Es rauschte mal wieder mächtig im medialen Blätterwald, und jede Tageszeitung, von BILD bis FAZ, hatte mal wieder ein astronomisches Thema auf der Titelseite im Angebot. Worum ging es? Um Gliese 581c, die neuentdeckte "Supererde". Was man da nicht alles zu lesen bekam: Von Wasser, das man auf dem Erdzwilling gefunden hätte, bis hin zu Spekulationen über mögliche Bewohner auf diesem Planeten, war alles dabei. Aber was ist eigentlich dran an der ganzen Sache? Skepsis ist hier durchaus angebracht, egal ob das Niveau der Zeitung nun eher am oberen oder am unteren Ende angesiedelt ist. Ähnliches gilt für Fernsehberichte oder aufbereitete Artikel von Internet-News-Seiten.
Und wie findet man das nun heraus? Zurück zu den Wurzeln! Ursprung der ganzen Euphorie ist eine Pressemitteilung der europäischen Südsternwarte ESO, in der über die Entdeckung eines extrasolaren Planeten, den bis dato erdähnlichsten, berichtet wird (http://www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2007/pr-22-07.html). Daß man einen Planeten mit ungefähr fünf Erdmassen, dem 1.5fachen Erdradius und einer Umlaufszeit von 13 Tagen um einen einfachen kleinen roten Stern entdeckt hat, der schon seit 2005 als Mutterstern eines neptunähnlichen Planeten bekannt ist, heißt es dort. Und was ist nun mit Wasser auf dem Planeten, und mit den Aliens? Zwischen 0 und 40°C sollen die Temperaturen auf dem Planeten liegen, und eine Oberfläche könnte er haben. Kein Wort davon, daß man Wasser oder irgendwelche anderen interessanten Verbindungen bereits nachgewiesen hätte, Funksignale von möglichen Bewohnern schon gar nicht.
Wer noch tiefer gräbt, findet in dieser Pressemitteilung den Verweis auf die Originalveröffentlichung, dem sie zugrundeliegt. Wobei es sich in diesem Falle um einen sogenannten Preprint handelt, also ein Fachartikel, der noch gar nicht wirklich veröffentlicht wurde. Der Artikel wurde eingereicht bei Astronomy & Astrophysics, einer durchaus seriösen und glaubwürdigen astrophysikalischen Fachzeitschrift. Eingereicht heißt aber noch nicht druckfertig. Solche Artikel durchlaufen einen Begutachtungsprozeß, der hier noch nicht abgeschlossen ist. Lesen kann man das ganze aber dennoch schon, dann mal los (http://obswww.unige.ch/~udry/udry_preprint.pdf). Der Artikel kommt als Teil 11 einer Serie von Artikeln über die Entdeckung extrasolarer Planeten mit dem HARPS Instrument (http://www.ls.eso.org/lasilla/sciops/3p6/harps/) daher. HARPS steht für High Accuracy Radial velocity Planet Searcher, wir haben es also mit einem hochauflösenden Spektrographen zu tun, der Planeten mithilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode finden soll und auch fleißig tut.
Wie funktioniert das noch eigentlich? Bei der Radialgeschwindigkeitsmethode werden Planeten nicht direkt beobachtet, sondern man mißt Bewegungseffekte, die die Anwesenheit des Planeten auf den Mutterstern hat. Der Planet umkreist nämlich den Stern nicht nur einfach, sondern beide umlaufen den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Die Bewegung des Sternes dabei läßt sich messen, indem man die Position von Spektrallinien in seinem Spektrum sehr exakt vermißt. Durch den sogenannten Dopplereffekt scheint die Wellenlänge einer Spektrallinie nämlich verschoben, wenn sich der Stern, der das Licht aussendet, auf uns zu oder von uns wegbewegt. Während des Umlaufs des Planeten folgt diese Verschiebung einer sinusförmigen Kurve. Aus der Form der Kurve erhält man direkte Auskunft darüber, wie lang der Umlauf des Planeten dauert, mit welcher Geschwindigkeit sich der Stern bewegt, und ob die Bahn kreisförmig ist. Mit Hilfe des Gravitationsgesetzes kann man dann die Planetenmasse bestimmen. Die Sache hat noch einen nicht ganz unwichtigen Haken: Die Methode mißt nur die direkte Bewegung auf uns zu oder von uns weg. Das heißt, bei einem Planetensystem, auf das wir "von oben" draufschauen, messen wir gar nichts, schauen wir "auf die Kante" der Umlaufbahn, erhalten wir den größten Effekt. Die Wirklichkeit liegt dann meist irgendwo dazwischen, die Planetenbahn ist irgendwie geneigt, und der Neigungswinkel üblicherweise unbekannt. Als Folge davon müssen die berechneten Planetenmassen mit dem Sinus des Inklinationswinkels multipliziert werden, und die berechneten Massen sind immer nur untere Grenzen, der wahre Wert kann viel höher liegen.
