal zwecks *Neuland betreten wollen* Links liegen gelassen habe. Mit Neuland ist es im Orion aber alles andere als leicht, denn fast ausnahmslos alle HH's dieser Region sind definitiv zu lichtschwach für den visuellen Beobachter.
Auf dem DSS-Foto erscheinen beide Objekte angenehm hell, doch der Eindruck täuscht. Auch unter wirklich guten Bedingungen zählen beide HH's für mich zu den schwersten Objekten, die ich in den letzten Jahren probiert habe. Das Sternfeld ist schnell gefunden, die Positionen zum markanten Sterndreieck sind einprägsam. Es dauert mehrere Minuten, bis ich Nr. 183 zum ersten Mal Blickweise erahnen kann. Wackeln am Teleskop hilft spürbar und nachdem ich mehrere Male etwas aufblitzen sah versuchte ich mich an HH 43. Die Position zum Sterndreieck liegt ungünstiger, ich vermute mehrmals etwas, kann jedoch eine ganze Weile die genaue Lage nicht 100%ig festlegen. Nach etwa 15 Minuten ins Schwarze schauen bin ich mir nicht ganz aber zumindest seehr sicher, dass ich beide Objekte Blickweise immer wieder aufblitzen sehen konnte. Beide Objekte sind also grenzwertig und mehr als ein leicht flächiges "Etwas" ist hier nicht drin. Hier ziehe ich meine persönliche Machbarkeitsgrenze, mein Mitbeobachter konnte beide definitiv nicht erkennen.
<b>HH 160 (CMa, Daten)</b>
HH 160 liegt knapp 1° südlich vom häufig fotografierten IC 2177 (Seemöwennebel) entfernt in einer reichen Nebelregion. Reflexion- und Emissionsnebel wechseln sich hier in dichter Folge ab, der hellste Nebelteil des Komplexes trägt die NGC Nummer 2327. HH 160 dehnt sich um den recht hellen Veränderlichen Z CMa am westlichen Rand des grossen Nebelkomplexes aus.
Nach dieser Quelle handelt es sich bei HH 160 um insgesamt 16 Knoten, die beidseitig entlang der Rotationsachse des verantwortlichen Sterns angeordnet sind. Die CCD-Aufnahme in besagtem Paper zeigt eindeutig die Anordnung der Knoten im Sternfeld.
Dummerweise fand ich diesen Artikel erst bei meiner Recherche nach der Nacht, in der ich mich über den wunderbar einfach zu erkennenden Nebel freute[8)]
Mittig im Gesichtsfeld ist der recht helle Stern Z CMa zu sehen, um den ich den vermeintlichen Herbig-Haro-Nebel sah und zeichnete.
<i>Leider handelt es sich definitiv nicht um HH 160, sondern um den Reflexionsnebel GN 07.01.4!</i>
Zu dumm, denn die Freude war gross, als ein recht heller Nebel klar zu erkennen war und sogar etwas Detail entlockt werden konnte: Nach Südwesten ist der Nebel relativ hart abgegrenzt und so wirkt der sonst runde Nebel hier abgeschnitten. Nach Nordwesten lässt sich im Nebel ein feiner, sehr kontrastschwacher Streifen erahnen, der vom Stern abgeht. Das Herbig-Haro-Objekt selber ist definitiv weit jenseits der Machbarkeitsgrenze[:(!]
<b>HH 398 aka. LkHa 233 (Lac, Daten)</b>
Auf HH 398 bin ich durch das PDF-Dokument aufmerksam geworden, welches ich hier vorgestellt hatte. Yann Pothier hatte diesen Nebel mit 17,5" gezeichnet und die kuriose Form des Nebels hatte mich auf Anhieb interessiert. Yann benannte das Objekt mit "LkHa 233". Diese Bezeichnung gilt jedoch eigentlich nur für den Stern im Zentrum - der LkHa-Katalog, den Herbig im Jahr 1959 unter dem Titel "The Spectra of Be- and Ae-TYPE Stars Associated with Nebulosity" veröffentlichte, listet ausschliesslich Emissionssterne auf.
Um es noch ein wenig komplizierter zu machen, hier das Bild, welches ich mir nach mehreren Stunden Internetrecherche zusammen gereimt habe[V]
- Der Herbig-Stern trägt die Bezeichnung LkHa 233, soviel ist sicher.
- Bei dem den Stern umgebenden Nebel handelt es sich um einen Reflexionsnebel (auch sicher).
- Die Knoten im südwestlichen Arm des Nebels, die auf Aufnahmen auf dieser Seite recht gut zu erkennen sind, sollten (meine Quellen sind hier leider ungenau) das eigentliche Herbig-Haro-Objekt darstellen.
Meine Beschreibung: Um den hellen Zentralstern sehe ich auch schon mit Aufsuchvergrösserung (65x) und unter nicht optimalen Bedingungen schwach aber eindeutig einen Nebelhauch. Eine Steigerung der Vergrösserung ist immerhin noch bis 420x sinnvoll: Den Stern umgibt ein recht heller, auf den ersten Blick runder Nebelhalo. Auf den zweiten Blick dehnt sich der Nebel sehr schwach weiter nach Osten und Westen aus, grob 2:1. Alle Grenzen sehr diffus und schwer festzulegen. Vom Stern aus nach Südwesten geht eindeutig ein recht langer Nebelstreif ab. Auf der gegenüberliegenden Seite sehr kontrastschwach ein weiteres, kürzeres Filament im Nebel. Die westliche Hälfte des Nebels scheint Blickweise in der Mitte dunkler - nach längerer Beobachtung ist dieses Detail sicher zu sehen! Dadurch erscheint indirekt (durch die Dunkelteilung hervorgerufen) der dritte, nordwestliche Nebelstreif. Ich kann nicht sagen, ob ich das HH-Objekt tatsächlich gesehen habe (Teil des südwestlichen Arms), aber auch so ist der Nebel sehr interessant![;)] Ab 10" sollte der Reflexionsnebel unter sehr guten Bedingungen machbar sein.
Mein Fazit:
- Einerseits waren die Beobachtungen wirklich spannend, andererseits war die Recherche im Internet teilweise ernüchternd, denn die korrekten Zusammenhänge waren bei HH 398 aka. LkHa 233 nicht sicher heraus zu finden.
- HH 160 ist definitiv eine Fehlbeobachtung. Aber damit kann ich gut leben, denn der beobachtete Reflexionsnebel ist auch schon eine Zeichnung wert gewesen[:)]
Viele Grüsse,
Daniel