Solche Messungen hat man auch mit Gliese 581 angestellt. Die daraus resultierenden Radialgeschwindigkeitskurven sind die einzigen Messungen, die über die neue Supererde vorliegen, und hier sind sie:
Nehmen wir zuerst die obere Kurve. Jeder einzelne Meßpunkt Zeitpunkt-Radialgeschwindigkeit gehört zu einem Spektrum. An diese Meßpunkte wird dann die Sinuskurve angepaßt und es ergeben sich die Planetendaten. Genau das hat man im Jahre 2005 mit 20 Meßpunkten von Gliese 581 schon getan, und einen Planeten mit etwa Neptunmasse gefunden (http://www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2005/pr-30-05.html). Schon damals deuteten Abweichungen in den Daten an, daß sich dort noch weitere Planeten verbergen könnten, und so hat man 30 weitere Spektren aufgenommen. Mit nun 50 Meßwerten kann man auf die suche nach diesen Planeten gehen. Die mittlere Grafik zeigt die Radialgeschwindigkeitskurve, wenn man den Effekt des ersten, großen Planeten herausrechnet. die Meßfehler der Datenpunkte sind jetzt deutlich erkennbar, trotzdem hat man auch hier wieder einen sinusförmigen Verlauf, die Signatur unserer Supererde. In der dritten Kurve wagen es die Entdecker dann, einen dritten Planeten in das System hereinzurechnen. Schließlich ergeben sich die oben genannten Werte für Umlaufdauer uns Masse der Supererde. Den Radius allerdings muß man abschätzen, verwendet wurde dafür ein Modell, daß den Radius anhand der Masse abschätzt. Solche Modelle haben üblicherweise jede Menge zusätzlicher Parameter, die das Resultat beeinflussen, hier wäre das zum Beispiel die genaue Zusammensetzung des Planeten. Daher kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß der endgültige Zahlenwert eine Unsicherheit von einem Faktor größer als 2 hat.
Und was ist nun mit Wasser auf dem Planeten? Aus der Umlaufdauer ergibt sich der Abstand des Planeten von seinem Zentralstern. Damit kann man jetzt beginnen, weitere Eigenschaften des Planeten zu modellieren. Der Stern Gliese 581 ist ein M-Stern, also kühler als die Sonne. Die Energieabstrahlung von Sternen aller Art kann man heutzutage mithilfe von aufwendigen Sternatmosphärenmodellen relativ gut vorhersagen. Lassen wir also unser M-Zwerg-Modell seine Umgebung bestrahlen, dann ergibt sich, wie stark der Stern den Planeten aufheizt. Auch ein solches Modell hat wieder jede Menge unbekannter Faktoren, zum Beispiel die genaue Zusammensetzung der Planetenatmosphäre und sein Abstrahlvermögen (die Albedo). Nimmt man zum Beispiel solche Modell her, und wendet es auf die Planeten unseres Sonnensystems an, kommen gerne mal Temperaturen heraus, die um einen Faktor 10 oder größer verkehrt sind, so groß sind hier die Unsicherheiten. Nichtsdestotrotz kann man wohl sagen das unser Freund Gliese 581c von den bislang bekannten extrasolaren Planeten noch derjenige mit den besten Chancen auf flüssiges Wasser ist, auch wenn aus den abgeschätzeten Temperaturen schnell sibirsche Minusgrade oder das Treibhaus der Venus mit ihren 500°C werden können, zieht man alle Unsicherheiten in Betracht.
Die Existenz von flüssigem Wasser ist das Hauptkriterium für die Positionierung eines Planeten in der sogenannten habitablen Zone, da ist Gliese 581c abgesehen von der Erde im Moment der einzige bekannte Kandidat, auch wenn noch genauere Messungen den Planeten schnell aus diesem Bereich herauskatapultieren könnten. Wer über eventuelles Leben auf dem Planeten spekulieren möchte, sollte immer bedenken, daß es abgesehen von dem dünnen Streifen, in dem sich die Planetenbahn um den Zentralstern befinden darf, noch jede Menge weiterer K.O.-Kriterien gibt. Wie wichtig die Atmosphärenzusammensetzung ist, sieht man ja schon an den Körpern in unserem eigenen Sonnensystem. Ein ganz entscheidener Faktor, der Gliese 581 zu einem ziemlich unwirtlichen Ort macht, ist auch die Frage seiner Tageslänge. Abgeleitet von den bekannten Bahnparametern wird der Planet ziemlich sicher (genau weiß man das natürlich nicht) gebunden rotieren, das heißt, dem Mutterstern immer dieselbe Seite zuwenden. Das bedeutet, daß eine Hälfte des Planeten immerfort beleuchtet und aufgeheizt wird, während die andere in andauerndem Schatten liegt. Je nach Aufbau des Planeten und seiner Atmosphäre selber gleicht sich dies duch heftige Winde aus oder auch nicht. Alles in allem ist Gliese 581 mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit ein recht lebensfeindlicher Ort. Nichtdestotrotz von allen bekannten extrasolaren Planeten immer noch der mit den wohl annehmbarsten Bedingungen.
Wie könnte man mehr über Gliese 581c erfahren? Das wird sehr schwer werden. Natürlich kann man im Spektrum des Sterns nach bestimmten Signaturen (z.B. Wasser oder organische Moleküle) suchen, aber das wird sehr sehr schwierig werden, denn der Stern selbst kann diese Signaturen teilweise auch aussenden. Gliese 581c ist auch kein Transit-Planet, während des Umlaufs des Planeten kommt es nicht zu einer Bedeckung. Wäre das der Fall, könnte man ein Differenzspektrum mit und ohne Bedeckung zu bilden und so versuchen, das reine Licht des Planeten zu erhalten. Auch eine direkte Abbildung wird in absehbarer Zeit wohl noch nicht zu machen sein. Bleibt also nur, mit Radioteleskopen in Richtung des Sternbilds Waage nach Signalen fremder Zivilisationen zu lauschen...